Zusammenfassung
Eine maschinelle Beatmung dient der Sicherstellung eines adäquaten Gasaustausches bei insuffizienter bzw. ausgeschalteter Spontanatmung (bspw. in der Intensiv- und Notfallmedizin oder im Rahmen einer Allgemeinanästhesie). Die Ventilation der Lunge wird dabei von einem Beatmungsgerät (Respirator) komplett übernommen oder zumindest anteilig unterstützt. Im Unterschied zur physiologischen Atmung wird dabei ein Überdruck aufgebaut, welcher das Atemgas (typischerweise über einen Endotrachealtubus oder eine Larynxmaske) in die Lunge befördert.
Bei den zahlreichen Varianten und Unterformen der maschinellen Beatmung können grob orientierend assistierte von kontrollierten Beatmungsformen unterschieden werden, welche wiederum druck- oder volumenbasiert sein können. Die Auswahl der Beatmungsform sowie die Einstellung der Beatmungsparameter richten sich insb. nach dem Anwendungskontext und klinikinternen Standards.
Zur Steuerung der maschinellen Beatmung sowie zur frühzeitigen Detektion von Komplikationen ist eine engmaschige Überwachung der Beatmung unerlässlich. Hierbei spielen neben der klinischen Beurteilung v.a. Pulsoxymetrie, arterielle Blutgasanalyse und Kapnometrie bzw. Kapnografie eine wichtige Rolle.
Definition
- Maschinelle Beatmung: Oberbegriff für kompletten oder anteiligen Ersatz der physiologischen Atmung durch ein Beatmungsgerät (Respirator)
- Einsatz bei insuffizienter bzw. ausgeschalteter Spontanatmung
- Zahlreiche Varianten und Unterformen
Physiologischer Hintergrund
Unterschiede des Atem- bzw. Beatmungszyklus | ||
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Physiologische Atmung | Maschinelle Beatmung | |
Inspiration |
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Exspiration |
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Im Gegensatz zur physiologischen Atmung, bei der ein durch die Atemmuskulatur erzeugter Unterdruck das Atemgas in die Lunge „saugt“, wird bei der maschinellen Beatmung durch das Beatmungsgerät ein Überdruck erzeugt, welcher das Atemgas in die Lunge „presst“!
Allgemeine Systematik maschineller Beatmungsformen [1]
Grundlegende Unterschiede zwischen assistierter und kontrollierter Beatmung | ||||
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Assistierte Beatmung | Kontrollierte Beatmung | |||
Charakteristik |
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Voraussetzungen |
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Atemwegssicherung |
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Varianten | ||||
Beispiele |
- Für die invasive bzw. nicht-invasive Atemwegssicherung siehe auch:
Beatmungsparameter
Angabe und Schreibweise von Beatmungsparametern
- Allgemein
- Keine Standardisierung der Nomenklatur
- Uneinheitliche Handhabung von Begriffen
- Beispiel: Beatmungsdrücke
- Nutzung der Maßeinheiten
- Im internationalen Einheitensystem (SI): Pascal (Pa)
- Im klinischen Alltag typischerweise gleichberechtigt in den Einheiten
- Zentimeter Wassersäule (cmH2O)
- Millibar (mbar)
- Schreibweise der physikalischen Größe
- Physikalisches Formelzeichen des Drucks: p (für „pressure“)
- Schreibweise am Beatmungsgerät meist als Großbuchstabe
- Nutzung der Maßeinheiten
Angabe und Schreibweise von Beatmungsparametern sind nicht standardisiert und daher insgesamt uneinheitlich!
Grundlegende Beatmungsparameter
Inspiratorische Sauerstofffraktion (FiO2) [2]
- Definition: Volumenanteil von Sauerstoff am inspiratorischen Gasgemisch (Angabe entweder in Prozent oder als Dezimalzahl)
- Grundeinstellung
- Allgemein
- Bei längerfristiger Sauerstoffgabe FiO2 so niedrig wie möglich einstellen
- Kontrolle der gewählten Einstellung über periphere Sauerstoffsättigung (spO2) bzw. arteriellen Sauerstoffpartialdruck (paO2)
- Narkoseeinleitung und -ausleitung: Applikation von 100% Sauerstoff (FiO2 = 1,0) zur Erhöhung der Sicherheit
- Intraoperativ: Keine allgemeingültige Empfehlung vorhanden (Gesamtsituation und Klinikstandard beachten)
- Intensivmedizin: Zusammenhang mit PEEP beachten
- Siehe auch: ARDS-Network-Tabelle
- Allgemein
Die längerfristige Applikation von hochdosiertem Sauerstoff sollte aufgrund der möglichen Folgeschäden (bspw. Resorptionsatelektasen, Sauerstofftoxikose) nach Möglichkeit vermieden werden!
Tidalvolumen (VT) [2][3]
- Definition: Volumen, das während eines Atem- bzw. Beatmungszyklus ein- und wieder ausgeatmet wird
- Grundeinstellung
- Allgemein
- Direkte Einstellung nur bei volumenkontrollierter Beatmung möglich
- Angestrebtes Tidalvolumen im Sinne einer lungenprotektiven Beatmung: 6–8 mL/kgKG (Standardgewicht)
- Höhere Tidalvolumina (>8 mL/kgKG (Standardgewicht) situationsabhängig kurzfristig tolerabel (bspw. im Rahmen eines Recruitment-Manövers)
- Intensivmedizin: Bei ARDS Tidalvolumina von ≤6 mL/kgKG (Standardgewicht) empfohlen
- Allgemein
Das Tidalvolumen wird bei volumenkontrollierter Beatmung direkt eingestellt, bei druckkontrollierter Beatmung resultiert es aus dem vorgegebenen Inspirationsdruck und der Compliance der Lunge!
Atemfrequenz (AF) [2]
- Definition: Atemzüge pro Zeiteinheit (typischerweise pro Minute)
- Grundeinstellung
- Allgemein
- Normwert alters- und geschlechtsabhängig
- Bei der Einstellung auf ein adäquates Tidalvolumen achten
- Veränderung der AF kann geräteabhängig eine unbeabsichtigte Änderung des Atemzeitverhältnisses bewirken
- Intensivmedizin
- Entscheidender Parameter für die CO2-Elimination bei lungenprotektiver Beatmung
- Insb. bei akuter respiratorischer Insuffizienz initial häufig höhere AF (im Einzelfall bis 35/min) erforderlich
- Allgemein
Atemminutenvolumen (AMV)
- Definition: Volumen, das pro Zeiteinheit ein- und ausgeatmet wird
- Produkt aus Atemfrequenz und Tidalvolumen
- Angabe typischerweise in L/min
- Grundeinstellung über Variation von AF und VT
- Entscheidend für die CO2-Elimination
- Kontrolle über endtidales CO2 (etCO2) bzw. arteriellen CO2-Partialdruck (paCO2)
Inspirationsdruck (pinsp) [2]
- Definition: Druck, der während der Inspiration vom Beatmungsgerät erzeugt wird, um Atemgas in die Lunge zu transportieren
- Grundeinstellung
- Allgemein
- Direkte Einstellung nur bei druckkontrollierter Beatmung möglich
- Bei volumenkontrollierter Beatmung: Begrenzung des Inspirationsdrucks über den maximalen Atemwegsdruck (pmax) einstellen
- Resultierenden Atemwegsspitzendruck (ppeak) beachten
- Standardeinstellung für Lungengesunde: 10–15 cmH2O
- Allgemein
Der Inspirationsdruck wird bei druckkontrollierter Beatmung direkt eingestellt, bei volumenkontrollierter Beatmung resultiert er aus dem vorgegebenen Tidalvolumen und der Compliance der Lunge!
Positiver endexspiratorischer Druck (PEEP) [2][4]
- Definition: Positiver Druck in der Lunge am Ende der Ausatmung
- Extrinsischer PEEP: Von außen vorgegebener positiver endexspiratorischer Druck, der am Beatmungsgerät oder über ein sog. PEEP-Ventil eingestellt wird (i.R. der maschinellen Beatmung erwünscht)
- Intrinsischer PEEP: In der Lunge entstehender positiver endexspiratorischer Druck, der i.d.R unerwünscht als Folge inkompletter Ausatmung, bspw. bei Atemwegsverlegung entsteht
- Vorteile (milder bis moderater PEEP)
- Vermeidung von Atelektasen und Wiedereröffnung kollabierter Alveolen
- Vergrößerung der funktionellen Residualkapazität
- Erhöhung der Gasaustauschfläche
- Verbesserung der Oxygenierung
- Verbesserung der Compliance der Lunge
- Atemarbeit↓ bei erhaltener Spontanatmung
- Beatmungsdrücke↓ bei kontrollierter Beatmung
- Vermeidung von Atelektasen und Wiedereröffnung kollabierter Alveolen
- Potenzielle Nachteile (insb. bei hohem PEEP )
- Erhöhung des intrapulmonalen Drucks
- Pulmonale Überblähung → Compliance der Lunge↓
- Direkte Lungenschädigung (Barotrauma) [5]
- Erhöhung des intrathorakalen Drucks
- Venöser Rückstrom↓ → Herzzeitvolumen↓ mit systemischer Hypotension
- Kompression der Lungenkapillaren → Pulmonaler Kapillarverschlussdruck (PCWP)↑
- Lymphdrainage via Ductus thoracicus↓ → Extravaskuläres Lungenwasser (EVLW)↑
- Erhöhung des intrapulmonalen Drucks
- Grundeinstellung
- Allgemein
- Anwendung eines PEEP bei maschineller Beatmung generell empfohlen
- Höhe richtet sich v.a. nach Vorerkrankungsprofil und klinischer Gesamtsituation
- Kontrolle des Inspirationsdrucks (pinsp) und des Atemwegsspitzendrucks (ppeak) nach Änderung des PEEP erforderlich
- Standardeinstellung für Lungengesunde: 5–7 cmH2O
- Intensivmedizin: Zusammenhang mit FiO2 beachten
- Siehe auch: ARDS-Network-Tabelle
- Allgemein
Die Anwendung eines PEEP wird bei maschineller Beatmung generell empfohlen, wobei sich die konkrete Höhe v.a. nach Vorerkrankungsprofil und klinischer Gesamtsituation richtet!
Potenzielle Nachteile ergeben sich durch die Erhöhung des intrapulmonalen bzw. des intrathorakalen Drucks!
Erweiterte Beatmungsparameter
Atemzeitverhältnis (I:E-Verhältnis) [2]
- Definition: Verhältnis von Inspirationszeit zu Exspirationszeit
- Unter Spontanatmung: 1:1,5 bis 1:2,5
- Grundeinstellung unter maschineller Beatmung
- Intraoperativ: 1:2 bis 1:1,7
- Bei respiratorischem Versagen: Ggf. Verlängerung der Inspiration (Atemzeitverhältnis 1:1,5 bis 1:1)
- Bei COPD: Verlauf der Flowkurven berücksichtigen
Beatmungstrigger
- Zeittriggerung: Maschineller Atemhub nach einer festgelegten Zeit
- Anwendung: Nur bei rein kontrollierter Beatmung
- Grundeinstellung: Ergibt sich aus der eingestellten Atemfrequenz
- Flowtriggerung: Maschineller Atemhub bei Inspirationsbemühung oberhalb einer Flowschwelle
- Anwendung: Bei assistierten Beatmungsformen zur Synchronisation mit Spontanatmung
- Grundeinstellung: 3 L/min
- Drucktriggerung: Maschineller Atemhub bei Inspirationsbemühung mit einem Sog oberhalb eines Schwellenwertes
- Patiententrigger bei (teilweise) erhaltener Spontanatmung
- Anwendung: Sehr selten wegen der z.T. hohen Atemarbeit
Beatmungstrigger sollten bei allen assistierten Beatmungsformen aktiviert sein!
Gasfluss (Flow)
Die Bezeichnung „Flow“ wird in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt.
- Inspirationsflow: Bezeichnet die Flussgeschwindigkeit des Atemgases bei der Inspiration
- Verlauf ist abhängig von der Beatmungsform und beeinflusst die Verteilung des Atemgases in der Lunge
- Bei differenzierter Beatmungstherapie kann über den Inspirationsflow eine Feinjustierung erreicht werden
- Frischgasflow: Bezeichnet die Menge an Frischgas, die dem System von außen zugeführt wird und nicht aus der Rückatmung resultiert
- Entscheidend für das An- und Abfluten von Inhalationsanästhetika bei Ein- und Ausleitung einer Inhalationsnarkose
- Ein- und Ausleitung: Frischgasflow 4–6 L/min (High-Flow)
- Intraoperativ bei zufriedenstellender Narkosetiefe: Low-Flow (1 L/min) oder Minimal-Flow (0,5 L/min) → Einsparung von Frisch- bzw. Narkosegas durch Rückatmung
Beatmungsformen
Dieser Abschnitt enthält eine Übersicht zu den wichtigsten Beatmungsformen. Die Bezeichnungen am Beatmungsgerät können geräte- bzw. herstellerabhängig abweichen.
- Für die systematische Einordnung der verschiedenen Beatmungsformen siehe: Allgemeine Systematik maschineller Beatmungsformen
- Für eine geräte- bzw. herstellerabhängige Übersicht der verschiedenen Beatmungsformen siehe: Bezeichnungen und Handelsnamen am Beatmungsgerät
- Für konkrete Vorschläge zur Einstellung der Beatmungsparameter siehe: Maschinelle Beatmung - Praxisleitfaden
Hersteller nutzen abweichende Bezeichnungen und Abkürzungen für vergleichbare Beatmungsformen (siehe auch: Bezeichnungen und Handelsnamen am Beatmungsgerät)!
Assistierte Beatmung [6][7]
Druckunterstützte Beatmung
- Oberbegriff für primär druckbasierte Formen der assistierten Beatmung
- Unterstützung durch das Beatmungsgerät mittels PEEP und/oder festgelegtem Inspirationsdruck
- Typischerweise Möglichkeit zur Synchronisierung mit der Spontanatmung
Continuous Positive Airway Pressure (CPAP)
- Grundprinzip: Spontanatmung mit kontinuierlichem PEEP
- Beatmungsgerät gibt FiO2 und PEEP vor
- Patient:in bestimmt Atemfrequenz und Tidalvolumen
- Für die Anwendung bei der nicht-invasiven Beatmung siehe: NIV
Assisted Spontaneous Breathing (ASB)
- Grundprinzip: Spontanatmung mit synchronisierter Druckunterstützung
- Beatmungsgerät gibt Inspirationsdruck, FiO2 und PEEP vor
- Patient:in bestimmt Atemfrequenz und Tidalvolumen (anteilig)
- Besonderheiten
- Keine Vorgabe einer Mindestfrequenz → Gefahr der Hypoventilation
- Einstellen eines Beatmungstriggers erforderlich (bevorzugt Flowtriggerung)
Biphasic Positive Airway Pressure (BIPAP)
- Grundprinzip: Atmung bzw. Beatmung mit zweiphasischem positiven Atemwegsdruck
- Beatmungsgerät gibt FiO2 und das obere bzw. untere Druckniveau (phoch und ptief) vor
- Patient:in kann jederzeit Atemfrequenz und Tidalvolumen (mit)bestimmen
- Besonderheiten
- Zusätzliche Einstellungen bei Spontanatmung bzw. assistierter Beatmung
- Beatmungstrigger zur Synchronisation mit der Spontanatmung (bevorzugt Flowtriggerung)
- Minimalwert für Atemfrequenz und -minutenvolumen (Vermeidung einer Hypoventilation)
- Optional Druckunterstützung (pASB) bei BIPAP-ASB
- Zusätzliche Einstellungen bei kontrollierter Beatmung
- Inspirations- und Exspirationszeit (tinsp und texsp) bzw. Atemzeitverhältnis
- Druckanstiegszeit („Rampe“) als Dauer von ptief bis phoch
- Zusätzliche Einstellungen bei Spontanatmung bzw. assistierter Beatmung
BIPAP deckt prinzipiell das gesamte Spektrum von ungehinderter Spontanatmung über eine Atemunterstützung bis hin zu einer komplett kontrollierten Beatmung ab!
Airway Pressure Release Ventilation (APRV) [8]
- Grundprinzip: Aufbau und zyklische Entlastung eines hohen Druckniveaus [8]
- Beatmungsgerät gibt FiO2 und das obere bzw. untere Druckniveau (phoch und ptief) vor
- Patient:in kann durch Spontanatmung das Atemminutenvolumen beeinflussen
- Besonderheiten
- Anwendung eher in der Intensivmedizin
- Bei Beatmung mit inversem Atemzeitverhältnis (tinsp > texsp) verwendbar
- Keine Synchronisation der Spontanatmung
Technisch gesehen sind APRV und BIPAP nahezu identische Beatmungsformen, APRV wird jedoch häufiger in der Intensivmedizin und mit inversem Atemzeitverhältnis angewendet!
Nicht-invasive Ventilation (NIV) [2][9]
- Definition: Maschinelle Unterstützung der Spontanatmung über einen nicht-invasiven Atemwegszugang
- Grundprinzip: CPAP mit Druckunterstützung über eine Gesichts- bzw. Nasenmaske oder einen Helm
- Voraussetzungen
- Vorhandene Spontanatmung
- Erhaltene Schutzreflexe
- Ausreichende Vigilanz
- Kooperationsbereitschaft
- Vorteil: Vermeidung einer invasiven Atemwegssicherung
- Nachteil: Kein sicherer Aspirationsschutz
- Indikationen
- Verfahren der Wahl bei exazerbierter COPD (siehe auch: Grundsätze zur NIV bei COPD)
- Optional bei kardiogenem Lungenödem und postoperativ bei insuffizienter Spontanatmung
- Absolute Kontraindikationen
- Fehlende Spontanatmung
- Verlegung der Atemwege (fixiert oder funktionell)
- Aspirationsgefahr (GI-Blutung, Ileus)
- Koma
- Relative Kontraindikationen
- Standardeinstellungen
- PEEP initial 3–5 cmH2O
- Druckunterstützung 5–7 cmH2O
- FiO2 nach resultierender Sauerstoffsättigung (Ziel: spO2 >90%)
Volumenunterstützte Beatmung
- Oberbegriff für primär volumenbasierte Formen der assistierten Beatmung
- Sicherstellung eines bestimmten Tidal- bzw. Atemminutenvolumens durch das Beatmungsgerät
- Typischerweise Möglichkeit zur Synchronisierung mit der Spontanatmung
Synchronized intermittent mandatory Ventilation (SIMV)
- Grundprinzip: Synchronisierte, intermittierende maschinelle Beatmung
- Beatmungsgerät gibt FiO2, PEEP und Atemfrequenz vor
- Patient:in kann durch Spontanatmung das Atemminutenvolumen beeinflussen
- Besonderheiten
- Einstellen eines Beatmungstriggers erforderlich (bevorzugt Flowtriggerung)
- Optional komplett volumenkontrollierte (VC-SIMV) bzw. druckkontrollierte Beatmung (PC-SIMV) möglich
Kontrollierte Beatmung
Druckkontrollierte Beatmung (PCV)
- Grundprinzip: Eingestellter Inspirationsdruck (pinsp) bestimmt das Tidalvolumen in Abhängigkeit von pulmonaler Compliance und Resistance
- Beatmungsgerät übernimmt die gesamte Atemarbeit
- Patient:in hat bei erloschener oder ausgeschalteter Spontanatmung primär keine Einflussmöglichkeiten auf die Beatmung
- Weitere Einstellungen am Beatmungsgerät
- Vorteile
- Gute Kontrolle des Atemwegsspitzendrucks (ppeak) → Geringere Gefahr eines Barotraumas
- Dezelerierender Inspirationsflow und kontinuierliches inspiratorisches Druckniveau → Günstiger Effekt auf Eröffnung der Alveolen
- Nachteil: Potenziell stark schwankendes Tidalvolumen → Gefahr der Hypoventilation bzw. Hyperventilation
- Regelmäßige Kontrolle des resultierenden Atemminutenvolumens erforderlich
- Einstellen enger Alarmgrenzen zur frühzeitigen Detektion veränderter intra- bzw. extrapulmonaler Druckverhältnisse empfehlenswert
Die druckkontrollierte Beatmung birgt das Risiko einer unbeabsichtigten Hypoventilation bzw. Hyperventilation!
Volumenkontrollierte Beatmung (VCV)
- Grundprinzip: Eingestelltes Tidalvolumen bestimmt den Inspirationsdruck (pinsp) in Abhängigkeit von pulmonaler Compliance und Resistance
- Beatmungsgerät übernimmt die gesamte Atemarbeit
- Patient:in hat bei erloschener oder ausgeschalteter Spontanatmung primär keine Einflussmöglichkeiten auf die Beatmung
- Weitere Einstellungen am Beatmungsgerät
- Atemfrequenz und PEEP
- Drucklimitierung (pmax)
- FiO2 und Frischgasflow
- Atemzeitverhältnis
- Vorteil: Konstantes Atemminutenvolumen auch bei Änderungen der intra- bzw. extrapulmonalen Druckverhältnisse
- Nachteil: Potenziell hoher Atemwegsspitzendruck (ppeak) → Gefahr des Barotraumas
- Regelmäßige Kontrolle der resultierenden Inspirations- bzw. Spitzendrücke erforderlich
- Einstellen enger Alarmgrenzen zur frühzeitigen Detektion veränderter intra- bzw. extrapulmonaler Druckverhältnisse empfehlenswert
Die volumenkontrollierte Beatmung birgt insb. bei fehlender Drucklimitierung das Risiko eines Barotraumas!
Bezeichnungen und Handelsnamen am Beatmungsgerät
Die Nomenklatur für die Bezeichnung von Beatmungsformen am Beatmungsgerät ist uneinheitlich und herstellerabhängig, was die Unterscheidung und Zuordnung in der klinischen Praxis schwierig macht. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden gelegentlich mehrere Bezeichnungen für gleiche Beatmungsformen oder aber gleiche Bezeichnungen für eigentlich unterschiedliche Formen benutzt. Einige (geschützte) Herstellerbezeichnung sind zudem so geläufig, dass sie im Alltag irrtümlich mit der Beatmungsform gleichgesetzt werden.
Übersicht von Bezeichnungen und Handelsnamen am Beatmungsgerät | ||
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Beatmungsform | Wesentliche Charakteristik | Bezeichnung bzw. Handelsname |
Spontanatmung |
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Assistierte Beatmung |
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Kontrollierte Beatmung |
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Leitfaden für die Praxis
Auswahl der Beatmungsform [2][3]
- Generelle Auswahlmöglichkeiten vorgegeben durch das Beatmungsgerät
- Konkrete Auswahl insb. nach Anwendungskontext und klinikinternen Standards
- Stets Funktionsprüfung des Narkosegerätes vor Inbetriebnahme durchführen (siehe auch: Geräte-KURZcheck)
- Einweisung gemäß Medizinproduktegesetz (MPG) in das verwendete Beatmungsgerät obligat
Gemäß Medizinproduktegesetz (MPG) darf ein Beatmungsgerät nur durch ordnungsgemäß in die Handhabung eingewiesene Personen betrieben werden!
Beatmung während einer Allgemeinanästhesie
- Ziel: Sichere Beatmung ohne Patientenbeteiligung (tiefe Narkose und ggf. Muskelrelaxierung)
- Beatmungsform: Kontrollierte Beatmung
- Entscheidung nach
- Vor- und Nachteilen der beiden Beatmungsverfahren (siehe auch: Beatmungsformen)
- Art der Atemwegssicherung (Intubationsnarkose oder Larynxmaske)
- Vorerkrankungen
- Art der Operation
Beatmung bei Ausleitung einer Allgemeinanästhesie
- Ziel: Gewährleistung einer ausreichenden Ventilation ohne Behinderung einer einsetzenden Spontanatmung
- Beatmungsform: Assistierte Beatmung
- Entscheidung nach
- Narkosetiefe
- Vorerkrankungen
- Art der Atemwegssicherung
Beatmung auf Intensivstation
- Ziel: Lungenprotektive Beatmung mit Möglichkeit des Weanings
- Beatmungsform: BIPAP (große Bandbreite von Spontanatmung bis kontrollierter Beatmung)
- Entscheidung nach
- Indikation
- Postoperative Nachbeatmung: Frühzeitig Spontanatmung ermöglichen
- Respiratorische Erschöpfung: Möglichkeit von NIV prüfen (siehe: Grundsätze zur NIV bei COPD), frühzeitig Spontanatmung anstreben
- ARDS: Je nach Schweregrad assistierte Beatmung, lungenprotektive Beatmung
- SHT: Je nach Schweregrad kontrollierte Beatmung wegen tiefer Analgosedierung
- Zu behandelnder Person
- Beatmungsdauer
- Indikation
- Grundsätze
- Lungenprotektive Beatmung anstreben (insb. bei Langzeitbeatmung)!
- Frühzeitig Spontanatmung ermöglichen! (Ausnahme: schweres ARDS)
- Assistierte Beatmung bevorzugen (außer bei schwerem SHT/erhöhtem Hirndruck mit der Notwendigkeit einer tiefen Analgosedierung)
Atemtherapie
- Ziel: Prophylaxe pulmonaler Komplikationen
- Beatmungsform: CPAP/NIV (über Maske, Tubus oder Tracheostoma)
- Entscheidung nach: Indikation
- Weaning: Intermittierend CPAP über Tubus/Tracheostoma
- Postoperativ
- Intermittierend NIV zur Prophylaxe von Atelektasen
- Bei bekanntem OSAS: Masken-CPAP über Patientengerät oder CPAP-Therapie mit krankenhauseigenem Beatmungsgerät auf der Überwachungsstation
Grundeinstellungen des Beatmungsgerätes [2][3]
Nach Einleitung einer Allgemeinanästhesie
- Beatmungsform: Pressure Controlled Ventilation oder Volume Controlled Ventilation
- pinsp: 10–15 cmH2O einstellen bzw. anstreben
- Tidalvolumen: 6–8 mL/kgKG (Standardgewicht) einstellen bzw. anstreben
- Atemfrequenz: 10–12/min
- PEEP: 5–7 cmH2O
- Atemzeitverhältnis 1:2 oder Inspirationszeit (tinsp) 1,7 s
- Frischgasflow: 4–6 L/min , später reduzieren
- FiO2
- Bei Ein- und Ausleitung: 1,0
- Intraoperativ: 0,4–0,8 (abhängig von Klinikstandard und Vorerkrankungen)
- Flowtriggerung
- Intraoperativ deaktivieren
- Bei Ausleitung aktivieren, bspw. 3 L/min
Nach Intubation auf der Intensivstation
- Beatmungsmodus: BIPAP
- Lungenprotektive Beatmung anstreben (Anpassung der Einstellungen nach BGA)
- Unteres Druckniveau (=PEEP): 8 cmH2O
- Oberes Druckniveau (=pinsp): PEEP + 12 cmH2O
- Tidalvolumen: 5–6 mL/kgKG (Standardgewicht)
- Spitzendruck: ≤30 cmH2O
- Atemfrequenz: 20/min bei Atemzeitverhältnis von 1:1,7
- FiO2: Initial 0,4 bzw. nach Ausmaß der Oxygenierungsstörung
- Flowtriggerung: 2–5 L/min
- Rampe: 0,2 s
Nach Atemwegssicherung im Notfall [10][11][12]
- Keine klaren Empfehlungen für die Auswahl des Beatmungsmodus
- Mögliche initiale Einstellung der Parameter
- FiO2: 1,0 (anpassen nach Sauerstoffsättigung)
- Tidalvolumen: 6–8 mL/kgKG (Standardgewicht) (entspricht bspw. 420–560 mL bei 70 kgKG)
- PEEP: 5 cmH2O
- Hohe Spitzendrücke vermeiden (ppeak ≤30 cmH2O bzw. <20 cmH2O bei Larynxmasken)
- Atemfrequenz: 12–14/min (anpassen nach Kapnometrie)
- Atemzeitverhältnis 1:2
Recruitment-Manöver [13]
- Definition: Eröffnung rekrutierbarer Lungenabschnitte mithilfe kurzfristig erhöhter Atemzugvolumina und/oder höherer inspiratorischer Drücke
- Konzept: „Open up the lung and keep the lung open“
- Ziel: Verbesserung der Oxygenierung
- Durchführung: Manuell oder maschinell (je nach Beatmungsgerät)
- Absolute Kontraindikationen
- Lungenemphysem
- Kardiozirkulatorische Instabilität (v.a. bei Hypovolämie)
- Rechtsherzversagen
- Erhöhter intrazerebraler Druck
Recruitment-Manöver werden im klinischen Alltag regelmäßig eingesetzt, es gibt jedoch keine grundsätzliche evidenzbasierte Empfehlung zu ihrer Durchführung seitens der Fachgesellschaften!
Überwachung der maschinellen Beatmung
Allgemeine Überwachung
Klinische Beurteilung
- Inspektion
- Thoraxexkursion
- Abwehrbewegungen, Husten
- Vegetative Reaktionen und Hautkolorit
- Bei Spontanatmung zusätzlich: Atemmuster
- Auskultation
- Ventilation allgemein und im Seitenvergleich
- Atemgeräusch bzw. Nebengeräusche
Die klinische Beurteilung bildet die Basis der Überwachung beatmeter Personen und hilft, die erhobenen Messwerte an den Monitoren richtig einzuordnen!
Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse
- Periphere O2-Sättigung
- Zielwert 95–99% (bei pulmonalen Vorerkrankungen anpassen)
- Indikator für unzureichende Oxygenierung
- Kurve kann Hinweis auf Hypovolämie liefern
- Arterielle Blutgasanalyse
Überwachung am Beatmungsgerät
Kapnometrie bzw. Kapnografie
- Definition
- Kapnometrie: Messwert der exspiratorischen CO2-Konzentration
- Kapnografie: Grafische Darstellung des exspiratorischen CO2 über den Atemzyklus
- Zielwert: Exspiratorisches bzw. endtidales CO2 (etCO2): 35–40 mmHg
- Höhere Werte werden bei permissiver Hyperkapnie toleriert
- Bei schweren Ventilations- und/oder Perfusionsproblemen wenig aussagekräftig → BGA
- Indikation
- Mitbeurteilung der Effektivität einer Präoxygenierung
- Erfolgskontrolle im Rahmen der Atemwegssicherung
- Überwachung von Atmung bzw. maschineller Beatmung
- Diagnostik bzw. Differenzialdiagnostik bei pulmonalen und kardiozirkulatorischen Pathologien
- Normaler Kapnografiezyklus
- Beginn der Exspiration: Schneller Anstieg des exspiratorischen CO2 (Entleerung des Totraumvolumens)
- Plateau (alveoläres Gas, das am Gasaustausch teilgenommen hat)
- Höchster Punkt der CO2-Konzentration (endtidaler CO2-Partialdruck)
- Schneller Abfall der CO2-Konzentration bei Inspiration (Inspirationsgas enthält fast kein CO2)
- Pathologische Kapnografie
- Betrifft neben dem absoluten Wert des etCO2 v.a. Form und Verlauf der Kurve
- Insb. bei plötzlichen Veränderung sofortige Abklärung erforderlich (siehe auch: Beatmungsprobleme)
- Sonderfall: Kardiogene Oszillation (pulssynchrone Schwankungen in später Inspiration) : I.d.R. keine Auswirkungen auf die Beatmung
Beatmungsparameter
- Atemwegsdrücke
- Darstellung als fortlaufende Druck-Zeit-Kurve und als numerische Angabe
- Ziele der Überwachung
- Kontrolle der intrapulmonalen Druckverhältnisse
- Vermeidung von Druckspitzen mit Gefahr des Barotraumas
- Detektion von Störungen des normalen Beatmungszyklus (bspw. Pressen, Tubusknick, Compliance↑↓)
- Wichtigste Parameter
- Inspirationsdruck (pinsp) bzw. Atemwegsspitzendruck (ppeak)
- Atemwegsmitteldruck (pmean) bzw. Plateaudruck
- PEEP
- Atemminutenvolumen
- Darstellung als Volumen-Zeit-Kurve und als numerische Angabe
- Ziele der Überwachung
- Sicherstellung einer adäquaten Ventilation
- Detektion einer Hyper- oder Hypoventilation
- Flowkurve
- Darstellung als Flow-Zeit-Kurve mit typischem Verlauf bei verschiedenen Beatmungsformen
- Ziel der Überwachung: Differenzialdiagnostische Eingrenzung von Beatmungsproblemen
- Inspiratorische und exspiratorische Konzentration der Atemgase
- Darstellung als numerische Angabe
- Ziele der Überwachung
- Sicherstellung einer adäquaten Oxygenierung und Decarboxylierung
- Vermeidung einer unnötig hohen oder zu niedrigen FiO2 bzw. einer Rückatmung von CO2
- Steuerung der Narkosetiefe bei Verwendung von Inhalationsanästhetika
Komplikationen
Abfall der Sauerstoffsättigung [7]
- Erstmaßnahme: FiO2 auf 1,0 erhöhen (insb. bei plötzlichem Abfall der Sauerstoffsättigung)
- Handlungsoptionen nach klinischer Beurteilung
- Fehlerhafte Platzierung des Sättigungsclips → Platzierung korrigieren
- Inspektion des Endotrachealtubus: Tubus abgeknickt oder disloziert → Lage korrigieren, neu fixieren
-
Auskultation beider Lungenfelder im Seitenvergleich sowie des Epigastriums
- Giemen/Brummen → Verdacht auf Obstruktion → Narkose vertiefen , Bronchospasmolytika verabreichen (β2-Sympathomimetika inhalativ oder i.v.)
- Rasselgeräusche → Verdacht auf Sekretverhalt → Absaugen über Tubus
- Basal abgeschwächtes Atemgeräusch → Verdacht auf basale Atelektasen → PEEP/Beatmungsdrücke anpassen, Recruitment-Manöver erwägen
- Einseitig abgeschwächtes Atemgeräusch → Verdacht auf einseitige Ventilation bei zu tief liegendem Tubus → Tubuslage korrigieren
- Beurteilung des Hautkolorits (Zyanose, Rötung oder auffallende Blässe) → Verdacht auf periphere Minderperfusion → Volumengabe, ggf. medikamentöse Kreislaufunterstützung
- Bei Spontanatmung zu tiefe Analgosedierung ausschließen
- Handlungsoptionen nach Beurteilung des Beatmungsgerätes
- Beurteilung der Kapnografie (siehe auch: Pathologische Kapnografie)
- Druck- oder Volumenalarm beachten
- Alarm „Frischgas niedrig“ beachten
- Leckage im Beatmungsschlauchsystem → Austausch des defekten Teils, ggf. übergangsweise manuelle Beatmung
- Undichtigkeit des Endotrachealtubuscuffs → Cuffdruckmessung und ggf. Reintubation bei defektem Cuff
- Technische Probleme ausschließen bzw. beheben bspw.
- Diskrepanz zwischen gemessener und eingestellter FiO2 → Fehlersuche und ggf. übergangsweise manuelle Beatmung
- Leere Sauerstoffflasche (bei Patiententransport) → Wechsel der Flasche und ggf. übergangsweise manuelle Beatmung mit Raumluft
- Diskonnektion vom Beatmungsgerät → Tubus konnektieren und Lage kontrollieren
- Beatmungsgerät defekt → Hilfe anfordern, ggf. vorübergehend mit Beatmungsbeutel beatmen
- Ausschluss anderer Ursachen (bspw. Lungenembolie ): Zusammenschau mit Kreislaufparametern und Kapnometrie bzw. BGA
Bei plötzlichem unklaren Sättigungsabfall immer an eine mögliche Lungenembolie denken und diese abklären!
Bei plötzlichem Sättigungsabfall darf die Suche nach technischen Fehlern die Behandlung nicht verzögern; im Zweifel frühzeitige manuelle Beatmung mit FiO2 von 1,0
Inadäquates Atemminutenvolumen
- Handlungsoptionen nach klinischer Beurteilung, insb. bei plötzlicher Veränderung
- Auskultation beider Lungenfelder
- Verdacht auf pulmonale Komplikationen (bspw. Bronchospasmus, Atemwegsverlegung durch Sekret) → Behandlung der Ursache und Anpassung der Beatmungsparameter
- Verdacht auf Hypo- oder Hyperventilation → Beatmungsparameter anpassen
- Inspektion des Endotrachealtubus: Tubus abgeknickt oder disloziert → Lage korrigieren, neu fixieren
- Auskultation beider Lungenfelder
- Handlungsoptionen nach Beurteilung von Beatmungsgerät und Gesamtsituation
- Zusammenschau mit exsp. CO2 bzw. paCO2
- Hyperkapnie → AF↑ oder VT↑
- Hypokapnie → AF↓ oder VT↓
- Normokapnie → AMV zunächst belassen/kontrollieren
- Beurteilung der OP-Situation
- Veränderung der intraabdominellen Druckverhältnisse → Anpassen der Beatmungsparameter
- Externe Behinderung der Beatmung: Druck auf Thorax oder Abdomen → Druck, wenn möglich entlasten und ggf. Beatmungsparameter anpassen
- Beurteilung der Narkosetiefe: Bspw. Pressen oder Hyperventilation bei zunehmender Spontanatmung → Narkose vertiefen und/oder maschinelle Beatmung synchronisieren
- Zusammenschau mit exsp. CO2 bzw. paCO2
Die adäquate Höhe des AMV kann nicht ohne klinischen Zusammenhang und/oder BGA beurteilt werden!
Pathologische Kapnometrie
- Generell
- Abgleich mit der Kapnografie: Wie sieht die Kurve aus? Auffälligkeiten?
- Im Zweifel mit BGA abgleichen
- Plötzlicher Anstieg → Vorliegen einer malignen Hyperthermie abklären
- Plötzlicher Abfall → Lungenembolie abklären → Abgleich mit BGA!
- Mittelfristiges Absinken → Kreislaufverhältnisse checken
- Stetiges Ansteigen/Sinken → Angleichen der Beatmungsparameter
Pathologische Kapnografie
- Generell: Beurteilung in Zusammenschau mit klinischem Bild und weiteren Beatmungsparametern (bspw. Beatmungsdruck und Sauerstoffsättigung)
- Handlungsoptionen nach Beurteilung des Beatmungsgerätes
- Keine Kurve (plötzlicher Abfall auf beinahe Null): Verdacht auf
- Tubusdislokation: Ausschluss über Auskultation von Lunge und Abdomen, im Zweifel laryngoskopische Kontrolle bzw. erneute Intubation
- Verlegung/Obstruktion durch Sekret oder von außen: Inspektion des Tubus und Auskultation der Lunge
- Technisches Problem: Gerät und Schlauchverbindung prüfen (Diskonnektion, Leckage), Cuffdruck kontrollieren
- Konstant hohe Kurve : Verdacht auf
- Hypoventilation: Abgleich mit AMV und Anpassung der Beatmungsparameter (AF↑ oder VT↑ → endexspir. CO2↓)
- Respiratorische Kompensation einer metabolischen Alkalose → BGA zur Diagnosesicherung und Behandlung der Ursache
- Konstant niedrige Kurve : Verdacht auf
- Hyperventilation → Abgleich mit AMV und Anpassung der Beatmungsparameter (AF↓ oder VT↓ → endexspir. CO2↑)
- Niedrige Körpertemperatur → Messung der Temperatur und Behandlung der perioperativen Hypothermie
- Hypovolämischer Schock, siehe auch: Hypovolämischer Schock - AMBOSS-SOP
- Plateau schräg oder fehlend (Anstieg der Kurve abgeflacht) : Verdacht auf
- Obstruktion : Diagnosesicherung durch Auskultation beider Lungenfelder und Abgleich mit Beatmungsdrücken → Therapie je nach Ausmaß (siehe auch: Therapeutisches Vorgehen bei Bronchospasmus)
- Verschluss oberer Atemwege bzw. Teilverschluss des Tubus: Inspektion und Auskultation → Absaugen oder Tubuslage optimieren
- Unterbrechung der regulären Kurve: Verdacht auf
- Pressen gegen das Gerät → Abgleich mit Beatmungsdrücken und ggf. Vertiefung der Narkose
- Spontanatmung (zusätzliche Kurvenausschläge unabhängig von maschineller Frequenz) →Narkosetiefe beurteilen und ggf. vertiefen, Synchronisation am Beatmungsgerät einstellen
- Kein Abfall auf Null bei Inspiration : Rückatmung von CO2 (verbrauchter Atemkalk)
- Abflachen der Kurve von Atemzug zu Atemzug : Mögliche Ursachen
- Verminderte pulmonale Abatmung von CO2: Verdacht auf Lungenembolie
- Verminderte pulmonale Perfusion (kardiozirkulatorische Ursache): Abgleich mit Kreislaufparametern, bspw. plötzliche Hypotension bei Blutung oder Kreislaufstillstand
- Falsch-positive Kapnometrie: Bei Fehlintubation in Ösophagus langsames Abatmen von vorhandenem CO2 → Tubuslage kontrollieren (Auskultation beider Lungenfelder und des Epigastriums) und ggf. Reintubation
- Ansteigen der Kurve von Atemzug zu Atemzug
- Erhöhung des Stoffwechsels (bspw. bei maligner Hyperthermie): Abklärung der Ursache
- Beginnende Hypoventilation: Abgleich mit AMV und ggf. Anpassung der Beatmungsparameter
- Keine Kurve (plötzlicher Abfall auf beinahe Null): Verdacht auf
Hohe Atemwegsdrücke
- Allgemein
- Inspirationsdruck (pinsp) bzw. Atemwegsspitzendruck (ppeak) sollte orientierend <30 cmH2O betragen
- Höhere Atemwegsdrücke bei entsprechendem Vorerkrankungsprofil erwartbar bzw. erforderlich
- Handlungsoptionen nach klinischer Beurteilung
- Inspektion des Endotrachealtubus: Tubus abgeknickt oder disloziert → Lage korrigieren, neu fixieren
-
Auskultation beider Lungenfelder im Seitenvergleich
- Giemen/Brummen → Verdacht auf Obstruktion → Narkose vertiefen , Bronchospasmolytika verabreichen (β2-Sympathomimetika inhalativ oder i.v.)
- Einseitig abgeschwächtes Atemgeräusch → Verdacht auf einseitige Ventilation bei zu tief liegendem Tubus → Tubuslage korrigieren
- Auf Zeichen einer zu flachen Narkose achten (bspw. vegetative Reaktionen, „Pressen“ gegen Gerät) → Narkose/Sedierung vertiefen oder Synchronisation einstellen und Spontanatmung zulassen
- Handlungsoptionen nach Beurteilung des Beatmungsgerätes
- Zusammenschau mit Druck-Zeit-Kurve → Abgrenzung einer vorübergehenden Druckspitze von einem dauerhaft zu hohen Atemwegsdruck
- Abgleich mit weiteren Beatmungsparametern → Optimierung von VT, AF und Atemzeitverhältnis zur Senkung des Spitzendrucks
- Operative Ursachen erwägen, bspw.
- Intraabdominelle Druckerhöhung bei laparoskopischen Eingriffen (durch intraperitoneale Insufflation von CO2)
- Mechanischer Druck durch Instrumente und/oder operierende Person auf Abdomen oder Thorax
- Bauchdeckenverschluss mit veränderten Druckverhältnissen
Therapeutisches Vorgehen bei Bronchospasmus bzw. bronchialer Obstruktion [14][15][16][17]
Allgemeine Maßnahmen
- Auslösenden Reiz beenden, bspw. durch Unterbrechen der
- Atemwegsmanipulation
- Chirurgischen Stimulation
- Medikamentengabe bzw. Transfusion bei vermuteter allergischer Reaktion
- FiO2 erhöhen
- 100% Sauerstoff
- Adäquater Frischgasfluss (>10 L/min)
- Wechsel auf manuelle Beatmung [14][15][17]: Häufig empfohlene Erstmaßnahme zum Ausschluss eines technischen Problems sowie zur
- Klinischen Beurteilung der Schwere des Bronchospasmus
- Akuten Sicherstellung einer gewissen Ventilation
Medikamentöse Therapie
- Vertiefung der Narkose
- Aufgrund der zusätzlichen laryngobronchialen Reflexdämpfung und Bronchodilatation bevorzugt mit Propofol [14][15][18]
- Bei balancierter Anästhesie alternativ mit dem aktuell verwendeten Inhalationsanästhetikum [14][19]
- Optional zusätzliche Gabe eines Opioidanalgetikums [14]
- Neuromuskuläre Blockade i.d.R. nicht hilfreich bzw. empfohlen [14][17]
- Anwendung von Thiopental im Status asthmaticus kontraindiziert [20]
- Bronchospasmolyse
- Bei eingeschränkter Ventilationsmöglichkeit bevorzugt intravenös mit Reproterol [15]
-
Bei erhaltener Ventilationsmöglichkeit alternativ mit einem inhalativen β2-Sympathomimetikum , bspw.
- Fenoterol [15][21]
- Salbutamol [15][21]
- Optional bei unzureichender Wirkung der β2-Sympathomimetika
- Als Einzelfallentscheidung bei Versagen aller anderen medikamentösen Therapieoptionen: Theophyllin [25]
- Immunsuppression
- Bevorzugt mit einem Glucocorticoid, bspw. Prednisolon oder Methylprednisolon [14][15][26][27]
- Bei vermuteter allergischer Reaktion ggf. zusätzliche Gabe eines
- H1-Antihistaminikums, bspw. Clemastin [28] oder Dimetinden [29]
- H2-Antihistaminikums, bspw. Cimetidin [24][30]
Im Falle eines schweren Bronchospasmus kann die Vertiefung der Narkose durch Inhalationsanästhetika aufgrund der eingeschränkten Ventilationsmöglichkeit stark erschwert bis unmöglich sein!
Beatmungsstrategie und weiterführende Maßnahmen [31][32]
- Anpassung der maschinellen Beatmung [31][32]
- Niedrige Atemfrequenz (6–10/min)
- Kleines Tidalvolumen (6–8 mL/kgKG nach IBW)
- Deutlich verlängerte Exspirationszeit (Atemzeitverhältnis 1:3–1:4)
- Adäquate Druckbegrenzung (30–35 cmH2O)
- Kein (extrinsischer) PEEP
- Therapierefraktärer Bronchospasmus: Anlage einer ECMO als Ultima Ratio
- Spezifische Therapie bei Pathologien mit begleitendem Bronchospasmus: Siehe auch
Das primäre Ziel der maschinellen Beatmung bei Bronchospasmus ist die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Oxygenierung, was häufig nur unter permissiver Hyperkapnie gelingt!
Pathologische Blutgasanalyse
Allgemeine Informationen zu diesem Thema finden sich im Kapitel Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse.
- Pathologischer paO2 in Zusammenschau mit der Sauerstoffsättigung
- Respiratorische Insuffizienz
- Gestörtes Ventilations-Perfusions-Verhältnis
- Gestörte Lungen-Perfusion
- Rechts-links-Shunt
- Zu niedriges O2-Angebot (FiO2)
- Pathologischer paCO2 in Zusammenschau mit der Kapnografie (siehe auch: Pathologische Kapnografie)
- Metabolische Ursache
- Extrapulmonale Ursache behandeln
- Pathologischen CO2-Wert zur respiratorischen Kompensation einer metabolischen Azidose bzw. metabolischen Alkalose tolerieren
- Siehe auch: Verschiebungen des Säure-Basen-Haushaltes
- Pulmonale Ursache
- Respiratorische Azidose (Hypoventilation mit Hyperkapnie) → Erhöhung des Atemminutenvolumens (Tidalvolumen optimieren und/oder Atemfrequenz↑)
- Respiratorische Alkalose (Hyperventilation mit Hypokapnie) → Reduzierung des Atemminutenvolumens (Tidalvolumen optimieren und/oder Atemfrequenz↓)
- Metabolische Ursache
- Pathologischer pH, HCO3: Siehe auch: Verschiebungen des Säure-Basen-Haushaltes
Die Bewertung der BGA sollte im Vergleich zu den Vorbefunden erfolgen!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Studientelegramme zum Thema
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 20-2021-1/3: Better outcomes after implementation of critical care management protocols?
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