Zusammenfassung
Beim Sinus pilonidalis handelt es sich um eine Entzündungsreaktion im subkutanen Fettgewebe (meist der Sakralregion). Ursächlich ist i.d.R. ein von außen eingespießtes Haar, woraus ein Fremdkörpergranulom mit Fistelbildung entsteht. Man unterscheidet drei Formen: den asymptomatischen, den akut abszedierenden und den chronischen Sinus pilonidalis. Insb. unter jungen Männern ist die Erkrankung verbreitet. Klinisch kann sich der Sinus pilonidalis durch rezidivierendes Nässen und Hautirritationen (chronische Form) oder bei Abszedierung durch deutliche Schmerzen (akut abszedierende Form), ggf. begleitet von Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit oder Fieber, äußern.
Definition
- Allgemeine Definition: Asymptomatische, akute oder chronische lokale Entzündungsreaktion des subkutanen Fettgewebes auf ein von außen eingedrungenes Haar, meist in der Sakralregion
- Verlaufsformen
- Asymptomatische Form: Blander Sinus pilonidalis
- Symptomatische Form
- Akut abszedierender Sinus pilonidalis
- Chronischer Sinus pilonidalis
Epidemiologie
- Inzidenz: 48/100.000 Einwohner pro Jahr (2012)
- Geschlecht: ♂ > ♀ (2,2:1) [2]
- Altersgipfel: 20–30 Jahre [2]
- Allgemeine Risikofaktoren für die Entstehung
- Positive Familienanamnese
- Berufliche Tätigkeit im Friseursalon
- Bei Frauen: Erhöhter Serum-Prolaktin-Spiegel
- Risikofaktoren für die Konversion von der asymptomatischen in die symptomatische Form
- Adipositas
- Starke Behaarung
- Kurzhaarfrisuren in Kombination mit häufigen Haarschnitten
- Tiefe Rima ani
Duschen oder Baden nach Haarschnitten wirkt möglicherweise protektiv bzgl. der Entstehung eines symptomatischen Sinus pilonidalis! [1]
Pathophysiologie
- Erworbener Sinus pilonidalis: Abgeschnittene (Kopf‑)Haare fallen herab (bspw. in die Rima ani) → Diese bohren sich mit dem wurzelnahen Ende in die Haut hinein → Durch Reibung (bspw. der zwei Gesäßhälften) gelangen die Haare immer tiefer in die Subkutis → Ausbildung von Pori (Vertiefungen der Haut) → Fremdkörpergranulom → Sinus pilonidalis
- Angeborener Sinus pilonidalis (selten), Assoziation mit
- Rückenmarks- und Spinalkanalanomalien
- Hohem Phenytoinspiegel während der Schwangerschaft
Auslöser ist meist ein von außen eingedrungenes Haar, woraus sich ein Fremdkörpergranulom ohne Spontanheilung entwickelt!
Symptome/Klinik
- Erscheinungsformen: Asymptomatisch, akut, chronisch
- Lokalisation
Sinus pilonidalis | |
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Verlaufsform | Klinische Erscheinung |
Asymptomatisch |
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Akut |
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Chronisch |
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Diagnostik
Die Diagnose eines Sinus pilonidalis wird klinisch gestellt.
- Körperliche Untersuchung
- Inspektion (Blickdiagnose)
- Palpation
- Evtl. Sondierung von Fistelgängen
- Weiterführende Diagnostik
- Labor: Ggf. Leukozytose und CRP-Erhöhung bei der akuten Form
- Körpertemperatur: Ggf. Fieber bei der akuten Form
- Bildgebung: Nur in Ausnahmefällen
Differenzialdiagnosen
Therapie
Ein Sinus pilonidalis ist nicht zwingend symptomatisch, dementsprechend besteht in einem solchen Fall i.d.R. auch kein Handlungsbedarf. Eine Spontanheilung ist jedoch ausgeschlossen. Die asymptomatische Form kann in eine akute oder chronische Form übergehen. Die akute Abszedierung stellt eine dringliche Indikation dar, die chronische Form eine (relative) elektive Indikation zur operativen Versorgung. Beim akuten Verlauf finden überwiegend eine Abszessentdeckelung und definitive Versorgung im Intervall, in Ausnahmefällen die radikale Exzision Anwendung. Für den chronischen Verlauf stehen offene, minimal-invasive oder plastische Techniken zur Verfügung. Die Operationsarten sind vielfältig, sodass im Folgenden nur einige genannt werden.
Der asymptomatische Sinus pilonidalis bedarf keiner Therapie!
Akuter Sinus pilonidalis
- Methode der Wahl: Zweizeitiges Vorgehen
- Schritt: Dringliche Abszessentdeckelung oder Inzision
- Schritt: Nach Abklingen der Schwellung bzw. Entzündung definitive Versorgung (wie bei chronischem Sinus pilonidalis)
- Alternativen
- Einfache Inzision
- In Ausnahmefällen: Radikale En-bloc-Sanierung mit sekundärer (sog. offener) Wundheilung
- Siehe auch: Operative Behandlung von Abszessen der Haut und Weichteile - Durchführung
Methode der Wahl ist ein zweizeitiges Vorgehen, nur in Ausnahmefällen erfolgt eine offene Wundheilung! [1]
Chronischer Sinus pilonidalis
- Methoden: Verschiedene elektive OP-Verfahren verfügbar, bspw.
- Plastische Verfahren
- Prinzip: Defektdeckung mittels Lappenplastiken
- Verfahren nach Limberg
- Rautenförmige Exzision des Sinus pilonidalis und anschließende Deckung mittels rautenförmigem Subkutanlappen
- Häufigstes plastisches Verfahren
- Verfahren nach Karydakis: Elliptische Exzision der Haut und anschließende Mobilisation eines subkutanen Lappens auf der Gegenseite
- Exzision
- Prinzip: Exzision des gesamten Sinus pilonidalis, ggf. mit intraoperativer Darstellung der Fistelgänge
- Varianten
- Offene Wundheilung
- Mit Wundverschluss
- Minimal-invasive Verfahren: Anwendbar bei begrenzten Befunden
- Pit-Picking-Operation („Herauspicken“ von Fisteln) [1]
- Sinusektomie: Knappe Exzision jedes Fistelgangs
- Lay-open-Verfahren/Fistelspaltung: Eröffnung des Fistelgangs in der Länge mit sekundärer Wundheilung
- Endoskopische Verfahren: Lokalexzision der Primärfisteln in Kombination mit endoskopischem Abtragen der Fistelgänge
- Laser-basierte Operation: Exzision der Poren, Reinigung der Hohlräume und Koagulation der Fistelgänge mittels Laser
- Plastische Verfahren
- Drainageeinlage: Individuell entscheiden
Methode der Wahl ist die elektive Operation, die in verschiedenen Techniken durchgeführt werden kann! [1]
Perioperatives Management
Für allgemeine Hinweise zum perioperativen Management siehe:
Präoperative Laboruntersuchungen und Diagnostik
- Mögliche Laboruntersuchungen
- Präoperative Diagnostik: In Ausnahmefällen
Präoperative Anordnungen
- Siehe: Perioperativer Umgang mit Vormedikation
- Ggf. perioperative Thromboseprophylaxe ansetzen
Aufklärung
- Allgemeine Inhalte siehe auch: Chirurgische Aufklärung und Anästhesiologische Aufklärung
- Eingriffspezifische Aufklärung (je nach Verfahren), insb.
- Art des Eingriffs
- Komplikationen, siehe auch: Komplikationen des Pilonidalsinus
- Bei En-bloc-Sanierung oder plastischer Rekonstruktion: I.d.R. Operation unter stationären Bedingungen [1]
Insb. bei der radikalen En-bloc-Sanierung sollte auf einen langwierigen Heilungsprozess mit möglicherweise längerem Dienstausfall hingewiesen werden!
Unmittelbar perioperatives Management
- Keine perioperative Antibiotikaprophylaxe [1]
Bei der operativen Therapie des Sinus pilonidalis soll nach aktueller S3-DGK-Leitlinie keine perioperative Antibiotikaprophylaxe erfolgen! [1]
Postoperatives Management
- Wundbehandlung [1]
- Spülen der Wundhöhle
- Bei Sekundärheilung (nach radikaler En-bloc-Sanierung): Regelmäßiges Ausduschen der Wunde mit Leitungswasser (kräftiger Wasserstrahl) durch Patient:in
- Bei Abszessentdeckelung: Nach strenger Indikationsstellung ggf. einmalige antiseptische Spülung mit Octenidin, Polihexanid, ggf. PVP-Iod
- Austasten der Wunde: Insb. bei größeren Wunddefekten zur Vermeidung eines Sekretverhalts
- Wundverband: Bspw. mittels eingelegter Kompresse und ausreichend großem Pflaster
- Spülen der Wundhöhle
- Bedarfsorientierte Schmerzmedikation, siehe bspw. Postoperative Schmerztherapie auf Station
Komplikationen
- Postoperative Komplikationen
- Postoperativer Wundinfekt, Wundheilungsstörungen
- Rezidiv
- Langwieriger Heilungsprozess
- Nachblutung
- Komplikationen bei ausbleibender operativer Behandlung
- Abszess (Übergang der chronischen in die akute Form)
- Maligne Entartung zu einem Plattenepithelkarzinom (sehr selten) [3]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- L05.-: Pilonidalzyste
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.