Zusammenfassung
Das unspezifische (= angeborene, natürliche) Immunsystem ist bereits bei der Geburt vorhanden und bedient sich erster Abwehrmechanismen, sobald der Körper auf Pathogene trifft. Hierbei handelt es sich einerseits um physikalische und chemische Barrieren, die verhindern sollen, dass Pathogene überhaupt in den Körper gelangen, und andererseits um lösliche Stoffe und Zellen des unspezifischen Immunsystems, die versuchen, die in den Körper gelangten Pathogene abzutöten.
Die Zellen des angeborenen Immunsystems haben spezielle Mustererkennungsrezeptoren (sog. „Pattern Recognition Receptors“; PRRs), die es ihnen ermöglichen, schnell und antigenunabhängig gegen eindringende Pathogene vorzugehen. Bei einer Vielzahl von Pathogenen ist dies jedoch nicht ausreichend. Um auch diese zu beseitigen, ist eine spezifische Immunantwort erforderlich, die jedoch Stunden und Tage benötigt, um ihre volle Effektivität zu erreichen. Daher zerstören die Zellen des unspezifischen Immunsystems nicht nur Pathogene, sondern leiten auch direkt eine spezifische Immunantwort ein.
Physikalische, chemische und biologische Mechanismen
Um die Erreger am Eindringen in den Körper zu hindern, setzt der Organismus vor allem auf physikalische, chemische und biologische Maßnahmen. Insb. Haut und Schleimhäute werden so effektiv vor Schäden durch potenzielle Pathogene geschützt. Doch auch einige Reflexe wie z.B. der Hustenreflex tragen zur Infektabwehr bei.
Intakte äußere Haut und Schleimhäute (Verdauungs- und Urogenitaltrakt, Atemwege)
- Verhorntes Epithel (z.B. Epidermis der Haut): Schutz vor Erregereintritt
- Ciliarfunktion der Atemwege (Flimmerepithel der Trachea und Bronchien): Transport eingedrungener Erreger zurück in die Umwelt
- Symbiose mit anderen Mikroorganismen (natürliche Flora): Verdrängung bzw. behinderte Vermehrung pathogener Erreger
- Haut, Darm, Vagina (Döderlein-Bakterien )
- Störungen dieses Gleichgewichts können zu Erkrankungen führen: Soor, pseudomembranöse Kolitis, Kolpitiden
Produktion von Schleim (= Mucus) und Sekreten
Mucus und Körpersekrete enthalten unspezifische und spezifische infektabwehrende Substanzen.
- Enzyme
- Lysozym: Von neutrophilen Granulozyten und Makrophagen gebildetes Enzym, das Verbindungen in Peptidoglykanen lysieren kann (z.B. Zellwand von grampositiven Bakterien)
- Vorkommen: Tränenflüssigkeit, Speichel, Schweiß
- Lactoferrin: Besitzt enzymatische Aktivität und bindet Eisen
- Pepsin: Ist als Protease des Magens auch in der Lage, bakterielle Proteine zu spalten
- Lysozym: Von neutrophilen Granulozyten und Makrophagen gebildetes Enzym, das Verbindungen in Peptidoglykanen lysieren kann (z.B. Zellwand von grampositiven Bakterien)
- Peptide: Antimikrobielle Peptide, die die Zellmembran von Bakterien zerstören (z.B. Defensine )
- Säuren: Magensäure, Vaginalsekret mit saurem pH
- Immunglobuline (insb. IgA): Von Schleimhaut-assoziierten B-Lymphozyten gebildet
Surfactant-Proteine
Surfactant-Proteine sind im Surfactant der Lunge enthalten und bestehen aus mehreren Untergruppen. Die beiden Subtypen SP-A und SP-D besitzen vorwiegend immunologische Funktionen:
- Markierung von Erregern zur Erleichterung der Phagozytose (sog. Opsonierung)
- Antimykotische Effekte
Husten/Hustenreflex
- Abwehrmechanismus: Irritationen von Hustenrezeptoren in der Nase, den Nasennebenhöhlen, den oberen und/oder unteren Atemwegen lösen den Hustenreflex aus
- Funktion: Schutz vor Atemwegsinfekten und Schädigungen der Atemwege
Zelluläre Mechanismen
Die Zellen des unspezifischen Immunsystems können Erreger bereits bei Erstkontakt angreifen. Sie erkennen die typischen Strukturen der Pathogene (sog. Pathogen Associated Molecular Patterns; PAMPs) mittels spezieller Mustererkennungsrezeptoren (sog. Pattern Recognition Receptors; PRRs) und sind daher nicht auf die Erkennung spezifischer Antigene angewiesen. Neben der direkten Abtötung von Erregern oder entarteten Zellen wird durch die Zellen des angeborenen Immunsystems auch die adaptive Immunantwort eingeleitet. Die sog. antigenpräsentierenden Zellen primen und aktivieren Lymphozyten des adaptiven Immunsystems. Hierdurch entsteht eine ganze „Armee“ spezifischer Immuneffektorzellen, die gegen das gleiche Antigen gerichtet sind und neben der Erregerbekämpfung auch Gedächtniszellen ausbilden können.
Zellen des unspezifischen Immunsystems
- Granulozyten
-
Professionelle antigenpräsentierende Zellen
- Dendritische Zellen
- Mononukleäres Phagozytensystem (= MPS): Monozyten/Makrophagen
- B-Zellen sind zwar auch antigenpräsentierenden Zellen, werden jedoch dem spezifischen Immunsystem zugeordnet
- Natürliche Killerzellen (= NK-Zellen)
- Mastzellen
Rezeptoren
- Mustererkennungsrezeptoren (PRRs), die Erreger anhand ihrer pathogen-typischen, aber unspezifischen Muster (PAMPs) erkennen können
- MHC-Rezeptoren: Zelluläre Oberflächenproteine zur Antigenpräsentation
Granulozyten
Granulozyten machen etwa 40–60% der Leukozyten aus. Über Chemokine können sie aus dem Blut an den Ort der Inflammation gelockt werden, weshalb sie insb. in der Akutabwehr von entscheidender Bedeutung sind.
Neutrophile Granulozyten
- Steckbrief
- Häufigkeit: 40–60% der Leukozyten
- Größe: 12–15 μm
- Zellkern: Segmentiert (3–4 Segmente)
- Granula
- Färbung (namensgebend): Schwach rosa (eher neutral)
- Inhalt: Verschiedene Peptide und Enzyme, die u.a. bakterizid wirken
- Funktion
- Unspezifische Erkennung und Bindung extrazellulärer Pathogene (bspw. Bakterien)
- Phagozytose
- Verschmelzung von Phagosom und Granula
- Abtötung des aufgenommenen Mikroorganismus durch die Substanzen der Granula
- Untergang des Granulozyten
- Entstehung von Eiter (Pus)
- NETose: Sonderform des programmierten Zelltods unter Ausbildung von „Neutrophil Extracellular Traps“ (=NET) durch aktivierte polymorphkernige neutrophile Granulozyten
- Auswerfen von mit Proteinen umhüllten Strängen (=NET) aus granulären Proteinen und nukleären Bestandteilen
- Hängenbleiben und Unschädlichmachen von Pathogenen in diesen „Fangnetzen“
- Anlocken von weiteren Immunzellen
- Zytokinfreisetzung
- Produktion bakterizider Substanzen: Bildung und Freisetzung zytotoxischer Sauerstoffradikale (Peroxide) katalysiert durch die NADPH-Oxidase führt zum „Respiratory Burst“
- Die Sauerstoffradikale werden weiter zu Wasserstoffperoxid umgewandelt
- Die Myeloperoxidase katalysiert mithilfe von Wasserstoffperoxid die Oxidation von Chlorid zu Hypochlorit, das u.a. stark antimikrobiell wirkt und an der Zerstörung von Erregerzellmembranen beteiligt ist
- Lebenszyklus
- Entwicklung: Myeloische Stammzelle → gemeinsame Vorläuferzelle für neutrophile Granulozyten und Monozyten → stabkerniger Granulozyt → segmentkerniger Granulozyt (siehe auch: Granulopoese)
- Zirkulation: <1 Tag im Blut, dann Einwanderung in das entzündete Gewebe (Anlockung zum Ort der Infektion durch Chemokine)
- Reserve
- "Marginaler Pool": Am Endothel der großen Venen
- Knochenmarksreserve: Fertige und fast fertige (stabkernige) Granulozyten
Eosinophile Granulozyten
- Steckbrief
- Häufigkeit: 1–3% der Leukozyten
- Größe: 12–17 μm
- Zellkern: Zweigelappt (brillenförmig)
- Granula
- Färbung (namensgebend): Eosinophil (rot)
- Inhalt: Zytotoxische (bspw. Major Basic Protein, Eosinophilic Peroxidase, Eosinophil Derived Neurotoxine oder Eosinophilic Cationic Peptide) und proinflammatorische Substanzen
- Funktion
- Abtötung von Parasiten (insb. Bekämpfung von Wurmerkrankungen) und Viren (insb. durch Eosinophilic Peroxidase und Eosinophil Derived Neurotoxin)
- Beteiligt an allergischen Reaktionen
- Lebenszyklus
- Entwicklung: Myeloische Stammzelle → Gemeinsame Vorläuferzelle für eosinophile und basophile Granulozyten (siehe auch: Granulopoese)
- Lokalisation: Großteil residiert im gesamten GI-Trakt (außer dem Ösophagus), ein kleinerer Teil zirkuliert im Blut
Basophile Granulozyten
- Steckbrief
- Häufigkeit: 0–1% der Leukozyten
- Größe: 14–16 μm
- Zellkern: Segmentiert (hantelförmig)
- Granula
- Färbung (namensgebend): Basophil (dunkelblau/violett)
- Inhalt
- Histamin
- Heparin
- Weitere Mediatoren (z.B. Arachidonsäure und ihre Derivate)
- Funktion
- Bekämpfung von Pathogenen (vermutlich v.a. Parasiten)
- Beteiligt an allergischen Reaktionen: Bindung des Fc-Teils von antigenbeladenem IgE führt bei Quervernetzung der gebundenen Antigene zur Ausschüttung von Entzündungsmediatoren (bspw. Histamin) aus ihren Granula
- Lebenszyklus
- Entwicklung: Myeloische Stammzelle → Gemeinsame Vorläuferzelle für eosinophile und basophile Granulozyten (siehe auch: Granulopoese)
- Lokalisation: Zirkulation im Blut (Anlockung zum Ort der Infektion durch Chemokine)
Reaktive Linksverschiebung
Bei einer akuten bakteriellen Infektion muss der Körper schnell eine Vielzahl an Granulozyten bereitstellen. Dies wird durch eine Reserve in den großen Venen und im Knochenmark sichergestellt. Unter dem Mikroskop kann man durch die beschleunigte Freisetzung teils noch unfertiger Zellen vermehrt stabkernige Granulozyten als Ausdruck der akuten Infektion beobachten. Diese Blutbildveränderung wird als reaktive Linksverschiebung bezeichnet.
Parasitäre Erkrankungen
Im Rahmen von parasitären Erkrankungen (z.B. Wurmerkrankungen) kommt es i.d.R. zu einem Anstieg der eosinophilen Granulozyten im peripheren Blut (Eosinophilie). Wie die eosinophilen Granulozyten mit den Parasiten interagieren, ist weiterhin Gegenstand der Forschung. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie an der Abwehr parasitärer Erreger beteiligt sind.
Mononukleäres Phagozytensystem (MPS)
Monozyten zirkulieren nach ihrer Bildung im Knochenmark zunächst im Blut. Einige phagozytieren dabei Pathogene und transportieren diese weiter zur Antigenpräsentation in einen regionalen Lymphknoten. Alle anderen wandern nach kurzer Zirkulation im Blut in periphere Gewebe ein. Dort reifen sie zu Makrophagen heran, die je nach Aufenthaltsort unterschiedlich bezeichnet werden.
Steckbrief
- Definition: Gesamtheit der von Monozyten abstammenden Phagozyten
- Zelltypen: Monozyten und Makrophagen
- Häufigkeit: 4–8% der Leukozyten
- Aufbau
- Größe: 10–20 μm
- Zellkern: Groß, nierenförmig, teils gelappt
- Granula: Lytische bzw. zytotoxische Enzyme (z.B. Lysozym, saure Phosphatase)
- Lebenszyklus
- Entwicklung: Myeloische Stammzelle → Gemeinsame Vorläuferzelle für neutrophile Granulozyten und Monozyten (siehe auch: Monopoese)
- Lokalisation: Zunächst Zirkulation im Blut; danach gibt es zwei Möglichkeiten
- Verbleib als Monozyt in der Zirkulation: Direkte Phagozytose von Pathogenen mit anschließendem Transport in die regionalen Lymphknoten zur Antigenpräsentation
- Ausdifferenzierung zu Makrophagen: Emigration in peripheres Gewebe und Heranreifen zu Makrophagen, die dann ebenfalls Pathogene phagozytieren und andere regulatorische Funktionen übernehmen
- Fortbewegung: Amöboid
- Bezeichnung: Die Makrophagen werden je nach Aufenthaltsort unterschiedlich bezeichnet
- Gehirn: Mikroglia
- Leber: Kupffer-Zelle
- Lunge: Alveolarmakrophage
- Knorpel/Knochen: Chondro-/Osteoklast
- Niere: Mesangiumzelle
- Milz: Uferzelle
- Plazentazotten: Hofbauer-Zelle
Funktion
Über ihre Rezeptoren (Pattern Recognition Receptors) binden Monozyten bzw. Makrophagen Pathogene. Diese können direkt mittels Phagozytose eliminiert und die Antigenfragmente im Anschluss den Lymphozyten präsentiert werden.
- Erkennung von Pathogenen mittels PRRs und Phagozytose: Pathogen wird von der Zellmembran umschlossen und in ein sog. Phagosom aufgenommen → Verschmelzung mit den zytoplasmatischen Lysosomen zum Phagolysosom
- Intrazelluläre Hydrolyse von Pathogenen: Am Phagolysosom werden durch den sog. Respiratory Burst Stickstoffradikale und reaktive Sauerstoffspezies (ROS) wie O2- (Superoxid-Anion) erzeugt, die sowohl im Phagolysosom auf dort gefangene Pathogene wirken als auch nach extrazellulär abgegeben werden können
- Schlüsselenzym für die Bildung von Superoxid-Anionen ist die NADPH-Oxidase
- Antigenpräsentation mittels MHC-II: Insb. Interaktion mit TH1-Zellen → Fähigkeit der Makrophagen zur intrazellulären Hydrolyse wird massiv gesteigert
- Sekretorische Funktion
- Pro- und antiinflammatorische Zytokine: Initiation, Aufrechterhaltung sowie Regulation der Entzündungsreaktion (bspw. Steigerung der Gefäßpermeabilität mit Ödembildung)
- Chemokine: Anlockung weiterer Abwehrzellen (bspw. neutrophile Granulozyten oder dendritische Zellen)
- Wachstumsfaktoren
- Komplementfaktoren
- Weitere Funktionen: Eine Vielzahl weiterer Funktionen wie bspw. die Fusion zu mehrkernigen Riesenzellen im Rahmen granulomatöser Erkrankungen, die Interaktion mit Tumorzellen (sog. Tumor-assoziierte Makrophagen) und verschiedene regulatorische Funktionen, bspw. im Rahmen der Wundheilung, sind Gegenstand aktueller Forschung.
Natürliche Killerzellen (NK-Zellen)
Aufgrund ihrer sofortigen Reaktionsbereitschaft gegen virusinfizierte Zellen und Tumorzellen und dem Fehlen eines Rezeptors zur spezifischen Antigenerkennung werden natürliche Killerzellen (NK-Zellen) dem unspezifischen Immunsystem zugeordnet.
Steckbrief
- Zelltyp: Unterform der Lymphozyten
- Häufigkeit: 5–15% der Lymphozyten
- Aufbau
- Lebenszyklus
- Entwicklung: Im Knochenmark aus lymphatischen Stammzellen
- Lokalisation: Zirkulation im Blut
Funktion
- Antigenunabhängige Erkennung und Abtötung virusinfizierter und entarteter Zellen: Schnellere Reaktion als sonstige lymphoide Zellen (da Antigenunabhängig – Aktivitätsmaximum bereits 3 Tage nach Infektionsbeginn)
- MHC-I-abhängige Zytotoxizität: Kontrolle von MHC-I-Molekülen auf körpereigenen Zellen → Wenn die MHC-I-Moleküle zu wenig oder verändert auf der Zelloberfläche vorhanden sind, wird die NK-Zelle enthemmt → Degranulation mit Freisetzung zytotoxischer Substanzen → Infizierte/entartete Körperzelle wird abgetötet (durch Apoptose)
- Antikörperabhängige Zytotoxizität: Bindung des Fc-Rezeptors der NK-Zelle an (durch Antikörper) opsonierte Zellen → Degranulation → Zelle wird abgetötet (durch Apoptose)
- Zytokinsekretion (z.B. IFN-γ )
Mastzellen
Mastzellen sind klinisch äußerst relevant, da sie eine zentrale Rolle bei allergischen Reaktionen spielen.
Steckbrief
- Größe: 8–20 μm
- Granula
- Färbung: Basophil (dunkelblau/violett)
- Inhalt: U.a. Histamin, Heparin, Hydrolasen, Proteasen
- Lebenszyklus
- Entwicklung: Im Knochenmark aus myeloischen Stammzellen
- Lokalisation: Im interstitiellen Bindegewebe, insb. am Übergang vom Körperinneren zur Außenwelt
Funktion
Mastzellen können Antigene direkt durch membranständige und an ihre Fc-Rezeptoren gebundene IgE-Antikörper erkennen. Eine Aktivierung und Degranulation der Mastzellen durch Allergene findet erst statt, wenn es zu einer Vernetzung der membrangebundenen IgE-Antikörper kommt, dann jedoch binnen weniger Sekunden. Mastzellen können aber auch durch das Komplementsystem oder physikalische Traumen (Hitze, Kälte) aktiviert werden.
- Initiation und Regulation von Entzündungsreaktionen
- Physiologische Funktion: Parasitenabwehr
- Pathophysiologische Funktion: Allergische Reaktionen
- Unterstützung bei der Elimination von Pathogenen
- Magen-Darm-Trakt: Gesteigerte Flüssigkeitssekretion und Peristaltik (→ Diarrhö und Erbrechen)
- Atemwege: Gesteigerte Mukusproduktion und Bronchokonstriktion (→ Blockade der Atemwege mit daraus folgendem Husten und Niesen)
- Gefäße: Gesteigerter Blutfluss und Permeabilität (→ Gesteigerte Extravasation und somit gesteigerter Lymphfluss)
Allergische Sofortreaktion und anaphylaktischer Schock
Eine allergische Reaktion vom Soforttyp ist durch mehrere Schritte charakterisiert. Zunächst löst ein Allergen bei Erstkontakt die übermäßige Produktion von IgE-Antikörpern aus, die über den Fc-Rezeptor der Mastzellen an deren Oberfläche binden können. Diese sind nun für das Allergen sensibilisiert. Kommt es zu einem zweiten Antigenkontakt, bindet dieses an die IgE-Rezeptoren an der Mastzelloberfläche und es kommt zur Quervernetzung der IgE-Moleküle. Dies stellt den Reiz für die Degranulation dar. Das freigesetzte Histamin und andere Entzündungsmediatoren führen zu einer peripheren Gefäßdilatation, erhöhter Gefäßpermeabilität und einer Atemwegsobstruktion. Klinisch zeigt sich dies je nach Schweregrad der allergischen Reaktion durch ein Erythem, Ödeme, Juckreiz, Blutdruckabfall sowie erschwerte Atmung. In der maximalen Ausprägung kann es zu einem Kreislaufversagen kommen. Hierbei spricht man von einem anaphylaktischen Schock, der eine lebensbedrohliche Situation darstellt. Je nach Schweregrad der allergischen Reaktion kommt ein Stufenschema zum Einsatz, das sowohl H1- als auch H2-Rezeptor-Blocker enthält.
Professionelle antigenpräsentierende Zellen (APZ)
Zu den professionellen antigenpräsentierenden Zellen gehören Makrophagen, B-Lymphozyten und dendritische Zellen. Dendritische Zellen sind Teil des unspezifischen Immunsystems und v.a. dafür verantwortlich, peripher Antigene aufzunehmen und zu prozessieren. Anschließend migrieren sie in sekundäre Lymphorgane, wo sie die Antigene naiven Lymphozyten präsentieren und diese damit „primen“. Erst durch dieses immunologische Priming können sich die naiven Lymphozyten zu reifen Effektorzellen (bspw. CD8+-zytotoxische T-Zellen) entwickeln und eine adaptive Immunantwort auslösen.
Dendritische Zellen (= DZ)
Überblick
- Entwicklung: Im Knochenmark aus myeloischen und lymphoiden Stammzellen
- Morphologie und Vorkommen: Abhängig vom Reifestadium
- Einteilung nach Reifestadien: Dendritische Zellen haben je nach Reifestadium unterschiedliche Funktionen sowie eine andere Morphologie und einen anderen Namen
- Unreif: Kommen v.a. in peripheren Geweben vor und nehmen dort mit ihren stark verzweigten Zellfortsätzen große Mengen an Antigenen auf und prozessieren diese
- Langerhans-Zellen: Unreife dendritische Zellen der Haut- und Schleimhäute
- Interstitielle dendritische Zellen: Dendritische Zellen des Interstitiums im restlichen Körper
- Migrierend: Wandern nach Antigenprozessierung mit dem Lymphstrom in sekundäre lymphatische Organe ein
- Schleierzellen (von engl. veiled cells): Aufgrund ihrer Morphologie mit vielen Membraneinfaltungen werden migrierende dendritische Zellen auch als Schleierzellen bezeichnet
- Reif: Präsentieren die Antigene in sekundären lymphatischen Organen v.a. Lymphozyten, um diese zu primen und zu aktivieren
- Interdigitierende dendritische Zelle (= IDZ): Befinden sich in den T-Zell-Zonen sekundärer lymphatischer Organe und interagieren dort mittels MHC-I mit CD8+-T-Zellen und mittels MHC-II mit CD4+-T-Zellen.
- Follikuläre dendritische Zelle (= FDZ): Befinden sich in den B-Zell-Zonen sekundärer lymphatischer Organe, um dort mit B-Lymphozyten zu interagieren
- Unreif: Kommen v.a. in peripheren Geweben vor und nehmen dort mit ihren stark verzweigten Zellfortsätzen große Mengen an Antigenen auf und prozessieren diese
Funktionen
Für die genauen Abläufe bei der Interaktion dendritischer Zellen mit weiteren Immunzellen siehe auch: Einleitung der unspezifischen Immunantwort (angeborenes Immunsystem).
- Aufnahme, Prozessierung und Präsentation von Antigenen gegenüber T-Lymphozyten : Naiven T-Lymphozyten in sekundären lymphatischen Organen wird so ihr passendes Antigen präsentiert, wodurch sie geprimed und aktiviert werden und sich zu reifen T-Effektorzellen entwickeln
- Unterstützen B-Lymphozyten bei der Affinitätsreifung: Follikuläre dendritische Zellen fangen Immunkomplexe und präsentieren diese gegenüber B-Lymphozyten in sekundären lymphatischen Organen und unterstützen die B-Lymphozyten so bei der Affinitätsreifung
- Starke Interferonproduktion im Rahmen von Virusinfektionen
Makrophagen und B-Lymphozyten
Siehe auch: Mononukleäres Phagozytensystem und B-Lymphozyten
Rezeptoren des unspezifischen Immunsystems
Das Immunsystem muss einerseits schnell, andererseits aber auch möglichst gezielt gegen eindringende Pathogene vorgehen. Diese zwei Funktionen werden von unterschiedlichen Teilen des Immunsystems und den entsprechenden Rezeptoren gewährleistet.
Mustererkennungsrezeptoren (Pattern Recognition Receptors)
Die Zellen des unspezifischen Immunsystems haben spezielle Mustererkennungsrezeptoren (sog. Pattern Recognition Receptors; PRRs), die es ihnen ermöglichen, schnell und antigenunabhängig gegen eindringende Pathogene vorzugehen und gleichzeitig eine Antwort des spezifischen Immunsystems zu bahnen. Hierzu zählen bspw. Toll-like-, Scavenger- und NOD-like-Rezeptoren. Diese Rezeptoren unterscheiden dabei grob zwischen „fremd“ und „eigen“, indem sie evolutionär konservierte molekulare Strukturen binden, die bei vielen Pathogenen sehr ähnlich (sog. Pathogen Associated Molecular Patterns; PAMPs), jedoch nicht so hochspezifisch wie Antigene sind. Dieser Prozess ist zwar nicht so effektiv wie die antigenabhängige spezifische Immunantwort und hat auch keinen Gedächtniseffekt, er ist jedoch deutlich schneller. Dies liegt u.a. daran, dass keine Prozessierung und Präsentation eines Antigens sowie kein Priming und keine klonale Expansion der passenden Lymphozyten notwendig sind.
Toll-like-Rezeptor (= TLR)
- Ligand: Je nach Toll-like-Rezeptor unterschiedliche mikrobielle Bestandteile (bspw. Lipopolysaccharide (LPS), Lipomannan, dsRNA)
- Lipopolysaccharide werden insbesondere durch den TLR-4 gemeinsam mit dessen Corezeptor CD14 erkannt
- Vorkommen: U.a. auf Monozyten/Makrophagen, dendritischen Zellen, Granulozyten, B-Lymphozyten, Mastzellen, intestinalen Epithelzellen
- Funktion: Insgesamt erfolgt v.a. eine Verstärkung der Entzündungsreaktion sowie eine vermehrte Produktion antimikrobieller und antiviraler Stoffe (spezifische Reaktion abhängig von der TLR-tragenden Zelle)
C-Typ-Lektinrezeptor
- Ligand: Insb. Bindung von mikrobiellen Kohlenhydraten (bspw. Mannose)
- Vorkommen: Insb. auf Makrophagen und dendritischen Zellen
- Funktion: Gezielte, antigenunabhängige Phagozytose (mit anschließender Antigenpräsentation und Modulation der unspezifischen und spezifischen Immunantwort)
NOD-like-Rezeptor (= NLR)
- Ligand: Ins Zytosol gelangte bakterielle Bestandteile
- Vorkommen: Insb. in Makrophagen, dendritischen Zellen und Epithelzellen an den Grenzen zur „Außenwelt“
- Funktion: Verstärkung der Entzündungsreaktion und vermehrter Zelltod
Scavenger-Rezeptor
- Ligand: Insb. Bestandteile bakterieller Zellwände
- Vorkommen: Auf Makrophagen
- Funktion
- Erleichterung der Phagozytose
- Vermehrte Freisetzung proinflammatorischer Zytokine
Weitere antigenunabhängige Rezeptoren
Komplementrezeptor (= CR)
- Ligand: Mit Komplementfaktoren opsonierte Pathogene
- Vorkommen: U.a. auf Makrophagen, dendritischen Zellen, Mastzellen, B-Lymphozyten, Endothelzellen und Erythrozyten
- Funktion: Abhängig von aktivierter Zelle
- Bei Phagozyten: Steigerung der Phagozytoseaktivität (v.a. durch Bindung des Opsonins C3b)
- Bei fast allen anderen Zellen: Verstärkte Freisetzung proinflammatorischer Zytokine
Antigenabhängige Rezeptoren
Fc-Rezeptor (= Fc-R)
- Ligand: Fc-Teil der Immunglobuline, mit denen Pathogene opsoniert wurden
- Vorkommen: Insb. auf Makrophagen, dendritischen Zellen, Granulozyten, Mastzellen, NK-Zellen
- Funktion: Abhängig von der aktivierten Zelle
- Insb. bei Phagozyten: Erleichterte Phagozytose und Elimination der mittels Antikörper opsonierten Antigene
- Insb. bei Basophilen, Eosinophilen und Mastzellen: Gesteigerte Freisetzung proinflammatorischer Zytokine
Das MHC-System
MHC-Rezeptoren
Bei den MHC(Major Histocompatibility Complex)-Rezeptoren handelt es sich um zwei Gruppen von Glykoproteinen, die das Immunsystem u.a. nutzt, um „fremd“ von „eigen“ zu unterscheiden und die Immunreaktion zu steuern.
MHC-I-Rezeptoren
Die sog. MHC-I-Rezeptoren werden von nahezu jeder kernhaltigen Körperzelle sowie den Thrombozyten exprimiert und präsentieren Fragmente der innerhalb der Zelle produzierten Proteine. Auf diese Weise geben die MHC-I-Rezeptoren den Immunzellen sowohl Hinweise darauf, dass es sich um eine körpereigene Zelle handelt, als auch, was diese Zelle aktuell produziert. Wenn eine Zelle entartet oder viral infiziert ist, produziert sie andere Proteine und präsentiert somit auch andere Antigenfragmente mittels MHC-I-Rezeptor. Eine Ausnahme stellt hier die sog. Kreuzpräsentation durch dendritische Zellen dar, die nicht nur ihre zelleigenen Proteinfragmente mittels MHC-I-Rezeptor präsentieren können, sondern auch fremde Antigene, um naive CD8+-T-Zellen zu primen.
- Vorkommen: Auf fast allen kernhaltigen Körperzellen sowie auf Thrombozyten
- Aufbau
- Schwere α-Kette: Bildet antigenbindenden Spalt
- Stabilisierendes, nicht-kovalent gebundenes β2-Mikroglobulin
- Funktionen
- Präsentation intrazellulärer Antigene
- Gesunde Zelle
- Teile der intrazellulär produzierten Proteine werden nach ihrer Prozessierung im Proteasom (sog. Antigenprozessierung) im Lumen des endoplasmatischen Retikulums auf MHC-I-Rezeptoren geladen
- MHC-I-Rezeptoren präsentieren diese zelleigenen Antigene stetig auf der Zelloberfläche (MHC-I-vermittelte Antigenpräsentation), um von NK-Zellen und CD8+-zytotoxischen T-Zellen als eigen erkannt und ignoriert zu werden
- Entartete/Virus-infizierte Zellen
- MHC-I-vermittelte Antigenpräsentation von Teilen der intrazellulär produzierten tumorspezifischen/viralen Proteine nach ihrer Antigenprozessierung im Proteasom
- CD8+-zytotoxische T-Zellen und NK-Zellen erkennen die Zellen
- Freisetzung zytotoxischer Substanzen und Induktion der Apoptose
- Gesunde Zelle
- Präsentation extrazellulärer (fremder) Antigene (sog. Kreuzpräsentation)
- Antigenaufnahme und Präsentation: Dendritische Zellen nehmen extrazelluläre Erreger und Antigene auf und präsentieren diese ausnahmsweise mittels MHC-I-Rezeptor
- Priming: Naive CD8+-zytotoxische T-Zellen, deren T-Zell-Rezeptor zum präsentierten Antigen passt, erkennen dieses; sie werden geprimed und aktiviert
- T-Zell-Reaktion bei Antigenkontakt: Die nun reifen CD8+-zytotoxischen T-Zellen kontrollieren die MHC-I-Rezeptoren aller Zellen, denen sie auf ihren „Patrouillen“ durchs Blut und Gewebe begegnen, nach dem passenden Antigen → Bei Erkennung sezernieren sie zytotoxische Substanzen und induzieren die Apoptose
- Präsentation intrazellulärer Antigene
Die Antigenpräsentation über MHC-I dient der Aktivierung von CD8+-T-Lymphozyten sowie der Einleitung einer Immunreaktion durch zytotoxische T-Zellen und NK-Zellen!
MHC-II-Rezeptoren
Die MHC-II-Rezeptoren kommen v.a. auf professionellen antigenpräsentierenden Zellen vor, die damit den CD4+-T-Zellen extrazellulär aufgenommene Antigene präsentieren. Es können hierbei nur die wenigen T-Zellen geprimed und aktiviert werden, die den für das präsentierte Antigen spezifischen T-Zell-Rezeptor haben. Präsentiertes Antigen und T-Zell-Rezeptor verhalten sich dabei wie Schlüssel und Schloss zueinander.
- Vorkommen: Auf professionellen antigenpräsentierenden Zellen (Makrophagen, dendritische Zellen, B-Lymphozyten)
- Aufbau: Zwei Ketten (α- und β-Kette) bilden gemeinsam einen antigenbindenden Spalt
- Funktion: Präsentation extrazellulärer (fremder) Antigene gegenüber CD4+-T-Lymphozyten, um diese entweder zu primen (v.a. dendritische Zellen) oder deren Aktivität zu regulieren (B-Lymphozyten und Makrophagen)
MHC-Gene
Die Gene für die MHC-Rezeptoren (beim Menschen auch HLA-Gene genannt) liegen in der MHC-Region auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6. Diese Region ist in drei verschiedene Abschnitte aufgeteilt, die für unterschiedliche MHC-Rezeptoren kodieren. Die HLA-Gene (von engl. „human leucocyte antigen“) weisen verschiedene Allele auf („Polymorphismus“), sodass jedes Individuum (außer eineiigen(!) Zwillingen) seine eigene MHC-Proteinausstattung besitzt. Relevant wird dies vor allem bei Organ- bzw. Stammzelltransplantationen.
HLA-System-Kompatibilität bei Stammzell-/Organtransplantation
Bei einer Stammzell- bzw. Organtransplantation wird körperfremdes Material auf den Patienten übertragen. Damit es nicht zu einer Abstoßungsreaktion kommt, muss eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein, die sich je nach transplantiertem Gewebe unterscheiden. Während Leber und Niere heutzutage auch HLA-inkompatibel transplantiert werden können, müssen die HLA-Merkmale bei der Transplantation fremder Stammzellen möglichst identisch sein. Transplantationsrelevante HLAs sind HLA-A, -B, -C, -DR und -DQ. Da je ein mütterliches und ein väterliches Allel vererbt wird, müssen also 10 verschiedene HLA-Merkmale für die Spenderauswahl berücksichtigt werden. Aufgrund von fast 10000 Kombinationsmöglichkeiten dieser Moleküle gestaltet sich die Spendersuche trotz guter Datenbanken teilweise als sehr schwierig. Am größten ist der Sucherfolg bei der Untersuchung von Geschwistern.
Humorale Mechanismen
Die humoralen (von lat. humoris = Flüssigkeit, Feuchtigkeit) Mechanismen des unspezifischen Immunsystems basieren auf im Blut zirkulierenden Proteinen. Sie werden überwiegend von den Zellen des unspezifischen Immunsystems gebildet. Ihre Funktion besteht einerseits in der direkten Abwehr eindringender Pathogene (bspw. durch das Komplementsystem) und andererseits in der Einleitung einer weitergehenden Immunantwort.
Beteiligte Plasmaproteine
- Akute-Phase-Proteine: Werden bei einer Entzündungsreaktion verstärkt in der Leber synthetisiert und unterstützen die unspezifische Immunantwort
- Proinflammatorische Zytokine (z.B. Interleukine, Interferone, TNF-α, Eicosanoide): Werden von Immunzellen synthetisiert
- Komplementsystem: Rund 30 von der Leber gebildete Plasmaproteine, die sowohl Immunzellen anlocken als auch selbst Erreger abtöten können
Funktionen
- Einleitung und Verstärkung der Immunantwort
- Aktivierung, Proliferation und Anlocken (Chemotaxis) von Immunzellen
- Vasodilatation → Erhöhte Durchblutung und erhöhter Lymphabfluss
- Steigerung der Gefäßpermeabilität → Erhöhte Extravasation von im Blut befindlichen Immunzellen
- Gesteigerte Phagozytose von Pathogenen durch Opsonierung mittels Komplementfaktoren
- Direkte Abwehr von Pathogenen: Bspw. durch das Komplementsystem (Membranangriffskomplex)
Komplementsystem
Das Komplementsystem besteht aus rund 30 verschiedenen Plasmaproteinen, den sog. Komplementfaktoren, die überwiegend von den Hepatozyten der Leber synthetisiert und freigesetzt werden. Dies sind Proteine, die als inaktive Vorstufen im Blut zirkulieren und drei wichtige Funktionen erfüllen: Sie können erstens Pathogene direkt abwehren (Membranangriffskomplex), sie zweitens zur erleichterten Phagozytose markieren (Opsonierung) und drittens die Entzündungsreaktion verstärken (Chemotaxis und Steigerung der Gefäßpermeabilität). Sie haben damit einerseits eigenständige Funktionen, stellen andererseits aber auch eine Verbindung zwischen unspezifischem und spezifischen Immunsystem dar.
Komplementfaktoren
Bei Entzündungsreaktionen wirken die Komplementfaktoren wie Mustererkennungsrezeptoren und erkennen Pathogene antigenunabhängig. Anschließend aktivieren sie sich gegenseitig kaskadenartig und bewirken über verschiedene Mechanismen eine Beseitigung des Pathogens sowie eine Verstärkung der Entzündungsreaktion. Sie können über drei verschiedene Wege aktiviert werden, den klassischen Weg, den alternativen Weg und den Lektinweg.
Während die Komplementfaktoren des klassischen Weges immer mit „C“ und einer Zahl benannt werden (z.B. C3), werden die des alternativen Weges mit „Faktoren“ und einem Buchstaben bezeichnet (z.B. Faktor B). Bei den Komplementfaktoren handelt es sich um Proteasen, die sich gegenseitig spalten. Die Spaltprodukte werden nach ihrer Größe in ein kleines Fragment „a“ und ein großes Fragment „b“ unterteilt . Eine Ausnahme stellen die einzelnen Bestandteile des C1-Proteins dar: Sie werden als C1q, C1r und C1s bezeichnet.
Funktionen
- Direkte Pathogenabwehr: Bakterielle Lyse über den Membranangriffskomplex (MAC), der aus den Faktoren C5b und C6–C9 besteht
- Gesteigerte Phagozytose durch Opsonierung: Markierung des Pathogens durch Anheften eines Komplementfaktors (C3b und C4b), wodurch dieses schneller und einfacher phagozytiert werden kann
- Verstärkung der lokalen Entzündungsreaktion: Bspw. durch das Anlocken weiterer Immunzellen (Chemotaxis), z.B. durch Faktor C5a, oder durch Steigerung der Gefäßpermeabilität
Übersicht wichtiger Komplementfaktoren | |
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Funktion | Beteiligte Komplementfaktoren |
Membranangriffskomplex | C5b + C6–C9 |
Opsonierung | C3b, C4b |
Lokale Inflammation | Bspw. C2a, C3a, C4a, C5a |
Aktivierung des Komplementsystems
Die Aktivierung des Komplementsystems kann auf drei Wegen erfolgen, dem klassischen Weg, dem alternativen Weg und dem Lektinweg. Trotz unterschiedlicher Aktivierungswege kommt es letztendlich auf allen Wegen zur Bildung einer C3-Konvertase. Die verschiedenen Wege fusionieren in einer gemeinsamen Endstrecke.
Klassischer Aktivierungsweg
Beim klassischen Weg bindet C1 v.a. an Antigen/Antikörper-Komplexe und wird so aktiviert .
- Bindung: C1 bindet meist an den Fc-Teil eines antigengebundenen Antikörpers (bspw. IgG)
- Spaltung: C1 spaltet C4 und C2
- C4 → C4a + C4b
- C2 → C2a + C2b
- Bildung der C3-Konvertase: Der Komplex aus C4b + C2b bildet die C3-Konvertase (C4bC2b)
Lektinweg
Beim Lektinweg erfolgt die Aktivierung der Komplementkaskade über lösliche Faktoren (Mannose-bindendes Lektin (MBL) und Ficoline), die v.a. im Rahmen der Akute-Phase-Reaktion in der Leber produziert werden . Diese Faktoren erkennen dabei repetitive Muster auf Pathogenoberflächen (PAMPs), bspw. Kohlenhydratreste wie die namensgebende Mannose, und werden so initial aktiviert.
- Ausgangsform: MBL bindet im Plasma an Proteasen (MASP-1+2) mit ähnlicher Funktion wie C1 → Komplex ist bis zur Bindung an Pathogene jedoch inaktiv
- Bindung: Komplexiertes MBL bindet an Pathogenoberfläche, was eine Konformationsänderung und Aktivierung von MASP-2 zur Folge hat
- Spaltung: MASP-2 spaltet C2 und C4 (analog zum klassischen Weg )
- Bildung der C3-Konvertase: Der Komplex aus C4b + C2b bildet die C3-Konvertase (C4bC2b)
Alternativer Aktivierungsweg
Beim sog. alternativen Aktivierungsweg erfolgt die Initiation der Komplementkaskade durch die Entstehung von C3b spontan oder durch den ersten Schritt der gemeinsamen Endstrecke des klassischen bzw. Lektinwegs. Die C3-Konvertase (C4bC2b) des klassischen bzw. Lektinwegs erzeugt im ersten Schritt der gemeinsamen Endstrecke C3b und startet somit den alternativen Weg, der zur Bildung einer weiteren Form der C3-Konvertase (C3bBb) führt. Eine Besonderheit des alternatives Weges ist, dass er einerseits durch die Entstehung von C3b gestartet wird und andererseits selbst durch die Bildung der C3-Konvertase im ersten Schritt der gemeinsamen Endstrecke C3b erzeugt – er verstärkt sich dadurch stetig selbst .
- Entstehung von C3b
- Spontan: C3b entsteht durch spontane Hydrolyse (aus C3)
- Durch klassischen oder Lektinweg: C3b entsteht zuvor durch den ersten Schritt der gemeinsamen Endstrecke des klassischen bzw. Lektinwegs
- Bindung: C3b bindet an Pathogenoberfläche
- Spaltung
- Faktor B (ein zirkulierendes Plasmaprotein) bindet an C3b
- Faktor D spaltet den gebundenen Faktor B in Faktor Ba und Faktor Bb
- Bildung der C3-Konvertase: Der Komplex aus C3b und Bb bildet die C3-Konvertase (C3bBb)
Gemeinsame Endstrecke
Alle drei Aktivierungswege bilden eine C3-Konvertase und leiten dadurch eine gemeinsame Endstrecke ein.
- Spaltung von C3: C3-Konvertase spaltet C3 → C3a + C3b
- Bildung der C5-Konvertase: Durch Bindung von C3b an die C3-Konvertase der verschiedenen Wege entsteht eine sog. C5-Konvertase
- Klassischer und Lektinweg: C4bC2bC3b
- Alternativer Weg: C3b2Bb
- Spaltung: Von C5 durch C5-Konvertase (C5 → C5a + C5b)
- Bildung eines Membranangriffskomplexes (MAC): Faktoren C6–9 verbinden sich mit C5b zum MAC
- Zelllyse: Die Zellwand des Pathogens, an das die initialen Stoffe (C1, C3b oder MBL) gebunden haben, wird durch den MAC perforiert, was zur Zelllyse führt
Akute-Phase-Proteine und negative Akute-Phase-Proteine
Die sog. Akute-Phase-Reaktion wird v.a. durch Makrophagen und dendritische Zellen ausgelöst. Nach dem Kontakt mit Pathogenen sezernieren sie verschiedene Zytokine (v.a. TNF-α, IL-1β, IL-6), die u.a. die Proteinsynthese der Leberzellen beeinflussen, sodass eine Gruppe von Proteinen vermehrt (sog. Akute-Phase-Proteine) und eine andere Gruppe kompensatorisch weniger produziert wird (sog. negative Akute-Phase-Proteine).
Akute-Phase-Proteine
Einige der Akute-Phase-Proteine imitieren die Funktion von Antikörpern, indem sie Pathogene opsonieren und das Komplementsystem aktivieren. Akute-Phase-Proteine erkennen jedoch keine Antigene, sondern „nur“ unspezifische, typische Pathogenmuster (PAMPs).
- Definition: >30 verschiedene Plasmaproteine, die während einer Entzündung um mind. 25% ansteigen
- Syntheseort: Leber
- Wichtige Vertreter und deren Funktion
- C-reaktives Protein (CRP): Opsonierung von Pathogenen und Aktivierung des klassischen Wegs des Komplementsystems
- Mannose-bindendes Lektin (MBL): Opsonierung von Pathogenen und Aktivierung des Lektinwegs des Komplementsystems
- Ferritin: Erreger erhalten weniger des für sie essenziellen Eisens
- Haptoglobin: Erreger erhalten weniger des für sie essenziellen Eisens
- Fibrinogen: Gerinnungsförderung, um Erreger durch die Bildung von kleinsten Thromben lokal „einzuschließen“ und deren hämatogene Aussaat zu erschweren
- α1-Antitrypsin: Schutz vor Proteasenüberaktivität
- Procalcitonin: Wird als sensitiver Verlaufsparameter v.a. bei SIRS und Sepsis bestimmt
Negative Akute-Phase-Proteine
Die Produktion der sog. negativen Akute-Phase-Proteine sinkt im Rahmen einer akuten Entzündungsreaktion.
- Wichtige Vertreter
Akute-Phase-Reaktion
Bei der Akute-Phase-Reaktion handelt es sich um eine komplexe humorale und zelluläre Allgemeinreaktion des Körpers auf eine Gewebeschädigung. Typischerweise findet man sie als Immunreaktion im Rahmen von Infektionen, aber auch bei Traumen oder Malignomen. Sie beinhaltet die typische Trias aus einer Erhöhung der Leukozyten (Leukozytose), der Akute-Phase-Proteine wie CRP und Procalcitonin und der damit einhergehenden gesteigerten Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG). Daneben kann es zu einem Abfall der sog. negativen Akute-Phase-Proteine kommen. Die Veränderung der Akute-Phase- und negativen Akute-Phase-Proteine zeigt sich im Labor neben der direkten Messung auch in der Serumelektrophorese . Es handelt sich weniger um ein klinisches Erscheinungsbild als mehr um eine labormedizinische Veränderung, die Hinweise auf Infektionen, Traumen oder Malignome liefern kann (siehe: Krankhafte Veränderungen der Proteinfraktionen).
Wiederholungsfragen zum Kapitel Unspezifisches Immunsystem
Physikalische, chemische und biologische Mechanismen
Welche Enzyme der unspezifischen Abwehr kommen in Körpersekreten bzw. Mucus vor und welche Wirkung haben diese?
Zelluläre Mechanismen
Welche Zellen des unspezifischen Immunsystems kennst du?
Welche Zellen des unspezifischen Immunsystems entwickeln sich aus myeloischen Vorläuferzellen? Welche aus lymphatischen?
Nenne verschiedene Granulozyten mit ihrer Häufigkeit!
Beschreibe das Aussehen von neutrophilen Granulozyten!
Beschreibe den Ablauf der durch neutrophile Granulozyten vermittelten Immunantwort!
Nenne typische Inhaltsstoffe der eosinophilen Granula!
Was befindet sich in der Granula basophiler Granulozyten?
Welche Aufgaben von basophilen Granulozyten kennst du?
Aus welchen Zellen besteht das mononukleäre Phagozytensystem? Wie stehen diese im Zusammenhang?
Welche immunologische Aufgabe hat das mononukleäre Phagozytensystem?
Wieso sind natürliche Killerzellen schneller in der Reaktion als andere lymphoide Zellen?
Was unterscheidet Mastzellen von allen anderen Zellen des unspezifischen Immunsystems?
Nenne die professionellen antigenpräsentierenden Zellen!
Welche Liganden bindet der Toll-Like-Rezeptor? Kannst du ein spezifisches Beispiel nennen?
Das MHC–System
Welche Aufgaben erfüllen MHC-Rezeptoren? Wie unterscheiden sie sich?
Welche intrazellulären Vorgänge führen dazu, dass Proteine über MHC-I-Rezeptoren auf der Zelloberfläche präsentiert werden?
Wie kann mithilfe von MHC-I-Rezeptoren eine gesunde von einer kranken Zelle unterschieden werden?
Humorale Mechanismen
Aus was besteht das Komplementsystem?
Was sind die Funktionen des Komplementsystems? Nenne jeweils auch die wichtigsten Faktoren für die jeweilige Funktion!
Welche Wege zur Aktivierung des Komplementsystems kennst du? Was haben diese gemeinsam?
Erläutere den klassischen Aktivierungsweg des Komplementsystems!
Erläutere die Aktivierung des Komplementsystems über den Lektinweg!
Erläutere den alternativen Aktivierungsweg des Komplementsystems! Was ist das besondere an diesem Aktivierungsweg?
Welches Endprodukt steht an der gemeinsamen Endstrecke des Komplementsystems und was löst dieses aus?
Wo werden Akute-Phase-Proteine/negative Akute-Phase-Proteine gebildet? Nenne jeweils drei wichtige Vertreter.
Wie unterscheiden sich Akute-Phase-Proteine von negativen Akute-Phase-Proteinen?
Wie zeigt sich eine typische Entzündungsreaktion in den Laborwerten? Ist diese spezifisch?
Eine Sammlung von allgemeineren und offeneren Fragen zu den verschiedenen prüfungsrelevanten Themen findest du im Kapitel Beispielfragen aus dem mündlichen Physikum.
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Immun-Saga
Immun-Saga – Episode 1: Antimikrobielle Proteine und Peptide
Immun-Saga – Episode 2: Komplementsystem
Immun-Saga – Episode 3: Mustererkennungsrezeptoren (MER)
Immun-Saga – Episode 4: Akute-Phase-Reaktion
Immun-Saga – Episode 5: Zytokine
Immun-Saga – Episode 6: Major-Histocompatibility-Complex (MHC)
Immun-Saga – Episode 7: Fieber
Immun-Saga – Episode 8: Zellen der angeborenen Immunität
Immun-Saga – Episode 9: Granulozyten und Mastzellen
Immun-Saga – Episode 10: Makrophagen und dendritische Zellen
Immun-Saga – Episode 11: NK-Zellen und innate lymphoide Zellen (ILC)
Immun-Saga – Episode 24: Immuneffektormodule (Übersicht und Typ 1)
Immun-Saga – Episode 25: Immuneffektormodule (Typ 2)
Immun-Saga – Episode 26: Immuneffektormodule (Typ 3)
Immun-Saga – Episode 27: Immunologisches Gedächtnis
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