Zusammenfassung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Als Nahrungsmittelallergie werden immunologisch vermittelte Typ-I- oder Typ-IV‑Reaktionen gegen Allergene bezeichnet, die über Nahrungsmittel in das Immunsystem gelangen. Häufige Auslöser sind u.a. Hühnereiweiß, Milcheiweiß, Weizenmehl, Erdnuss, Soja, Haselnuss und Fisch – zusätzlich können auch Kreuzallergien zu Pollen bestehen. Klinisch zeigen sich Symptome der Atemwege (z.B. Asthma), der Haut (z.B. Urtikaria) und des Kreislaufs (z.B. Hypotonie, Tachykardie) bis hin zur Anaphylaxie. Insb. bei Nahrungsaufnahme ist darüber hinaus das Auftreten einer gastrointestinalen Symptomatik mit oralem Juckreiz, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und Bauchkrämpfen typisch.
Diagnostisch ist v.a. die Anamnese wegweisend. Zur Verifizierung dient insb. der IgE-Nachweis in Haut oder Blut. Ggf. ist eine Provokationstestung sinnvoll. Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Expositionskarenz. Ist diese nicht ausreichend möglich, kommen Antihistaminika und ggf. systemische Glucocorticoide zum Einsatz. Bei schweren anaphylaktischen Reaktionen ist die Versorgung mit einem Notfallset indiziert.
Epidemiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Ätiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Multifaktorielle Genese
- Begünstigende Faktoren
- Genetische Prädisposition
- Veränderungen des gastrointestinalen Immunsystems
- Schnittentbindung: Veränderung der postpartalen Darmbesiedelung
- RSV-Infektion: Erhöhtes Sensibilisierungsrisiko gegen Milch und Ei
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Aufgrund der erhöhten Permeabilität der Darmschleimhaut
- Fehlende Toleranzentwicklung: Nur einmaliger Verzehr von Nahrungsmittelallergenen mit anschließender längerer Karenzzeit [4]
- Bestehende atopische Dermatitis [3]
- Tabakexposition prä- und/oder postpartal
- Protektive Faktoren
- Hygienehypothese
- Kontakt zu (Bauernhof‑)Tieren
- Wenig Antibiotikaexposition
- Kontakt mit orofäkal übertragenen Infektionskrankheiten und Endotoxinen
- Stillen
- Wachstumsfaktoren in der Muttermilch: Begünstigen Barrierefunktion der Darmmukosa
- Hygienehypothese
Klassifikation der Nahrungsmittelallergie (NMA)
- NMA Klasse I: Primäre Nahrungsmittelallergie
- Allergene mit großer Stabilität gegenüber saurem Milieu und Verdauungsenzymen
- Insb. Kleinkinder betroffen durch
- Erhöhte Permeabilität des kindlichen Darmes
- Unreife des kindlichen Immunsystems
-
Relevante Primärallergene (nach Häufigkeit)
- Säuglinge und Kleinkinder: Hühnereiweiß, Milcheiweiß, Erdnuss, Haselnuss, Weizen, Soja, Fisch [3]
- Erwachsene: Nüsse, Weizen, Schalen- und Krustentiere [5]
- NMA Klasse II: Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie
- Kreuzreaktion: Ähnliche Molekülstrukturen in Pollen und pflanzlichen Nahrungsmitteln
- Erhitzte Allergene häufig verträglich
- Insb. Schulkinder und Erwachsene betroffen
Jedes Nahrungsmittel kann eine Allergie auslösen!
Pathophysiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Häufig: Typ-I-Allergie (IgE-vermittelte Reaktion vom Soforttyp)
- Seltener: Typ-IV-Allergie (verzögerte T-Zell-vermittelte Reaktion)
- Kombinierte Typ-I- und Typ-IV-Reaktion: Verzögerter Beginn und oft chronischer Verlauf
Im Rahmen von Nahrungsmittelallergien zeigt sich typischerweise eine Störung der intestinalen Barriere!
Symptomatik![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Haut
Atemwege
- Rhinokonjunktivitis
- Asthma bronchiale
- Larynxödem
- Husten, Heiserkeit, Stridor
- Zyanose, ggf. komplette Verlegung der Atemwege
Gastrointestinaltrakt
- Mundwinkelrhagaden, Aphten, Fütterungsstörung
- Übelkeit, Erbrechen , Reflux, Bauchschmerzen, Meteorismus, Diarrhö oder Obstipation
- Malabsorption mit Eisenmangelanämie
- Gedeihstörung
- Eosinophile Ösophagitis oder eosinophile Gastroenteropathie
- Proktokolitis im Säuglingsalter
- Kontakturtikaria der Mundschleimhaut: Schwellung und Juckreiz von Lippen, Zunge, Gaumen, Ohren und/oder Rachen, ggf. pelziges Gefühl im Mundraum, Heiserkeit, Dysphagie oder Dyspnoe
Herz-Kreislauf-System
- Blutdruckabfall
- Tachykardie
- Anaphylaktischer Schock
ZNS
- Innere Unruhe, Angst
- Lethargie
- Schlafstörung
- Kopfschmerzen, ggf. Migräne
- Epileptische Anfälle
Diagnostik![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Anamnese [1][8]
- Eigen- und Familienanamnese
- Ernährungstagebuch
- Ausschluss anderer gastrointestinaler Erkrankungen
Körperliche Untersuchung
- Beurteilung der Beteiligung von Organsystemen, insb. Haut, Atemwege und Gastrointestinaltrakt
Eliminationsdiät
- Meiden von 1–3 Nahrungsmitteln über mind. 3–4 Wochen
- Alternativ: Elementardiät über mind. 3–4 Wochen
- Kriterien einer Nahrungsmittelallergie
- Symptombesserung während der Diät
- Wiederauftreten der Symptomatik: ≤48 h nach Wiedereinführung des verdächtigten Nahrungsmittels
Hauttest
- Pricktest oder Intrakutantest
Labor
- Differenzialblutbild: Ggf. Eosinophilie
- CAP-Test: Spezifische IgE-AK im Serum
- Nicht mehr verwendet: RAST (Radio-Allergo-Sorbent-Test)
- Gesamt-IgE im Serum (unspezifisch)
- Molekulare Allergiediagnostik: Zur Differenzierung zwischen primärer Nahrungsmittelallergie und Kreuzreaktion
- Erhöhte Tryptasekonzentration im Serum: Hinweis auf gesteigertes Risiko schwerer Reaktionen
- Basophilenallergenstimulationstest
- Indikation: Verdacht auf Nahrungsmittelallergie vom Soforttyp ohne Nachweis im Hauttest oder im Labor
- Methode: Indirekter Nachweis der auf basophilen Leukozyten gebundenen IgE-Antikörper
- Durchführung: Allergenstimulation (in-vitro-Provokationstestung) der Basophilen
- Positives Resultat: Nachweis von freigesetztem Histamin, Sulfidoleukotrienen und CD63
- Nicht empfohlen: Nahrungsmittelspezifisches IgG oder IgG4 [9][10]
Nur ein sehr kleiner Anteil des IgE zirkuliert frei im Blut, sodass die Bestimmung des (freien) Gesamt-IgE bzw. des spezifischen IgE keine Aussage über die Ausprägung der Reaktion zulässt!
Oraler Provokationstest [3]
- Indikationen
- Fehlende Übereinstimmung zwischen Anamnese und Antikörpernachweis
- Absicherung der Diagnose
- Nachweis einer Sensibilisierung bei bisher nicht oder nur in kleinen Mengen konsumiertem Nahrungsmittel
- Evaluation einer natürlichen Toleranzentwicklung
- Reevaluierung nach Besserung des klinischen Bildes unter diagnostischer Eliminationsdiät
- Voraussetzung: Mind. 7 d nach Absetzen von Antihistaminika und systemischen Glucocorticoiden
- Schleimhautprovokation: Zu testende Nahrung wird an die Lippe gehalten, ggf. in den Mund genommen und sofort wieder ausgespuckt
- Systemische Provokation: Zu testende Nahrung wird geschluckt (in aufsteigender Dosis)
Aufgrund des Risikos einer biphasischen Reaktion sollte insb. nach positiver oraler Provokationstestung immer eine ausreichende Nachbeobachtungszeit beachtet werden!
Bei nachgewiesener Nahrungsmittelallergie ist eine Reprovokation je nach Allergen frühestens ein Jahr später indiziert! Bei Hühnereiweiß und Nüssen sogar erst nach 2–3 Jahren!
Differenzialdiagnosen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Unverträglichkeitsreaktionen
Akutes Abdomen
- Darminvagination
- Appendizitis
- Stielgedrehtes Ovar
- Hodentorsion
Exzessives Schreien im Säuglingsalter [11][12]
- Synonyme: Dreimonatskoliken, Säuglingskoliken
- Definition (nach Rom-IV-Kriterien): Rezidivierendes anhaltendes Schreien ohne erkennbare Ursache innerhalb der ersten 4 Lebensmonate
- Ursache: Unklar, multifaktorielle Genese angenommen
- Häufigkeit: Bis zu 20% der Säuglinge
- Merkmale: Schreiphasen (gehäuft abends) mit Gesichtsrötung, muskulärer Anspannung , Meteorismus/Blähungen
- Verlauf: Selbstlimitierend, i.d.R. auf die ersten 6 Lebensmonate begrenzt
- Beginn ab 3. Lebenswoche
- Höhepunkt um die 6. Lebenswoche
- Rückbildung meist ≤4. Lebensmonat
- Mögliche Folgen: Erhöhtes Risiko für
- Kindesmisshandlung
- Maternale Depression
- Frühzeitiges Abstillen
- Therapie [13][14]
-
Vordergründig Aufklärung und Beratung der Eltern
- Siehe auch: Physiologisches Schreien (zum normalen Schreiverhalten), Prävention des NASHT
- Ggf. Unterstützungsangebote empfehlen (insb. bei hoher psychosozialer Belastung)
- Ggf. Probiotika (Lactobacillus reuteri)
- Nicht empfehlenswert: Entschäumer wie Simeticon [11][13]
-
Vordergründig Aufklärung und Beratung der Eltern
Blutbeimengungen im Stuhl sind immer abklärungsbedürftig! Eine potenziell lebensbedrohliche Ursache wie die Darminvagination muss ausgeschlossen werden! Weitere Ursachen können Kuhmilchproteinintoleranz und infektiöse Darmerkrankungen sein.
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Strenge Expositionskarenz
- Meiden ursächlicher Nahrungsmittel (bei schwerer Allergie auch in Spuren)
- Ernährungsberatung
- Bei voll gestillten Säuglingen mit Allergien auf bestimmte Nahrungsmittel in der mütterlichen Kost: Meiden entsprechender Nahrungsmittel durch die Stillende
- Bei jungen Säuglingen mit Kuhmilchallergie: Ersatz der Mutter- oder Folgemilch durch
- Extensiv hydrolysierte Formulanahrung (ehF)
- Bei fehlender Besserung unter extensiv hydrolysierter Formulanahrung: Aminosäurebasierte Formulanahrung (AAF)
- Bei der Proktokolitis im Säuglingsalter reicht bei voll gestillten Kindern ggf. eine Karenz der Stillenden [1]
- Frühestens ab dem 1. Geburtstag kann alternativ eine Nahrung auf Soja-, Hafer- oder Reisbasis verwendet werden (nach Ausschluss einer Sensibilisierung)
- Nicht geeignet als Ersatznahrung sind andere Tiermilchsorten , Risiko einer Kreuzreaktion >90%
- Symptomatische (Notfall‑)Therapie
- Antihistaminika, bspw. Dimetinden oder Cetirizin
- Systemische Glucocorticoide, bspw. Prednisolon
- Bei schwerer Anaphylaxie oder Allergie gegen Erdnuss, Nüsse oder Sesam
- Zusätzlich Versorgung mit einem Notfallset inkl. Adrenalin-Autoinjektor und Salbutamol-Dosieraerosol
- Ausstellen eines Notfallausweises
- Durchführung einer Anaphylaxie-Schulung
- Siehe auch: Symptomatische Therapie bei Typ-I-Reaktionen
- Ggf. Allergen-Immuntherapie
- SCIT/SLIT: Bei pollenassoziierten Kreuzreaktionen erwägen (siehe: Allergen-Immuntherapie)
- Orale Immuntherapie (OIT): Ausschließlich für Erdnussallergie verfügbar [15][16]
- Wirkstoff: Erdnussprotein (Palforzia®)
- Zulassung: Kinder und Jugendliche von 4 bis <18 Jahren (Fortführung ≥18 Jahre möglich)
- Anwendung
- Initiale Aufdosierung
- Dosissteigerung
- Erhaltungsdosis
- Wirksamkeit: Ansprechrate (erfolgreiche Hyposensibilisierung) ca. 50–60%
- Nebenwirkungen: Häufige allergische Reaktionen (Notfallbehandlung muss verfügbar sein!) [17]
- Beachte: Allergenkarenz weiterhin erforderlich
Prognose![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Nahrungsmittelallergien im Kindesalter: Verschwinden der Allergie nach jahrelanger Allergenkarenz möglich
- Bei Kuhmilcheiweißallergie: 80% Toleranzentwicklung bis zum Schuleintritt
- Bei Hühnereiweißallergie: 70% Toleranzentwicklung bis zum Schuleintritt
- Bei Erdnussallergie: Nur 20% Toleranzentwicklung im Verlauf
- Neu aufgetretene Nahrungsmittelallergien im Erwachsenenalter: Häufig Persistenz der Symptomatik
- Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien: Häufig rückläufig nach Allergie-Immuntherapie (AIT)
Spezifische nahrungsmittelinduzierte allergische Krankheitsbilder![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Spezifische nahrungsmittelinduzierte allergische Krankheitsbilder [6] | ||
---|---|---|
Allergie-Typ | Krankheitsbild | Häufige Allergene |
Typ I: IgE-vermittelte Soforttyp-Reaktion | Akute Urtikaria/Angioödem | |
Kontakturtikaria | Viele | |
Anaphylaxie | Alle, insb. Erdnuss, Nuss, Krustentiere, Fisch, Kuhmilch und Hühnerei | |
Weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie | Weizen | |
Pollenassoziierte Kreuzallergie | (Insb. rohes) Obst und Gemüse | |
Kombinierte Typ-I-/Typ-IV-Reaktion mit verzögertem Beginn und chronischem Verlauf | Atopische Dermatitis | Hauptallergene, insb. Hühnerei und Kuhmilch |
Eosinophile Ösophagitis | Viele | |
Eosinophile Gastroenteropathie | Viele | |
Typ IV: T-Zell-vermittelte verzögerte Reaktion, ggf. mit chronischem Verlauf | FPIES | Kuhmilch, Soja, Reis, Hafer, Fleisch |
Nahrungsmittelproteininduzierte Proktokolitis im Säuglingsalter | Kuhmilch , seltener Soja, Reis, Getreide, Fleisch und Gemüse | |
Allergische Kontaktdermatitis | Gewürze, Obst, Gemüse | |
Heiner-Syndrom | Kuhmilch |
Häufig finden sich Mischformen der Krankheitsbilder!
FPIAP (food protein-induced allergic proctocolitis)![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Epidemiologie
- Prävalenz: ca. 0,1%
- Manifestationsalter: Typischerweise in den ersten Lebensmonaten
Ätiologie
- Nicht-IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie: Typ-IV-Reaktion auf Nahrungsmittelproteine
- Mögliche Allergene
- Häufig: Kuhmilch (sog. Kuhmilchproteinintoleranz)
- Seltener: Soja, Hühnerei, Reis, Getreide, Fleisch und Gemüse
Auch voll gestillte Säuglinge können von einer FPIAP betroffen sein, da Nahrungsmittelproteine in die Muttermilch übertreten können!
Klinisches Bild
- Blutig-schleimige Stühle
- Guter Allgemeinzustand, selten kolikartige Bauchschmerzen
- Keine Dystrophie
Diagnostik
- Orale Provokation: Nach Eliminationsdiät (für 2–4 Wochen)
- Sonografie: Unspezifische Entzündungszeichen (Verdickung des Kolons)
- Labor
- Ggf. Eosinophilie
- Selten hypochrome, mikrozytäre Anämie
- In Ausnahmefällen Endoskopie: Lymphonoduläre Hyperplasie mit ödematöser, ggf. sezernierender Mukosa
Differenzialdiagnosen
- Volvulus
- Nekrotisierende Enterokolitis
- Invagination
- Infektiöse Kolitis
- Meckel-Divertikel
- Analfissur
- Gerinnungsstörung
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Therapie
- Strenge Expositionskarenz
- Meiden entsprechender Nahrungsmittel durch die Stillende bei voll gestillten Kindern
- Ersatz der Mutter- oder Folgemilch durch extensiv hydrolysierte Formulanahrung (ehF) oder aminosäurebasierte Formulanahrung (AAF) bei Kindern
- die voll gestillt werden, aber eine Karenz der Stillenden nicht zur Symptombesserung führt
- die mit Formulanahrung ernährt werden
- mit multiplen Nahrungsmittelallergien
- Ernährungsberatung
Prognose
- Selbstlimitierend
FPIES (food protein-induced enterocolitis syndrome)![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Ätiologie
- Typ-IV-Reaktion, insb. auf Kuhmilch, Soja, Reis, Hafer, Fleisch
Klinisches Bild
- Leitsymptom: Rezidivierendes Erbrechen 1–4 h nach dem Essen
-
Fakultativ
- Lethargie und Blässe
- Diarrhö 5–10 h nach dem Essen
- Hypotension und Hypothermie bis zum Schock
- Verlauf
- Akut fulminant
- Chronisch rezidivierend
- Intermittierend Erbrechen und Diarrhö ohne ersichtlichen Zusammenhang mit den Mahlzeiten
- In der Folge: Gedeihstörung, Dehydratation
Diagnostik
- Labor
- Thrombozytose und/oder Leukozytose mit Neutrophilie
- Im Verlauf ggf. Azidose, Elektrolytentgleisung, Methämoglobinämie
- Typischerweise kein Nachweis spezifischer IgE-Antikörper
-
Eliminationsdiät
- Unter Karenz des verdächtigten Nahrungsmittels: Besserung innerhalb weniger Tage
- Bei Reexposition: Wiederauftreten bzw. Verschlechterung
- Oraler Provokationstest: Nur bei unklarer Diagnose oder zur Reevaluation im Verlauf
Die Diagnose kann ausschließlich klinisch gestellt werden und ist potenziell lebensbedrohlich!
Therapie
- Strenge Expositionskarenz
- Ernährungsberatung
- Verordnung eines Notfallsets und Ausstellen eines Notfallpasses
- Symptomatische Therapie [22]
- Monitoring von Vitalparametern und Elektrolythaushalt
- Flüssigkeitssubstitution mit NaCl 0,9% i.v.
- Prednisolon i.v.
- Ggf. Ondansetron i.v. (Off-Label!)
Prognose
- I.d.R. Toleranzentwicklung [23]
Eosinophile Ösophagitis und Gastroenteropathie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Eosinophile Ösophagitis [1][4][24]
Epidemiologie
- Prävalenz: 34:100.000
- Manifestationsalter: In jedem Alter möglich, Altersgipfel 20.–40. Lebensjahr
- Geschlecht: ♂ > ♀ (3:1)
Ätiologie
- Genaue Pathogenese unklar
- Wahrscheinlich kombinierte Typ-I- und Typ-IV-Reaktion, insb. auf Kuhmilch, Soja, Hühnerei, Erdnuss, Weizen
- Häufig Assoziation mit allergischem Asthma bronchiale und/oder Rhinoconjunctivitis allergica
Klinisches Bild
- Bei Säuglingen und Kleinkindern
- Refluxsymptome
- Übelkeit und Erbrechen
- Nahrungsverweigerung
- Gedeihstörung
- Dysphagie und Bolusobstruktion
- Bei älteren Kindern und Erwachsenen
- Dysphagie und Bolusobstruktion
- Retrosternales Brennen
- Bei chronischem Verlauf: Strikturen und Stenosen
Diagnostik
- Ösophagogastroskopie inkl. Biopsien
- Durchführung: Mind. 6 Biopsien aus verschiedenen Ösophagusabschnitten
- Befund: Ösophagitis-Zeichen
- Makroskopisch
- Weißliche Exsudate
- Ringförmige Schleimhautdefekte („Baumringaspekt“)
- Schleimhautödem
- Längsfurchen
- Strikturen
- Leicht blutende Mukosa („Krepppapiermukosa“)
- Kleinkalibriger Ösophagus
- Mikroskopisch: Eosinophile Granulozyten
- Makroskopisch
- Klassifikation: Anhand des modifizierten EREFS-Scores
Modifizierter EREFS-Score | |||||
---|---|---|---|---|---|
Grad | 0 | 1 | 2 | 3 | |
Exsudate | Nein | Mild | Schwer | — | |
Majorbefunde | Ringe | Nein | Gering | Moderat | Schwer |
Ödem | Nein | Ja | — | — | |
Furchen | Nein | Ja | — | — | |
Strikturen | Nein | Ja | — | — | |
Minorbefunde | Krepppapierzeichen | Nein | Ja | — | — |
- Labordiagnostik: Geringer Stellenwert
- Eosinophilie (in ca. 50% der Fälle)
- Erhöhung des Gesamt-IgE (in ca. 70% der Fälle)
- Diagnosekriterien
- Typisches klinisches Bild
- Histologisch eosinophile Granulozyten ≥15/HPF
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen, insb. Refluxösophagitis
Das klinische Bild korreliert häufig nicht mit dem histologischen Befund!
Therapie
- Vorgehen zur Remissionsinduktion
- Topische Glucocorticoide, bspw. Budesonid als Schmelztablette
- Hochdosierte PPI-Therapie
- 6-Food-Eliminationsdiät: Strenge Expositionskarenz bzgl. Kuhmilchprotein, Weizen, Soja, Ei, Nüssen/Erdnüssen und Fisch/Meeresfrüchten [25][26]
- Ernährungsberatung
- Ggf. Dupilumab (Anti-IL4R-Antikörper): Falls die Primärtherapie ungenügend hilft oder nicht vertragen wird [27]
- Zulassung: Ab 12 Jahren und ≥40 kgKG
- Darreichungsform: Injektionsspritzen zur s.c. Applikation
- Ggf. endoskopische Dilatation/Bougierung
- Nicht empfohlen
- Azathioprin, 6-Mercaptopurin
- Antiallergika
Prognose
- Chronische Erkrankung, selten Spontanremission
- Ohne Expositionskarenz und antiinflammatorische Therapie häufig persistierende oder intermittierende Symptome mit Strikturen im Verlauf
- I.d.R. normale Lebenserwartung
Eosinophile Gastroenteropathie [1]
Epidemiologie
- Manifestationsalter: Meist Jugendliche und Erwachsene
Ätiologie
- Genaue Pathogenese unklar
- Wahrscheinlich kombinierte Typ-I- und Typ-IV-Reaktion gegen bestimmte Nahrungsmittel
- Häufig Assoziation mit allergischem Asthma bronchiale und/oder Rhinoconjunctivitis allergica
Klinisches Bild
- Nach Befallslokalisation
- Mukosal
- Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, häufig selbstlimitierend
- Durchfall, okkultes Blut
- Im Verlauf
- Muskulär
- Magenentleerungsstörung (Pylorusstenose)
- Intestinale Obstruktion mit kolikartigen Bauchschmerzen
- Serös: Aszites
- Mukosal
Diagnostik
- Identifikation des Auslösers schwierig, da Symptomatik oft nicht im zeitlichen Zusammenhang
- Endoskopie mit tiefen Biopsien aus unterschiedlichen Regionen, insb. Magen und Duodenum
- Uncharakteristischer, meist fokaler Befund
- Erythem, weiße Mukosaplaques, Erosionen, Ulzerationen, Faltenverdickung
- Schleimhautempfindlichkeit
- Lymphatische Hyperplasie
- Weitere mögliche Befunde: Eosinophilie im Blut in 20–80%, ggf. Serum-IgE↑
Differenzialdiagnose
- Bei zusätzlich Asthma bronchiale, Vaskulitis oder eosinophiler Myokarditis: Churg-Strauss-Syndrom → Rasche Immunsuppression erforderlich!
Therapie [1]
- Strenge Expositionskarenz: Häufig Besserung innerhalb von 2 Wochen
- Bei ausbleibender Besserung: Symptomatische Therapie
- Bei mukosalem Befallsmuster und Beschwerden: Cromoglicinsäure
- Bei Stenosen, Blutungen und anderen Komplikationen
- Immunsuppression mit Glucocorticoiden erwägen: Bspw. Prednisolon
- Insb. bei Blutungen PPI als Basismedikation zur Säurehemmung: Bspw. Pantoprazol
- Weitere
- Montelukast p.o.
- Ketotifen p.o.
Prognose
- Häufig Vollremission
- Chronisch-rezidivierende Verläufe mit schlechter Abheilungstendenz und hoher Komplikationsneigung möglich
Weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Definition [6]
- Anaphylaktische Typ-I-Reaktion nach Verzehr von Weizen in Kombination mit körperlicher Belastung und ggf. weiteren Triggerfaktoren
- Form der Summationsanaphylaxie: Anaphylaxieform, bei der nur Symptome auftreten, wenn eine Kombination verschiedener Triggerfaktoren mit bestimmten, generell gut tolerierten Nahrungsmittelallergenen zusammentrifft
Die weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie ist eine Summationsanaphylaxie!
Ätiologie
- Genauer Pathomechanismus unklar
- Hypothesen
- Körperliche Belastung → Unspezifische Mastzell-Aktivierung → Erhöhte Sensitivität der Mastzelle gegenüber IgE-vermittelter Reaktion
- Körperliche Belastung → Passagere Darmbarrierestörung → Erhöhter Kontakt der mukosalen Immunzellen mit Nahrungsmittelallergenen
Klinisches Bild
- Insb. gastrointestinale Symptomatik
- Übelkeit, Erbrechen, Reflux
- Bauchschmerzen, Meteorismus, Diarrhö
- Weitere Allergiesymptomatik
Diagnostik [28]
- Goldstandard zur Diagnosesicherung: Orale Provokation und anschließende Belastung auf dem Fahrradergometer
- Molekulare Diagnostik: IgE-Antikörpernachweis gegen Omega-5-Gliadin
- Häufig nicht wegweisend aufgrund niedriger Sensitivität und Spezifität
- Pricktest
- Spezifische IgE-Antikörper gegen Allergenextrakte
Therapie [28]
- Expositionskarenz weizenhaltiger Nahrungsmittel bis zu 6 h vor körperlicher Aktivität und/oder Alkoholgenuss/NSAR-Einnahme
- Ernährungsberatung
- Verordnung eines Notfallsets und Ausstellen eines Notfallpasses
- Symptomatische Therapie: Siehe Behandlungsschema bei Anaphylaxie
Prävention![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Exkurs: Histaminunverträglichkeit![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Definition: Krankheitsbild mit bisher unzureichender Evidenz, bei dem oral aufgenommenes Histamin als (Mit‑)Auslöser für diverse Symptome vermutet wird [29]
- Ätiologie: Ungeklärt
- Symptome und mögliche Differenzialdiagnosen
- Flush → Neuroendokrine Tumoren, Mastozytose
- Juckreiz → Urtikaria, Pruritus unterschiedlichster Genese
- Übelkeit, Erbrechen → Gastroduodenale Ulkuskrankheit
- Diarrhö, Abdominalschmerzen → Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Lactoseintoleranz, Fructosemalabsorption, Zöliakie, Mastozytose
- Rhinitis → Rhinitis acuta, allergische Rhinitis
- Dyspnoe, Dysphonie → Asthma bronchiale
- Blutdruckabfall, Schwindel, Tachykardie → Anaphylaxie, Mastozytose
Zur Abgrenzung zu den Differenzialdiagnosen ist der zeitliche Verlauf hilfreich: Nahrungsmittelunverträglichkeiten treten innerhalb von Minuten bis maximal 4 Stunden nach Nahrungsaufnahme auf!
- Diagnostik: Keine spezifische Diagnostik
- Empfohlenes Vorgehen bei V.a. Histaminunverträglichkeit
- Ausführliche Anamnese und Ausschluss von Differenzialdiagnosen
- Dreistufige Ernährungsumstellung
- Besserung: Ggf. orale Provokation mit Histamin
- Keine Besserung: Weitere diagnostische Abklärung (inkl. neurologischer, endokriner und psychosomatischer Ursachen)
- Ggf. probatorische Gabe von H1- oder H2-Antihistaminika über einen begrenzten Zeitraum
Bei V.a. Histaminunverträglichkeit wird zunächst die Abklärung und ggf. Therapie anderer Differenzialdiagnosen empfohlen!
- Komplikationen
- Gefahr von Mangelzuständen bei restriktiver Ernährung
- Soziale Einschränkungen
Eine pauschale Vermeidung bestimmter Lebensmittel aufgrund ihres Histamingehalts führt zu einer unnötig restriktiven Ernährung!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- K52.-: Sonstige nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis
- K52.2: Allergische und alimentäre Gastroenteritis und Kolitis
- Gastroenteritis oder Kolitis durch Nahrungsmittelallergie
- K52.2: Allergische und alimentäre Gastroenteritis und Kolitis
- L23.-: Allergische Kontaktdermatitis
- L23.6: Allergische Kontaktdermatitis durch Nahrungsmittel bei Hautkontakt
- Exklusive: Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel (L27.2)
- L27.-: Dermatitis durch oral, enteral oder parenteral aufgenommene Substanzen
- T78.-: Unerwünschte Nebenwirkungen, anderenorts nicht klassifiziert
- T78.0: Anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit
- T78.1: Sonstige Nahrungsmittelunverträglichkeit, anderenorts nicht klassifiziert
- Exklusive: Bakteriell bedingte Lebensmittelvergiftungen (A05.‑), Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel (L27.2), Dermatitis durch Nahrungsmittel bei Hautkontakt (L23.6, L24.6, L25.4)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.
Studientelegramme zum Thema![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Studientelegramm 283-2024-1/3: Harte Nuss: Therapie bei Nahrungsmittelallergien
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