Zusammenfassung
Glucocorticoide sind die Medikamente mit den meisten Indikationen in der Medizin. Durch ihre multiplen Eigenschaften, deren Wirkmechanismus häufig noch unbekannt ist, werden sie sowohl in der Akuttherapie (z.B. Anaphylaxie) als auch in der Langzeittherapie chronischer Erkrankungen eingesetzt. Zahlreiche Nebenwirkungen schränken den Gebrauch von Glucocorticoiden im klinischen Alltag jedoch ein.
Übersicht
Wichtige Vertreter mit gut zu merkenden Eigenschaften
Übersicht wichtiger Glucocorticoide | |||||
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Vorkommen | Tagesbedarf bzw. Cushing-Schwellen-Dosis (Cushingschwelle)* und Äquivalenzdosierungen | Relative glucocorticoide Wirkung | Relative mineralocorticoide Wirkung | Weitere Hinweise zu Wirkstoff und Präparaten | |
Cortisol (Hydrocortison) |
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Prednisolon oder Prednison |
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Dexamethason oder Betamethason |
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* Überschreitet man den Tagesbedarf, droht ein Hypercortisolismus/Cushing-Syndrom (Werte gelten für Erwachsene, bei Kindern etwa 25% der Dosis) |
Weitere Glucocorticoide
Weitere Glucocorticoide | |||
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Relative glucocorticoide Wirkung | Relative mineralocorticoide Wirkung | Weitere Hinweise zu Wirkstoff und Präparaten | |
Cortison | 0,8 | 0,8 | — |
6-Methyl-Prednisolon | 5 | – | |
Budesonid (inhalativ, topisch): Für Dosierungsanweisungen: siehe COPD - Medikamentöse Therapie in der klinischen Anwendung | >30.000 | Unklar | |
Fluticason (inhalativ, topisch): Für Dosierungsanweisungen: siehe z.B. COPD - Medikamentöse Therapie in der klinischen Anwendung | >90.000 | Unklar |
Wirkung
-
Antiinflammatorische und immunsuppressive Wirkung
- Akute Wirkung (Minuten): Nicht gänzlich geklärt, ein membranstabilisierender Effekt wird angenommen
- Langfristige Wirkung (Stunden und Folgezeit): Genomischer Effekt
- Hemmung des intrazellulären NF-κB → Multiple Entzündungs- und Immunmediatoren werden gehemmt → Zelluläre und humorale Immunantwort↓
Nebenwirkung
Die Nebenwirkungen sind entscheidend von der Therapiedauer und der Dosierung der Glucocorticoide abhängig.
Systemische Glucocorticoide (Akuttherapie)
- Endokrin: Hyperglykämie (insb. bei bekanntem Diabetes mellitus)
- Kardiovaskulär: Hypertonie
- Psychiatrisch: Stimmungsveränderungen (Euphorie oder Dysphorie), Psychose
- Hämatologisch: Leukozytose bei relativ führendem Neutrophilenanteil
Im Rahmen einer Akuttherapie mit systemischen Glucocorticoiden (insb. bei Einmalgabe) sind schwerwiegende Nebenwirkungen selbst bei sehr hohen Dosierungen selten!
Systemische Glucocorticoide (Langzeittherapie)
Mögliche Nebenwirkungen einer langfristigen, systemischen Glucocorticoid-Therapie | |
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Haut |
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Elektrolyte |
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Knochenstoffwechsel und Bewegungsapparat |
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Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel |
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Sexualhormone |
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Hämatologie |
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Gastrointestinal |
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ZNS und Psyche |
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Auge | |
Bei Kindern |
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Viele der hier aufgeführten Nebenwirkungen sind zugleich Symptome bzw. diagnostische Befunde eines Cushing-Syndroms!
Bei absehbar längerfristiger Glucocorticoidgabe (mehr als 3 Monate) sollte jeder Patient eine initiale Knochendichtemessung (DXA), eine Vitamin-D-Prophylaxe und ausreichende Kalziumzufuhr, ein moderates Muskeltraining und gegebenenfalls eine spezifische Osteoporosetherapie erhalten. (DGIM - Klug entscheiden in der Inneren Medizin)
Lokal wirksame Glucocorticoide
Inhalative Glucocorticoide
- Nebenwirkungen
- Prophylaxe: Mund mit Wasser ausspülen nach jedem Glucocorticoid-Sprühstoß
Kutan-applizierte Glucocorticoide
- Nebenwirkungen: Hautatrophie (häufig irreversibel), die sich klinisch als Zigarettenpapier-artige, atrophe Haut mit multiplen Teleangiektasien äußert
In besonders Glucocorticoid-sensitiven Hautbereichen (Gesicht, intertriginöse Regionen und Anogenitalbereich) sollte eine möglichst kurzfristige Anwendung von nur schwach wirksamen Glucocorticoiden erfolgen!
Es werden die wichtigsten Nebenwirkungen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Indikation
Substitutionstherapie
Symptomatische Therapie
- Akuttherapie
- Allergische Reaktionen und anaphylaktischer Schock
- Antiemetische Therapie (z.B. perioperativ oder im Rahmen von Zytostatika-Behandlungen)
- Akuter Asthmaanfall (Asthma bronchiale)
- Toxisches Lungenödem
- Akuter Schub einer autoimmunogenen Erkrankung (z.B. Multiple Sklerose)
- Hirnödem
- Dauerhafte Therapie
- Chronische, entzündliche Erkrankungen (z.B. Asthma bronchiale, COPD)
- Rheumatologische Erkrankungen (z.B. Sarkoidose, Sjögren-Syndrom)
- Endokrine Orbitopathie bei Morbus Basedow
- Lokale Therapie
- Multiple Verwendung in Salben, Tropfen, Injektionslösungen usw.
- Schwangerschaft: Betamethason-Therapie zur fetalen Lungenreife-Induktion
Kontraindikation
In der Akuttherapie (vitale Bedrohung) gibt es keine absoluten Kontraindikationen!
Relative Kontraindikationen
Die relativen Kontraindikationen leiten sich weitestgehend aus den Nebenwirkungen ab.
- Gastroduodenale Ulkuskrankheit
- Osteoporose
- Infektionserkrankungen
- Glaukom
- Schwangerschaft
- Thromboseneigung (z.B. bei hereditärer Thrombophilie)
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapieempfehlungen
- Systemische Therapie
- Gabe möglichst einmalig morgens vor 8 Uhr
- Grundsätzlich keine i.m. Applikation
Wird die Cushingschwelle über einen längeren Therapiezeitraum überschritten, so muss die Glucocorticoiddosis schrittweise reduziert werden, um die Gefahr des Auftretens einer Nebennierenrindeninsuffizienz zu minimieren!
- Lokale Therapie
- Intraartikuläre Injektion mit Kristallsuspensionen von Hydrocortison, Prednisolon oder Triamcinolon (Triamcinolonhexacetonid) : Bspw. bei Arthrose, juveniler idiopathischer Arthritis
- Bei Tendinitis
- Fächerförmige Infiltration in Sehnennähe
- Eine intratendinöse Injektion ist unbedingt zu vermeiden (Gefahr der Sehnenruptur!)
Bei einer intraartikulären Injektion besteht stets die Gefahr der Keimverschleppung und einer iatrogenen bakteriellen Arthritis!
Ausschleichen von Glucocorticoiden
- Indikation: Kein abruptes Absetzen von einem auf den anderen Tag bei
- Glucocorticoidtherapie >3 Wochen
- Bereits erkennbar vorliegendem Cushing-Syndrom unabhängig von der Therapiedauer
- Pathophysiologie
- Langfristige Glucocorticoidtherapie führt zur Suppression der endogenen Glucocorticoidproduktion
- Plötzliches Absetzen kann Addison-Krise hervorrufen
Bei einer Glucocorticoidtherapie bis 3 Wochen oder maximalen Dosen von 5 mg Prednison/Prednisolon bzw. 20 mg Hydrocortison ist i.d.R. kein Ausschleichschema erforderlich.
Eine längerfristige Glucocorticoidtherapie in einer Dosis von mehr als 5 mg/d Prednisonäquivalent soll nicht durchgeführt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Rheumatologie)
Beispielhafte Glucocorticoid-Ausschleichschemata [1]
Prednisolon- und Prednison-Ausschleichschema
Prednisolon-Ausschleichschema / Prednison-Ausschleichschema | |
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Tagesdosen bei Therapiedauer über 3 Wochen | Mögliches Ausschleichschema |
Prednisolon/Prednison >20 mg/Tag | Reduktion der Tagesdosis um 5–10 mg alle 7–14 Tage |
Prednisolon/Prednison 10–20 mg | Reduktion der Tagesdosis um 2,5 mg alle 7–14 Tage |
Prednisolon/Prednison 5–10 mg | Reduktion der Tagesdosis um 1 mg alle 7–14 Tage |
Prednisolon/Prednison <5 mg | Reduktion der Tagesdosis um 0,5 mg alle 7–14 Tage |
Hydrocortison-Ausschleichschema
Hydrocortison-Ausschleichschema | |
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Tagesdosen bei Therapiedauer über 3 Wochen | Mögliches Ausschleichschema |
Hydrocortison >80 mg/Tag | Reduktion der Tagesdosis um 20–40 mg alle 7–14 Tage |
Hydrocortison 40–80 mg | Reduktion der Tagesdosis um 10 mg alle 7–14 Tage |
Hydrocortison 20–40 mg | Reduktion der Tagesdosis um 4–5 mg alle 7–14 Tage |
Hydrocortison <20 mg | Reduktion der Tagesdosis um 2 mg alle 7–14 Tage |
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Glucocorticoide
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