Zusammenfassung
Unter einer Geburtseinleitung versteht man die iatrogene Induktion muttermundwirksamer Wehen. Besonders häufig kommen dabei Medikamente (bspw. Prostaglandine oder Oxytocin) zum Einsatz, eine Geburt kann jedoch auch mechanisch (bspw. durch Amniotomie) oder mittels alternativer Methoden eingeleitet werden. Bei der Indikationsstellung gilt es insb. die Risiken einer Fortführung der Schwangerschaft gegen eine möglicherweise frühzeitige Entbindung abzuwägen. Die häufigsten Indikationen umfassen u.a. Terminüberschreitung, vorzeitigen Blasensprung, Oligohydramnion und fetale Wachstumsretardierung. Das individuelle Prozedere sollte stets in Absprache mit der Patientin erfolgen.
Allgemeines
- Definition: Iatrogene Induktion muttermundwirksamer Wehen zur Beendigung der Schwangerschaft
- Epidemiologie: 16–20% aller Geburten in Europa werden eingeleitet
- Methoden
Management der Geburtseinleitung
Aufklärung
Vor einer Geburtseinleitung muss die Patientin über alle Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Ebenfalls müssen ihr die Gründe für eine notwendige Geburtseinleitung erläutert und mögliche Alternativen aufgezeigt werden.
- Allgemeine Informationen
- Erklären der Notwendigkeit der geplanten Maßnahme und Aufzeigen möglicher Alternativen
- Erläuterung des Nutzens der Geburtseinleitung für Patientin und Fötus
- Erläuterung der Folgen und Risiken einer Nicht-Behandlung
- Risiken und Nebenwirkungen
- Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
- Übermäßige Wehentätigkeit, Wehensturm
- Vorzeitige Plazentalösung
- Uterusruptur
- Peripartale Blutungen
-
Fetaler Distress (akute fetale Gefährdungssituation)
- Siehe auch: Suspektes CTG oder Pathologisches CTG
- Notsectio
Voraussetzungen [1]
- Allgemein
- Entbindungstermin wurde in der Frühschwangerschaft durch sonografische Messung der Scheitel-Steiß-Länge ermittelt
- Indikation liegt schriftlich vor, siehe hierzu auch
- Aufklärungsgespräch ist durchgeführt und dokumentiert
- Schriftliche Einverständniserklärung liegt vor
- Diagnostisch
- Durchgeführte Fetometrie inkl. Plazentalokalisation
- Vaginale geburtshilfliche Tastuntersuchung ist durchgeführt und dokumentiert (Bishop-Score)
- Unauffälliges CTG (Mitbeurteilung der maternalen Wehentätigkeit)
- Gruppe-B-Streptokokken-Status bekannt
- Weitere
- Personelle und strukturelle Kapazität zur Überwachung der Schwangeren ist gewährleistet
- Tokolytika sind griffbereit, siehe: Notfalltokolyse
- Periphere Verweilkanüle ist gelegt
- Ggf. anästhesiologisches Konsil
- Notsectio kann bei Bedarf durchgeführt werden
CTG-Monitoring
Es gibt keine genaue Empfehlung für die Dauer der CTG-Überwachung nach medikamentöser Geburtseinleitung. Folgendes Schema kann dennoch angewandt werden:
- Vor Geburtseinleitung: Normales CTG über 30 min
- Nach Gabe des Medikamentes
- Bei Änderungen im Geburtsablauf : CTG über 30 min, ggf. kontinuierlich bei Auffälligkeiten
- Zustand nach Sectio caesarea: Kontinuierliche CTG-Überwachung ab regelmäßiger Wehentätigkeit bis zur Geburt
- Überwachungszeitraum je nach Medikament, siehe auch:
Indikationen und Kontraindikationen
Indikationen einer Geburtseinleitung
Es gibt zahlreiche fetale und maternale Indikationen für eine Geburtseinleitung. Ab der 42+0 SSW spricht man von Übertragung (Geburtshilfe) – spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte eine Geburtseinleitung oder eine primäre Sectio caesarea erfolgen, da das fetale Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko bereits ab der 38+0 SSW kontinuierlich ansteigt. Im Folgenden sind die wichtigsten fetalen und maternalen Indikationen aufgeführt. [2][2]
Fetale Indikationen [3]
- Terminüberschreitung (Geburtshilfe): Ab der 40+1 SSW bis zur 41+6 SSW
- Übertragung (Geburtshilfe): Ab der 42+0 SSW
- Spätester Zeitpunkt für die Geburtseinleitung!
- Zwillingsschwangerschaften [3][4]
- Unkomplizierte dichorial-diamniale Gemini: Geburtseinleitung oder primäre Sectio caesarea ab 37+0 bis 38+0 SSW
- Unkomplizierte monochorial-diamniale Gemini: Geburtseinleitung oder primäre Sectio caesarea ab 36+0 bis 37+0 SSW
- Monochorial-monoamniale Gemini: Primäre Sectio caesarea ab 32+0 SSW bis 32+6 SSW
- Isolierter SGA-Fötus [5]
- Geburtseinleitung ab der 39+0 SSW erwägen
- Eine Terminüberschreitung sollte vermieden werden
- Intrauterine Wachstumsretardierung (IUGR): Siehe Doppler-Sonografie der A. umbilicalis bei IUGR und Management der Geburt bei IUGR [6][7]
- Früher vorzeitiger Blasensprung
- Geburtseinleitung spätestens ab 37+0 SSW (ohne Anhalt auf ein Triple I)
- Siehe auch: Prozedere bei frühem vorzeitigem Blasensprung, subpartale antibiotische Therapie
- Vorzeitiger Blasensprung: Geburtseinleitung spätestens nach 24 h
- Isoliertes Oligohydramnion: Bei Vorliegen weiterer Risikofaktoren, Geburtseinleitung ab der 39+0 SSW empfehlen (großzügige Indikation und individuelles Vorgehen) [3]
- Siehe: Beurteilung der Fruchtwassermenge oder Single deepest Pocket (SDP)
- Z.n. intrauterinem Fruchttod [6]
- Individuelles Vorgehen, Geburtseinleitung ggf. ab der 38. SSW
- Makrosomie: Geburtseinleitung ab 39+0 SSW bei Föten >95. Perzentile („large for gestational age“) und nicht-diabetogenen Schwangeren [8][9]
Maternale Indikationen [3]
- Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (Präeklampsie, Gestationshypertonie) und chronische Hypertonie, siehe: Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen
- Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie: Geburtseinleitung ab 37+0 SSW oder Prolongation anbieten (nur bei gutem Blutdruck, ausgeschlossener Präeklampsie und fetalem Wohlbefinden)
- Chronische Hypertonie: Geburtseinleitung ab 38+0 SSW oder Prolongation anbieten (nur bei gutem Blutdruck, ausgeschlossener Präeklampsie und fetalem Wohlbefinden)
- Insulinpflichtiger Gestationsdiabetes ab 40+0 SSW [3]
- Intrahepatische Schwangerschaftscholestase
- Alter über 40 Jahre: Geburtseinleitungsversuch zwischen 39+0 und 40+0 SSW anbieten [2]
- Patientinnenwunsch (elektive Geburtseinleitung): Nicht vor 39+0 SSW empfohlen [3]
Kontraindikationen einer Geburtseinleitung
Absolute Kontraindikationen
- Kontraindikationen für eine vaginale Entbindung, u.a.
- Placenta praevia, Vasa praevia
- Querlage [3]
- Vorzeitige Plazentalösung
- Florider Herpes genitalis
- Vorliegen der Nabelschnur, Nabelschnurvorfall
- Absolutes Kopf-Becken-Missverhältnis
- Z.n. Uterusruptur
- Z.n. Operationen mit Eröffnung des Cavum uteri (Ausnahme: Sectio caesarea mit querer Uterotomie → Relative Kontraindikation),
- Für weitere Informationen siehe auch: Vaginale Geburt nach Sectio
- Bereits regelmäßige Kontraktionen
Relative Kontraindikationen
- Zwillingsschwangerschaften
- Z.n. Sectio caesarea mit querer Uterotomie [10]
Medikamentenspezifische Kontraindikationen
Medikamentöse Geburtseinleitung
Die medikamentöse Geburtseinleitung kann mittels Oxytocin oder Prostaglandinen erfolgen und sollte stets im Krankenhaus und unter CTG-Kontrolle durchgeführt werden. Die Wahl des Medikaments richtet sich u.a. nach Reife der Zervix (Bishop-Score) und nach Kontraindikationen. Nach vorausgegangener Sectio caesarea ist das Risiko für eine Uterusruptur bei einer medikamentösen Geburtseinleitung deutlich erhöht. Bei reifer Zervix können die Wehen mittels Oxytocin induziert werden.
- Zu den jeweiligen medikamentösen Geburtseinleitungsmethoden siehe auch
Geburtseinleitung mit Oxytocin
Oxytocin [3]
- Voraussetzungen und Indikationen
- Wehenfördernde Wirkung nur in Terminnähe
- Bishop-Score ≥6 [1]
- Langwierige Geburtseinleitung mittels Prostaglandinen ist für Mutter/Fötus nicht tolerierbar
- Frustrane Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
- Applikation: Intravenös (kontinuierlich über eine Infusionspumpe) [10]
- Während Verabreichung: Kontinuierliche CTG-Überwachung
- Höhere Effektivität in Kombination mit einer Amniotomie
- Kontraindikationen für eine Geburtseinleitung mit Oxytocin
- Vorherige Prostaglandingabe: Oxytocin darf frühestens verabreicht werden
- 30 min nach Entfernung eines Prostaglandin-Inserts
- 4 h nach oraler Gabe von Prostaglandinen
- 6 h nach intravaginaler oder intrazervikaler Gabe von Prostaglandinen
- Fetaler Distress: Akute Gefährdungssituation des Fötus ohne rasch absehbare Geburt
- Hypertone Wehentätigkeit
- Polysystolie
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile
- Für allgemeine Kontraindikationen siehe: Kontraindikationen einer Geburtseinleitung
- Vorherige Prostaglandingabe: Oxytocin darf frühestens verabreicht werden
- Wirkung: Weheninduktion und -verstärkung
- Nebenwirkung: Polysystolie und hypertone Wehentätigkeit, Kopfschmerzen, Bradykardie, Tachykardie, Blutdruckanstieg, Übelkeit, Erbrechen
- Vorteile
- Gute Steuerbarkeit
- Nach vorheriger Sectio caesarea bei Bishop-Score ≥6 möglich
Bei einer medikamentösen Geburtseinleitung mittels Oxytocin oder Prostaglandinen besteht die Gefahr der Überstimulation mit einem nachfolgenden Wehensturm. Daher müssen bei der Applikation immer Tokolytika griffbereit sein!
Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
Allgemeines
- Voraussetzungen
- Bishop-Score <6
- Fehlende Wehentätigkeit
- Applikation: Oral, vaginal oder intrazervikal
- Wirkung [11]
- „Aufweichung“ und Öffnung der Zervix
- Weheninduzierend
- Kontraindikationen der Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
- Z.n. Uterusoperationen wie bspw. Sectio caesarea (Ausnahme: Prostaglandin-E2-Präparate)
- Status asthmaticus in der Vorgeschichte
- Manifestes Triple I
- Regelmäßige Wehentätigkeit
- Allergie gegen Prostaglandin-Präparate bzw. deren Bestandteile
- Für allgemeine Kontraindikationen siehe: Kontraindikationen einer Geburtseinleitung
- Nebenwirkungen: Gastrointestinale Symptome, Kopfschmerzen, Fieber, Bronchokonstriktion, kardiale Nebenwirkungen, uterine Überstimulation
Prostaglandin-E2-Präparate (PGE2-Präparate)
- Gemeinsame Kontraindikationen der PGE2-Präparate
- Multiparität (≥6 Geburten)
- Noch nicht ins Becken eingetretener Kindskopf
- Verdacht auf fetalen Distress (akute fetale Gefährdungssituation)
- Ungeklärter vaginaler Ausfluss oder Blutungen während der Schwangerschaft
- Infektionen (Kolpitis, Zervizitis, Triple I)
- Lageanomalien oder regelwidrige Poleinstellungen
- Zervixläsionen
- Weitere Kontraindikationen siehe: Kontraindikationen einer Geburtseinleitung und Kontraindikationen der Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
- Besonderheit: Bei Z.n. Sectio caesarea gemäß DGGG-Leitlinie möglich [3]
- Voraussetzung: Bishop-Score <6
- Erhöhtes Uterusrupturrisiko berücksichtigen
- Rote-Hand-Brief zu Minprostin®, Prepidil® und Propess® (dinoprostonhaltige Arzneimittel) [12]
- Informationen zur Risikoreduktion von uteriner Überstimulation, Uterusruptur sowie fetalem bzw. neonatalem Tod unter besonderer Beachtung folgender Regeln
- Anwendung nur durch medizinisches Fachpersonal in spezialisierten geburtshilflichen Abteilungen
- Kontinuierliche CTG-Überwachung
- Einhaltung der Maximaldosis laut Fachinformation
- Einhaltung des Zeitabstandes zwischen PGE2-Anwendung und nachfolgender Oxytocingabe
- Aufnahme der unerwünschten Arzneimittelwirkungen "fetaler Tod, Totgeburt und neonataler Tod" in die Fachinformation
- Informationen zur Risikoreduktion von uteriner Überstimulation, Uterusruptur sowie fetalem bzw. neonatalem Tod unter besonderer Beachtung folgender Regeln
PGE2-Gel intrazervikal (Prepidil®-Gel)
- Voraussetzung: Bishop-Score <6
- Applikation
- Intrazervikal im Liegen mit anschließender Bettruhe (mind. 30 min), um ein Herausfließen des Gels zu vermeiden
- Nach Verabreichung: Kontinuierliche CTG-Überwachung
- Oxytocingabe frühestens nach 6 h
- Kontraindikationen siehe oben: Kontraindikationen der Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
- Nachteile: Herausfließen des Gels möglich bei fehlender vaginaler Wirkung, Gefahr der Überstimulation, weniger effektiv als die intravaginale Gabe
- Vorteile: Wenige systemische Nebenwirkungen
PGE2-Gel intravaginal (Minprostin®-Gel)
- Voraussetzung: Bishop-Score ≥4 . [3]
- Applikation
- Ins hintere Vaginalgewölbe im Liegen mit anschließender Bettruhe, um ein Herausfließen des Gels zu vermeiden
- Nach Verabreichung: Kontinuierliche CTG-Überwachung
- Oxytocingabe frühestens nach 6 h
- Kontraindikationen siehe oben: Kontraindikationen der Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
- Nachteile: Abfließen des Gels möglich, Gefahr der Überstimulation
- Vorteile: Wenige systemische Nebenwirkungen
PGE2-Vaginaltablette intravaginal (Minprostin®-Vaginaltablette)
- Voraussetzung: Bishop-Score >5 [3][10]
- Applikation
- Ins hintere Vaginalgewölbe im Liegen
- Nach Verabreichung: Kontinuierliche CTG-Überwachung
- Oxytocin frühestens nach 6 h
- Kontraindikationen siehe oben: Kontraindikationen der Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
- Nachteile: Freisetzung des Wirkstoffs unkalkulierbar, Gefahr der Überstimulation
- Vorteile: Wenige systemische Nebenwirkungen
Vaginales Prostaglandin-Freisetzungssystem PGE2 (Propess®)
- Voraussetzung: Nur ab 37+0 SSW (Propess®) bei unreifer Zervix unabhängig vom Bishop-Score
- Applikation
- Einlegen in das hintere Vaginalgewölbe und Drehung um 90°
- 30 min Bettruhe
- Nach Legen des Inserts: Kontinuierliche CTG-Überwachung
- Entfernung
- Bei regelmäßiger Wehentätigkeit, spontanem Blasensprung oder vor einer Amniotomie, V.a. uterine Überstimulation, fetaler Distress (akute fetale Gefährdungssituation) und Auftreten systemischer Nebenwirkungen
- Max. Liegedauer: 24 h
- Oxytocingabe frühestens 30 min nach Entfernung des Inserts
- Kontraindikationen
- Frühere Operationen oder Rupturen an der Zervix
- Weitere Kontraindikationen siehe: Kontraindikationen einer Geburtseinleitung und Kontraindikationen der Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
- Nachteile: Überstimulation, systemische Nebenwirkungen
- Vorteil: Hohe Rate an Entbindungen binnen 24 h
Prostaglandin-E1-Präparate (PGE1-Präparate)
Misoprostol oral
Seit September 2021 ist in Deutschland das Misoprostol-Präparat Angusta® zur Geburtseinleitung zugelassen. Der Off-Label Use früherer Präparate (bspw. Cytotec®) kann so durch ein zugelassenes Präparat ersetzt werden (siehe auch: Rote-Hand-Brief zu Cytotec®). Die WHO empfiehlt aufgrund einer Cochrane-Analyse mit 14.000 Patientinnen eine Einzeldosis von 25 μg für eine Geburtseinleitung. Letztendlich gelten klinikinterne Standards. [13][14][15][16][17]
- Dosierung: Angusta® [13][14][15][16]
- Voraussetzung [3]
- Geburtseinleitung im 3. Trimenon, ab der 37. SSW [16]
- Bishop-Score <7
- Applikation
- Kontraindikationen
- Z.n. transmuralen Uterus- oder Zervixoperationen oder Sectio caesarea
- Schwere Präeklampsie
- HELLP-Syndrom
- Mehrlingsschwangerschaft
- Nierenversagen (GFR <15 mL) [16]
- Uterusanomalien, die eine vaginale Entbindung unmöglich machen [16]
- Entzündliche Darmerkrankung
- Weitere Kontraindikationen siehe: Kontraindikationen einer Geburtseinleitung und Kontraindikationen der Geburtseinleitung mit Prostaglandinen
- Beachte: Kontroverse um mögliche Nebenwirkungen bei Off-Label Use von Cytotec® (Februar 2020)
- Statement der Fachgesellschaft DGGG: Gute Studienlage zu oralem Misoprostol und weitgehend sicheres Medikament bei adäquater Indikationsstellung, Patientenaufklärung und Handhabung [18]
- Rote-Hand-Brief zu Cytotec® äußert Sicherheitsbedenken [16][19]
- Nachteile: Überstimulation, systemische Nebenwirkungen , erhöhtes Risiko für postpartale Blutungen
- Vorteile: Wenige vaginale Untersuchungen notwendig, einschleichende Dosierung, preiswert, keine bronchokonstriktorische Wirkung, höchste Wirksamkeit bei unreifem Zervixbefund
Vaginales Prostaglandin-Freisetzungssystem PGE1 (Misodel®)
In einem im Jahr 2017 veröffentlichten Rote-Hand-Brief zu Misodel® wurde über exzessive uterine Tachysystolien berichtet, die möglicherweise nicht auf eine Tokolyse ansprechen. Laut Hersteller wurde dieses Präparat im Jahr 2019 aufgrund unternehmerischer Gründe aus dem Sortiment genommen. [20][21]
Bei einer medikamentösen Geburtseinleitung mittels Oxytocin oder Prostaglandinen besteht die Gefahr der Überstimulation mit einem nachfolgenden Wehensturm. Daher müssen bei der Applikation immer Tokolytika griffbereit sein!
Oxytocin kann bereits 30 min nach Entfernung eines Prostaglandin-Inserts verabreicht werden. Nach Gabe intravaginaler oder intrazervikaler Prostaglandine muss jedoch 6 h abgewartet werden!
Mechanische Geburtseinleitung
Neben der medikamentösen gibt es auch mechanische Formen der Geburtseinleitung, jedoch ist die Entbindungsrate nach medikamentöser Geburtseinleitung wesentlich höher. Mechanische Geburtseinleitungsmethoden spielen eine untergeordnete Rolle und kommen aufgrund einer geringeren Rate an Uterusrupturen v.a. nach vorausgegangener Sectio caesarea zur Anwendung.
- Eipollösung
- Voraussetzung: Auch bei unreifem Muttermundsbefund geeignet
- Durchführung
- Einführen eines oder zweier Finger in den Muttermund
- Ablösen der Fruchtblase vom unteren Uterinsegment mit kreisenden Bewegungen → Prostaglandinfreisetzung
- Wirksamkeit: Studienqualität gering, scheint aber ein effektives Verfahren zur Geburtseinleitung zu sein
- Ballonkatheter
- Voraussetzung: Auch bei unreifem Muttermundsbefund geeignet
- Kontraindikationen
- Durchführung
- Doppelballonkatheter (z.B. Cook®): Einlegen des Katheters in die Zervix, ein Ballon verbleibt intrauterin, der andere intravaginal, Auffüllen der Ballons mit etwa 80 mL Flüssigkeit
- Einzelballonkatheter (z.B. Foley®): Einlegen des Katheters durch die Zervix, der Ballon verbleibt intrauterin, Auffüllen des Ballons mit etwa 30–80 mL Flüssigkeit
- Entfernung bei Wehenbeginn oder nach spätestens 12 h [3][6]
- Am effektivsten in Kombination mit Oxytocin oder Prostaglandinen
- Vorteile
- Auch nach Sectio caesarea möglich
- Keine systemischen Nebenwirkungen
- Weniger Überstimulation als mit Prostaglandinen
- Hohe Patientinnenzufriedenheit
- Nachteile: Schmerzen, Gefahr aszendierender Infektionen [6]
- Hygroskopische Stäbchen (Dilapan®)
- Voraussetzung: Auch bei unreifem Muttermundsbefund geeignet
- Durchführung: Einlegen von bis zu fünf hygroskopischen Stäbchen in den Muttermund, die aufquellen und den Muttermund mechanisch weiten
- Nachteile: Teuer
- Vorteile
- Keine systemischen Nebenwirkungen
- Keine Antibiotikaprophylaxe notwendig
- Amniotomie in Kombination mit Oxytocin [3]
- Voraussetzung
- Bishop-Score ≥6
- Kopf fest auf Beckeneingang
- Durchführung: Künstliche Sprengung der Fruchtblase mittels Fingerling mit kleinem Häkchen
- Voraussetzung
Bei einer Amniotomie kann es zu einem Nabelschnurvorfall kommen!
Alternative Methoden
Zu den nachfolgenden alternativen Methoden der Geburtseinleitung gibt es keine evidenzbasierten Daten. Obwohl sie noch oft im klinischen Alltag angewendet werden, werden sie nicht mehr empfohlen und sollten nur noch im Rahmen klinischer Studien durchgeführt werden. [3]
Regelmäßiger Koitus [22][23]
- Voraussetzung: Keine
- Kontraindikationen
- Wirkungsmechanismus: Unklar, keine Evidenz der Wirksamkeit, in der Diskussion stehen
- Prostaglandinvermittelte Weheninduktion bei intravaginaler Ejakulation
- Physische Stimulation des unteren Uterinsegments
- Oxytocinausschüttung durch Orgasmus
Nelkenöltampon [24]
- Voraussetzung: Keine
- Kontraindikationen
- Durchführung: Intravaginale Anwendung eines mit Nelkenöl versetzten Tampons
- Wirkungsmechanismus: Wehenanregend
„Wehencocktail“ mit Rizinusöl (Off-Label Use) [3][25][26]
- Voraussetzung: Keine
- Kontraindikationen: Keine
- Durchführung: Einnahme eines speziellen „Cocktails“ mit Rizinusöl
- Wirkungsmechanismus: Verstärkung der Darmbewegung, dadurch wehenauslösend
Weitere Methoden
- Akupunktur
- Bauchmassage mit ätherischen Ölen
- Wehentee
- Bewegung (z.B. Spazierengehen)
- Scharf gewürzte Speisen
- Mamillenstimulation
- Homöopathie, bspw. Caulophyllum
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2020
- O48: Übertragene Schwangerschaft
- Inkl.: Tragzeitüberschreitung