Zusammenfassung
Die Onychomykose ist eine chronische Pilzinfektion der Finger- und/oder Zehennägel und betrifft v.a. Erwachsene in höherem Lebensalter. Die häufigsten Erreger sind Dermatophyten, insb. Trichophyton rubrum und interdigitale. In seltenen Fällen können auch Hefe- oder Schimmelpilze eine Onychomykose verursachen. Zu den prädisponierenden Faktoren zählen u.a. Durchblutungsstörungen der unteren Extremität, ein familiäres Auftreten, Immunschwäche (z.B. bei Diabetes mellitus) und Traumen.
Klinisch zeigen sich meist (gelblich) verfärbte Nägel mit subungualen Hyperkeratosen und als Endzustand ein bröckeliger Nagelzerfall. Diagnosesichernd sind der mykologische Erregernachweis in der Direktmikroskopie sowie die Erregerbestimmung mittels Pilzkultur oder molekularer Diagnostik (PCR). Je nach Ausprägung wird mit topischen und ggf. zusätzlich systemischen Antimykotika therapiert. Ergänzend sollten Hygienemaßnahmen vorgenommen und infiziertes Nagelmaterial mit hochprozentigem Harnstoff atraumatisch entfernt werden. Es können sekundär bakterielle Infektionen wie Erysipele und/oder weitere Hautmykosen begleitend auftreten.
Epidemiologie
Ätiologie
- Erreger [1][5]
- Dermatophyten (ca. 65%) (Tinea unguium)
- Am häufigsten: Trichophyton rubrum (ca. 84%), Trichophyton interdigitale (ca. 15%)
- Weitere anthropophile Dermatophyten, z.B. Epidermophyton floccosum
- Zoophile Dermatophyten, z.B. Microsporum canis
- Geophile Dermatophyten, z.B. Nannizzia gypsea
- Hefepilze (ca. 20%) : Insb. Candida albicans, Candida parapsilosis (Candida-Onychomykose)
- Schimmelpilze (ca. 15%) : Insb. Scopulariopsis brevicaulis
- Dermatophyten (ca. 65%) (Tinea unguium)
- Prädisponierende Faktoren
- Im Haushalt lebende infizierte Personen
- Durchblutungsstörungen der unteren Extremität
- Familiäre Prädisposition
- Diabetes mellitus
- Rezidivierende Traumen (bspw. beim Sport)
- Vorhandene Tinea pedis
- Fuß- und Zehenfehlstellung
- Enges Schuhwerk
- Starkes Schwitzen
- Nagelpsoriasis
- Immunsuppression
Symptomatik
Allgemeines
- Lokalisation: Zehennägel > Fingernägel [5][6]
- Initial: Weißliche, gelbliche, graue oder bräunliche Nagelverfärbung
- Im Verlauf
- Bröckeliger Zerfall (Dystrophie)
- Hyperkeratose des Nagelbetts mit Anhebung der Nagelplatte (Onycholyse)
Einteilung nach klinischem Befund
Distolaterale subunguale Onychomykose (DSO)
- Auftreten: Häufigste Form
- Eintrittspforte: Unterseite der Nagelplatte durch Erreger aus infizierter umgebender Haut
- Ausbreitung: Von distal nach proximal zur Matrix
- Klinisches Bild
- Gelbliche Verfärbung der Nagelplatte
- Im Verlauf Anhebung der Nagelplatte
Proximale subunguale Onychomykose (PSO)
- Eintrittspforte: Cuticula und Eponychium durch Erreger aus infizierter Haut des proximalen Nagelwalls
- Ausbreitung: Von proximal nach distal
- Vorkommen: Insb. bei Immunsupprimierten
Weiße superfizielle Onychomykose (WSO, Leukonychia trichophytica)
- Eintrittspforte: Oberfläche der Nagelplatte
- Klinisches Bild: Weißliche Plaques oder Streifen nur an den Zehennägeln
Endonyx-Onychomykose
- Eintrittspforte: Nagelplatte
- Klinisches Bild
- Weißliche Verfärbung
- Keine subunguale Hyperkeratose, keine Onycholyse
Totale dystrophische Onychomykose (TDO)
- Klinisches Bild: Weitgehende Zerstörung der Nagelplatte
- Vorkommen
- Endzustand einer unbehandelten Nagelpilzinfektion oder
- Klassisches Bild bei chronischer mukokutaner Candidose im Rahmen eines angeborenen Immundefektes
Candida-Onychomykose
- Eintrittspforte: Chronische Infektion des proximalen und lateralen Nagelwalls durch Candida spp. führt zur Matrixschädigung
- Klinisches Bild
- Unregelmäßige Struktur der Nagelplatte (Querrillen)
- Oft gemeinsam mit Paronychie auftretend
Differenzialdiagnosen
- Nagelveränderungen bei chronischen Hauterkrankungen
- Nagelpsoriasis
- Ekzemnägel
- Lichen ruber des Nagels
- Nageldystrophien (kongenital oder erworben)
- Trachyonychie
- Onychodystrophie bei Alopecia areata
- Traumatische Onychodystrophie
- Druckinduzierte Hyperkeratosen der Nägel bei Fußfehlstellungen (Hallux valgus, Reiterzehen) und zu engem Schuhwerk
- Retronychie [7]
- Yellow-Nail-Syndrom
- Bakterielle Nagelinfektionen [6]
- Erreger: Insb. Pseudomonas aeruginosa
- Risikofaktoren: Feuchtarbeit, Mikrotraumen, Onychotillomanie, Diabetes mellitus, Immunsuppression
- Klinisches Bild: Grünverfärbung der Nagelmatrix (Green-Nail-Syndrom)
- Therapie
- Feuchtarbeiten vermeiden
- Antiseptische Handbäder, bspw. mit Octenidin
- Topische Therapie mit Nadifloxacin
- Ggf. orale Antibiotikatherapie mit bspw. Ciprofloxacin
- Nagelveränderungen durch Hyperpigmentierung
- Melanonychia striata longitudinalis
- Akrolentiginöses malignes Melanom
- Weitere: Nagelveränderungen durch Medikamente (bspw. Tetracycline)
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Diagnostik
Vorgehen bei V.a. Onychomykose
- Anamnese
- Grunderkrankungen (insb. Diabetes, Durchblutungsstörungen)
- Verlauf
- Prädisponierende Faktoren (z.B. Sport, enges Schuhwerk, familiäre Disposition)
- Erkrankte Kontaktpersonen
- Klinische Untersuchung
- Inspektion der Finger-/Zehennägel, Anzahl der befallenen Nägel
- Weitere mögliche Lokalisationen von Dermatophytosen (Hände und Füße, Stamm, Kopfhaut)
- Mykologische Diagnostik: Bei allen Personen
- Mikroskopie des Nativpräparats und Pilzkultur
- Ggf. zusätzlich oder anschließend PCR
- Ggf. histologische Untersuchung mit PAS-Färbung
- Interpretation der mykologischen Diagnostik
- Bei Nachweis von Dermatophyten: Ursächlicher Erreger i.d.R. identifiziert → Therapie
- Bei Nachweis von Nicht-Dermatophyten-Schimmelpilzen: Therapie erst bei positiven Diagnosekriterien
- Typischer klinischer Befund plus Erregernachweis in Nativpräparat und Pilzkultur plus mind. 1 zusätzliches Kriterium
Bei der Hälfte aller klinischen Nagelpilzdiagnosen liegt keine Onychomykose vor. Die Diagnose kann nur mithilfe der mykologischen Diagnostik sicher gestellt werden!
Durchführung der mykologischen Diagnostik
- Zeitpunkt: Vor Therapiestart
- Materialgewinnung
- Ggf. Desinfektion mit 70%igem Ethylalkohol
- Zurückschneiden des Nagels und möglichst proximale Materialentnahme
- Mikroskopie des Direkt-/Nativpräparats: Dient dem Erregernachweis
- Sensitivität 60–90%
- Durchführung
- Untersuchungsmaterial auf Objektträger mit 1–2 Tropfen 10–20%iger Kaliumhydroxid-Lösung (KOH) versetzen
- Inkubation in feuchter Kammer über 1–2 Stunden bzw. über Nacht und anschließende Mikroskopie des Nativpräparats
- Pilzkultur: Dient der Erregerbestimmung
- Durchführung
- Nagelspäne werden auf Selektivnährboden (mit Cycloheximid) und einem nicht-selektiven Nährboden (bspw. Sabouraud-Glucose-Agar) bei 26–32 °C über 4 Wochen bebrütet
- Beurteilung u.a. anhand speziestypischer mikroskopischer und makroskopischer Merkmale
- Durchführung
- Histologische Untersuchung mit PAS-Färbung: Dient dem Erregernachweis
- Materialgewinnung: Abknipsen des Nagels ausreichend
- PCR: Schneller direkter Erregernachweis und -bestimmung aus Nagelspänen mit hoher Sensitivität
Auch bei korrekter Materialgewinnung und Untersuchung muss mit falsch-negativen Ergebnissen gerechnet werden. Bei weiterhin bestehendem V.a. eine Onychomykose sollte daher mind. eine weitere Untersuchung erfolgen!
Der diagnostische Nachweis mehrerer Pilze ist häufig. Meist handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine Mehrfachinfektion, sondern um eine sekundäre Besiedelung.
Therapie
Behandlungsziel
- Vollständige Beseitigung des Erregers
- Klinisch überwiegend gesund erscheinende Nägel
- Unterbrechung von Infektionsketten
Eine Onychomykose ist immer behandlungsbedürftig!
Adjuvante Maßnahmen
- Desinfektion von Schuhen und Strümpfen während und nach antimykotischer Therapie zur Vermeidung einer Reinfektion
-
Atraumatische Entfernung des infizierten Nagelmaterials
- Keratolyse mit 40%igem Harnstoff unter Okklusion
- Ggf. mechanische Entfernung befallener Nagelanteile und subungualer Hyperkeratosen mittels Fräse
- Chirurgische Nagelextraktion obsolet
Vor jeder topischen und/oder systemischen antimykotischen Therapie sollte das pilzbefallene Nagelmaterial durch hochprozentigen Harnstoff reduziert werden!
Lokaltherapie
- Indikation: Immer, alleinige Lokaltherapie bei
- Fehlende Matrixbeteiligung
- Distolaterale subunguale Onychomykose und weiße superfizielle Onychomykose mit <50% Befall der Nagelplatte
- ≤3 befallene Nägel
- Wirkstoffe
- Wasserlöslicher Ciclopirox-Nagellack [8]
- Amorolfin-Nagellack
Eine Lokaltherapie ist immer indiziert!
Systemtherapie [5][9]
- Indikation
- Bei Nagelmatrixbeteiligung
- Distolaterale subunguale Onychomykose mit >50% Befall der Nagelplatte
- >3 befallene Nägel
- Bei proximaler subungualer Onychomykose und total dystrophischer Onychomykose
- Kontraindikation: Insb. Leber- und Nierenfunktionsstörungen
- Voraussetzung: Vorhandenes Nagelwachstum >0,5 mm/Woche
- Durchführung: Immer in Kombination mit einer topischen antimykotischen Therapie
- Laborkontrollen unter Therapie
- Keine Risikofaktoren: Individuell angepasst
- Hepatotoxische Komedikation: Leberwerte vor Therapiebeginn, nach 2–4 Wochen, danach angepasst an Auffälligkeiten in den Voruntersuchungen
- Therapie bei Dermatophyteninfektion
-
Terbinafin: 1. Wahl
- Kontinuierliche Therapie
- Niedrigdosierte intermittierende Langzeittherapie (Off-Label Use!)
- Itraconazol
- Kontinuierliche Therapie
- Pulstherapie
- Ggf. als niedrigdosierte intermittierende Langzeittherapie erwägen (Off-Label Use!)
- SUBA®-Itraconazol
- Kontinuierliche Therapie
- Niedrigdosierte intermittierende Langzeittherapie (Off-Label Use!)
- Fluconazol
-
Terbinafin: 1. Wahl
- Therapie bei Candidainfektion
- Fluconazol: 1. Wahl
- Itraconazol
- Kontinuierliche Therapie
- Pulstherapie
- Terbinafin: Nur bei Candida parapsilosis
- Therapie bei Schimmelpilzinfektion (NDM)
- Oft fehlendes Ansprechen auf Systemtherapie
- Terbinafin: Bei Aspergillus spp.
Insb. Terbinafin und Itraconazol haben diverse Arzneimittelwechselwirkungen – unbedingt Fachinformation beachten!
Therapie der Onychomykose im Kindes- und Jugendalter
- Erreger: Meist Trichophyton rubrum
- Topische Therapie: Wasserlöslicher Ciclopiroxolamin-Nagellack (Off Label Use!) bei milden Formen gut wirksam
- Systemische Therapie
- Terbinafin (Off-Label Use!)
- <20 kgKG
- 20–40 kgKG
- >40 kgKG
- Itraconazol (Off-Label Use!)
- Fluconazol (Off-Label Use!)
- Griseofulvin: Einziges zugelassenes Medikament bei insg. geringer Wirksamkeit, in Deutschland nicht mehr verfügbar und nicht empfohlen
- Terbinafin (Off-Label Use!)
Alternative Therapiemaßnahmen
- Laser
- Nicht-ablative Laser: Kurz- und langgepulste (1064 nm) Nd:YAG-Laser
- Ablative Laser: CO2- oder Er:YAG-Laser
Komplikationen
- Hautmykosen, bspw. Tinea manuum und Tinea pedum
- Sekundäre bakterielle Haut- und Weichgewebeinfektionen, bspw. Erysipel des Unterschenkels, Pyodermien
- Rezidive (bei 20–25%!)
Die Onychomykose kann Fokus invasiver Pilzinfektionen und Ursache sekundärer bakterieller Haut- und Weichteilinfektionen sein!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- B35.-: Dermatophytose [Tinea]
- Inklusive: Favus, Infektionen durch Arten von Epidermophyton, Microsporum und Trichophyton, Tinea jeden Typs, mit Ausnahme der unter B36.- aufgeführten Typen
- B35.1: Tinea unguium
- Dermatophytose der Nägel, Mykose der Nägel, Onychia durch Dermatophyten, Onychomykose
- B37.-: Kandidose
- B37.2: Kandidose der Haut und der Nägel
- Onychomykose durch Candida
- Paronychie durch Candida
- B37.2: Kandidose der Haut und der Nägel
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.