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Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte

Letzte Aktualisierung: 10.12.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (LKGS) gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Sie können durch das Zusammenspiel einer genetischen Prädisposition mit verschiedenen Umweltfaktoren entstehen oder im Rahmen genetischer Syndrome auftreten. Je nach zugrunde liegender Störung können Lippe, Kiefer sowie weicher und harter Gaumen in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sein. Im Neugeborenenalter stehen Störungen der Saug- und Schluckfunktion im Vordergrund. Langfristig kann es darüber hinaus neben der ästhetischen Beeinträchtigung zu rezidivierenden Mittelohrentzündungen, einer Hörminderung sowie Sprach- und Sprechentwicklungsstörungen kommen. Die interdisziplinäre Behandlung in sog. Spaltzentren verfolgt das Ziel einer vollständigen anatomischen und funktionellen Rehabilitation. Der operative Spaltverschluss wird innerhalb des ersten Lebensjahres angestrebt, im weiteren Verlauf sind allerdings oft sekundäre Korrekturoperationen und begleitende konservative Maßnahmen wie kieferorthopädische Korrekturen und Logopädie erforderlich.

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Definitiontoggle arrow icon

Spalten der Oberlippe und des primären Gaumens

  • Definition: Spalten anterior des Foramen incisivum entlang der Sutura incisiva
  • Ursache: Unzureichende Verschmelzung von Oberkieferwulst und medialem Nasenwulst
  • Formen
  • Minimalformen
    • Lippenkerbe
    • Bindegewebige Verwachsung am Philtrumrand
    • Verzogenes Lippenrot
    • Kerben im Alveolarfortsatz
    • Gespaltener lateraler Schneidezahn

Spalten des sekundären Gaumens

Kombinierte Spalten des primären und sekundären Gaumens

  • Definition: Spalten anterior und posterior des Foramen incisivum
  • Ursache: Unzureichende Verschmelzung von Oberkieferwulst und medialem Nasenwulst sowie der Gaumenfortsätze
  • Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte
    • Spalte von Lippe, Nasenboden, Kiefer sowie hartem und weichem Gaumen
    • Meist einseitig (ca. 70%), deutlich häufiger links

Lippe, Kiefer sowie weicher und harter Gaumen können in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sein!

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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Lippenspalten und Lippen-Kiefer-Spalten (ca. 20–25%)
  • Isolierte Gaumenspalten (ca. 30%)
    • Prävalenz: Ca. 1:2.500 Lebendgeborenen
    • Geschlecht: > (ca. 2:1)
    • Assoziation zu Syndromen: Ca. 50% aller Fälle
  • Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (ca. 45–50%)
    • Prävalenz: Ca. 1:500 Lebendgeborenen
    • Geschlecht: > (ca. 1,7:1)
    • Assoziation zu Syndromen: Ca. 30% aller Fälle
  • Seltene orofaziale Spalten: Mediane Oberlippenspalte, schräge oder quere Gesichtsspalte, Unterkieferspalte

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen!

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

Nicht-syndromale Formen

  • Multifaktorielle Genese
  • Wiederholungsrisiko: Ca. 3–5% (bei erstgradigem/erstgradiger Verwandten mit LKGS)

Nicht-syndromale Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten entstehen multifaktoriell durch das Zusammenspiel einer genetischen Prädisposition mit verschiedenen Umweltfaktoren!

Syndromale Formen [3][5]

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten können im Rahmen mehrerer hundert verschiedener Syndrome auftreten!

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Klassifikationtoggle arrow icon

LAHSHAL-Klassifikation nach Kriens (1989) [6][7][8]

  • LAHSHAL: Akronym und Palindrom zur anatomischen Beschreibung von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
    • Buchstaben und Zeichen
      • L = Oberlippe
      • A = Oberkiefer (engl. „alveolus“)
      • H = harter Gaumen
      • S = weicher Gaumen (engl. „soft palate“)
      • Großbuchstabe = vollständige Spalte
      • Kleinbuchstabe = unvollständige Spalte
      • * = Minimalform
      • – oder . = Keine Spalte
    • Beispiele
      • LAhs – – –: Vollständige rechtsseitige Spalte der Oberlippe (L) und des Oberkiefers (A), unvollständige Spalte des rechtsseitigen harten Gaumens (h) und des weichen Gaumens (s)
      • – – – SHal: Vollständige Spalte des weichen (S) und linksseitigen harten (H) Gaumens, unvollständige Spalte des linksseitigen Oberkiefers (a) und der Oberlippe (l)
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Pathophysiologietoggle arrow icon

Embryonale Entwicklung des Gesichts und des Gaumens [5][9]

  • 4.(–5.) Gestationswoche
    • Stomatodeum (Mundbucht, Urmund) umgeben von fünf Gesichtswülsten (unpaarer Stirnnasenwulst, paarige Oberkieferwülste, paarige Unterkieferwülste)
    • Fusion der Unterkieferwülste (bei Ausbleiben: Unterkieferspalte)
  • 5.–7. Gestationswoche: Entwicklung der Oberlippe und des primären Gaumens
    • Differenzierung des Stirnnasenwulstes in den Stirnwulst und die paarigen medialen und lateralen Nasenwülste
    • Fusion der medialen Nasenwülste mit den Oberkieferwülsten (bei Ausbleiben: Lippen- und Kieferspalte)
    • Fusion der medialen Nasenwülste unter Bildung des Zwischenkiefersegments (bei Ausbleiben: Mediane Lippenspalte)
    • Fusion von medialen und lateralen Nasenwülsten unter Bildung von Nasenrücken und -flügeln
    • Fusion von Oberkiefer- und Unterkieferwülsten (bei Ausbleiben: Quere Gesichtsspalte )
    • Fusion der lateralen Nasenwülste mit Oberkieferwülsten unter Bildung des Ductus nasolacrimalis (bei Ausbleiben: Schräge Gesichtsspalte)
  • 8.–12. Gestationswoche: Entwicklung des sekundären Gaumens sowie Teilung in Mund- und Nasenhöhle
    • Wachstum der Gaumenfortsätze aus den Oberkieferwülsten und Fusion mit Zwischenkiefersegment
    • Schrittweise Gaumennahtbildung von anterior nach posterior (bei Ausbleiben: Gaumenspalte)

Lippen- und Kieferspalten entstehen i.d.R. in der 5.–7. Gestationswoche durch eine ausbleibende Verwachsung von medialen Nasenwülsten und Oberkieferwülsten!

Gaumenspalten entstehen in der 8.–12. Gestationswoche durch eine ausbleibende Verwachsung der Gaumenfortsätze!

Typische Deformationen und Fehlfunktionen [5][9]

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Symptomatiktoggle arrow icon

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Diagnostiktoggle arrow icon

Pränatal

  • Ultraschallfeindiagnostik: Darstellung der Oberlippe, der Augen und des fetalen Profils, ggf. 3D-Rekonstruktion des Gesichts

Postnatal

Im Rahmen der U1 muss der Gaumen bis zur Spina nasalis posterior palpiert werden!

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Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

Submuköse Gaumenspalte [1][2]

Eine submuköse Spalte wird oft zu spät und z.T. erst nach langjähriger erfolgloser Logopädie diagnostiziert!

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Therapietoggle arrow icon

Ziele[11]

  • Anatomische und funktionelle Rehabilitation betroffener Strukturen
  • Regelrechtes Gesichtswachstum

Grundlagen

  • Interdisziplinäre Behandlung in sog. Spaltzentren
    • Beratung und Aufklärung der Eltern
    • Operative Maßnahmen
      • Primärer Spaltverschluss (i.d.R. innerhalb des 1. Lebensjahres)
      • Sekundäre Korrekturoperationen
    • Begleitende konservative Maßnahmen (prä- und postoperativ)
      • Still- bzw. Ernährungsberatung
      • Einsatz einer Gaumenplatte (i.d.R. innerhalb der ersten Lebenstage)
      • HNO-ärztliche und logopädische Behandlung

Der Erfolg operativer Maßnahmen kann erst nach Abschluss des Wachstums (nach ca. 20 Jahren) final beurteilt werden!

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Operative Maßnahmentoggle arrow icon

Primärer Spaltverschluss bei LKGS

Lippenspaltplastik [2][11]

  • Zeitpunkt: Im Alter von 4–6 Monaten
  • Ziele
    • Rekonstruktion von Lippe und Nase
    • Wiederherstellung der Lippenfunktion
  • Verfahren (Auswahl)
    • Verschluss der Lippenspalte
      • Winkelschnittführung nach Tennison-Randall oder
      • Rotation Advancement nach Millard
    • Rekonstruktion der Gesichtsmuskulatur
    • Primäre Septorhinoplastik
    • Gingivaperiostplastik

Gaumenspaltplastik [2][11]

  • Zeitpunkt: Im Alter von 9–12 Monaten
  • Ziele
    • Dichter Spaltverschluss
    • Wiederherstellung der Gaumensegelfunktion (suffizienter velopharyngealer Abschluss und Tubenbelüftung)
  • Verfahren (Auswahl)
    • Verschluss des Hartgaumens
      • Brückenlappenplastik nach Langenbeck, Veau und Axhausen oder
      • Stiellappenplastik nach Veau
    • Verschluss des Weichgaumens/Gaumensegels: Intravelare Veloplastik nach Kriens

Eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte sollte innerhalb des ersten Lebensjahres verschlossen werden. Ob der Verschluss ein- oder mehrzeitig durchgeführt wird, hängt von individuellen Faktoren und dem behandelnden Spaltzentrum ab!

Sekundäre Korrekturoperationen bei LKGS [2][11]

Kieferspaltosteoplastik

  • Indikation: Ausbleibende oder unzureichende Knochenneubildung nach Gingivaperiostplastik
  • Zeitpunkt: Abhängig von der Gebissentwicklung
  • Ziele
    • Stabilisierung des Zahnbogens und der Kiefersegmente
    • Regelrechte Einordnung des Eckzahns in den Zahnbogen
    • Knöcherne Unterstützung des Nasenflügelansatzes

Septorhinoplastik

  • Indikation: Beeinträchtigungen der Nase
  • Zeitpunkt: Abhängig vom betroffenen Gewebe
    • Weichteile/Knorpel: Vor der Einschulung
    • Knochen: Nach Abschluss des Wachstums

Velopharynxplastik / Reoperation des Gaumensegels

Dysgnathieoperation

  • Indikation: Größendiskrepanz zwischen Ober- und Unterkiefer durch Wachstumsstörung des Mittelgesichts
  • Zeitpunkt: Nach Abschluss des Wachstums

Eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte sollte bis zum Schuleintritt funktionell und ästhetisch rehabilitiert sein!

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Begleitende konservative Behandlungsmaßnahmentoggle arrow icon

Präoperativ [2][11]

Still- bzw. Ernährungsberatung

  • Primär stillen, alternativ Flaschenfütterung
  • Kein eindeutiger Vorteil bestimmter Sauger
  • Dauer des Fütterns i.d.R. deutlich verlängert
  • Ggf. in aufrechter Körperposition füttern
  • Ggf. Finger auf die Lippenspalte legen

Funktionelle kieferorthopädische Behandlung

  • Einsatz einer Gaumenplatte [10]
    • Indikation: Isolierte Gaumenspalten und vollständige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten [12]
    • Anfertigung: Individuell durch Kieferorthopädie
    • Dauer: Ab der Geburt bis zum Spaltverschluss
    • Ziele
      • Trennung von Mund- und Nasenhöhle
      • Normalisierung der Zungenlage
      • Ggf. Verbesserung der Saug- und Schluckfunktion
      • Erleichterung des operativen Spaltverschlusses durch
        • Wachstumslenkung und Harmonisierung der angrenzenden Oberkieferanteile
        • Frühzeitige Ausformung des Zahnbogens
    • Sonderform: Nasoalveolar Molding (Formung der Nase durch extraorale Extensionen und Pelotten an der Gaumenplatte )
  • Ggf. Annäherung der Lippenstümpfe (mittels Pflasterklebestreifen)

Postoperativ [2]

Kieferorthopädie

  • Frühe Wechselgebissphase (Alter 5–8 Jahre): Korrektur von Fehlverzahnungen
  • Späte Wechselgebissphase (Alter 8–15 Jahre): Ausformung der Zahnbögen, Lückenschluss, Einstellung der Regelverzahnung
  • Bleibendes Gebiss: Ggf. Vor- und Nachbehandlung bei Dysgnathieoperation

HNO

Logopädie

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Nachsorgetoggle arrow icon

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • Hinweis: LAHS-Kodes basieren auf der LAHSHAL-Klassifikation nach Kriens (siehe auch: Klassifikation von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten)
    • Exklusive: Robin-Syndrom (Q87.0)
    • Soll eine assoziierte Fehlbildung der Nase angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (Q30.2) zu benutzen
  • Q35.-: Gaumenspalte
    • Inklusive: Gaumenfissur, Palatoschisis
    • Exklusive: Gaumenspalte mit Lippenspalte (Q37.‑)
    • Q35.1: Spalte des harten Gaumens
      • LAHS-Kodes:
        • – – H – – – –
        • – – – – H – –
        • – – H – H – –
    • Q35.3: Spalte des weichen Gaumens
      • LAHS-Kode: – – – S – – –
      • Inklusive: Gaumensegelspalte
    • Q35.5: Spalte des harten und des weichen Gaumens
    • Q35.7: Uvulaspalte
    • Q35.9: Gaumenspalte, nicht näher bezeichnet
  • Q36.-: Lippenspalte
    • Inklusive: Angeborene Lippenfissur, Cheiloschisis
    • Exklusive: Lippenspalte mit Gaumenspalte (Q37.‑)
    • Q36.0: Lippenspalte, beidseitig
    • Q36.1: Lippenspalte, median
    • Q36.9: Lippenspalte, einseitig
      • LAHS-Kodes:
        • L – – – – – –
        • – – – – – – L
      • Inklusive: Lippenspalte o.n.A.
  • Q37.-: Gaumenspalte mit Lippenspalte
    • Q37.0: Spalte des harten Gaumens mit beidseitiger Lippenspalte
      • LAHS-Kode: L A – – – A L
      • Inklusive: Lippen-Kieferspalte, beidseitig
    • Q37.1: Spalte des harten Gaumens mit einseitiger Lippenspalte
      • LAHS-Kodes:
        • L A – – – – –
        • – – – – – A L
      • Inklusive
        • Lippen-Kieferspalte, einseitig oder o.n.A.
        • Spalte des harten Gaumens mit Lippenspalte o.n.A.
    • Q37.2: Spalte des weichen Gaumens mit beidseitiger Lippenspalte
    • Q37.3: Spalte des weichen Gaumens mit einseitiger Lippenspalte
    • Q37.4: Spalte des harten und des weichen Gaumens mit beidseitiger Lippenspalte
      • LAHS-Kode:
        • L A H S H A L
      • Inklusive: Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, beidseitig
    • Q37.5: Spalte des harten und des weichen Gaumens mit einseitiger Lippenspalte
      • LAHS-Kodes:
        • L A H S – – –
        • – – – S H A L
      • Inklusive
        • Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, einseitig oder o.n.A.
        • Spalte des harten und des weichen Gaumens mit Lippenspalte o.n.A.
    • Q37.8: Gaumenspalte, nicht näher bezeichnet, mit beidseitiger Lippenspalte
    • Q37.9: Gaumenspalte, nicht näher bezeichnet, mit einseitiger Lippenspalte
      • Inklusive: Gaumenspalte mit Lippenspalte o.n.A.

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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