Zusammenfassung
Leitsymptom jeder Stimmlippenveränderung ist die Heiserkeit. Meist führt exzessiver falscher Stimmeinsatz zu einer erhöhten mechanischen Belastung des Stimmlippenepithels. Auch bei benignen Wucherungen der Stimmlippe ist i.d.R. eine endoskopische Abtragung mit nachfolgender histologischer Untersuchung angezeigt. Eine Ausnahme stellen Stimmlippenknötchen dar, die durch Stimmbandüberlastung bei „angestrengtem“ Reden entstehen (z.B. bei pädagogischen Berufen). Hier sind zunächst eine Stimmschonung und eine logopädische Behandlung indiziert.
Larynxpapillome bei Erwachsenen und Leukoplakien stellen mögliche Präkanzerosen dar.
Übersicht benigner Larynxtumoren
Tumor | Inzidenz | Verteilung | Therapie |
---|---|---|---|
Vorderes bis mittleres Stimmbanddrittel | |||
Stimmlippenpolyp | ♂ > ♀ | Einseitig | Chirurgische Abtragung |
Stimmlippenknötchen | ♀ > ♂ | Beidseitig | Stimmschonung, Logopädie; bei Persistenz: Chirurgische Abtragung |
Pars intercartilaginea | |||
♂ > ♀ | Einseitig | Kausale Therapie: PPI | |
♀ > ♂ | Beidseitig | Chirurgische Abtragung | |
Schwellung im Reinke-Raum | |||
♂ = ♀, junge Personen | Einseitig | Chirurgische Abtragung | |
Beidseitig | Chirurgische Abtragung | ||
Ventriculus laryngis | |||
♂ > ♀ | Meist einseitig | Chirurgische Abtragung von innen oder außen |
Stimmlippenpolyp
- Ätiologie [1][2]
- Phonationstrauma an den submukösen Kapillaren der Stimmlippe
- Risikofaktor: Nikotinabusus
- Epidemiologie
- Insb. Männer im 30.–50. Lebensjahr
- Häufigste benigne Stimmbandveränderung
- Klinik: Heiserkeit, Fremdkörpergefühl, Räusperzwang
- Diagnostik: Lupenlaryngoskopie
- Einseitig kugelig, glatt begrenzte Raumforderung
- Oft am Übergang von vorderem zu mittlerem Stimmbanddrittel
- Häufig pendelnde Bewegung des Polypen
- Kontaktreaktion mit Epithelhyperplasien an der gegenseitigen Stimmlippe
- Therapie: Mikrochirurgische Abtragung
- Schonung von Lig. vocale und M. vocalis
- Postoperativ häufig logopädische Therapie empfohlen zur Rezidivprophylaxe
Stimmlippenknötchen (Phonationsknötchen)
- Ätiologie [1][2]
- Stimmbandüberlastung (z.B. bei pädagogischen Berufen, Parteiredner:innen)
- Epidemiologie: Insb. Frauen im 15.–45. Lebensjahr
- Klinik
- Heiserkeit, die bei Stimmbelastung weiter zunimmt
- Fremdkörpergefühl und Räusperzwang
- Diagnostik: Lupenlaryngoskopie, Stroboskopie
- Lokalisiert am Ort der höchsten Schwingungsamplitude zwischen vorderem und mittlerem Drittel der Stimmlippe
- Stets beidseitige, gegenüberliegende stecknadelkopfgroße bindegewebige Verdickungen
- Pathologie
- Akute Form („weiche Knötchen“): Weich, rötlich, vaskularisiert, ödematös (Epithelhyperplasie, submuköses Ödem)
- Chronische Form („harte Knötchen“): Hart, weiß, verdickt, vernarbt (Fibrose, Akanthose, gelegentlich Parakeratose)
- Therapie
- Bei „weichen Knötchen“ (Frühstadium): Zunächst konsequente logopädische Stimm- und Übungstherapie für 3 Monate
- Bei Persistenz (>3 Monate) oder „harten Knötchen“
- Vorbereitende logopädische Stimmtherapie für 4–6 Wochen
- Mikrochirurgische Abtragung
- Nach Abheilung postoperative logopädische Stimmtherapie
- Prognose: In ca. 80% Wiederherstellung einer normalen Stimme
- Sonderform: Schreiknötchen des Kindes
- Epidemiologie
- Ätiologie: Verstärkter und kräftiger Stimmeinsatz
- Diagnostik: Laryngoskopie
- Symmetrische, spindelige Verdickung der Stimmlippen in der Mitte des membranösen Stimmlippenabschnitts
- Therapie
- Restitutio ad integrum mit dem Stimmbruch
- Beratung der Eltern mit Empfehlung zur Stimmschonung
Intubationsgranulom
- Ätiologie: Bildung von Granulationsgewebe durch eine Druckläsion nach endotrachealer Intubation [1][2]
- Epidemiologie: ♀ > ♂ [2][3]
- Diagnostik: Lupenlaryngoskopie, Stroboskopie
- Häufig beidseitig
- Im dorsalen Drittel der Stimmlippen, im Bereich der Aryknorpel (am offenen V)
- Klinik: Heiserkeit Tage bis Wochen nach Beatmung mit endotrachealer Intubation
- Therapie
- Vollständige mikrochirurgische Entfernung
- Selten Spontanheilung
Gefahr der Synechie bei ausgeprägter Granulationsbildung!
Weitere benigne Tumoren des Kehlkopfes
Reinke-Ödem [1][2]
- Definition: Meist beidseitige ödematöse Schwellung der Stimmlippen zwischen Epithel und Lig. vocale (Reinke-Raum)
- Epidemiologie: Insb. Frauen mittleren Alters betroffen
- Ätiologie: Risikofaktoren sind Nikotinabusus (etwa 98% der Betroffenen), Stimmbandüberlastung
- Klinik: Tiefe, raue Stimme, selten Dyspnoe mit inspiratorischem Stridor
- Diagnostik: Dicke kissenartige Schwellungen der Stimmlippen beidseits
- Therapie: Mikrochirurgische Entfernung
- Prognose: Häufig Rezidive
Reinke-Ödeme zählen nicht zu den Präkanzerosen!
Kontaktgranulom [1][2]
- Definition: Häufig einseitige, entzündlich-reaktive, pseudotumoröse Schleimhautläsionen im dorsalen Teil der Stimmlippen (Pars intercartilaginea)
- Epidemiologie: ♂ > ♀
- Ätiologie: Neben hartem Stimmgebrauch stellt die Refluxösophagitis einen wesentlichen Risikofaktor dar
- Klinik: Heiserkeit, evtl. Fremdkörpergefühl, Räusperzwang
- Diagnostik: Lupenlaryngoskopie
- Granulom im Bereich des Aryknorpels mit schüsselförmiger Einsenkung am korrespondierenden kontralateralen Proc. vocalis
- Therapie: Versuch der kausalen Therapie mit Protonenpumpenhemmern
- Bei ausbleibender Besserung: Zusätzlich mikrochirurgische Abtragung und postoperative Stimmtherapie
Stimmlippenzyste [1][2]
- Definition: Meist einseitig, weiß-gelbliche flüssigkeitsgefüllte Vorwölbung im Reinke-Raum
- Epidemiologie: Betroffen sind v.a. junge Menschen
- Klinik: Heiserkeit
- Diagnostik: Lupenlaryngoskopie
- Größere Zysten sind gelblich und meist gut zu erkennen
- Kleinere Zysten lassen sich häufig jedoch nicht von Polypen unterscheiden
- Therapie: Mikrochirurgische Entfernung
Epiglottiszyste [1]
- Definition: Paramediane Zyste auf lingualer Epiglottis
- Epidemiologie: Insb. Männer im mittleren Lebensalter betroffen, ♂ > ♀ (2:1)
- Klinik: Fremdkörpergefühl, Schluckbeschwerden
- Therapie: Mikrochirurgische Entfernung bei subjektiven Beschwerden
Laryngozele
- Ätiologie: Dyskinetische Schleimhautausstülpungen im Ventriculus laryngis [1][2]
- Einteilung: Innere und äußere Laryngozelen
- Die äußere Laryngozele verlässt das Innere des Larynxskeletts durch die Membrana thyrohyoidea und liegt außerhalb des Schildknorpels
- Epidemiologie: ♂ > ♀, insb. höheres Lebensalter
- Pathogenese
- Fortwährender Druck in den oberen Atemwegen (z.B. beim Spielen von Blasinstrumenten)
- Einengung am Abgang des Ventriculus laryngis
- Klinik
- Heiserkeit, Dyspnoe, Schluckbeschwerden, Hustenreiz
- Selten äußere Schwellung am Hals
- Diagnostik
- Lupenlaryngoskopie: Glatt begrenzte Raumforderung im Bereich der Taschenfalte
- Röntgenbild/CT-Hals: Im Saug-/Pressversuch (Valsalva) extralaryngeale Ausdehnung evtl. sichtbar
- Differenzialdiagnosen
- DD der inneren Laryngozele: Benigner Larynxtumor
- DD der äußeren Laryngozele: Zystische Lymphknotenmetastase, laterale Halszyste, Chondrome
- Therapie
- Innere Laryngozele: Mikroskopische laserchirurgische Entfernung
- Äußere Laryngozele: Resektion der Zele über einen Halseingriff von außen
Mögliche Präkanzerosen der Larynxschleimhaut
Epitheldysplasien und Larynxpapillome (siehe auch: Kehlkopfpapillomatose) im Erwachsenenalter stellen fakultative Präkanzerosen dar (→ Larynxkarzinom), die eine histologische Abklärung und Kontrolluntersuchungen erforderlich machen.
Epitheldysplasie (Leukoplakie) des Larynx
- Definition: Meist weiße, flache bis erhabene, verschiebliche, aber nicht abwischbare Epithelveränderung mit Verhornung [1][2][4]
- Lokalisation: Häufig Stimmlippen betroffen
- Symptome: Evtl. Heiserkeit, häufig Zufallsbefund bei Laryngoskopie
- Diagnostik
- Lupenlaryngoskopie (Makroskopisch-deskriptive Sicht)
- Pachydermie: Erhabene Schleimhautverdickung, Schwiele
- Hyperkeratose: Weißlich-gräuliche Verhornung der Schleimhaut
- Leukoplakie (weiße Pachydermie, Hyperkeratose): Weißliche, nicht abwischbare Schleimhautveränderung
- Erythroplakie (Erythroplasie, rote Pachydermie): Rötliche Schleimhautveränderung
- CAVE: Anhand makroskopischer Merkmale kann kein malignes Potenzial ausgeschlossen werden!
- Mikrolaryngoskopische Exzisionsbiopsie und histologische Untersuchung
- Lupenlaryngoskopie (Makroskopisch-deskriptive Sicht)
- Pathologie
- Histologische Einteilung nach WHO in 3 Dysplasiegrade (einfach, mittel-, hochgradige Dysplasie mit zunehmender Störung der Zellschichten, Kernatypien und Zelldifferenzierungsstörungen) und Carcinoma in situ
- Plattenepithelhyperplasie (Grad 1)
- Keine Kernatypien und meist keine Mitosen
- Fakultative Präkanzerose
- Plattenepitheldysplasie (Grad 2)
- Verdicktes Plattenepithel
- Reversible Veränderungen der Schichten
- Hochgradige Plattenepitheldysplasie (Grad 3) / Carcinoma in situ
- Irreversible Veränderungen bei intakter Basalmembran
- Obligate Präkanzerose
- Plattenepithelhyperplasie (Grad 1)
- Histologische Einteilung nach WHO in 3 Dysplasiegrade (einfach, mittel-, hochgradige Dysplasie mit zunehmender Störung der Zellschichten, Kernatypien und Zelldifferenzierungsstörungen) und Carcinoma in situ
- Therapie: Komplette Abtragung
- Dysplasie Grad 1–2: Komplette Abtragung, danach Verlaufskontrollen mit Re-Biopsien
- Dysplasie Grad 3 / Carcinoma in situ: Komplette Abtragung unter Einhaltung eines Sicherheitsabstandes (bei unzureichendem Sicherheitsabstand Nachbestrahlung/Radiatio)
Regelmäßige Kontrollen wegen Gefahr der Feldkanzerisierung!
In 10–25% der Fälle ist eine maligne Entartung möglich!
Kehlkopfpapillomatose
- Definition: Benigne epitheliale Tumoren an den Stimmlippen, mit möglicher Ausbreitung auf die Supra- oder Subglottis [1][2]
- Epidemiologie
- Ätiologie: Humane Papillomviren (HPV 6, 11)
- Klinik
- Diagnostik: Lupenlaryngoskopie
- Juvenile Form
- Multiple himbeerartige, unverhornte Geschwülste
- “Blumenkohlartige“ Oberfläche
- Flächenhaft nur gering über dem Schleimhautniveau
- Insb. Glottis und Supraglottis betroffen
- Adulte Form
- Meist solitär
- Stärkere Verhornung
- Immer im Stimmlippenbereich
- Juvenile Form
- Therapie
-
Wiederholt endoskopische Abtragung
- Sicherung der Atemwege bei Strukturerhaltung des stimmbildenden Organs
- Vollständige Abtragung bei adulten Papillomen
- Bei initial schnellem Wachstum: Medikamentöse Behandlung mit interstitieller Gabe von Interferon-α lokal
- Eine Radiatio ist wegen des Risikos der Malignisierung streng kontraindiziert!
-
Wiederholt endoskopische Abtragung
- Prophylaxe
- HPV-Impfung zur Primärprophylaxe sinnvoll [5]
- Keine Sekundärprävention mittels HPV-Impfung bei bestehenden HPV-assoziierten Läsionen empfohlen
- Prognose
- Häufige Rezidive
- Häufig spontane Rückbildung in der Pubertät
- Larynxpapillom bei Erwachsenen: Gehäuftes Vorkommen von Dysplasien!
Bis ins Erwachsenenalter verbliebene Papillome sind eine fakultative Präkanzerose und entarten in etwa 20% der Fälle!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- J38.-: Krankheiten der Stimmlippen und des Kehlkopfes, anderenorts nicht klassifiziert
- J38.1: Polyp der Stimmlippen und des Kehlkopfes
- Exklusive: Adenomatöse Polypen (D14.1)
- J38.2: Stimmlippenknötchen
- Chorditis (fibrinös) (nodös) (tuberös)
- Lehrerknötchen
- Sängerknötchen
- J38.3: Sonstige Krankheiten der Stimmlippen
- J38.1: Polyp der Stimmlippen und des Kehlkopfes
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.
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