Zusammenfassung
Bei einer Fremdkörperingestion wird ein Fremdkörper in den Verdauungstrakt (Hypopharynx, Ösophagus, Magen oder Dünndarm) verschluckt. Kritische Fremdkörper im Kindesalter sind insb. Knopfzellbatterien, Magnete, Münzen und spitze/scharfe Gegenstände. Die Ingestion von Batterien oder mehreren Magneten stellen Notfälle dar, da durch mögliche Schleimhautverätzungen oder Drucknekrosen eine hohe Perforationsgefahr besteht. Klinisch kann es u.a. zu Würgen, Schluckstörungen oder vermehrtem Speichelfluss kommen. Der Verlauf kann initial aber auch asymptomatisch sein. Differenzialdiagnostisch sollte insb. bei Husten und Tachy-/Dyspnoe eine Fremdkörperaspiration in Betracht gezogen werden. Neben einer typischen Anamnese sind Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen diagnostisch i.d.R. wegweisend. Bei starkem V.a. Ingestion eines röntgendurchlässigen Fremdkörpers kann eine diagnostische Endoskopie indiziert sein. Je nach Lokalisation und Art des Fremdkörpers ist ggf. eine endoskopische Entfernung erforderlich.
Definition
- Fremdkörperingestion: Verschlucken eines Fremdkörpers in den GI-Trakt [1]
- Akut: <24 h nach dem Verschlucken
- Subakut: ≥24 h nach dem Verschlucken
- Chronisch: Wochen bis Monate nach dem Verschlucken
- Nahrungsmittelimpaktion: Einklemmung eines Nahrungsbolus im Ösophagus
Ätiologie
- Kritische Fremdkörper [1]
- Knopfzellbatterien
- Magnete
- Münzen
- Spitze Gegenstände
- Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für Nahrungsmittelimpaktionen [1]
Symptomatik
- Würgen und/oder Erbrechen
- Schluckstörungen, (anhaltend) starker Speichelfluss
- Fremdkörpergefühl
- Ggf. Dyspnoe
- Ggf. asymptomatisch oder unspezifisch (z.B. Agitation, Fieber, Gedeihstörung, respiratorische Symptome)
Typisch ist ein plötzlicher Symptombeginn während des Spielens mit kleinen Gegenständen!
Diagnostik
- Bei Fremdkörperingestion
- Typische Anamnese
- Röntgen-Thorax/-Abdomen (a.p. und ggf. seitlich )
- Ggf. diagnostische Endoskopie [2]
- Bei Nahrungsmittelimpaktion [2]
- Ggf. Ösophagusbreischluck
- Ggf. diagnostische Endoskopie mit Stufenbiopsien vom proximalen und distalen Ösophagus
Knopfzellbatterien unterscheiden sich im Röntgen i.d.R. durch das Halo-Zeichen und eine Stufenbildung von Münzen!
Therapie
- Risikoadaptiertes Management [1]
- Komplikationsrisiko , siehe auch: Fremdkörperingestion - Komplikationen
- Narkoserisiko
- Eingriffsrisiko im Notfallbetrieb bei suboptimaler Teambesetzung
- Ausmaß der begleitenden respiratorischen Beeinträchtigung
- Indikation zur Entfernung: Abhängig von Fremdkörper, Lokalisation und Symptomatik
- Anästhesiologische Aspekte: Siehe auch Grundlagen der Kinderanästhesie
Risikoadaptiertes Vorgehen nach Fremdkörperingestion im Kindes- und Jugendalter [2] | ||||
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Fremdkörper | Lokalisation | Symptome | Indikation zur Entfernung | Besonderheiten |
Knopfzellbatterie |
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1 Magnet [3] |
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≥2 Magnete |
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Münzen |
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Spitze Fremdkörper |
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Nahrungsmittelimpaktion |
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Notfallmäßig = <2 h (unabhängig von Nüchternzeit); dringend = <24 h (Nüchternzeit beachten); elektiv = ≥24 h |
Münzen mit einem Durchmesser von >25 mm (z.B. 2-Euro-Münzen) passieren den Pylorus i.d.R. nicht und müssen meist endoskopisch entfernt werden!
Wenn ≥2 Magnete oder zeitgleich metallische Gegenstände verschluckt werden, besteht die Gefahr, dass sich die Objekte magnetisch anziehen und zu schweren Schleimhautnekrosen mit Perforation führen!
Knopfzellbatterie
- Erstmaßnahmen
- Überprüfung und ggf. Sicherung der Vitalfunktionen
- Röntgen-Thorax und Abdomen in 2 Ebenen (inkl. Hals)
- Lokalisation in den oberen Atemwegen oder im GI-Trakt oberhalb der Claviculae
- HNO-Konsultation
- Fremdkörperentfernung mittels starrer Endoskopie
- Lokalisation im Ösophagus
- Bei Diagnose <12 h nach Ingestion
- Sofortige Gabe von Sucralfat [1] oder Honig (bei Kindern ≥12 Monate) [1]
- Notfallmäßige endoskopische Entfernung (innerhalb von <2 h)
- Beachte: Bei schweren sichtbaren Schleimhautschäden ggf. chirurgische Mitbeurteilung und Kontrastmittel-CT vor Entfernung des Fremdkörpers
- Bei Diagnose ≥12 h nach Ingestion oder schwerer Symptomatik
- Kontrastmittel-CT
- Chirurgische Mitbeurteilung
- Endoskopische und/oder chirurgische Entfernung
- Bei Diagnose <12 h nach Ingestion
- Lokalisation distal des Ösophagus
- Diagnose <12 h nach Ingestion
- Symptomatisch oder gleichzeitige Ingestion ≥1 Magnet
- Asymptomatisch
- Röntgenkontrolle: Nach 7–14 d oder bei einsetzenden Symptomen
- Endoskopische oder chirurgische Entfernung bei ausbleibender Darmpassage
- Diagnose ≥12 h nach Ingestion
- Kontrastmittel-CT und chirurgische Mitbeurteilung
- Bei Lokalisation im Magen: Endoskopische und/oder chirurgische Entfernung
- Bei Lokalisation im Dünndarm
- Mit Symptomatik oder gleichzeitiger Ingestion von ≥1 Magneten: Chirurgische Mitbeurteilung
- Ohne Symptomatik: Röntgenkontrolle nach 7–14 d (bei einsetzenden Symptomen früher), bei ausbleibender Passage endoskopische oder chirurgische Entfernung
- Diagnose <12 h nach Ingestion
- Weitere Maßnahmen
- Stationäre Überwachung
- Ggf. endoskopische Platzierung einer nasogastralen Sonde
- Ggf. antibiotische Prophylaxe
- Ggf. Ösophagusbreischluck
- Ggf. Kontrastmittel-CT (oder -MRT ) von Hals und Thorax
- Wiederholung der Endoskopie nach 2–4 d
- Langsamer Kostaufbau mit weicher Kost ≤4 Wochen
Eine Knopfzellbatterie im Ösophagus muss so schnell wie möglich entfernt werden!
Vor Entfernung der Knopfzellbatterie darf keine MRT durchgeführt werden!
Komplikationen
- Schwere Schleimhautschäden
- Ischämie
- Perforation, Fistelbildung
- Abszess, Mediastinitis, Peritonitis
- Appendizitis, Volvulus
- Penetration anderer Organe
- Mechanischer Ileus
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- T18.-: Fremdkörper im Verdauungstrakt
- Exklusive: Fremdkörper im Rachen (T17.2)
- T18.0: Fremdkörper im Mund
- T18.1: Fremdkörper im Ösophagus
- T18.2: Fremdkörper im Magen
- T18.3: Fremdkörper im Dünndarm
- T18.4: Fremdkörper im Dickdarm
- T18.5: Fremdkörper in Anus und Rektum
- Inklusive: Rektosigmoid (Übergang)
- T18.8: Fremdkörper an sonstigen und mehreren Lokalisationen des Verdauungstraktes
- T18.9: Fremdkörper im Verdauungstrakt, Teil nicht näher bezeichnet
- Inklusive: Verdauungssystem o.n.A., verschluckter Fremdkörper o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.