Zusammenfassung
Der Lichen ruber planus beschreibt eine nicht-infektiöse, chronisch-entzündliche Erkrankung von Haut und Schleimhäuten, die sich morphologisch äußerst vielfältig manifestiert und ätiologisch unklar ist. Charakteristische Hauteffloreszenz ist eine flache, meist polygonale, gerötete Papel mit scharfer Begrenzung, die initial zentral eingedellt sein kann. Als Prädilektionsstellen sind vor allem beugeseitige Handgelenke, unterer Rücken, Kniebeugen, Unterschenkel und die Genitoanalregion bekannt, während insbesondere bei Befall der Schleimhäute eine weißliche Streifung (Wickham-Streifung) imponiert. Die Behandlung besteht aus der lokalen Applikation von Antihistaminika sowie aus lokaler oder (bei starker Exazerbation) systemischer Gabe von Glucocorticoiden. In der überwiegenden Mehrzahl der Krankheitsfälle verläuft der Lichen ruber zwar harmlos und heilt innerhalb von 12 Monaten ab, er kann jedoch aufgrund des ausgeprägten Juckreizes sehr quälend sein.
Epidemiologie
- Eine der häufigsten idiopathischen Hauterkrankungen weltweit (Prävalenz <0,5%)
- Häufigkeitsgipfel zwischen 30. und 60. Lebensjahr
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Idiopathisch
- Assoziiertes Auftreten mit Virushepatitis B und C
Symptomatik
- Hauterscheinungen
- Flache, meist polygonale, gerötete Papeln mit scharfer Begrenzung, die initial zentral eingedellt sein können
- Anordnung in größeren Gruppen, teilweise zu Plaques konfluierend
- An der Oberfläche der Papeln durchscheinende, weißliche Wickham-Streifung
- Nagelveränderungen in ca. 10% der Fälle, siehe: Lichen ruber des Nagels
- Prädilektionsstellen
- Beugeseitige Handgelenke, unterer Rücken, Kniebeugen und Unterschenkel
- Schleimhäute (sog. Lichen ruber mucosae): Mundschleimhaut bei etwa der Hälfte der Patienten befallen (stellt eine Präkanzerose dar )
- Genitoanalregion
- Verlauf: Schubweise mit starkem Juckreiz auftretend
Juckt es an den Handgelenken, an den Lichen ruber denken!
Ein Lichen ruber der Schleimhäute gilt als Präkanzerose und erfordert engmaschige Kontrollen der Mundschleimhaut!
Verlaufs- und Sonderformen
- Lichen ruber mucosae
- Lichen ruber verrucosus: Knotige, große Herde an den Unterschenkeln mit Tendenz zur Vernarbung
- Lichen ruber acuminatus: Befall der behaarten Hautareale mit mildem Juckreiz und Exanthem
- Lichen ruber follicularis capillitii: Befall der Kopfhaut mit einer vernarbenden Alopezie
- Histologie: Die erhaltenen Haarfollikel zeigen perifollikulär ein bandförmiges lymphohistiozytäres Infiltrat
- Direkte Immunfluoreszenz: Fluoreszierende Kolloidkörperchen im Bereich entzündeter Haut
- Lichen ruber des Nagels
- Bevorzugter Befall mehrerer Fingernägel, Zehennägel sind selten betroffen
- Klinisches Bild: Unspezifisch mit Onychodystrophie, aufgerauter Nagelplatte (Trachyonychie), Längsrillen, Tüpfelnägeln, distaler Onycholyse, Endzustand mit Vernarbung der Nagelmatrix
- Lichen ruber actinicus
- Definition: Seltene Sonderform des Lichen planus insb. bei Kindern mit Hauttyp IV–VI
- Klinisches Bild: Randbetonte, erythematöse, anuläre Plaques im Gesicht oder an den Handrücken (lichtexponierte Areale)
- Diagnostik: Klinische Diagnosestellung, ggf. ergänzend histologische Untersuchung
- Therapie
- Konsequenter Lichtschutz
- Topische Glucocorticoide
- Systemische Therapie entsprechend der Therapie des Lichen ruber planus
- Verlauf: Chronisch, postinflammatorisch-hyperpigmentierte Herde können persistieren
Diagnostik
- Isomorpher Reizeffekt: Durch mechanische Irritation provozierbar („Köbner-Phänomen“)
- Histopathologie
- Hyperkeratose
- Hypergranulose
- Sägezahnartig ausgefranste Akanthose
- Bandförmiges lymphohistiozytäres Infiltrat
Differenzialdiagnosen
Lichen sclerosus (et atrophicus) („Weißfleckenkrankheit“ )
- Kurzbeschreibung: Systemische, chronisch-entzündliche, nicht-infektiöse Dermatose unklarer Ätiologie, die sich durch atrophische, porzellanfarbene Papeln darstellt
- Geschlecht: ♀ > ♂
- Lokalisation
- Genitaler Lichen sclerosus: Vulva (♀), Präputialregion (♂), Perianalbereich
- Extragenitaler Lichen sclerosus: Insb. Rücken, Hals, Unterarme; seltener Mundschleimhaut
- Effloreszenz
- Unregelmäßige, porzellanfarbene, erhabene Papeln, die verhärtet (Plaques) und gut abgrenzbar imponieren, häufig mit entzündlichem Randsaum und blutenden Rhagaden
- Im Verlauf: Lichenifikation, die sich pergamentartig glänzend darstellt
- Klinik: Juckreiz, Schmerzen und Verengung des Vaginaleingangs (Vulvadystrophie) bzw. Phimosierung
- Komplikationen: Deutlich erhöhtes Karzinomrisiko (v.a. Vulvakarzinom)
- Therapie des vulvären Lichen sclerosus
- Ohne Epithelatypien
- Topische Glucocorticoidbehandlung mit Clobetasolpropionat Salbe oder bei geringeren Befunden oder Kindern mit Mometason-Salbe [1][2]
- Alternativ zu topischen Glucocorticoiden: Topische Calcineurinantagonisten (Tacrolimus) als Off-Label Use [3]
- Pflegende, fetthaltige Cremes, bspw. Deumavan®
- Vermeiden von Hautirritationen
- Bei Epithelatypien: Entfernung der Läsionen (siehe auch: Vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN))
- Ohne Epithelatypien
Weitere Differenzialdiagnosen
- Andere lichenifizierende Dermatosen
- Exanthematische Erkrankungen (z.B. Lues)
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Topisch oder systemisch
- Antihistaminika zur Therapie des Juckreizes
- Ciclosporin
- Retinoide
- Glucocorticoide
- Physikalisch: Bade- oder Creme-PUVA-Therapie
- Ohne Therapie meist selbstlimitierender Verlauf der Hautveränderungen innerhalb von 1–2 Jahren [4]
Alle Substanzen, die zur Therapie des kutanen Lichen ruber eingesetzt werden, können auch zur Therapie des oralen Lichen ruber verwendet werden!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- L90.-: Atrophische Hautkrankheiten
- L90.0: Lichen sclerosus et atrophicus
- Exklusive: Lichen sclerosus der äußeren Genitalorgane: Frau (N90.4), Mann (N48.0)
- L90.1: Anetodermie, Typ Schweninger-Buzzi
- L90.2: Anetodermie, Typ Jadassohn-Pellizzari
- L90.3: Atrophodermia idiopathica, Typ Pasini-Pierini
- L90.4: Akrodermatitis chronica atrophicans
- Herxheimer-Krankheit
- L90.5: Narben und Fibrosen der Haut
- Entstellung durch Narbe, Hautnarbe, Narbe o.n.A., Narbenverwachsung (Haut)
- Exklusive: Hypertrophe Narbe (L91.0), Narbenkeloid (L91.0)
- L90.6: Striae cutis atrophicae
- L90.8: Sonstige atrophische Hautkrankheiten
- L90.9: Atrophische Hautkrankheit, nicht näher bezeichnet
- L90.0: Lichen sclerosus et atrophicus
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.