Zusammenfassung
Als supraglottische Atemwegshilfen (SGA) bezeichnet man alle Ventilationshilfen, die die Atemwege zwischen Oropharynx und proximalem Ösophagus offenhalten und deren Cuffs außerhalb der Glottis oder Trachea zum Liegen kommen. Gelegentlich wird in der Literatur strenger differenziert und der Begriff „extraglottische Atemwegshilfen“ als Oberbegriff für alle Atemwegshilfen mit extraglottischer (inkl. supraglottischer) Lage benutzt, während der Begriff „supraglottische Atemwegshilfen“ ausschließlich für Atemwegshilfen mit supraglottischer Lage verwendet wird. Im klinischen Alltag ist die letztere Bezeichnung jedoch deutlich geläufiger und wird meist synonym zum Oberbegriff verwendet, weshalb hier auf die strengere Differenzierung verzichtet wurde.
Dieses Kapitel gibt einen grundlegenden Überblick über die verschiedenen Arten supraglottischer Atemwegshilfen, Indikationen und Kontraindikationen sowie mögliche Komplikationen. Für Inhalte zur konkreten Durchführung der Anlage, Lage- und Dichtigkeitstests sowie zum Management von Komplikationen siehe: Anlage supraglottischer Atemwegshilfen - AMBOSS-SOP.
Anatomische Grundlagen
- Unterteilung des Kehlkopfs in drei Etagen
- Anatomische Lage des supraglottischen Raums
- Zwischen Kehlkopfeingang (Aditus laryngis) und Taschenfalten (Plicae vestibulares)
- Direkt oberhalb der Stimmritze
Grundtypen und Aufbau
Man unterscheidet zwei Gruppen: Atemwegshilfen vom Larynxmaskentyp und ösophageale Verschlusstuben. Innerhalb dieser Gruppen gibt es supraglottische Atemwegshilfen der 1. Generation, welche lediglich eine Beatmung ermöglichen, sowie solche der 2. Generation, welche zusätzlich die Anlage einer Magensonde erlauben. Eine Sonderstellung nehmen supraglottische Atemwegshilfen ein, die eine sekundäre Intubation ermöglichen (Intubationslarynxmaske bzw. Intubationslarynxtubus). Gemeinsam haben alle supraglottischen Atemwegshilfen die Mündung der Ventilationsöffnungen im supraglottischen Raum und dadurch die Möglichkeit einer Beatmung auch ohne intratrachealen Zugang. [1]
Bei allen supraglottischen Atemwegshilfen der 2. Generation kann eine Magensonde durch den Drainagekanal eingeführt werden! Dies verringert das Aspirationsrisiko.
Atemwegshilfen vom Larynxmaskentyp
Larynxmaske (LMA, LAMA)
- Definition: Atemwegshilfe bestehend aus einem Tubus und einer Maske am distalen Ende mit einem aufblasbaren Cuff; mit Luft befüllt dichtet der Cuff den Raum um und hinter dem Kehlkopf ab (sowohl zum Ösophagus als auch zum Mund-Nasen-Rachen-Raum hin).
- Aufbau
- Ovaler Maskenteil mit aufblasbarem Cuff aus Silikon und Ventilationsöffnungen an der Basis
- Tubus aus flexiblem Plastik mit Konnektor (Verbindung zwischen Maske und Beatmungsschlauch)
- Lage
- Maske liegt oberhalb der Stimmritze am Kehlkopfeingang
- Spitze der Maske liegt am Eingang zum Ösophagus
- Typen
- Larynxmasken der 1. Generation: „Klassische“ Larynxmaske mit geradem oder gebogenem Schaft
- Larynxmasken der 2. Generation: Larynxmaske mit geradem oder gebogenem Schaft und Drainagekanal
- Intubationslarynxmasken: Bspw. LMA Fastrach®
- Anwendung siehe: Larynxmaske - Praktische Anwendung
Auswahl der Larynxmaskengröße [2][3] | ||
---|---|---|
Größe | Alter | Körpergewicht/Körpergröße |
1 | Neugeborene | ≤5 kg |
1,5 | Säuglinge und Kleinkinder | 5–10 kg |
2 | 10–20 kg | |
2,5 | 20–30 kg | |
3 | Kinder | 30–50 kg |
4 | Erwachsene | 50–70 kg |
5 | 70–100 kg | |
6 | >100 kg |
Der Cuff-Druck wird nach erfolgreicher Anlage mithilfe des Cuff-Druckmessers überprüft und bei Bedarf optimiert (max. 60 cmH2O!). [4]
Die max. Cuff-Füllvolumina können sich je nach Modell unterscheiden und sollten keinesfalls überschritten werden! Diesbezügliche Herstellerangaben sind unbedingt zu beachten!
i-gel® [2]
- Definition: Atemwegshilfe bestehend aus einem Tubus und einer Maske am distalen Ende mit einem gelartigen, nicht-aufblasbaren Cuff; der Cuff passt sich an die anatomischen Strukturen an und dichtet den Raum um und hinter dem Kehlkopf ab (sowohl zum Ösophagus als auch zum Mund-Nasen-Rachen-Raum hin).
- Aufbau
- Ovaler Maskenteil mit nicht-aufblasbarem Cuff und Ventilationsöffnungen an der Basis
- Tubus aus flexiblem Plastik mit Drainagekanal und Konnektor (Verbindung zwischen Maske und Beatmungsschlauch)
- Lage
- Maske liegt oberhalb der Stimmritze am Kehlkopfeingang
- Spitze der Maske liegt am Eingang zum Ösophagus
- Typen
- i-gel®: Atemwegshilfe der 2. Generation
- i-gel O2®: Atemwegshilfe der 2. Generation mit supplementärem Sauerstoff-Port
- Anwendung
- Grundlegendes Prinzip zur Platzierung analog zu Larynxmasken (siehe: Larynxmaske - Praktische Anwendung)
- Unterschied zu herkömmlichen Larynxmasken: Cuff muss nicht mit Luft befüllt werden
Auswahl der i-gel®-Größe | |||
---|---|---|---|
Größe | Alter | Körpergewicht | Farbe |
1 | Neugeborene | 2–5 kg | Rosa |
1,5 | Säuglinge | 5–12 kg | Hellblau |
2 | Kinder | 10–25 kg | Grau |
2,5 | 25–35 kg | Weiß | |
3 | Erwachsene | 30–60 kg | Gelb |
4 | 50–90 kg | Grün | |
5 | >90 kg | Orange |
Ösophageale Verschlusstuben
Larynxtubus (LT) [5]
- Definition: Atemwegshilfe bestehend aus einem Tubus und zwei aufblasbaren Cuffs, deren Spitze im Ösophagus zum Liegen kommt; die Beatmung in Richtung Trachea geschieht über seitliche Öffnungen am Tubus zwischen den beiden Cuffs.
- Aufbau
-
Tubus aus flexiblem Plastik
- Proximales Ende über Konnektor mit Beatmungsbeutel oder -gerät verbunden
- Distales Tubusende verschlossen oder mit Drainagekanal versehen
- Zwei aufblasbare Cuffs
- Oberer, größerer Cuff
- Unterer, kleinerer Cuff
- Ventilationsöffnungen zwischen den beiden Cuffs
-
Tubus aus flexiblem Plastik
- Lage
- Typen
- Larynxtuben der 1. Generation (im klinischen Alltag kaum noch verwendet ) [2]
- Einfacher Larynxtubus
- Bspw. Larynxtubus LT-D®
- Larynxtuben der 2. Generation
- Larynxtubus mit Drainagekanal
- Bspw. Larynxtubus LTS®, Larynxtubus LTS-D®
- Intubationslarynxtuben: Bspw. Intubationslarynxtubus Suction Disposable iLTS-D® [6][7]
- Larynxtuben der 1. Generation (im klinischen Alltag kaum noch verwendet ) [2]
- Anwendung siehe: Larynxtubus - Praktische Anwendung
Auswahl der Larynxtubusgröße [2] | |||
---|---|---|---|
Größe | Alter | Körpergewicht/Körpergröße | Farbe |
0 | Neugeborene bis Kleinkinder | <5 kg | Durchsichtig |
1 | 5–12 kg | Weiß | |
2 | Kinder | 12–25 kg | Grün |
2,5 | 125–150 cm | Orange | |
3 | Erwachsene | <155 cm | Gelb |
4 | 155–180 cm | Rot | |
5 | >180 cm | Lila |
Aufgrund der aktuellen Studienlage wird der Larynxtubus für Kinder <2 Jahren nicht empfohlen! [1][8]
Kombitubus (ösophagotrachealer Kombinationstubus, Combitube®) [2][9]
- Definition: Atemwegshilfe bestehend aus einem Tubus und zwei aufblasbaren Cuffs, von denen der obere immer im Pharynx und der untere entweder in Ösophagus oder Trachea liegt; je nach Lage des unteren Cuffs geschieht die Beatmung über seitliche Ventilationsöffnungen im Tubus oder über die distale Öffnung des trachealen Lumens.
- Aufbau
-
Tubus aus flexiblem Plastik mit zwei Lumen
- Proximales Ende: Lumina enden in zwei getrennten Konnektoren (Verbindung zu Beatmungsbeutel oder -gerät)
- Pharyngeales Lumen: Distales Tubusende verschlossen, besitzt im Pharynxbereich Ventilationsöffnungen
- Ösophagotracheales/tracheales Lumen: Distales Tubusende offen
- Zwei aufblasbare Cuffs
- Oberer, größerer Cuff
- Unterer, kleinerer Cuff
-
Tubus aus flexiblem Plastik mit zwei Lumen
- Lage
- Typen: 2 Größen verfügbar
- Combitubus SA 37 F® : Anwendbar bei einer Körpergröße zwischen 122–183 cm
- Combitubus 41 F® : Anwendbar bei einer Körpergröße ≥152 cm
- Anwendung: Heutzutage eher selten verwendet
- Kompliziertere Handhabung als andere SGAs → Training erforderlich
- Größerer Durchmesser und unflexibles Material → Höheres Verletzungsrisiko: Ösophagusperforation (lebensgefährlich!), Hämatome, Läsionen von Nerven oder Stimmbändern
Der Kombitubus wird in der praktischen Anwendung immer mehr durch den Larynxtubus ersetzt, da dieser leichter zu handhaben ist!
Indikation
Anwendungsgebiete
- Atemwegssicherung mit Beatmung oder Spontanatmung
- In der klinischen Anästhesie [4]
- Elektive operative Eingriffe mit kurzer oder mittlerer Dauer
- Längere Eingriffe (>2 h): Risiko-Nutzen-Abwägung, Larynxmasken der 2. Generation bevorzugen
- In der Notfallmedizin [1]
- Anwendung insb. empfohlen bei
- Fehlender Expertise für eine endotracheale Intubation
- Erheblich erschwerten Intubationsbedingungen
- Erfolgloser endotrachealer Intubation durch eine erfahrene Person
- Verwendung von Larynxmasken der 2. Generation empfohlen
- Siehe auch: Notfallmanagement - Airway
- Anwendung insb. empfohlen bei
- Beim Management des schwierigen Atemwegs: Fester Bestandteil des Algorithmus bei erschwerten Intubationsbedingungen
- In der klinischen Anästhesie [4]
Zur konkreten Anwendung supraglottischer Atemwegshilfen siehe: Anlage supraglottischer Atemwegshilfen - AMBOSS-SOP!
Vorteile gegenüber der endotrachealen Intubation [4]
- Keine neuromuskuläre Blockade erforderlich
- Geringerer Bedarf an Allgemeinanästhetika
- Geringeres Risiko für
- Atemwegsverletzungen
- Belastung der Halswirbelsäule
- Einseitige Lage oder Fehlplatzierung im Ösophagus
- Hämodynamische Instabilität während Ein- und Ausleitung
- Awareness
- Laryngospasmus, Bronchospasmus
- Husten oder Hypoxämie in der Aufwachphase
- Störung der mukoziliären Clearance
- Einfachere Handhabung und steilere Lernkurve
- Möglichkeit zur Oxygenierung bei unerwartet schwierigem Atemweg oder Zeitdruck (bspw. Reanimation)
- Vergleichsweise geringe Anzahl von Prädiktoren für eine schwierige Platzierung einer supraglottischen Atemwegshilfe
Der wichtigste Nachteil von SGAs im Vergleich zur endotrachealen Intubation ist das erhöhte Aspirationsrisiko! [10]
Kontraindikation
Kontraindikationen im präklinischen Setting und beim Management des unerwartet schwierigen Atemwegs [11][12]
- Absolute Kontraindikationen: Praktisch keine
- Relative Kontraindikationen
- Obstruktion oder Trauma der oberen Atemwege
- Mundöffnung <2 cm
- Fehlende tiefe Bewusstlosigkeit
Die Oxygenierung hat im Notfall immer Vorrang!
Kontraindikationen bei elektivem Einsatz [4][11][12]
- Absolute Kontraindikationen
- Nicht eingehaltene präoperative Nüchternzeit
- Erhöhtes perioperatives Aspirationsrisiko
- Blutungen/Anomalien/Tumoren der oberen Atemwege
- Einlungenventilation
- Notwendigkeit des regelmäßigen trachealen Zugangs
- Mundöffnung <2 cm
- Relative Kontraindikationen
- Bestimmte Eingriffe
- Oberbauch- und Thoraxeingriff
- Eingriffe mit geplanter langer Dauer
- Hohe Beatmungsdrücke (>20 cmH2O)
- Pulmonale Vorerkrankungen
- Adipositas
- Laparoskopische Operationen [12]
- Lagerung
- Bauchlagerung [12]
- Sitzende Lagerung
- Atemwege intraoperativ schwer zugänglich
- Bestimmte Eingriffe
Lage- und Dichtigkeitstests sind bei Verwendung von Larynxmasken der 2. Generation obligat! Für die Durchführung siehe: Lagetests für Larynxmasken der 2. Generation!
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Komplikationen
- Korrekte Platzierung nicht möglich [13]
- Insuffiziente oder unmögliche Beatmung
- Leckage
- Dislokation
- Laryngospasmus bzw. Bronchospasmus
- Regurgitation von Mageninhalt und Aspiration
- Blutungen im Bereich der oberen Atemwege
- Verletzungen im Bereich der oberen Atemwege
- Druckschäden
Zum Management der Komplikationen siehe Komplikationen bei der Anlage supraglottischer Atemwegshilfen!
Je höher der Cuff-Druck ist, umso wahrscheinlicher sind Halsschmerzen, Heiserkeit und Schluckbeschwerden! [10]
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Alternative Methoden
- Alternativen zur Atemwegssicherung (abhängig von der konkreten Situation auszuwählen)