Zusammenfassung
Eine Analvenenthrombose ist eine lokalisierte Thrombose des perianalen Venenplexus und führt zu akut auftretenden analen Schmerzen. In der klinischen Untersuchung zeigt sich perianal ein praller, druckdolenter, livide verfärbter Knoten. Es kann eine konservative Therapie (antiphlogistisch, abschwellend) oder eine chirurgische Entlastung mittels Stichinzision oder Exzision der Thrombose erfolgen.
Definition
Plötzlich auftretende, meist schmerzhafte perianale Schwellung durch einen Thrombus [1][2] im subkutan gelegenen Plexus haemorrhoidalis inferior
Die Analvenenthrombose hat nichts mit Hämorrhoiden zu tun, vielmehr handelt es sich um einen Thrombus im Plexus haemorrhoidalis inferior, während Hämorrhoiden Erweiterungen des Plexus haemorrhoidalis superior sind!
Ätiologie
- Häufigkeit: Ca. 5% aller proktologischen Patient:innen [2]
- Prädisposition: Möglicherweise vergrößerte Hämorrhoidalpolster mit Verbindung zum Plexus haemorrhoidalis inferior
- Auslöser [2]
- Wetter: Kalt oder schwül
- Körperliche Belastung: (Ungewohnter) Sport
- Hoher intraabdomineller Druck: Starkes Pressen, Husten, schweres Heben, Schwangerschaft, Obstipation
- Ernährung: Bspw. Alkohol, Gewürze
- Mechanische Faktoren: Analverkehr, proktologische Voroperationen
Pathophysiologie
Die genaue Pathogenese ist bislang nicht geklärt, vermutet wird folgender Mechanismus: [3][4][5]
- Einriss der Intima im Plexus haemorrhoidalis inferior oder Thrombophlebitis
- Intravasale Thrombusbildung → Ggf. umgebendes Lymphödem
- Überdehnung von Anoderm und perianaler Haut → starke Schmerzen
Symptomatik
Die Analvenenthrombose imponiert als schmerzhafter, prall-elastischer Knoten (dunkelrot-livide, druckschmerzhaft, ca. 12–17,5 mm groß) im Analkanal oder am äußeren Analkanalrand. Zum Teil können auch mehrere Knoten perlschnurartig nebeneinander auftreten. [6]
- Leitsymptom: Perianale Schmerzen
- Auftreten der Schmerzen: Akut
- Schmerzverstärkung: Während und nach der Defäkation
- Schmerzcharakter: Brennend, stechend, Druckgefühl
Diagnostik
- Inspektion (Blickdiagnose)
- Palpation
- Ggf. proktoskopische Einstellung
Differenzialdiagnosen
- Mariske
- Perianaler Abszess
- Anal- und Hämorrhoidalprolaps
- Thrombosierte Hämorrhoide
- Inkarzerierte Hämorrhoide
- Analkarzinom
- Perianales Hämatom
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Konservativ
- Indikation: Kleiner Befund, abklingende Schmerzen, geringer Leidensdruck
- Lokale Maßnahmen
- Analhygiene
- Analgetische Salben: Bspw. auf Lidocain-Basis oder Cinchocain-Basis [5]
- Corticosteroidhaltige Salben: Bspw. Hydrocortison [5][7]
- Nifedipin-Salben
- Flavonoidhaltige Salben
- Ggf. Kühlen [8]
- Systemische Therapie
- Antiphlogistika: Bspw. Ibuprofen oder Diclofenac [5], bei Risikofaktoren in Verbindung mit einem Protonenpumpenhemmer , z.B. Pantoprazol
- Stuhlregulierung: Bspw. mit Macrogol
Die eindeutige Abgrenzung zu einem Prolaps oder Thrombus einer Hämorrhoide ist wichtig, da bei einer Analvenenthrombose kein Repositionsversuch unternommen werden soll!
Operativ
- Indikation: In Ausnahmefällen bei stark schmerzhafter Analthrombose , bei fehlender Rückbildung unter konservativen Maßnahmen, bei Rezidiven [3][8]
- Maßnahmen [3]
- Stichinzision
- Indikation: Kleine, frische Analvenenthrombosen
- Vorgehen: Stichinzision und schonende Exprimierung (Ausdrücken) des Thrombus
- Nachteil: Hohes Rezidivrisiko
-
Exzision der gesamten Thrombose
- Indikation: Größere Analvenenthrombosen, die weder konservativ noch per Stichinzision therapierbar sind
- Vorgehen: Flache, elektrochirurgische Abtragung der Thrombose mit offener Wundheilung
- Stichinzision
Praktisches Vorgehen bei Stichinzision
- Analgesie: I.d.R. Lokalanästhesie
- Instrumentarium
- Unsteril
- Handschuhe
- Schleimhaut-Desinfektionsmittel
- Lokalanästhetikum: Bspw. Lidocain 1–2% Injektionslösung
- Steril
- Skalpell zur Stichinzision
- Kompressen
- Ggf. lidocainhaltiges Gel (z.B. Instillagel® oder Cathejell®)
- Unsteril
- Lagerung: Seitenlage, angewinkelte Beine, ggf. Patient:in bitten, die obere Gesäßhälfte anzuheben
- Durchführung
- Desinfektion , ggf. Haarentfernung im Operationsgebiet
- Setzen der Lokalanästhesie
- Stichinzision und Exprimierung (Ausdrücken) des Thrombus bzw. Exzision des gesamten Hämorrhoidalknotens
- Vorlage von Kompressen, ggf. Einlage einer Kompresse in den Analkanal
Praktisches Vorgehen bei Exzision [9]
- Analgesie: Lokalanästhesie oder Allgemeinanästhesie
- Instrumentarium
- Unsteril
- Handschuhe
- Schleimhaut-Desinfektionsmittel
- Ggf. Lokalanästhetikum: Bspw. Lidocain 1–2% Injektionslösung
- Steril
- Sterile Handschuhe
- Sterile Abdeckung
- Skalpell und Präparierschere, elektrisches Messer
- Chirurgische Pinzette und Gewebeklemme nach Allis
- Kompressen
- Unsteril
- Lagerung: Seitenlage oder Steinschnittlage
- Durchführung
- Ggf. Anoskopie
- Desinfektion der perianalen Haut und des distalen Analkanals , ggf. Rasur des Operationsfeldes
- Ggf. Setzen der Lokalanästhesie
- (Spindelförmige) Inzision der Haut über der Thrombose: Radial (oder selten senkrecht ) zum Anus
- Fassen der nun abgelösten „Hautinsel“ mit der Gewebeklemme, auf leichten Zug hin tritt der thrombosierte Bereich hervor
- Scharfe Exzision des thrombosierten Venenabschnittes mit dem Skalpell oder elektrischen Messer
- Sorgfältige Prüfung des Wundgrundes auf Blutungen oder verbliebene Reste von Vene oder Thrombus
- Keine Hautnaht
- Vorlage von Kompressen, ggf. Einlage einer Kompresse in den Analkanal
Postinterventionelle Therapie
- Ausduschen des Afters (alternativ Sitzbäder) , Vorlegen von Kompressen
- Bedarfsorientierte Schmerzmedikation , z.B. Ibuprofen , bei Risikofaktoren in Verbindung mit einem Protonenpumpenhemmer wie Pantoprazol
- Vermeiden von Obstipationsbeschwerden: Ausreichende Trinkmenge, Quellmittel
- Ggf. proktologische Nachuntersuchung nach ca. 6 Wochen
Prognose
- Bei konservativer Therapie
- Meist komplikationslose Abheilung innerhalb von Tagen bis Wochen
- Ggf. spontaner Abgang des Thrombus mit begleitender Blutung
- Bei chirurgischer Therapie
- Meist sofortige Schmerzlinderung nach Beseitigung der Thrombose
- Residuum: Analmariske (perianale Hautfalte)
- Beide Verfahren
- Rezidivrate: 15% [1]
- Bei rezidivierenden Thrombosen: Ggf. Therapie begleitender Hämorrhoiden
Es drohen keine ernsthaften Komplikationen wie bei anderen Thrombosen (bspw. Lungenembolie durch das Abspülen des Thrombus)! [3]
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K64.-: Hämorrhoiden und Perianalvenenthrombose
- Inklusive: Hämorrhoidalknoten
- Exklusive: Als Komplikationen bei Geburt oder Wochenbett (O87.2), Schwangerschaft (O22.4)
- K64.0: Hämorrhoiden 1. Grades (Hämorrhoiden (blutend) ohne Prolaps)
- K64.1: Hämorrhoiden 2. Grades (Hämorrhoiden (blutend) mit Prolaps beim Pressen, ziehen sich spontan zurück)
- K64.2: Hämorrhoiden 3. Grades (Hämorrhoiden (blutend) mit Prolaps beim Pressen, ziehen sich nicht spontan zurück, manuelle Reposition jedoch möglich)
- K64.3: Hämorrhoiden 4. Grades (Hämorrhoiden (blutend) mit Prolaps, manuelle Reposition nicht möglich)
- K64.4: Marisken als Folgezustand von Hämorrhoiden (Marisken, anal)
- K64.5: Perianalvenenthrombose (perianales Hämatom)
- K64.8: Sonstige Hämorrhoiden
- K64.9: Hämorrhoiden, nicht näher bezeichnet (Hämorrhoiden (blutend): ohne Angabe eines Grades, o.n.A.)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.