Zusammenfassung
Bei der Trisomie 21 handelt es sich um die häufigste autosomale Chromosomenaberration des Menschen. Die Inzidenz liegt bei etwa 1:600 Lebendgeborenen. Die Auftretenswahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 beim Kind steigt mit dem Alter der Mutter bei Konzeption. Klinisch geht die Trisomie 21 zumeist mit Intelligenzminderung und einem typischen morphologischen Erscheinungsbild einher. Hierzu zählen: Typische Fazies mit flachem Gesicht, Brachycephalus, nach außen schräg ansteigenden Lidachsen, Epikanthus, kleine Mundhöhle mit oft offen stehendem Mund und großer, meist vorstehender Zunge, sowie Kleinwuchs und muskuläre Hypotonie. Hände und Füße sind auffällig klein, die Finger kurz und oft zeigt sich eine 4-Finger- und Sandalenfurche an Hand und Fuß. Die Trisomie 21 ist sehr häufig mit Herzfehlern und oft mit Stenosen und Atresien des Magen-Darm-Trakts assoziiert. Zudem bestehen eine erhöhte Infektanfälligkeit und ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Leukämie. Die Trisomie 21 kann pränatal diagnostiziert werden. Eine frühe, gezielte Förderung ist für eine gute Eingliederung in die Gesellschaft essenziell.
Epidemiologie
- Häufigste autosomale Chromosomenaberration (etwa 1:600 Lebendgeborene)
- Die Auftretenswahrscheinlichkeit für ein Down-Syndrom beim Kind steigt mit dem Alter der Mutter bei Konzeption
Alter der Mutter | Inzidenz der freien Trisomie 21 |
---|---|
20 Jahre | 1:1500 |
40 Jahre | 1:100 |
45 Jahre | 1:30 |
50 Jahre | 1:6 |
Die Auftretenswahrscheinlichkeit für eine freie Trisomie 21 steigt mit dem Alter der Mutter an – dies gilt jedoch nicht für die Translokationstrisomie!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Freie Trisomie 21 (ca. 95%)
- Die freie Trisomie 21 ist keine Erbkrankheit im engeren Sinne
- Störung der Meiose
- In ca. 70% der Fälle bei der ersten, in ca. 20% bei der zweiten meiotischen Teilung der Eizelle durch Non-Disjunction
- Kann durch väterliche Non-Disjunction in der Spermatogenese entstehen (in ca. 5% der Fälle)
- Karyogramm
- Chromosom 21 in allen Zellen 3-fach vorhanden, insg. 47 Chromosomen
- Karyotyp → ♀: 47,XX,+21 bzw. ♂: 47,XY,+21
Translokationstrisomie 21 (ca. 4%)
- Definition: Die Erbinformationen des Chromosoms Nummer 21 sind 3-fach vorhanden, jedoch einmal an ein anderes Chromosom (meist Chromosom 14) angelagert
- Häufigkeit: Nicht vom Alter der Mutter abhängig, familiär gehäuft (kann aber auch als Neumutation auftreten)
- Pathogenese
-
Die Translokationstrisomie entsteht in ca. 50% der Fälle durch eine Vererbung einer balancierten Translokation von einem Elternteil (meist der Mutter → Keine Trisomie, unauffälliger Phänotyp) und in ca. 50% der Fälle durch Neumutation während der Meiose
- Balancierte Robertson-Translokation: Zumeist Translokation des langen Armes eines Chromosoms 21 auf den langen Arm eines Chromosoms 14 unter Wegfall der jeweiligen kurzen Arme (= Fusion von Chromosom 14 und 21) → Chromosomenzahl 45 → ♀: 45,XX,t(14;21) bzw. ♂: 45,XY,t(14;21)
- Die Betroffenen verfügen zwar nur über 45 Chromosomen, aber dennoch über eine 2-fache Ausführung aller Erbinformationen und somit über einen normalen Phänotyp
- Seltene Variante der balancierten Translokation: Chromosomenzahl 46 bei Translokation eines Teils des Chromosoms → ♀: 46,XX,t(14;21) bzw. ♂: 46,XY,t(14;21)
- Balancierte Robertson-Translokation: Zumeist Translokation des langen Armes eines Chromosoms 21 auf den langen Arm eines Chromosoms 14 unter Wegfall der jeweiligen kurzen Arme (= Fusion von Chromosom 14 und 21) → Chromosomenzahl 45 → ♀: 45,XX,t(14;21) bzw. ♂: 45,XY,t(14;21)
- Durch Weitergabe des Translokationschromosoms und eines „normalen“ Chromosoms 21 entsteht nach der Befruchtung eine unbalancierte Translokation = Klinisches Bild einer Trisomie
- Obwohl nur 46 Chromosomen vorliegen, ist das genetische Material des Chromosoms 21 in 3-facher Ausführung vorhanden → ♀: 46,XX,+21,t(14;21) bzw. ♂: 46,XY,+21,t(14;21)
- Weitere Form: Translokation 21;21
-
Die Translokationstrisomie entsteht in ca. 50% der Fälle durch eine Vererbung einer balancierten Translokation von einem Elternteil (meist der Mutter → Keine Trisomie, unauffälliger Phänotyp) und in ca. 50% der Fälle durch Neumutation während der Meiose
- Wahrscheinlichkeiten eines Kindes eine Trisomie zu tragen, wenn die Mutter Trägerin einer balancierten Translokation ist
- Theoretische Wahrscheinlichkeit: 25% bzw. 33%
- Empirische Wahrscheinlichkeit: 10–15% (wenn der Vater Träger ist, nur 1–2%)
Sonderform (ca. 1%)
- Mosaik-Trisomie: Die Mosaik-Trisomie entsteht durch Non-Disjunction in der Mitose; neben einer Trisomie-21-Zelllinie besteht eine normale Zelllinie → ♀: 46,XX/47,XX,+21 bzw. ♂: 46,XY/47,XY,+21
- Je nach Zeitpunkt der fehlerhaften Mitose besteht ein variabler Anteil an Trisomie-tragenden und nicht-tragenden Zellen
- Die phänotypische Ausprägung kann dementsprechend unterschiedlich ausfallen
Symptomatik
Merkmale an Gesicht und Kopf (kraniofaziale Dysmorphie)
- Merkmale der Augen
- Lidachsen nach außen schräg ansteigend
- Epikanthus
- Brushfield-Flecken
- Hypertelorismus
- Katarakt in jungem Alter
- Merkmale des Mundes
- Weitere Merkmale
- Brachyzephalus
- Hypoplastischer Nasenknochen, breite Nasenwurzel
- Anomalien der Ohrmuschel (klein, rund, adhärente Ohrläppchen)
Merkmale der Extremitäten, des Weichteilgewebes und des Skeletts
- Extremitäten
- Vierfingerfurche: Beugefalte in der Handinnenfläche, die auf Höhe der Fingergrundgelenke senkrecht zur Längsachse der Finger verläuft
- Sandalenfurche: Großer Zwischenraum zwischen 1. und 2. Zehe
- Klinodaktylie
- Kamptodaktylie
- Brachydaktylie
- Weichteile: Bindegewebsinsuffizienz (z.B. Nabel- und Leistenbrüche) → Starke Überstreckung der Gelenke möglich
- Weitere: Ausladende Darmbeinschaufeln, Rippenanomalien, Verkürzung der langen Röhrenknochen
Organfehlbildungen
- Herz: Herzfehler in ca. 50% der Fälle (in absteigender Häufigkeit: atrioventrikulärer Septumdefekt, VSD, ASD, PDA, Fallot-Tetralogie)
- Magen-Darm-Trakt: Duodenalstenose oder -atresie, Pancreas anulare, Analatresie, Megakolon, Rektumprolaps, Morbus Hirschsprung
- Urogenitaltrakt: Hypogonadismus, oft Kryptorchismus, verminderte Fertilität bei Männern
- Weitere: Hypothyreose, Epilepsie, Infektanfälligkeit, Leukämie-Risiko erhöht (AML, ALL), Hörminderung durch rezidivierende Otitiden
Körpergröße und Entwicklung
- Motorik
- Verzögerte motorische Entwicklung
- Muskelhypotonie
- Körpergröße: Kleinwuchs (Körpergröße im Erwachsenenalter durchschnittlich 150 cm)
- Intelligenz: Unterschiedliche Ausprägung der Intelligenzminderung (IQ im Mittel 50)
Die Ätiologie der Trisomie 21 hat – mit Ausnahme der Mosaik-Trisomie – keinen Einfluss auf die Systematik der klinischen Symptome und den Krankheitsverlauf!
Diagnostik
In der Pränataldiagnostik zur Früherkennung
- Feinultraschall, Doppler-Sonografie
- Nackentransparenzmessung (Verbreiterung, breites dorsonuchales Ödem)
- Nasenbeinmessung, Fetometrie
- Weitere sonografische Softmarker
- Double-Bubble-Phänomen (bei Duodenalatresie)
- Hyperechogener Darm
- Golfballphänomen (sog. „White Spots“): Echoreiche Verdichtungen in den Herzkammern
- Sandalenfurche: Ungewöhnlich großer Abstand zwischen 1. und 2. Zehe
- Invasive Untersuchungen zur Karyotypisierung
- Chorionzottenbiopsie → Aussagekräftig und früh möglich (ab 10. SSW)
- Amniozentese (ab 15. SSW)
- Ggf. Chordozentese (ab 17. SSW)
- Tests aus mütterlichem Blut
- Triple-Test
- Double-Test
- Nicht-invasiver Pränataltest
- Nicht-invasiver Nachweis von Chromosomenaberrationen in fetaler DNA aus mütterlichem Blut
- Sensitivität und Spezifität >99%
- Abklärung durch invasive Diagnostik bei positivem Testergebnis erforderlich
- Interpretation: Positiver prädiktiver Wert ändert sich je nach Prätestwahrscheinlichkeit; je älter die Schwangere, desto höher die Wahrscheinlichkeit für Trisomie 21 und damit auch der positive prädiktive Wert
Postnatale Diagnostik
- Chromosomen-Analyse!
- Echokardiografie zum Nachweis von Herzfehlern (in 50%)
Typische Merkmale/Stigmata und Fehlbildungen (siehe Klinik) sind ein wichtiger Hinweis, reichen allein aber nicht für eine Diagnose aus!
Differenzialdiagnosen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Behandlung des Symptomkomplexes und der Fehlbildungen
- Frühe gezielte Förderung
Prognose
- Verminderte Lebenserwartung durch Organfehlbildungen, erhöhte Infektanfälligkeit und höheres Risiko für eine akute Leukämie (AML, ALL)
- Die meisten Patienten mit Trisomie 21 entwickeln bis zum 40. Lebensjahr Zeichen der Alzheimer-Krankheit
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Trisomie 21
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- Q90.-: Down-Syndrom
- Q90.0: Trisomie 21, meiotische Non-disjunction
- Q90.1: Trisomie 21, Mosaik (mitotische Non-disjunction)
- Q90.2: Trisomie 21, Translokation
- Q90.9: Down-Syndrom, nicht näher bezeichnet
- Trisomie 21 o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.