Zusammenfassung
Bei Hämorrhoiden handelt es sich um den Plexus hämorrhoidalis superior (Corpus cavernosum recti), ein der Kontinenz dienendes, arteriovenöses Gefäßpolster oral der Linea dentata des Analkanals. Werden Hämorrhoiden klinisch auffällig, spricht man von einem Hämorrhoidalleiden. Es handelt sich um ein häufiges Krankheitsbild, dessen Symptomatik sich durch anale Blutungen (Differenzialdiagnose: Kolonkarzinom!), Schmerzen und Pruritus äußern kann. Zur Diagnosestellung ist eine proktologische Basisuntersuchung im Sinne einer Anamnese, Inspektion, digital-rektalen Untersuchung und Proktoskopie ausreichend. Eine Rektoskopie und evtl. Koloskopie dienen dem Ausschluss weiterer Pathologien.
Es lassen sich 4 Schweregrade differenzieren, die durch das Ausmaß des Prolaps beim Pressen und durch die Reponierbarkeit gekennzeichnet sind und die Therapie bestimmen. Neben Basismaßnahmen wie der Optimierung des Defäkationsverhaltens kommen bei I.- oder II.-gradigen symptomatischen Hämorrhoiden interventionelle Maßnahmen wie eine Sklerosierung oder Gummibandligatur zum Einsatz, während beim III.- oder IV.-gradigen Hämorrhoidalleiden ein operatives Vorgehen indiziert ist.
Definition
- Hämorrhoiden : Bei jedem Menschen vorhandenes Corpus cavernosum recti , ein oral der Linea dentata gelegenes, arteriovenöses zirkuläres Gefäßpolster, das Teil des Kontinenzorgans ist
- Hämorrhoidalleiden: Symptomatische Hämorrhoiden aufgrund einer Vergrößerung des Corpus cavernosum recti
Epidemiologie
Hämorrhoidalleiden [1]
- Sehr häufiges Krankheitsbild, vermutlich hohe Dunkelziffer
- Inzidenz: Häufigkeitsgipfel zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr, ♂ = ♀ [1]
- Lebenszeitprävalenz: Mutmaßlich 70% aller Erwachsenen leiden im Laufe ihres Lebens unter symptomatischen Hämorrhoiden [1]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Die Ätiologie der Entstehung von Hämorrhoiden und Hämorrhoidalleiden ist nicht ausreichend geklärt. Prädisponierend könnten u.a. sein: [1]
- Fehlerhafte Ernährung
- Erhöhter BMI
- Gestörtes Defäkationsverhalten
Pathophysiologie
- Nicht eindeutig geklärt
- Möglicherweise „Heruntersacken“ des Hämorrhoidalplexus aufgrund einer Zerstörung fixierender Strukturen [1]
- Veraltete Hypothese: Pathogenese entspricht der von Varizen. [1]
Der Begriff Hämorrhoiden bezeichnet ein arteriell gespeistes Gefäßpolster, keine anorektalen Varizen (=erweiterte Venen!).
Symptomatik
Symptome [1]
Die Beschwerden des Hämorrhoidalleidens sind nicht von der Größe der Hämorrhoiden abhängig. Sie sind unspezifisch und können auch bei anderen proktologischen Erkrankungen auftreten.
- Häufigstes Symptom: Transanale Blutung
- Häufig: Schleimige Sekretion, einhergehend mit Pruritus, Brennen und Nässen
- Schmerzen aufgrund von Begleitpathologien wie z.B. Fissuren oder Fisteln
- Bei inkarzeriert-thrombosiertem Hämorrhoidalprolaps: Schmerzen
- Bei fortgeschrittenem Befund: Fremdkörpergefühl
- Ulzeration (bei Grad IV)
Stadien
Schweregrad-Einteilung nach Goligher
Die hier genannte und häufig verwendete Einteilung der Hämorrhoiden erfolgt anhand des Ausmaßes des Prolaps in den Analkanal oder vor den Anus sowie dessen Reponierbarkeit.
Grad | Befund |
---|---|
I | Nur proktoskopisch sichtbare Knoten, die nicht prolabieren (Verbleib oberhalb der Linea dentata); reversibel |
II | Beim Pressen spontan prolabierend; Selbstreposition |
III | Beim Pressen spontan prolabierend; Prolaps nur manuell reponierbar |
IV | Fixierter Prolaps; nicht reponierbar |
Diagnostik
Anamnese
- Blutabgang
- Stuhlschmieren, Juckreiz, Schmerzen
- Prolaps/Fremdkörpergefühl bei Defäkation
- Koloskopische Untersuchung in der Vergangenheit
- Proktologische Vor-OPs
- Stuhlgewohnheiten
- Familienanamnese für kolorektale Karzinome
Untersuchung [2]
- Nachweis von Hämorrhoiden : Proktologische Basisdiagnostik [1]
- Inspektion
- Digital-rektale Untersuchung (DRU)
- Proktoskopie
- Differenzialdiagnostik
- Rektoskopie: Zum Ausschluss anderer proktologischer Erkrankungen
- Ergänzende Diagnostik [1]
-
Koloskopie, um andere Ursachen einer peranalen Blutung auszuschließen
- Insb. zum Tumorausschluss
-
Koloskopie, um andere Ursachen einer peranalen Blutung auszuschließen
Insb. bei peranalem Blutabgang sollte immer auch die Möglichkeit eines zusätzlich bestehenden kolorektalen Karzinoms bedacht werden!
Differenzialdiagnosen
- Für Differenzialdiagnosen einer transanalen Blutung siehe auch: Untere GI-Blutung
- Analvenenthrombose
- Analfissur
- Anal- und Rektumkarzinom
- Mariske [3]
- Definition: Schmerzloses Hautläppchen am Analrand
- Primäre Mariske: Hyperplasie der Haut unklarer Ursache (idiopathisch)
- Sekundäre Mariske
- Vorpostenfalte bei chronischen Analfissuren
- Operationsbedingt nach proktologischen Eingriffen
- Marisken bei Morbus Crohn
- Lokalisation: Meist bei 12 Uhr in Steinschnittlage, seltener bei 6 Uhr (bzw. in anderen Lokalisationen)
- Klinik: I.d.R. keine Beschwerden, selten mechanische Reizung
- Therapie: Behandlungsbedarf (Analhygiene, ggf. Resektion) nur bei symptomatischem Befund
- Definition: Schmerzloses Hautläppchen am Analrand
- Hypertrophe Analpapille [4]
- Definition: Vergrößerung natürlich vorhandener Analpapillen, häufig infolge chronischer oder rezidivierender Entzündungen
- Ursachen
- Entzündungen des Enddarms
- Analfissur
- Postoperativ nach proktologischen Eingriffen
- Lokalisation: Im Bereich der Columnae anales der Linea dentata
- Klinik: Von asymptomatischem Befund bis hin zu Fremdkörpergefühl, Schmerzen, Blutung
- Therapie: Behandlungsbedarf (Resektion) nur bei Symptomatik
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Eine Therapie ist nur bei Beschwerden verursachenden Hämorrhoiden (Hämorrhoidalleiden) erforderlich und erfolgt stadienabhängig. Bei Grad I und II stehen konservative und interventionelle Verfahren im Vordergrund, ab Grad III eine operative Therapie. Eine Ausnahme stellt die akute Thrombosierung oder Inkarzeration dar. Hier ist häufig ein (zunächst) konservativer Ansatz dem unmittelbaren operativen Vorgehen vorzuziehen. Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer OP wird dann im Verlauf gestellt.
Konservative Therapie
Basistherapie [1]
- Veränderung der Lebensgewohnheiten
- Ballaststoffreiche Ernährung
- Gewichtsreduktion, Sport
- Optimierung der Defäkation
- Symptomatisch, bspw. mit Hämorrhoidalia [1]
- Salben/Suppositorien (Analzäpfchen)
- Bspw. auf Lidocain-Basis oder Cinchocain-Basis
- Auf Corticosteroid-Basis (kurzfristige Anwendung zur Abschwellung entzündlicher Läsionen)
- Analtampons Suppositorium mit Mulleinlage
- Salben/Suppositorien (Analzäpfchen)
- Sonderfall: Akute Inkarzeration oder Thrombosierung von Hämorrhoiden [2]
- Antiphlogistika/Analgetika, z.B. Ibuprofen bei gegebenen Risikofaktoren in Verbindung mit einem Protonenpumpenhemmer , z.B. Pantoprazol
- Lokale Kühlung
- Stuhlregulierung: Bspw. mit Flohsamen oder Macrogol
- Ggf. OP im Verlauf (nach einigen Wochen)
Interventionelle Therapie
- Sklerosierung
- Indikation: Hämorrhoidalleiden Grad I(–II)
- Ziel: Fixierung des aufgeweiteten Corpus cavernosum recti oberhalb der Linea dentata
- Durchführung: (Ggf. wiederholende) Infiltration einer Sklerosierungslösung
- Methode nach Blond: Injektion von Sklerosierungslösung in die Hämorrhoidalknoten (submukös, oberhalb der Linea dentata)
- Methode nach Blanchard/Bensaude: Injektion der Sklerosierungslösung in die Region der zuführenden Hämorrhoidalarterien
- Pausieren von Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulantien nicht notwendig
- Gummibandligatur
- Indikation[1]
- Therapie der Wahl bei Hämorrhoidalleiden bei Grad II
- Alternativ zur operativen Versorgung bei Grad III [1]
- Ziel: Unterbrechung der hämorrhoidalen Blutversorgung, sodass die ligierten Hämorrhoiden im Verlauf nekrotisieren und abfallen
- Vorteil gegenüber der Sklerosierung: Geringere Rezidivrate[2]
- Durchführung: Abschnüren von Hämorrhoiden mittels Gummibändern in mehreren Sitzungen , ggf. mit Infiltration von Lokalanästhetika
- Indikation[1]
- Laser-Hämorrhoidoplastie [5]
- Indikation: Hämorrhoidalleiden Grad II–IV
- Vorteile: Geringe postinterventionelle Schmerzen, vergleichbare Symptomkontrolle und Rezidivrate wie die operative Hämorrhoidektomie
- Nachteil: Häufigere postinterventionelle Analvenenthrombose als bei den operativen Verfahren
- Durchführung: Einbringen der Lasersonde in das Hämorrhoidalpolster und thermische Obliteration
- Radiofrequenzablation [6]
- Indikation: Segmentäre Hämorrhoiden Grad III
- Vorteil: Ambulant durchführbar
Operative Therapie
Indikation [1]
- Versagen konservativer Maßnahmen bei Hämorrhoidalleiden Grad I und II
- Hämorrhoidalleiden Grad III und IV
Operative Therapieoptionen [1]
Bei den resezierenden Verfahren wird zwischen segmentären und zirkulären Verfahren unterschieden. Weiterhin gibt es nicht-resezierende Verfahren wie bspw. die Hämorrhoidenarterienligatur. Im Folgenden werden nur einige Verfahren weitergehend ausgeführt. Entzündungen wie Abszesse oder Fisteln gelten als Kontraindikation der Hämorrhoidektomie.
Segmentäre Verfahren | Zirkuläre Verfahren | Weitere operative Therapieoptionen |
---|---|---|
Offene Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan | Stapler-Hämorrhoidopexie (z.B. nach Longo) | Hämorrhoidalarterienligatur |
Geschlossene Hämorrhoidektomie nach Ferguson | Rekonstruktive Hämorrhoidektomie nach Fansler-Arnold | Recto-Anal-Repair (RAR) |
Submuköse Hämorrhoidektomie nach Parks | Hämorrhoidektomie nach Whitehead [1] | „Ligation under vision“ |
Wahl des Verfahrens
- Gleichwertigkeit segmentärer Verfahren untereinander [1]
- Zirkuläres Hämorrhoidalleiden Grad III → Stapler-Hämorrhoidopexie [1]
- Zirkuläres Hämorrhoidalleiden Grad IV → Segmentäres Therapieverfahren [1]
- Sonderfall akute Inkarzeration oder Thrombosierung von Hämorrhoiden → I.d.R. primär konservatives Vorgehen, ggf. OP im Verlauf [1][1]
Präoperatives Management
Allgemeines Management vor operativen Eingriffen
- Für allgemeine Hinweise zum präoperativen Management siehe
- Für Informationen zur Antibiotikaprophylaxe siehe: Perioperative Antibiotikaprophylaxe in der Darmchirurgie
Spezifisches Management bei Hämorrhoidalleiden: Maßnahmen vor operativer Versorgung
- Chirurgische Aufklärung bzgl. Art des Eingriffs und spezifischer Komplikationen (Siehe: Komplikationen der Hämorrhoidektomie)
- Ggf. präoperative Darmvorbereitung [7]
Durchführung ausgewählter Verfahren
Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan
- Segmentäres OP-Verfahren
- Indikation: Hämorrhoidalleiden Grad III und IV
- Operatives Vorgehen
- Anästhesie: Allgemeinanästhesie oder Spinalanästhesie
- Lagerung: Steinschnittlage
- Rektoskopie
- Segmentäre Resektion des/der betroffenen Hämorrhoidalknoten(s) unter Belassen eines Drainagedreiecks (offene sekundäre Wundheilung)
- Einlage einer Tamponade in den Analkanal, Vorlage von Kompressen
Stapler-Hämorrhoidopexie nach Longo
- Zirkuläres OP-Verfahren
- Indikation: Zirkuläres Hämorrhoidalleiden Grad III
- Operatives Vorgehen
- Anästhesie: Allgemeinanästhesie oder Spinalanästhesie
- Lagerung: Steinschnittlage
- Rektoskopie
- Intraanale Resektion des proximalen Hämorrhoidalgewebes mittels Stapler
- Einlage einer Tamponade in den Analkanal, Vorlage von Kompressen
- Vorteil gegenüber der Technik nach Milligan-Morgan: Geringere postoperative Schmerzen
Postoperatives Management [1]
- Kontrolluntersuchungen
- Bedarfsorientierte Medikation
- Topische Applikation von
- Nitraten, bspw. Glyceroltrinitrat
- Bspw. hydrophile Glyceroltrinitrat-Rektalcreme oder Rectogesic Rektalsalbe®
- Calciumantagonisten, bspw. Diltiazem
- Nitraten, bspw. Glyceroltrinitrat
- Systemische Medikation
- Bspw. Ibuprofen bei gegebenen Risikofaktoren in Verbindung mit einem Protonenpumpenhemmer , z.B. Pantoprazol
- Alternativ oder in Verbindung mit Ibuprofen: Metamizol
- Topische Applikation von
- Entlassmanagement / Hinweise für Patient:innen
- Mehrfach tägliches Ausduschen des Wundgebietes (insb. bei offenem OP-Verfahren), v.a. nach erfolgter Defäkation
- Ggf. Stuhlregulation mit bspw. Macrogol für etwa 7–10 Tage
- Verweis auf möglichen Abgang von (wenig) Blut
- Arbeitsfähigkeit: Etwa nach 1–2 Wochen
- Für allgemeine Hinweise zum postoperativen Management siehe: Postoperatives Management
Komplikationen
Komplikationen des Hämorrhoidalleidens
- Analekzem, Irritation der perianalen Haut
- Blutung
- Inkarzeration
- Thrombose
- Störung der Kontinenz
- Analfissur
Komplikationen der Hämorrhoidektomie
- Harnverhalt
- Nachblutung
- Rezidiv
- Wundinfektionen, Abszesse
- Verletzungen des Sphinkterapparats, Kontinenzstörungen
- Rektumstenose
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K64.-: Hämorrhoiden und Perianalvenenthrombose
- Inkl.: Hämorrhoidalknoten
- K64.0: Hämorrhoiden 1. Grades (Hämorrhoiden (blutend) ohne Prolaps; Hämorrhoiden Stadium 1)
- K64.1: Hämorrhoiden 2. Grades (Hämorrhoiden (blutend) mit Prolaps beim Pressen, ziehen sich spontan zurück; Hämorrhoiden Stadium 2)
- K64.2: Hämorrhoiden 3. Grades (Hämorrhoiden (blutend) mit Prolaps beim Pressen, ziehen sich nicht spontan zurück, manuelle Reposition jedoch möglich; Hämorrhoiden Stadium 3)
- K64.3: Hämorrhoiden 4. Grades (Hämorrhoiden (blutend) mit Prolaps, manuelle Reposition nicht möglich; Hämorrhoiden Stadium 4)
- K64.4: Marisken als Folgezustand von Hämorrhoiden (Marisken, anal)
- K64.5: Perianalvenenthrombose (perianales Hämatom)
- K64.8: Sonstige Hämorrhoiden
- K64.9: Hämorrhoiden, nicht näher bezeichnet (Hämorrhoiden (blutend): ohne Angabe eines Grades; o.n.A.)
- Exkl.: Als Komplikationen bei Geburt oder Wochenbett (O87.2), Schwangerschaft (O22.4)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.