Zusammenfassung
Die Tularämie („Hasenpest“) ist eine seltene Zoonose, die durch das Bakterium Francisella tularensis verursacht wird. Sie tritt in der gesamten nördlichen Hemisphäre (inkl. Nordamerika und Europa) meist sporadisch oder im Rahmen kleinerer Ausbrüche auf. Infolge der hohen Virulenz wird der Erreger als potenzielle Biowaffe eingestuft.
Die Ansteckung erfolgt durch Kontakt mit infizierten (Wild‑)Tieren, kontaminierte Lebensmittel, die Übertragung durch Insekten (Zecken, Stechmücken, Bremsen) oder Inhalation der Erreger. Die Symptomatik hängt vom Übertragungsweg ab und äußert sich vorwiegend wenige Tage nach Infektion mit einer ulzerierenden Hautläsion sowie einer regionären, teilweise abszedierenden Lymphadenopathie. Zusätzlich kann es zu grippeartigen Allgemeinbeschwerden wie Fieber sowie Kopf- und Gliederschmerzen kommen. Seltener kann es auch zu einer Endokarditis, Pneumonie oder Konjunktivitis kommen. Die Erkrankung kann akut verlaufen oder über viele Monate hinweg intermittierend Beschwerden verursachen.
Spontanheilungen sind möglich, es sollte aufgrund möglicher schwerer Krankheitsverläufe jedoch möglichst rasch mit einer antibiotischen Therapie (i.d.R. Ciprofloxacin oder Doxycyclin) begonnen werden.
Epidemiologie
- Vorkommen: Nördliche Hemisphäre inkl. Nordamerika und Europa (insb. Skandinavien)
- Inzidenz: Ca. 0,05 Fälle/100.000 Personen/Jahr [1][4]
- Entspricht ca. 20–30 Fällen/Jahr in Deutschland
- Gehäuftes Auftreten: Juli–November
- Erhöhtes Risiko: Männliches Geschlecht, häufige Aufenthalte in der Natur
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger: Francisella tularensis (gram-negativ, fakultativ intrazellulär lebendes Bakterium)
- Typ A: F. tularensis subsp. tularensis
- Typ B: F. tularensis subsp. holarctica
- Erregerreservoir: Insb. Wildtiere
- Infektionsweg
- Orale Aufnahme (kontaminiertes Fleisch/Wasser/Lebensmittel)
- Inhalation von kontaminiertem Staub/Erde
- Eindringen des Erregers über die Haut
- Bei Kontakt mit infizierten Tieren
- Übertragung durch Vektoren
Der Erreger ist hochinfektiös, aber nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Er wird als potenzielle Biowaffe eingestuft!
Symptomatik
Allgemeines
- Inkubationszeit: 3–5 Tage, max. 3 Wochen
- Dauer der Beschwerden: Kurzzeitig oder über viele Monate intermittierend oder persistierend
Krankheitsbild
- Typisch: Häufig Fieber und (ulzerierende) Hautläsion und Lymphadenopathie
- Allgemeinbeschwerden: „Grippeartig“
Verlaufsformen nach Übertragungsweg
- Ulzeroglandulär und glandulär: Häufigste Verlaufsformen in Europa (95%)
- Primäre Ulzeration plus regionale Lymphknotenschwellung, ggf. eiternd, nekrotisierend
- Oropharyngeal
- Okuloglandulär
- Pulmonal
Die klinische Manifestation hängt von der Eintrittspforte bzw. dem Übertragungsweg ab!
Komplikationen
Diagnostik
- Direkter Erregernachweis
- Kultur
- Antigentest
- PCR
- Indirekter Erregernachweis
- Serologisch: Sehr hohe Titer oder Titeranstieg im Verlauf
- Ggf. Spezialberatung bei Robert Koch-Institut oder den Speziallaboren einholen
Zur Diagnosestellung muss der Erreger direkt oder indirekt nachgewiesen werden!
Der Tularämie-Verdacht sollte dem Labor infolge der hohen Kontagiosität mitgeteilt werden!
Differenzialdiagnosen
- Syphilis
- HIV
- Brucellose
- Influenza
- Katzenkratzkrankheit
- Legionellose
- Mykobakteriose
- Q-Fieber
- Pest
- Erkrankungen durch Staphylokokken oder Streptokokken
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Therapie der Wahl
- Fluorchinolone, insb. Ciprofloxacin oder
- Tetrazykline, bspw. Doxycyclin
- Bei schweren Verläufen: Ciprofloxacin plus Gentamicin
- Ggf. Spezialberatung bei Robert Koch-Institut oder den Speziallaboren einholen [9]
Prognose
- Verlauf sehr variabel
- Spontanheilung möglich
- Letalität ca. 30%
Der in Europa vorkommende Erreger F. tularensis subsp. holarctica führt auch unbehandelt nur selten zum Tod!
Meldepflicht
- Namentliche Meldung des direkten und indirekten Nachweises von Francisella tularensis an das Gesundheitsamt gemäß § 7 Abs. 1 IfSG [2]
Prävention
- Ggf. Postexpositionsprophylaxe mit Doxycyclin oder Ciprofloxacin
- Impfung in Deutschland nicht zugelassen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- A21.:-Tularämie
- Inklusive:
- Hasenpest
- Hirschfliegenfieber
- Infektion durch Francisella tularensis
- A21.0: Ulzeroglanduläre Tularämie
- A21.1: Okuloglanduläre Tularämie
- A21.2: Pulmonale Tularämie
- A21.3: Gastrointestinale Tularämie
- Abdominale Tularämie
- A21.7: Generalisierte Tularämie
- A21.8: Sonstige Formen der Tularämie
- A21.9: Tularämie, nicht näher bezeichnet
- Inklusive:
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.