Zusammenfassung
Um das Risiko für eine Pneumonie einschätzen zu können, sollten die o.g. Risikofaktoren überprüft und Atmung sowie Sauerstoffsättigung kontrolliert werden. Falls Patient:innen bereits atemunterstützende Maßnahmen erlernt haben oder einen Atemtrainer besitzen, sollte auf eine regelmäßige Anwendung hingewiesen und diese ggf. auch überprüft werden. Außerdem kann die Pflegekraft zur Grippe- und Pneumokokkenimpfung beraten. Ferner kann die Lunge abgehört werden, um Veränderungen in den Lungengeräuschen früher zu bemerken. Dies ist jedoch i.d.R. Aufgabe der Ärzt:innen.
Eine weitere Möglichkeit zur Risikoeinschätzung ist die Anwendung von Skalen. Am bekanntesten ist die „Risikoeinschätzung mittels Atemerfassungs-Skala nach Bienstein“. Diese lenkt den Blick auf Risikofaktoren, wissenschaftlich ist jedoch der Erfolg der Einschätzung nicht bewiesen.
Ggf. sollten (pflegende) Angehörige über das Pneumonierisiko sowie die Entstehung einer Pneumonie aufgeklärt und zur Durchführung einer Aspirations- und Pneumonieprophylaxe angeleitet werden.
- Siehe auch weitere wichtige thematisch verwandte AMBOSS-Pflegeinhalte
Grundsätzliches Einschätzen des Risikos
- Unzureichende Belüftung von Lungensegmenten
- Bettlägerigkeit, Immobilität, gekrümmte Sitzhaltung
- Schonatmung
- Operative Eingriffe
- Maschinelle Beatmung
- Schlechter Allgemeinzustand
- Vorerkrankungen des Atmungssystems mit Ventilationsstörungen
- Erworbene oder angeborene Veränderungen der Atemwege
- Schmerzen bzw. eine durch Schmerzen bedingte Schonatmung
- Medikamente mit atemdepressiver Wirkung
- Vermehrte Sekretbildung und unzureichende Fähigkeit, das Sekret abzuhusten
- Körperliche Schwäche
- Muskelrelaxierende Medikamente
- Herzinsuffizienz
- Absteigende Infektionen
- Akute Bronchitis
- Besiedelung des Mundraumes durch Mikroorganismen bei schlechtem Mund-/Zahnstatus bzw. chronische Infektionen der Mundhöhle
- Vorerkrankungen, bei denen unspezifisches und spezifisches Immunsystem beeinträchtigt sind
- Parenterale Nahrungs-/Flüssigkeitszufuhr
- Aspirationen
- Schwere neurologische Beeinträchtigungen mit fehlenden Schutzreflexen
- Fehlender Hustenreiz
- Schluckstörungen
- Reflux bei enteraler Ernährung
- Weitere Risikofaktoren
- Alter über 65 Jahre, Kinder unter 4 Jahren
- Alkoholismus
- Nikotinabusus
- Erkrankungen mit vermindertem Antrieb
- Unterbringung in Pflegeheimen
- Lungengefährdende Berufe
- Vorbestehende Influenza
- Keimübertragung durch unhygienisches Arbeiten, Klimaanlagen, kontaminierte Wasserleitungen
- Behandlung mit Protonenpumpenhemmern
- Siehe auch
Maßnahmen zur Pneumonieprophylaxe
Die Maßnahmen zur Pneumonieprophylaxe können sich mit dem LISA-Prinzip gemerkt werden. Körperliche Aktivitäten, insb. an der frischen Luft, sind zusätzlich wichtig.
LISA-Prinzip
- L – Lungenbelüftung
- (Früh‑)Mobilisation
- Atemunterstützende Positionierungen
- Atemübungen und ASE
- I – Infektionsprophylaxe
- Händehygiene
- Hygienische Mundpflege
- S – Sekretmanagement
- Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten
- Maßnahmen zum Freihalten der Atemwege
- Drainagepositionierungen
- Huffing
- Inhalationen
- A – Aspirationsprophylaxe
- Schlucktraining
- Während des Essens und Trinkens: Richtige Positionierung und ruhige Atmosphäre mit ausreichend Zeit schaffen
- Siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Aspirationsprophylaxe
Mobilisation und Lagerung
Grundsätze der Mobilisation
- (Verstärkte) Dyspnoe unter körperlicher Anstrengung bei Patient:innen mit pulmonalen Erkrankungen möglich
- Patient:innen dennoch so oft wie möglich mobilisieren, um körperliche Belastbarkeit zu erhalten
- Atemwegserweiternde Medikamente möglichst vor Mobilisation geben
- Bei starker Dyspnoe: Mobilisation abbrechen
- Atemübungen und ASE können (soweit möglich) während Mobilisation erfolgen
Positionierung
Bei immobilen Patient:innen kann mit atemerleichternden und sekretmobilisierenden Lagerungen gearbeitet werden.
Oberkörperhochlage
- Aufrecht sitzende Position im Bett durch Aufrichten des Kopfteils
- Unterarme auf Kissen positionieren
- Knick im Beinbereich des Bettes einstellen, um Rutschen in Richtung Fußteil zu verhindern
Kutschersitz
Die an einen Kutscher auf dem Kutschbock erinnernde Körperhaltung dient der Atemerleichterung (z.B. bei akutem Asthma bronchiale oder COPD) durch Unterstützung der Atemhilfsmuskulatur sowie der thorakalen Beweglichkeit.
- Leicht breitbeiniges Sitzen auf der vorderen Stuhlhälfte oder der Bettkante
- Abstützen der Ellenbogen auf den Oberschenkeln
Dehnpositionierungen
- Anwendung: Nicht länger als 5–20 min bzw. früherer Abbruch, wenn Patient:innen die Positionierung als unangenehm empfinden
- Kontraindikationen: Osteoporose, Kontrakturen, Einschränkungen in der Wirbelsäulenbeweglichkeit, Immobilität und Desorientiertheit
Drehdehnpositionierung
- Seitenlage mit so weit wie möglich nach hinten gedrehten Schultern
- Ggf. ein Arm unter dem Kopf platziert, sodass die Seitenöffnung größer ist
Halbmondpositionierung
- Rückenlage
- Bewegen der Schultern und Arme zu einer Seite des Bettes
- Bewegen der Beine zur gleichen Seite
V-A-T-I-Positionierungen
Die V-A-T-I-Positionierungen dienen der besseren Belüftung einzelner Lungensegmente. Da sie für die Patient:innen teilweise unangenehm werden können und durch eine daraus resultierende Schonatmung das Ziel der Positionierung nicht mehr erreicht werden kann, sollte die Lage nicht länger als 30 min beibehalten werden.
Bei Frakturen im Bereich der Wirbelsäule dürfen keine Dehnpositionierungen erfolgen!
V-Positionierung
- Zwei Kissen werden wie ein V unter den Rücken gelegt, sodass sich nur die unteren Enden der Kissen berühren
A-Positionierung
- Zwei Kissen werden wie ein A ohne Bindestrich unter den Rücken gelegt, sodass sich nur die oberen Enden der Kissen berühren
T-Positionierung
- Ein Kissen wird mittig unter den Rücken, ein zweites Kissen horizontal ans obere Ende des anderen Kissens gelegt, sodass ein T entsteht
I-Positionierung
- Ein Kissen wird mittig unter den Rücken gelegt
Drainagepositionierungen
Das Bronchialsystem ist schräg nach unten ausgerichtet. Die Kopftieflage oder Positionierung auf einer Seite erleichtert das Abfließen von Bronchialsekret der Schwerkraft folgend aus den Atemwegen.
- Drainagepositionierungen idealerweise nach Inhalationen und/oder nach der Gabe von Expektoranzien
- Nur bei Patient:innen möglich, die verstehen, warum diese Positionierung sinnvoll ist; nicht bei immobilen bzw. desorientierten Patient:innen anwenden
Drainagepositionierungen mit Kopftieflage dürfen nicht nach dem Essen, bei Übelkeit, Dyspnoe oder erhöhtem Hirndruck durchgeführt werden! Weitere Kontraindikationen sind Wirbelsäulenfrakturen und schwere Osteoporose!
Sekretmanagement
Abhusten von Sekret
Sekret in den Atemwegen kann diese verlegen und dort zu Infektionen führen. Vermehrtes Husten kann geschwächte Patient:innen anstrengen und Brechreiz sowie Dyspnoe auslösen. Daher ist es wichtig, die Patient:innen anzuleiten, Sekret so schonend und effektiv wie möglich abzuhusten.
- Oberkörper zum Abhusten aufrecht positionieren
- Sekret sollte in ein Papiertuch gespuckt und nicht geschluckt werden
- Wenn möglich: Pausen einlegen
- Nach Inhalation ist effektives Abhusten oft leichter möglich
Huffing
„Huffing“ ist eine Atemtechnik, um Sekret sanft aus den oberen Atemwegen weiter Richtung Mund zu befördern.
- Bewusst und tief einatmen
- Dann kräftig ausatmen und dabei „Haff“ sagen
- Bei weiterem Bedarf zum Abhusten einige Sekunden Pause einlegen und Vorgang dann wiederholen
- „Huffing“ sollte unter physiotherapeutischer Anleitung erlernt werden
Inhalationen
Eine Inhalation ist die Applikation von Flüssigkeiten und Medikamenten durch Einatmung.
- Dienen zu Applikation von atemwegserweiternden Medikamenten und können gereizte, trockene Atemwege befeuchten
- Ziel: Bessere Belüftung der Lunge und Reduktion von Dyspnoe durch erweiterte Atemwege
- Ärztliche Anordnung notwendig
- Zur reinen Befeuchtung der Atemwege: Inhalieren von Kochsalzlösung
- Für verbesserte Compliance: Patient:innen über Notwendigkeit und Ziel der Inhalation informieren
- Inhalationslösung kann über Inhalationsmaske oder Vernebler (Mundstück) appliziert werden
- Inhalationsdauer: Ca. 15 min
- Patient:innen anleiten, während der Inhalation tief einzuatmen, damit die Medikation möglichst viele Bereiche der Atemwege erreicht
Umgang mit Sputum
Im Umgang mit Sputum hat der Schutz des Personals und der Mitpatient:innen vor den möglicherweise enthaltenen Krankheitserregern eine große Bedeutung.
- Personal sollte immer Handschuhe tragen
- Haut, die mit Sputum in Kontakt gekommen ist, umgehend desinfizieren
- Kleidung des Personals, die mit Sputum in Kontakt gekommen ist, umgehend wechseln
- Papiertücher auf dem Nachttisch bereitstellen, in die das Sputum abgehustet werden kann
- Abwurfbeutel für die Papiertücher am Bett/Nachttisch befestigen
- Flasche mit Händedesinfektionsmittel am Nachttisch bereitstellen und Patient:in anweisen, sich nach jedem Abhusten die Hände zu desinfizieren
- Über Notwendigkeit der Maßnahmen aufklären
- Sputum bzgl. Menge, Konsistenz und Beimengung beobachten und dokumentieren
Atemübungen und atemstimulierende Einreibung
Atemübungen
- Ziel: Verbesserte Belüftung aller Lungenabschnitte
- Anwendung
- In Absprache mit der Physiotherapie
- Im Rahmen der Pneumonieprophylaxe
- Kontraindikationen beachten; bei Unsicherheit ärztliche Rücksprache halten
- Ggf. angesetzte Schmerzmedikation im Voraus verabreichen
- Bei Mobilisation: Patient:innen zum tiefen Durchatmen anleiten
Lippenbremse – Ausatmen gegen Widerstand
- Patient:in anleiten, bei geschlossenem Mund durch die Nase einzuatmen
- Ausatmung erfolgt durch die nur leicht geöffneten Lippen
- Kann durch Ausatmen durch einen Strohhalm in ein mit Wasser gefülltes Glas geübt werden
- Mit Asthma- und COPD-Patient:innen frühzeitig und in Ruhe einüben, damit bei Dyspnoe darauf zurückgegriffen werden kann
Bei Patient:innen mit Lungenemphysem können durch den entstandenen Druck in den Atemwegen Emphysemblasen platzen! Dies kann zu einem Pneumothorax führen!
Kontaktatmung
Die Kontaktatmung dient der gezielten Belüftung einzelner Lungenabschnitte.
- Hände nacheinander auf verschiedene Stellen von Thorax und Bauch des/der Patient:in legen
- Patient:in anleiten, gezielt gegen die Hände zu atmen, um diese von Thorax oder Bauch „wegzudrücken“
Die Kontaktatmung kann bei orientierten Patient:innen auch gegen die eigenen, aufgelegten Hände erfolgen!
Atemstimulierende Einreibung (ASE)
Die ASE ist eine kreisende, rhythmische Einreibung des Rückens, um Patient:innen zum bewussten, tiefen Einatmen in alle Lungenabschnitte anzuregen. Die Pflegekraft arbeitet hierbei mit ihrem Händedruck und fördert so die Körperwahrnehmung der Patient:innen.
- Anwendung bei
- Schmerzen
- Unruhe
- Depressionen
- Einschlafstörungen
- Mangelnder Körperwahrnehmung
- Oberflächlicher Atmung, Tachypnoe und im Weaning
- Vor Operationen und diagnostischen Eingriffen
- Vorgabe des Atemmusters: Durch kreisende Bewegungen der Hände
- Kontakt: Während der Durchführung durchgehend mit den Händen Kontakt zum Rücken des/der Patient:in halten
- Keine Handschuhe verwenden
- Dauer: Bis zu 10 min
- Beobachtung: Während der Durchführung auf Körperhaltung des/der Patient:in achten
Durchführung
- Patient:in sitzend bzw. in einer bequemen Seitenlage positionieren
- Einreibung mit möglichst flüssiger Hautpflege oder ätherischen Ölen bzw. Cremes, Allergien beachten!
- Hände unter dem Nacken des/der Patient:in auf beiden Seiten neben der Wirbelsäule auflegen
- Während der/die Patient:in ausatmet, Hände mit Druck in einem Halbkreis zur Seite nach unten gleiten lassen
- Während des Einatmens die Hände mit weniger Druck in einem nach oben gerichteten Bogen zurück neben die Wirbelsäule bewegen
- Mit 4–8 kreisenden Bewegungen so den gesamten Rücken herabfahren
- Am unteren Rücken angekommen,mit den Händen von unten nach oben an der Wirbelsäule entlangfahren und oben von Neuem starten
- Zum Abschluss mit den Händen einmalig, ggf. aber auch mehrmals von oben nach unten neben der Wirbelsäule entlangfahren