Abstract
Disease-Management-Programme (DMPs) sind strukturierte Behandlungsprogramme der gesetzlichen Krankenkassen für Menschen mit chronischen Erkrankungen. Ziel ist, die Behandlung und Versorgung auf Basis aktueller Evidenz sowie durch stärkere Vernetzung und Abstimmung der verschiedenen Versorgungsebenen qualitativ zu verbessern. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist insb. auch die Motivation der Teilnehmenden zu einer Lebensstiländerung. Insgesamt soll eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes verhindert sowie Komorbiditäten oder Folgeerkrankungen verzögert bzw. vermieden werden. Momentan existieren DMPs für Asthma bronchiale, COPD, KHK, Diabetes mellitus Typ 1 und 2, Osteoporose und Brustkrebs. Die Einschreibung erfolgt i.d.R. über die hausärztliche Praxis, Kontrolluntersuchungen werden viertel- oder halbjährlich durchgeführt. Ende 2022 waren über 7 Millionen Menschen in Disease-Management-Programmen eingeschrieben [1]. Dieses Kapitel behandelt die primär internistischen, hausärztlich durchzuführenden DMPs.
Grundlagen
- Disease-Management-Programme (DMPs): Strukturierte Behandlungsprogramme der gesetzlichen Krankenkassen
- Zielgruppe: Menschen mit chronischen Erkrankungen
- Zweck
- Optimierung und bessere Koordinierung von Behandlung und Betreuung
- Auf Basis aktueller Kenntnisse der evidenzbasierten Medizin
- Aktuell angebotene DMPs
- In Planung (durch Beschluss des G-BA) [2]
Ziele
- Verbesserung der
- Versorgungsqualität
- Lebensqualität der Teilnehmenden
- Koordination und Kooperation der Beteiligten
- Wirtschaftlichkeit und Effizienz
- Vermeidung von
- Versorgungsdefiziten
- Folgeerkrankungen
- Komplikationen
- Krankenhausaufenthalten
Hintergrund
Historie
- Gutachten des Sachverständigenrates für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2001 [3]
- Erhebliche Mängel bei der Versorgung chronisch kranker Menschen in Deutschland
- Empfehlung zur Etablierung spezieller Programme für diese Gruppe
- Reaktion: Einführung DMP 2002 [4]
Gesetzliche Grundlagen
- Sozialgesetzbuch (SGB) V (§§ 137f und g)
- Einrichtungen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen [5]: Gestalten Form und Inhalt der DMPs
- Aufgaben des G-BA
- Auswahl der Erkrankungen
- Auswahl der Inhalte: DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL)
- Regelmäßige Überprüfung, Aktualisierung und Evaluierung der inhaltlichen Anforderungen der DMPs
- Aktuell Prüfung der Aufnahme digitaler medizinischer Anwendungen
- Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS): Zulassung der DMPs
Inhaltliche Anforderungen nach DMP-Anforderungen-Richtlinie [2]
- Evidenzbasierte Versorgungsinhalte
- Definition der Krankheit, Eingangsdiagnostik, Therapieziele und -planung
- Therapeutische Maßnahmen, Rehabilitation, Kooperation der verschiedenen Versorgungsebenen
- Stellen Behandlungsempfehlungen dar
- Dokumentation
- Strukturierte Schulungen
- Erfüllung der Voraussetzungen für die Programmeinschreibung (gemäß DMP-Anforderungen-Richtlinie)
- Evaluation der Programme
- Qualitätssicherung
- Feedbackberichte
- Qualitätsberichte durch die weiteren Beteiligten
Umsetzung
- Regionale DMP-Verträge: Zwischen gesetzlichen Krankenkassen und Leistungserbringern (Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen)
- Qualitätssicherung: Durch regelmäßige Evaluationen
Finanzierung
- Programmkostenpauschale (PKP) aus dem Gesundheitsfonds: Krankenkassen erhalten eine PKP für in DMPs eingeschriebene Versicherte
Teilnahme und Ablauf
Versorgungsebenen
- 1. Versorgungsebene: Koordinierende:r Ärztin/Arzt (i.d.R. Hausärztin/-arzt)
- Behandlung und Therapieplanung
- Unterstützung beim Erreichen der Ziele
- Koordinierung der Mitbehandlung
- Kann jederzeit gewechselt werden
- Andere Ärzt:innen können jederzeit konsultiert werden
- 2. Versorgungsebene: Besonders qualifizierte Ärzt:innen / Einrichtungen der spezialisierten Versorgungsebene (auch Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen)
- Mitbehandlung bei Überweisung
- In Ausnahmefällen: Auch Funktion der/des koordinierenden Ärztin/Arztes
Teilnahme als Ärztin/Arzt
- Teilnahmevoraussetzungen: Festgelegt in den DMP-Verträgen zwischen der zuständigen KV und den gesetzlichen Krankenkassen
- Passende Fachrichtung
- Nachweis regelmäßiger inhaltlicher Fortbildungen
- Entsprechende Praxisausstattung
- DMP-Vertrag beitreten
- „Teilnahmeerklärung Vertragsarzt/Leistungserbringer“ für das jeweilige DMP
- Ggf. „Ergänzungserklärung angestellter Arzt/Leistungserbringer” für angestellte Ärzt:innen
- Übersendung Teilnahmeerklärung an KV
- Prüfung der Teilnahmevoraussetzungen
- Erteilung der Genehmigung
- „Teilnahmeerklärung Vertragsarzt/Leistungserbringer“ für das jeweilige DMP
- Ggf. Schulungsberechtigung erwerben (ärztliches und nicht-ärztliches Personal)
- Vorteile für teilnehmende Ärzt:innen/Leistungserbringer:innen
- Erhöhung der Patientenadhärenz
- Effizientere Praxisabläufe durch koordinierte Termine
- Qualitätssicherung
- Bewerbung der Praxis („DMP-Ärztin/-Arzt“)
- Extrabudgetäre Vergütung
- Mitwirkung bei Versorgungsforschung
- Beendigung der Teilnahme
- Kündigung mit Frist von 4 Wochen zum Quartalsende möglich (schriftlich)
Teilnahme von Patient:innen
- Teilnahme: Freiwillig, kostenlos
- Voraussetzungen
- Gesicherte Diagnose
- Aktive Teilnahme und Mitarbeit
- Vorteile für Teilnehmende
- Verbesserung der Versorgung
- Unterstützung durch Krankenkasse, bspw. durch
- Gezielte Informationen
- Terminerinnerungen
- Ggf. finanzielle Anreize
- Beendigung der Teilnahme
- Durch Versicherte jederzeit möglich (auch ohne Begründung)
- Durch die Krankenkasse, wenn
- Zwei aufeinanderfolgende Untersuchungen versäumt werden oder
- Innerhalb von einem Jahr zwei empfohlene Schulungen nicht wahrgenommen werden (ohne verständlichen Grund)
- Neueinschreibung jederzeit möglich, falls gewünscht
Einschreibung von Patient:innen
- Über die GKV bei der/dem koordinierenden Ärztin/Arzt
- Auch in mehreren DMPs möglich
- I.d.R. bei einer/einem koordinierenden Ärztin/Arzt („Ein-Arzt-Prinzip“)
- Ausnahme vom „Ein-Arzt-Prinzip“: DMP Diabetes mellitus Typ 1, Brustkrebs
Ablauf
- Teilnahme-/ Einwilligungserklärung
- 3-fach: Für Patient:in, Ärztin/Arzt, Datenstelle
- Inkl. Patienteninformation und
- Informationen zum Datenschutz
- Erstdokumentation
- Anamnese, Untersuchung, Labor, Behandlungsplan, Therapieziele vereinbaren
- Indikationsübergreifender und -spezifischer Teil
- Ausdruck für Patient:innen
- TE/EWE und Erstdokumentation an Datenstelle senden (TE/EWE per Post!)
- Von dort: Weiterleitung an Krankenkasse zur Prüfung der Teilnahmevoraussetzungen
- Krankenkasse: Verschickt Teilnahmebestätigung an Patient:innen
Kontrolluntersuchungen
- Intervall: 1×/Quartal oder 2×/Jahr
- Ablauf
- Folgedokumentationen
- Anamnese, Untersuchung, Schulungs- und Behandlungsplanung
- Indikationsübergreifender und -spezifischer Teil
- Ausdruck für Patient:innen
- Übermittlung an Datenstelle
- Prüfung
- Ggf. in Kopie zurück an Ärztin/Arzt zur Korrektur
- Ggf. krankheitsbezogene Über-/Einweisungen (ggf. mit Ausdruck Folgedokumentation)
- Überweisung entsprechend kennzeichnen: Bspw. „Mitbehandlung im Sinne des DMP“ (für Abrechnung als extrabudgetäre Leistung)
- Sicherheitskopie der Datensätze anfertigen
- Folgedokumentationen
Besondere Situationen
- DMP und integrierte Versorgung
- Gleichzeitige Teilnahme möglich
- DMP auch in Form von integrierter Versorgung durchführbar (Regeln der DMP-A-RL gelten auch hier)
- Patient:in versehentlich bei zwei Ärzt:innen eingeschrieben
- Krankenkasse informiert
- Patient:in über die Notwendigkeit, sich für eine:n koordinierende:n Ärztin/Arzt zu entscheiden
- Entsprechend beide Ärzt:innen
- Krankenkasse informiert
- Arztwechsel
- Neue:r koordinierende:r Ärztin/Arzt: Erstellt lediglich Folgedokumentation und übermittelt an Datenstelle
- Datenstelle informiert Krankenkasse, diese informiert vorherige:n Ärztin/Arzt über den Wechsel
- Patient:in zieht in anderes Bundesland um
- Neueinschreibung inkl. Erstdokumentation erforderlich
Abrechnung und Vergütung
- Extrabudgetäre Vergütung durch die KV (quartalsweise) für
- Erst-/Folgedokumentationen
- DMP-spezifische Leistungen (sofern vertraglich vereinbart)
- Vergütungsvereinbarung des entsprechenden DMP-Vertrags
- Legt Vergütung für die Leistungen im jeweiligen DMP fest
- Mittels gesonderten, genehmigungspflichtigen Abrechnungsziffern abhängig vom jeweiligen DMP-Vertrag
- Vergütungshöhe: Unterscheidet sich regional leicht
- Korrekte Diagnose angeben!
Dokumentation Indikationsübergreifender Teil
Ablauf
- Dokumentation indikationsübergreifender Teil
- Ggf. teilweise an nicht-ärztliches Personal delegierbar
- Vorgesehene Untersuchungen (für Ausnahmen siehe: Tabelle)
- Körpergewicht
- Blutdruckmessung
Indikationsübergreifende Dokumentation (ausgenommen Brustkrebs) | ||
---|---|---|
Laufende Nummer* | Dokumentationsparameter | Ausprägung |
Administrative Daten | ||
1 | DMP-Fallnummer | Nummer |
2 | Name der/des Versicherten | Nachname, Vorname |
3 | Geburtsdatum der/des Versicherten | TT.MM.JJJJ |
4 | Kostenträgername | Name der Krankenkasse |
5 | Kostenträgerkennung | 9- bzw. 7-stellige Nummer |
6 | Versichertennummer | Nummer (bis zu 12 Stellen, alphanumerisch) |
7a | Vertragsarztnummer | 9-stellige Nummer |
7b | Betriebsstättennummer | 9-stellige Nummer |
8 | Krankenhaus-Institutionskennzeichen | IK-Nummer |
9 | Datum | TT.MM.JJJJ |
10 | Einschreibung wegen | KHK / Diabetes mellitus Typ 1 / Diabetes mellitus Typ 2 / Asthma bronchiale / COPD / Chronische Herzinsuffizienz / Chronischer Rückenschmerz / Depression / Osteoporose / Rheumatoide Arthritis |
12 | Geschlecht | Männlich / Weiblich / Unbestimmt / Divers |
Allgemeine Anamnese- und Befunddaten | ||
13 | Körpergröße | m |
14 | Körpergewicht | kg |
15 | Blutdruck | mmHg |
16 | Raucher:in | Ja / Nein |
17 | Begleiterkrankungen | Arterielle Hypertonie / Fettstoffwechselstörung / Diabetes mellitus / KHK / AVK / Chronische Herzinsuffizienz / Asthma bronchiale / COPD / Keine der genannten Erkrankungen |
Behandlungsplanung | ||
19 | Von Patient:innen gewünschte Informationsangebote der Krankenkassen | Tabakverzicht / Ernährungsberatung / Körperliches Training |
20 | Dokumentationsintervall | Quartalsweise / Jedes 2. Quartal |
*Zeile 11, 18, 21: „Weggefallen“ |