Zusammenfassung
Die Katzenkratzkrankheit ist eine Infektion mit Bartonella henselae (seltener B. clarridgeiae), die insb. Kinder und Jugendliche betrifft. Die Erreger werden vorwiegend von jungen Katzen über kleine Hautläsionen übertragen und führen typischerweise im Verlauf zu einer unilateralen Lymphadenitis im Bereich der Eintrittsstelle. Zur Diagnosesicherung wird der serologische Antikörpernachweis empfohlen. Die Erkrankung verläuft zumeist selbstlimitierend, kann jedoch über Wochen bis Monate andauern. Selten entwickeln sich eine Lymphknoteneinschmelzung oder ein Organbefall, sodass eine antibiotische Therapie und/oder chirurgische Sanierung erforderlich wird. Besonders immunsupprimierte Personen sind häufiger schwer betroffen.
Epidemiologie
- Vorkommen: Weltweit [1]
- Inzidenz: Keine Daten verfügbar, in Deutschland selten diagnostiziert
- Durchseuchung mit Bartonella henselae in Deutschland: Ca. 10%
- Häufigkeitsgipfel: Kindes- und Jugendalter [2]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger: Meist Bartonella henselae , seltener Bartonella clarridgeiae [1]
- Infektionswege
- Direkte Übertragung über Kratz- bzw. Bisswunden von jungen Katzen, selten Hunden [3][4]
- Vektorübertragung über Katzenflöhe [2] und ggf. über Zecken
- Keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung bekannt
- Saisonalität: Vorkommen insb. zwischen September und Februar (in Deutschland)
Symptomatik
- Inkubationszeit [1][2]
- Primärläsion : 3–14 Tage nach Exposition
- Lymphadenitis: 1–7 Wochen nach Auftreten der Primärläsion
- Leitsymptom: Unilaterale Lymphadenitis
- Eintrittspforte: Teils als kleine Hautläsion im Lymphzuflussgebiet mit Vesikel/Pustel sichtbar (60–90%)
- Mögliche unspezifische Symptome
- Fieber (30–50%)
- Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen
- Appetitlosigkeit, Übelkeit
- Exantheme, Erythema nodosum
- Parotisschwellung
- Thrombozytopenie
- Verlauf
- I.d.R. selbstlimitierend mit Abheilung innerhalb von 2–4 Monaten
- Selten Lymphknoteneinschmelzung im Verlauf (15%)
- Sonderform: Okuloglanduläres Syndrom nach Parinaud (6%) [4][5]
- Symptome: Prä- oder subaurikuläre Lymphadenitis plus nicht-eitrige unilaterale Konjunktivitis
- Eintrittspforte: Bindehaut
- Erreger: Meist B. henselae
- Seltener Francisella tularensis (siehe: Tularämie), Sporothrix schenckii (siehe: Sporotrichose) oder Rickettsien
- In Einzelfällen: Herpes-simplex-Virus, Epstein-Barr-Virus, Mycobacterium-tuberculosis-Komplex, Yersinia enterocolitica, Chlamydia trachomatis, Pasteurella multocida, Nocardia brasiliensis, Pilze
Die regionale Lymphadenitis ist i.d.R. der erste Hinweis auf die Erkrankung, da die initial auftretende Hautläsion meist übersehen wird! Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist die Primärläsion daher häufig nicht mehr zu eruieren!
Diagnostik
Die Diagnosestellung der Lymphknotenschwellung erfolgt auf Basis von Anamnese und klinischer Untersuchung, zur Diagnosesicherung der Katzenkratzkrankheit wird die Serologie empfohlen. Ist die genaue Diagnose noch unklar, erfolgen Untersuchungen zur Differenzialdiagnostik. [1][3][6]
- Diagnosesicherung: Serologie für B. henselae
- Beurteilung: IgG-Titer für B. henselae von >1:200 im Immunfluoreszenztest deutet auf eine akute Infektion hin; IgM-Titer ≥1:20 bekräftigen den Befund
- Blutkultur: Bei V.a. Bartonellen-Bakteriämie
- Differenzialdiagnostik bei unklarer Lymphknotenschwellung (Labordiagnostik)
- Blutbild mit Differenzialblutbild , Retikulozyten und Retikulozyten-Produktions-Index
- Entzündungswerte: CRP, BSG
- Klinische Chemie: Kreatinin, LDH , Harnsäure
- Serologie: EBV, CMV und T. gondii
- HIV- und/oder Tuberkulose-Test bei klinischem/anamnestischem Verdacht
- Weiterführende Diagnostik
- Bildgebung
- Sonografie: Zur Beurteilung der Lymphadenopathie, insb. bei V.a. Einschmelzung oder Abszess bzw. zum Ausschluss maligner Ursachen
- MRT: Zur Beurteilung der Lymphadenopathie, insb. vor chirurgischer Intervention
- Exstirpation/Biopsie betroffener Lymphknoten (falls Serologie nicht aussagekräftig)
- Histologie
- Typischerweise epitheloidzellige Granulome mit Langhans-Riesenzellen
- Nachweis stäbchenförmiger Bakterien
- Molekulares Nachweisverfahren zur Spezies-Identifikation aus nicht Formalin-fixiertem Material möglich
- Histologie
- Bildgebung
Für eine Blutkultur ist der V.a. eine Bartonellen-Infektion als Information an das untersuchende Labor von größter Bedeutung!
Differenzialdiagnosen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Systemische Antibiotikatherapie [1]
- Indikationen
- Prolongierte und/oder disseminierte Infektion
- Organbefall
- Wirkstoffe
-
Azithromycin
- Alter 3 Monate bis 12 Jahre
- Alter ≥13 Jahre
- Alternativen
- Doxycyclin : Alter 9–12 Jahre , Alter ≥13 Jahre oder
- Roxithromycin: Alter 1 Monat bis 12 Jahre , Alter ≥13 Jahre
- Ggf. plus Rifampicin : Alter 1 Monate bis 12 Jahre , Alter ≥13 Jahre
-
Azithromycin
Chirurgische Sanierung mit Lymphknotenresektion [3]
- Indikation: Einschmelzung und/oder Abszedierung
Aufgrund des meist selbstlimitierenden Verlaufs (teils über Monate) sind antibiotische oder chirurgische Therapieoptionen i.d.R. nicht notwendig!
Komplikationen
- Infolge einer Bakteriämie [1]
- Endokarditis
- Myokarditis
- Osteomyelitis
- Pneumonie
- Mikroabszesse in Leber und Milz
- Venöse Thrombosen
- IgA-Vaskulitis
- Bei Immunsuppression
- Multiple disseminierte Hautläsionen und große Abszesse
- Osteolytische Herde
- Pulmonale und hepatische Granulome
- Aseptische Meningitis
- Neurologische Krankheitsbilder (sehr selten)
- Uveitis
- Neuroretinitis
- Enzephalitis
- Periphere Fazialisparese
- Polyneuritis
Komplikationen kommen bei der Katzenkratzkrankheit selten vor, können jedoch viele Organsysteme betreffen!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Bei Immunsupprimierten: Rückfälle trotz Antibiotikatherapie häufig [1]
Prävention
Aufgrund des meist milden, selbstlimitierenden Verlaufes sind Präventionsmaßnahmen für die Allgemeinbevölkerung nicht notwendig. [1]
- Bei Menschen mit Immunschwäche
- Kontaktvermeidung zu (insb. jungen) Katzen und ggf. Hunden
- Vermeiden bzw. Bekämpfen von Katzenflöhen und Zecken
- Bei Menschen mit HIV zusätzlich: Clarithromycin-Prophylaxe gegen nicht-tuberkulöse Mykobakterien
Meldepflicht
Gemäß dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht keine bundesweite Meldepflicht für die Katzenkratzkrankheit oder Bartonellosen im Allgemeinen.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- A28.-: Sonstige bakterielle Zoonosen, anderenorts nicht klassifiziert
- A28.1: Katzenkratzkrankheit
- Katzenkratzfieber
- A28.1: Katzenkratzkrankheit
- A44.-: Bartonellose
- A44.0: Systemische Bartonellose
- A44.1: Kutane und mukokutane Bartonellose
- Verruga peruana [Verruga peruviana]
- A44.8: Sonstige Formen der Bartonellose
- A44.9: Bartonellose, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.