Zusammenfassung
Intraartikuläre Punktionen und Injektionen werden zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken angewandt. Besonders bei V.a. einen Gelenkinfekt sowie zur Schmerztherapie bei schmerzhaftem Gelenkerguss sind diese Verfahren in der klinischen Praxis gängig. Da der Gelenkinfekt zu einer intraartikulären Destruktion und langfristigen Folgeschäden führen kann, ist eine zeitnahe Durchführung erforderlich.
Größte Gefahr dieser Verfahren sind die intraartikuläre Keimverschleppung und der iatrogene Gelenkinfekt. Eine sorgfältige Vorbereitung des Eingriffs sowie steriles Arbeiten tragen dazu bei, diese Komplikationen zu vermeiden.
Die anschließende optische Beurteilung sowie die laborchemische Analyse und Interpretation des Punktats geben einen Hinweis auf die Ursache des Gelenkergusses.
Indikation
Punktion
- Diagnostische Punktion
- Bei V.a. Gelenkempyem/akuten Infekt: Absolute Indikation
- Zur Gewinnung von Synovialflüssigkeit ohne Zeichen eines akuten Infekts [1]
- Therapeutische Punktion zur Entlastung: Relative Indikation
- Bei schmerzhaftem Gelenkerguss
- Bei posttraumatischem Hämarthros
Injektion
- Diagnostische Injektion von
- Kontrastmittel zur weiterführenden Bildgebung
- Medikamenten zur Ausschlussdiagnostik
- Therapeutische Injektion von Medikamenten bei intraartikulären Beschwerden
Kontraindikation
Generell
- Absolut: Hautdefekt/-läsion bei geplanter Injektion [2]
- Relativ
- Hautdefekt/-läsion bei V.a. auf Infekt und geplanter Punktion [1][2]
- Einnahme blutverdünnender Medikamente
- Relevante Thrombozytopenie bzw. Gerinnungsstörung [1]
- Einliegende Endoprothese
Injektion
- Absolut
- Intraartikulärer Infekt
- Bakteriämie
- Fraktur im Bereich des Gelenks
- Anatomische Veränderung (bspw. Tumorerkrankung) in der Umgebung der Einstichstelle
- Spezifische Allergien gegen Lokalanästhetika, Glucocorticoide oder andere zu applizierende Medikamente
- Relativ
- Gelenkinstabilität
- Bei Diabetes mellitus: Intraartikuläre Applikation von Glucocorticoiden
- Wiederholtes Versagen korrekt ausgeführter intraartikulärer Injektionen
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Vorbereitung
- Generelles
- Zum Zeitpunkt der Punktion: Möglichst wenige Personen im Raum, Sprechverbot
- Anlegen eines Mund-Nasen-Schutzes, Kopfhaube und ggf. weiterer Schutzkleidung (Kittel)
- Bereitlegen von Punktatbehältnissen [3]
- EDTA-Blutentnahmeröhrchen: Zur Bestimmung von Leukozytenzahl, Protein- und Glucosegehalt
- Blutkulturflaschen: Je eine aerobe und anaerobe Flasche
- Nativröhrchen: Für Grampräparat, Mykobakterien und Pilze
- Ggf. weiteres Nativröhrchen: Für PCR , Kristallnachweis und Eiweißgehalt [1][4]
- Vorbereiten eines sterilen Punktions-/Injektionstisches
- Desinfektionsmaterial
- Sterile wasserundurchlässige Einmalunterlagen und Lochtuch
- Punktionsbesteck
- Lange Punktionsnadel
- 10-mL- und 20-mL-Spritze
- Steriles Pflaster
- (11er‑)Skalpell [3]
- Bei Injektion: Ggf. Material für die Lokalanästhesie
- 5-mL-Spritze
- 5–10 mL Lokalanästhetikum (bspw. 1% Xylocain® mit dem Wirkstoff Lidocain)
- Kanüle zum Aufziehen des Lokalanästhetikums
- Dünne Kanüle (∼25–26 G) zur Infiltration der Haut mit Lokalanästhetikum
- Bei Injektion: Zu applizierendes Medikament
- Bei sonografisch kontrollierter Punktion/Injektion: Steriler Überzug für den Schallkopf [5]
- Patientenvorbereitung
- Aufklärung über Indikation, Durchführung sowie etwaige Komplikationen der Prozedur
- Bei Punktion mit V.a. Infektion: Falls möglich, Pausieren einer Antibiotikatherapie mind. 2 Wochen vor Punktion
- Kürzen störender Behaarung [6]
- Patientenlagerung siehe: Landmarken und Punktionstechniken bei Gelenkpunktionen
Ablauf/Durchführung
Genereller Ablauf [6]
- Palpation der anatomischen Landmarken
- Desinfektion
- Hygienische Händedesinfektion und sterile Handschuhe anziehen
- Ausreichende Hautdesinfektion : Anschließend Einstichstelle und Umgebung nicht mehr berühren (No Touch)
- Steriles Abdecken der Einstichstelle
- Ggf. Lokalanästhesie: Streng kutane und subkutane Lokalanästhesie [6]
- Stichinzision zur Vermeidung einer intraartikulären Keimverschleppung durch Hautstanzzylinder [3]
- Punktion (ggf. unter sonografischer oder Bildwandlerkontrolle ): Bei erfolgreicher Punktion i.d.R. ein Hohlraumgefühl spürbar
- Aspiration bzw. Injektion
- Aspiration möglichst ohne großen Sog
- Bei Punctio sicca : Anspülen des Gelenks mit sterilem Kochsalz (Gelenk-Lavage)
- Steriler Wundverband, ggf. Kompressionsverband und Kryotherapie
Bei Gelenk-Lavage kann durch die Verdünnung der Gelenkflüssigkeit mit der Spülflüssigkeit der Keimnachweis misslingen! [6]
Anatomische Landmarken und Punktionstechniken bei Gelenkpunktionen nach Punktionsort [3][6]
Anatomische Landmarken und Punktionstechniken bei Gelenkpunktionen | ||||
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Gelenk | Zugang | Lagerung | Anatomische Landmarken | Punktionstechnik |
Hüftgelenk | Ventraler Zugang |
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Lateraler Zugang |
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Kniegelenk | Proximal-lateraler Zugang |
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Lateraler Zugang |
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Ventraler Zugang |
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Oberes Sprunggelenk | Ventromedialer Zugang |
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Ventrolateraler Zugang |
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Schultergelenk | Ventraler Zugang |
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Dorsaler Zugang |
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Interpretation/Befund
Makroskopische Untersuchung [1]
- Volumen
- Farbe
- Trübung
- Gerinnung: Physiologisch keine Gerinnungsaktivität
- Viskosität [4]
- Physiologisch: Hoch
- Abnahme des Viskosität mit steigendem Entzündungsgrad
Je trüber ein Punktat, desto höher die Zellzahl!
Mikrobiologische, zytologische und pathologische Untersuchung [1][3][6][7]
Synovialanalyse | ||||
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Punktatfarbe und -trübung | Zellzahl | Anteil neutrophiler Granulozyten | Bakterien | |
Physiologisches Punktat |
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Arthrose |
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Traumatische Arthritis |
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Reaktive Arthritis |
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Rheumatoide Arthritis |
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Gicht |
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Septische Arthritis |
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Weitere laborchemische Analysen
- Proteingehalt [8]
- Physiologischer Referenzwert von Gesamteiweiß: 1,1–2,2 g/dL
- Anstieg des Eiweißgehalts im Punktat mit steigender Entzündungsaktivität
- Glucose
- Bei entzündlichen Prozessen erniedrigte Konzentration im Vergleich zum aktuellen Blutzuckerspiegel
- Abfall der Glucosekonzentration in Synovialflüssigkeiten mit steigender Entzündungsaktivität
- Rheumafaktor
- Physiologischer Referenzwert: 1–10 U/L
- Kristallnachweis
- Physiologischer Referenzwert: Negativ
- Natriumuratkristalle: Gicht
- Calciumpyrophosphatkristalle: Pseudogicht
- Direkter Keimnachweis
- Qualitativer Erregernachweis: Keimidentifizierung
- Quantitativer Erregernachweis: Konzentration
- Prothesenabrieb bei periprothetischem Erguss: Hinweis auf eine Prothesenlockerung
Die Untersuchung des Punktats sollte innerhalb von 4 Stunden nach der Punktion erfolgen! [1]
Komplikationen
Generell
- Iatrogener Gelenkinfekt (Empyem, Phlegmone) mit konsekutiver Generalisierung (Sepsis) [4]
- Panarthritis
- Osteoarthritis und Osteomyelitis
Injektion
- Beschwerdepersistenz
- Bei Glucocorticoid-Injektion: Gewebeatrophie, aseptische Gewebeschäden (bspw. Nekrose)
Eine Aufklärung über mögliche Komplikationen und die Relevanz einer zeitnahen Wiedervorstellung bei Infektzeichen ist wichtig!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.