Zusammenfassung
Eine Tendovaginitis (Sehnenscheidenentzündung) entsteht insb. durch mechanische Überlastung oder bei rheumatischen Erkrankungen. Prinzipiell kann jede Sehnenscheide des Körpers betroffen sein, meist im Bereich der Hände bzw. Handgelenke. Die Symptome umfassen allgemeine klinische Entzündungszeichen und ähneln denen einer Tendinopathie, weshalb die beiden Krankheitsbilder im klinischen Sprachgebrauch häufig unzureichend unterschieden werden.
Therapeutisch wird oft zunächst ein konservatives Vorgehen angestrebt (bspw. Kühlung und Entlastung der betroffenen Sehne), im Verlauf kann jedoch eine operative Behandlung erforderlich sein (i.d.R. Dekompression durch Längsspaltung der Sehnenscheide). Bei einer infektiösen Tendovaginitis durch direkte oder weitergeleitete bakterielle Infektion sollten schnellstmöglich ein Débridement und eine (partielle) Synovektomie sowie eine kalkulierte Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
Ätiologie
- Nicht-infektiöse Tendovaginitis
- Mechanische Überbeanspruchung: Häufig bei repetitiven, monotonen oder ungewohnten Tätigkeiten
- In seltenen Fällen Anerkennung als Berufskrankheit möglich
- Rheumatische Erkrankungen
- Hormonelle Veränderungen
- Angeborene Beugefehlstellung des Daumens (Pollex flexus congenitus)
- Primäre Tumoren der Sehnenscheide (pigmentierte villonoduläre Synovialitis)
- Mechanische Überbeanspruchung: Häufig bei repetitiven, monotonen oder ungewohnten Tätigkeiten
- Infektiöse Tendovaginitis
- Direkte bakterielle Infektion
- Weitergeleitete bakterielle Infektion
Die häufigsten Ursachen einer nicht-infektiösen Tendovaginitis sind mechanische Überbeanspruchung und rheumatische Erkrankungen!
Die grundsätzliche Unterscheidung nach nicht-infektiöser bzw. infektiöser Ätiologie ist insb. im Hinblick auf die Therapie relevant!
Symptomatik
- Klinische Entzündungszeichen
- Überwärmung
- Ggf. Rötung
- Schwellung
- Bewegungsschmerzen
- Eingeschränkte Beweglichkeit
- Verdickung oder Verhärtung der Sehne
- Ggf. mit tastbaren Knoten
- Reibungsgeräusche bei Bewegung („Schneeballknirschen“)
Diagnostik
Anamnese
- Beginn, Auslöser und Verlauf der Beschwerden
- Begleiterkrankungen und Vormedikation
- Sozialanamnese mit Fokus auf körperliche Belastung bzw. Überlastung im Alltag
Bei einer Tendovaginitis kommt es typischerweise subakut zu klinischen Beschwerden!
Körperliche Untersuchung [1]
- Inspektion: Meist unauffällig, ggf. lokale Schwellung und Rötung
- Palpation
- pDMS: Meist unauffällig
Apparative Verfahren und Labordiagnostik
Apparative Verfahren und Labordiagnostik bei Tendovaginitis | ||
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Untersuchung | Indikation | Möglicher Befund |
(Doppler‑)Sonografie [1] |
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Röntgen, CT |
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MRT |
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Neurophysiologie |
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Labor |
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Therapie
Konservativ [2][3]
- Indikation: Akute nicht-infektiöse Tendovaginitis
- Basismaßnahmen
- Erweiterte Therapie: Peritendinöse Infiltration von Glucocorticoiden, ggf. kombiniert mit Lokalanästhetika [4]
- Anwendung zur Entzündungshemmung bzw. Schmerzreduktion
- Indikation aufgrund möglicher Komplikationen streng zu stellen
- Durchführung ggf. unter Ultraschallkontrolle, bspw. mit
- Schmerzlinderung häufig sofort
- Wichtigste Komplikationen: Infektion, Sehnenschäden, Fettgewebsatrophie, Hautnekrosen
- Mindestabstand zwischen zwei Behandlungen: 3–4 Wochen
- Max. 3–4 Behandlungen pro Jahr und Region
Eine peritendinöse Infiltrationstherapie darf ausschließlich bei nicht-infektiösen, lokalen Entzündungsreaktionen durchgeführt werden!
Operativ [2][3]
- Indikation: Chronische bzw. therapieresistente nicht-infektiöse Tendovaginitis
- Vorgehen
- Dekompression durch Längsspaltung der Sehnenscheide
- Postoperativ sofortige Mobilisation anstreben
- Prognose: Insg. sehr gut, solange noch keine zusätzlichen Kontrakturen vorhanden sind
- Meist gutes funktionelles Ergebnis
- Kaum Rezidive nach operativer Behandlung
Sonderfall: Infektiöse Tendovaginitis
- Vorgehen
- Schnellstmögliches Débridement und (partielle) Synovektomie
- Begleitende Abstrichdiagnostik, kalkulierte Antibiotikatherapie und Umstellung auf resistogrammgerechte Therapie
- Postoperativ Ruhigstellung
- Im Verlauf: Ggf. Second-Look-Operation notwendig
Eine infektiöse Tendovaginitis ist ein chirurgischer Notfall und erfordert eine schnellstmögliche operative und antibiotische Therapie!
Verlaufs- und Sonderformen
Tendovaginitis stenosans [2][5]
- Definition: Tendovaginitis der Beugesehnen der Hand mit intermittierender Einklemmung im Ringband A1
- Synonyme: Tendovaginosis stenosans, Tendopathia nodosa
- Epidemiologie
- Frauen 6× häufiger betroffen als Männer
- Erhöhte Inzidenz bei Diabetes mellitus und rheumatoider Arthritis
- Ätiologie: Am ehesten multifaktoriell
- Leitsymptom: Schnellender Finger (Schnappfinger, Triggerfinger, Digitus saltans)
- Einklemmung der verdickten Beugesehne im (ggf. verengten) Ringband
- Resultierender Widerstand bei Extension und Flexion muss mit erhöhtem Krafteinsatz überwunden werden
- Ruckartige Bewegung des Fingers beim Überwinden des Widerstands als namensgebendes „Schnellen“ bzw. „Schnappen“
- Widerstand im Verlauf ggf. nur noch unter Zuhilfenahme der anderen Hand überwindbar
- Für allgemeine Symptome einer Tendovaginitis siehe: Tendovaginitis - Symptome/Klinik
- Differenzialdiagnosen
- Arthrose der Fingergelenke
- Verdickung der Sehnenscheide distal des Ringbandes A1
- Eingeschränkte Gleitfähigkeit des Strecksehnenzügels am Mittelgelenk
- Morbus Dupuytren
- Therapie
- Konservativ: In frühen Stadien ggf. möglich bzw. sinnvoll
- Operativ: Bei fortschreitender Erkrankung häufig Längsspaltung des Ringbandes erforderlich
Leitsymptom einer Tendovaginitis stenosans ist der sog. schnellende Finger!
Tendovaginitis der Handgelenksflexoren [2][3]
- Definition: Tendovaginitis des M. flexor carpi radialis oder M. flexor carpi ulnaris
- Epidemiologie: Erhöhte Inzidenz bei sportlicher Aktivität sowie im höheren Lebensalter
- Ätiologie
- Repetitive Flexion und Extension im Handgelenk
- Anatomische Prädisposition
- Degenerative Veränderungen
- Muskuläre Schwäche
- Leitsymptom: Stechende Schmerzen bei Handgelenksflexion gegen Widerstand
- Für allgemeine Symptome einer Tendovaginitis siehe: Tendovaginitis - Symptome/Klinik
- Differenzialdiagnosen
- Degenerative Veränderungen, bspw. Rhizarthrose oder pisotriquetrale Arthrose
- Fraktur, bspw. des Os scaphoideum oder Os pisiforme
- Therapie
- Konservativ: Prinzipiell anzustreben
- Operativ: Bei fortschreitender Erkrankung ggf. partielle Synovektomie
Tendovaginitis stenosans de Quervain [2][3][6][7]
- Definition: Tendovaginitis der Strecksehnen des M. extensor pollicis brevis und M. abductor pollicis longus
- Synonym: Quervain-Krankheit
- Epidemiologie
- Frauen 3–4× häufiger betroffen als Männer
- Auftreten meist im Alter zwischen 30. und 50. Lebensjahr
- Ätiologie
- Schwangerschaft und Stillzeit
- Anatomische Prädisposition
- Repetitive radioulnare Abweichung des Handgelenks
- Leitsymptom: Schwellung und Druckschmerz im Bereich des Processus styloideus radii
- Für allgemeine Symptome einer Tendovaginitis siehe: Tendovaginitis - Symptome/Klinik
- Differenzialdiagnosen: Karpale Arthrose, Rhizarthrose
- Klinische Tests (positiv bei Provokation von Schmerzen über dem Processus styloideus radii)
- Finkelstein-Test: Aktive Ulnarabduktion der Hand, dann passive Opposition des Daumens in die Hohlhand
- Eichhoff-Test: Zunächst Faustschluss (Finger umfassen den Daumen), dann passive Ulnarabduktion der Hand
- Therapie
- Konservativ: Primär anzustreben (bei Vorliegen anatomischer Besonderheiten jedoch selten effektiv)
- Operativ: Bei fortschreitender Erkrankung ggf. Längsspaltung des 1. Strecksehnenfachs erforderlich
Ein positiver Finkelstein-Test gilt als pathognomonisch für die Tendovaginitis stenosans de Quervain!
Intersektionssyndrom [2][3]
- Definition: Tendovaginitis im Bereich der Überkreuzung der Sehnen des 1. und 2. Strecksehnenfachs
- 1. Strecksehnenfach: M. extensor pollicis brevis und M. abductor pollicis longus
- 2. Strecksehnenfach: M. extensor carpi radialis longus et brevis
- Epidemiologie
- Männer ca. 2× häufiger betroffen als Frauen
- Erhöhte Inzidenz bei Sportarten mit häufiger Flexion und Extension des Handgelenks
- Ätiologie: Mechanische Überbelastung
- Leitsymptom: Schmerzen bei Extension des Handgelenkes gegen Widerstand
- Für allgemeine Symptome einer Tendovaginitis siehe: Tendovaginitis - Symptome/Klinik
- Differenzialdiagnosen
- Therapie
- Konservativ: Primär anzustreben
- Operativ: Bei fortschreitender Erkrankung ggf. Längsspaltung des 2. Strecksehnenfachs erforderlich
Das Intersektionssyndrom tritt gehäuft bei Sportarten mit häufiger Flexion und Extension des Handgelenks wie bspw. Rudern oder Gewichtheben auf!
Tendovaginitis der Hand- bzw. Handgelenksextensoren [2][3]
- Definition: Tendovaginitis des M. extensor carpi ulnaris und des M. extensor digitorum longus im Bereich des jeweiligen Sehnenfachs
- Epidemiologie: Erhöhte Inzidenz bei sportlicher Aktivität sowie rheumatischen Erkrankungen
- Ätiologie
- Schlagsportarten
- Degenerative Veränderungen
- Distale Radiusfraktur
- Leitsymptom: Stechende Schmerzen bei Handgelenksextension gegen Widerstand
- Für allgemeine Symptome einer Tendovaginitis siehe: Tendovaginitis - Symptome/Klinik
- Differenzialdiagnosen
- TFCC Läsion
- Subluxation der Sehne des M. extensor carpi ulnaris
- Ulna-Impaktions-Syndrom
- Arthrose
- Artifizielles Lymphödem (Secrétan-Syndrom)
- Therapie
- Konservativ: Primär anzustreben
- Operativ: Bei fortschreitender Erkrankung ggf. Längsspaltung des entsprechenden Strecksehnenfachs mit partieller Synovektomie erforderlich
Tendovaginitis der Fibularissehnen [8][9]
- Definition: Tendovaginitis der Mm. fibulares
- Synonym: Tendovaginitis der Peronealsehnen
- Epidemiologie: Erhöhte Inzidenz im Lauf- und Tanzsport und bei rheumatischen Erkrankungen
- Ätiologie
- Chronische Instabilität des OSG
- Chronische Subluxation der Fibularissehnen
- Anatomische Besonderheiten
- Anatomische Prädisposition
- Leitsymptom: Stechende Schmerzen bei Eversion des OSG gegen Widerstand
- Für allgemeine Symptome einer Tendovaginitis siehe: Tendovaginitis - Symptome/Klinik
- Differenzialdiagnosen
- Tendinopathie der Fibularissehnen
- Subluxation der Fibularissehne
- Außenbandruptur
- OSG-Distorsion
- Therapie
- Konservativ: Primär anzustreben (ggf. Einlagenversorgung)
- Operativ: Bei fortschreitender Erkrankung ggf. Débridement und partielle Synovektomie erforderlich
Sehnenscheidenganglion [5][10][11]
- Definition: Von der Sehnenscheide ausgehender pseudozystischer Tumor
- Auskleidung mit bindegewebiger Wand
- Gefüllt mit gelartiger, klar-gelblicher Flüssigkeit
- Synonym: Ganglion, Ganglionzyste, Mukoidzyste, „Überbein“
- Epidemiologie
- Frauen häufiger betroffen als Männer
- Altersgipfel: 25–50 Jahre
- Erhöhte Inzidenz im Gymnastik- und Turnsport
- 60–70% aller Weichteiltumoren im Hand(gelenks)bereich
- Ätiologie: Mechanische Überbelastung
- Pathophysiologie: Unklar, verschiedene Erklärungsmodelle vorhanden
- Proliferation von mesenchymalen Zellen
- Texturstörung des Bindegewebes
- Überproduktion von Hyaluronsäure
- Leitsymptom: Prall-elastische, indolente Vorwölbung
- Häufig am dorsalen Handgelenk
- Seltener am palmaren Handgelenk und an den Fingern
- Differenzialdiagnosen
- Synovialzyste
- Aneurysma
- Weichteiltumor
- Therapie
- Konservativ
- Kurzfristige Ruhigstellung
- Sterile Aspiration
- Operativ
- Konservativ
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung
- M65.-: Synovitis und Tenosynovitis
- Exklusive: Akute Verletzung – siehe Bänder- und Sehnenverletzung nach Körperregion, Chronische Tenosynovitis crepitans der Hand und des Handgelenkes (M70.0), Krankheiten des Weichteilgewebes im Zusammenhang mit Beanspruchung, Überbeanspruchung und Druck (M70.‑)
- M65.0-: Sehnenscheidenabszess [0–9]
- M65.1-: Sonstige infektiöse (Teno‑)Synovitis [0–9]
- M65.2-: Tendinitis calcarea [0,2–9]
- Exklusive: Im Schulterbereich (M75.3), näher bezeichnete Tendinitis (M75–M77)
- M65.3: Schnellender Finger
- M65.4: Tendovaginitis stenosans [de Quervain]
- M65.8-: Sonstige Synovitis und Tenosynovitis [0–9]
- Reizhüfte
- M65.9-: Synovitis und Tenosynovitis, nicht näher bezeichnet [0–9]
- M67.-: Sonstige Krankheiten der Synovialis und der Sehnen
- M67.2-: Hypertrophie der Synovialis, anderenorts nicht klassifiziert [0–9]
- M67.4-: Ganglion
- Inklusive: Ganglion eines Gelenkes oder einer Sehne oder Sehnenscheide [0–9]
- Exklusive: Ganglion bei Frambösie (A66.6), Schleimbeutelzyste (M71.2-M71.3), Synovialzyste (M71.2-M71.3)
Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung
- 0 Mehrere Lokalisationen
- 1 Schulterregion
- 2 Oberarm
- 3 Unterarm
- 4 Hand
- 5 Beckenregion und Oberschenkel
- 6 Unterschenkel
- 7 Knöchel und Fuß
- 8 Sonstige
- 9 Nicht näher bezeichnete Lokalisation
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.