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Pruritus

Letzte Aktualisierung: 21.10.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Pruritus (von lat. prurire = "jucken") bezeichnet eine unangenehme Empfindung der Haut, die eine Abwehrreaktion (Kratzen) hervorruft. Er ist Leitsymptom zahlreicher dermatologischer Erkrankungen, kann jedoch auch im Rahmen internistischer, neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen auftreten und sollte daher immer weiter abgeklärt werden. Neben einer ausführlichen Anamnese steht die Inspektion der gesamten Haut im Vordergrund, wobei auf primäre Hauterscheinungen sowie sekundäre Kratzläsionen geachtet werden sollte. Lässt sich der Pruritus anhand von Anamnese und klinischer Untersuchungen nicht sicher ätiologisch zuordnen, sollten weiterführende Untersuchungen (u.a. Labor, Bildgebung) erfolgen. Therapeutisch stehen neben der Therapie der Grunderkrankung symptomatische Maßnahmen (Kühlen, Antihistaminika, lokale Anwendung von Glucocorticoiden etc.) zur Verfügung.

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Definitiontoggle arrow icon

Unangenehme Empfindung der Haut, die lokalisiert oder generalisiert auftreten kann und zu einer Abwehrreaktion führt (Kratzen).

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Pathophysiologietoggle arrow icon

Die genaue Entstehung von Pruritus ist bisher unzureichend geklärt. Folgende Hypothesen werden diskutiert:

  • Mechanische/thermische Einflüsse oder der Kontakt mit Mediatoren (u.a. Histamin, Serotonin, Prostaglandine, Kinine) führen zu einer Aktivierung freier Nervenendigungen von polymodalen C-Nervenfasern in der Haut, was im ZNS als Jucken gedeutet wird
  • Erkrankungen/Medikamente, die zu einer vermehrten Freisetzung dieser Mediatoren führen, können Juckreiz hervorrufen. Dazu zählen:
  • Gate-Control-Theorie: Von A-Fasern übermittelte Schmerzreize hemmen die Weiterleitung von Stimuli in den C-Fasern in der Substantia gelatinosa, wodurch dermale Schmerzreize eines Segmentes das Jucken unterdrücken (Mechanismus des Kratzens)
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Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese

  • Mögliche Auslöser
  • Lokalisation
  • Verlauf
    • Akut vs. chronisch (>6 Wochen)
    • Abhängigkeit von der Tageszeit
    • Abhängigkeit von der Jahreszeit
  • "Kratzverhalten"
  • Allergien
  • Reise- und Umfeldanamnese
  • Grunderkrankungen und Medikamenteneinnahme
  • Begleitende Symptome, insb. B-Symptome
  • Psychosoziale Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Inspektion der Haut
    • Bei sichtbaren Hautveränderungen:
      • Lokalisation
      • Art der Hauterscheinung
      • Hautveränderung durch Erkrankung vs. durch Kratzen
      • Nicht immer sind jedoch sichtbare Hautveränderungen zu finden!
  • Allgemeine körperliche Untersuchung

Es sollte immer die gesamte Haut untersucht werden und nicht nur die juckenden Stellen!

Weiterführende Diagnostik

Bei einem akuten Pruritus sind meist die Anamnese und klinische Untersuchung für eine Diagnosestellung ausreichend. Bei einem chronischen Pruritus sind jedoch i.d.R. weitere laborchemische und apparative Untersuchungen erforderlich.

Ein Pruritus ohne Hautkorrelat muss immer gründlich abgeklärt werden, da ihm schwerwiegende Erkrankungen wie Malignome zugrunde liegen können!

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Differenzialdiagnostische Grundüberlegungen

  • Dermatologische Erkrankungen sind die Hauptursache für einen Pruritus. Daher sollten diese immer als erstes bedacht werden - zumal sie oftmals allein durch die Inspektion zu diagnostizieren sind
  • Liegen keine Hautveränderungen vor, ist eine systemische, nicht-dermatologische Erkrankung (bzw. Medikamentennebenwirkung) in Betracht zu ziehen
  • Die Einteilung in lokalisierten vs. generalisierten Pruritus ist meist nicht wegweisend, da auch systemische Erkrankungen zu einem lokalen Pruritus führen können oder ein generalisierter Pruritus an einer Lokalisation besonders stark wahrgenommen werden kann

Chronische Kratzläsionen können sich mit unterschiedlichen Morphologien manifestieren (z.B. Lichenifizierung), so dass eine Abgrenzung zu primären dermatologischen Erkrankungen große Schwierigkeiten bereiten kann und im Zweifel einem Dermatologen überlassen werden sollte!

Differenzialdiagnosen nach ätiologischen Gruppen

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

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AMBOSS-Pflegewissen: Pruritustoggle arrow icon

Die spezielle Pflege bei Juckreiz richtet sich nach der vorliegenden Grunderkrankung. Insb. die Beratung der Patient:innen und die Überwachung des Verlaufs stehen im Vordergrund.

Beobachten/Überwachen

Der Verlauf wird systematisch erfasst und dokumentiert. Folgende Leitstruktur eignet sich:

  • Skalen zur Qualifizierung des Juckreizes: Analog zur Schmerzerfassung einsetzbar
  • Haut: Neu aufgetretene oder zu-/abnehmende
    • Rötungen
    • Pusteln, Quaddeln
    • Trockenheit
    • Kratzspuren
  • Auslöser: Gemeinsam mit den Patient:innen besprechen, ob Auslöser bekannt sind bzw. identifiziert werden können, bspw.
    • (Neu angesetzte) Medikamente
    • Nahrungsmittel
    • Stress
    • Schwitzen
    • Kontakt zu allergenen Materialien
    • Trockene Umgebungsluft

Medikamentöse Therapie

  • Siehe auch: Therapie bei Pruritus
  • Topisch und/oder systemisch (p.o. oder seltener i.v.)
  • Aufgaben der Pflegefachkraft
    • Durchführung und Überwachung der medikamentösen Therapie, insb. Beobachtung und Dokumentation des Therapieerfolges
    • Bedarfsmedikation verabreichen
    • Ggf. Unterstützung bei der Applikation von Cremes und Salben , insb. auf schwer zu erreichende Körperstellen

Körperpflege

  • Physiologischen pH-Wert der Haut aufrechterhalten durch
    • Ausgewählte Hautpflegeprodukte (inkl. Handseife)
      • Ohne Duft- und Konservierungsstoffe sowie Alkohol
      • pH-neutral
      • Feuchtigkeitsspendend, rückfettend, beruhigend
    • Händewaschen und -desinfektion nur, wenn tatsächlich nötig
    • Kontakt mit Chemikalien, bspw. in Putzmitteln, vermeiden
  • Fingernägel kurz und sauber halten
  • Nur kurz und lauwarm duschen
  • Beim Abtrocknen der Haut: Tupfen, nicht reiben
  • Raue (bspw. Wolle) und eng anliegende Kleidung vermeiden
  • Atmungsaktive Kleidung aus unbehandelter Naturfaser bevorzugen
  • Waschmittel für empfindliche Haut benutzen, Weichspüler meiden

Ernährung

  • Bekannte Allergene meiden
  • Meiden von Lebensmitteln, die die Durchblutung der Haut fördern

Beratung

  • Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzen erläutern
    1. Juckreiz tritt auf.
    2. Die Patient:innen kratzen sich.
    3. Es kommt zu einer kurzfristigen Erleichterung.
    4. Durch das Kratzen wird die Haut weiter gereizt.
    5. Der Juckreiz tritt erneut (und ggf. verstärkt) auf.
  • Alternativstrategien zum Kratzen aufzeigen
    • Juckende Hautareale mit der flachen Hand oder mit Gegenständen, die keine Verletzungen verursachen können, bearbeiten , bspw.
      • Klopfen
      • Drücken
      • Massieren
      • Kneten
    • Ablenkung
    • Entspannungstechniken
    • Kühlen, z.B. mit feuchten Umschlägen oder Kühlpacks
    • Bei starkem Juckreiz nachts ggf.
      • Baumwollhandschuhe tragen
      • Juckende Stellen prophylaktisch verbinden
  • Individuelle Auslöser identifizieren
    • Juckreiztagebuch führen
      • War der Juckreiz immer vorhanden oder nur zeitweise?
      • Wie stark war der Juckreiz?
      • Was wurde gegessen und getrunken?
      • Welche Hautpflegeprodukte wurden verwendet?
      • In welchem Kontext trat der Juckreiz auf?
      • Wie war die Umgebung?
    • Zusammenhänge zwischen möglichen Auslösern und Juckreiz erläutern
    • Strategien entwickeln, die identifizierten Auslöser zu meiden
  • Schulungen zum Umgang mit Juckreiz empfehlen
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • L29.-: Pruritus
    • Exklusive: Neurotische Exkoriation (L98.1), Psychogener Pruritus (F45.8)
    • L29.0: Pruritus ani
    • L29.1: Pruritus scrotalis
    • L29.2: Pruritus vulvae
    • L29.3: Pruritus anogenitalis, nicht näher bezeichnet
    • L29.8: Sonstiger Pruritus
    • L29.9: Pruritus, nicht näher bezeichnet
      • Juckreiz o.n.A.

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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