Zusammenfassung
Die körperliche Untersuchung nimmt in der orthopädischen Diagnostik eine zentrale Rolle ein. Durch die sogenannte Neutral-Null-Methode lässt sich das Bewegungsmaß jedes einzelnen Gelenks in Winkelgraden bestimmen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von klinischen Zeichen und Tests, die häufig mit Eigennamen belegt sind und mehr oder weniger spezifische Hinweise auf eine Pathologie des Stütz- und Bewegungsapparates geben. In diesem Kapitel sind einige klinische Zeichen erwähnt, wobei die Erklärung meist in den Kapiteln der zugeordneten Erkrankungen zu finden ist.
Neutral-Null-Methode
- Standardisierte Methode
- Bestimmung des Bewegungsmaßes jedes Gelenks in Winkelgraden: Extension mit Gradzahl - Neutralstellung mit Gradzahl - Flexion mit Gradzahl
- Die Null wird normalerweise in die Mitte der drei angegebenen Zahlen gesetzt, falls die Neutralstellung durchlaufen werden kann. Ist dies nicht der Fall, kann eine der beiden Bewegungen (Flexion oder Extension) nicht mehr durchgeführt werden und wird durch eine Null ersetzt. In die Mitte schreibt man nun das erhobene Bewegungsdefizit bis zum Erreichen der Neutralstellung
- Ausgangsposition: Aufrechter Stand mit zusammenstehenden Beinen und am Körper herabhängenden Armen, die Daumen sind nach vorne gerichtet
- Beispiele für physiologisches Bewegungsmaß einiger Gelenke
- Kniegelenk → Extension/Flexion: 0/0/120-150
- Hüftgelenk → Außenrotation/Innenrotation: 50/0/40; Extension/Flexion 20/0/140; Abduktion/Adduktion 50/0/30
- Ellenbogengelenk → Extension/Flexion 10/0/130-150; Pronation/Supination des Unterarms: 90/0/90
- Schultergelenk → Abduktion/Adduktion: 180/0/40; Außenrotation/Innenrotation: 60/0/90; Retroversion/Anteversion (bzw. Extension/Flexion): 40/0/160
- Beispiele für reduzierte Beweglichkeit
- Kniegelenk → Extension/Flexion 0/20/20 → Einsteifung in 20° Beugung, keine Bewegung möglich
- Hüftgelenk → Außenrotation/Innenrotation 30/20/0 → Außenrotationskontraktur, Gelenk kann nur zwischen 30° und 20° Außenrotation bewegt werden
Ein vielleicht etwas trivialer aber hilfreicher Tipp: Bei Bedarf kann man das physiologische Bewegungsausmaß eines Gelenks auch am eigenen Körper abschätzen (sofern keine Gelenkerkrankung vorliegt)!
Umfangsdifferenz der Extremitäten
Bewegungseinschränkungen (bspw. durch Arthrose in einem Gelenk) haben eine Atrophie der unterbelasteten Muskelgruppen zur Folge. Mittels Messung des Umfangs der Extremitäten kann die Muskelatrophie objektiviert werden.
Untersuchung des Kniegelenks
Es gibt eine Vielzahl an verschiedenen klinischen Tests am Kniegelenk. Folgend nur beispielhaft einige wenige Untersuchungen (ausführliche Darstellung siehe: "Orthopädische Untersuchung des Knies"):
- Beurteilung der Beinachsen
- Von ventral (Genu valgum/Genu varum?)
- Von lateral (Genu recurvatum/Genu flexum?)
- Untersuchung der Kreuzbänder
- Untersuchung der Menisken
- Untersuchung der Patella
Untersuchung des Hüftgelenks
- Vierer-Zeichen
- Unspezifische Untersuchung, bei der Schmerzen für eine Pathologie in der Hüfte sprechen (z.B. Koxitis oder Morbus Perthes)
- Durchführung: Abduktion und Außenrotation im Hüftgelenk, die Ferse wird dabei auf das Kniegelenk gelegt; bei Aufsicht ergibt sich die Form einer "4"
- Trendelenburg-Zeichen und Duchenne-Zeichen
- Abduktionsschwäche im Hüftgelenk (Insuffizienz der Mm. glutei medius et minimus)
- Thomas-Handgriff
- Testung einer Hüftbeugekontraktur : Der Patient liegt in Rückenlage. Das Hüftgelenk der Gegenseite wird passiv maximal gebeugt, um die Lendenlordose auszugleichen. Das zu untersuchende Bein beugt sich bei Beugekontraktur selbstständig reflektorisch mit.
- Drehmann-Zeichen: Hinweis auf Epiphyseolysis capitis femoris
- Hinge abduction: Prognostisch ungünstiges Zeichen des Morbus Perthes
- Zeichen bei Hüftgelenkdysplasie des Neugeborenen
Untersuchung der Schulter
Es gibt eine Vielzahl an verschiedenen klinischen Tests am Schultergelenk. Folgend nur beispielhaft einige wenige Untersuchungen (ausführliche Darstellung siehe: "Orthopädische Untersuchung der Schulter"):
- Impingement-Zeichen (subakromiale Enge)
- Painful arc
- Neer-Zeichen
- Prüfung des Musculus supraspinatus
- Schulterinstabilität (Hyperlaxizität des Kapsel-Band-Apparats)
Untersuchung der Wirbelsäule
- Hinweise auf Morbus Bechterew
- Hinweise auf Osteoporose
- Hinweise auf Wirbelgleiten
- Hinweise auf Hyperlordose
- Baastrup-Phänomen: Kontakt benachbarter Dornfortsätze der LWS
- Hinweise auf Wurzeldehnungsschmerzen
- 3-Stufen-Hyperextensionstest
Untersuchung der Hand
- Hinweise auf Karpaltunnel-Syndrom
- Hinweise auf rheumatoide Arthritis
- Hinweis auf Tendovaginitis stenosans
- Hinweis auf Tendovaginitis stenosans de Quervain