Zusammenfassung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Die körperliche Untersuchung stellt nach Erhebung der Anamnese i.d.R. die erste diagnostische Maßnahme dar und sollte wenn möglich immer vollständig durchgeführt werden. Sie ermöglicht oftmals bereits eine erste Zuordnung der Beschwerden und ist entscheidend für die Anordnung weiterer Untersuchungen. In manchen Fällen ist anhand der körperlichen Untersuchung bereits eine Diagnosestellung möglich, ohne dass invasive oder apparative Verfahren zum Einsatz kommen müssen.
Dieses Kapitel stellt einen möglichen Untersuchungsablauf dar, wie er bspw. im Rahmen einer Aufnahmeuntersuchung (oder auch in der mündlichen Prüfung des Staatsexamens!) durchgeführt wird. Genauere Erklärungen zu möglichen Untersuchungsbefunden sind in weiterführenden Kapiteln zu finden.
Siehe auch: Mediathek – Untersuchungsvideos
Vorbemerkungen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Untersuchungssituation
- Bestmögliche Bedingungen für die Untersuchung schaffen: Einen möglichst ruhigen Ort für die Untersuchung wählen, auf die Wahrung der Privatsphäre achten, ggf. Angehörige oder andere Patient:innen aus dem Zimmer bitten
- Vor der Untersuchung Hände desinfizieren!
- Sich selbst mit Funktion vorstellen und Ablauf erklären
- Falls der Name der zu untersuchenden Person nicht bekannt sein sollte, diesen immer erfragen
- Während der Untersuchung die jeweiligen Schritte ankündigen
- Material
- Kugelschreiber
- Ggf. Anamnese-/Untersuchungsbogen
- Stethoskop
- Untersuchungsleuchte
- Spatel
- Reflexhammer
- Ggf. Otoskop
Du kannst Dir zur Dokumentation der Untersuchungsbefunde den AMBOSS-Anamnese- und Untersuchungsbogen als PDF-Dokument unter "Tipps & Links" (ganz unten in diesem Kapitel) oder unter https://www.amboss.com/media/de/amboss-anamnese-und-untersuchungsbogen herunterladen!
Allgemeines Vorgehen in der körperlichen Untersuchung
Bei jeder Untersuchung ist es sinnvoll, folgende Untersuchungsmethoden bei allen Organen durchzuführen, um möglichst viele Informationen über den Zustand der zu untersuchenden Person zu sammeln.
- Inspektion: Betrachten
- Palpation: Abtasten
- Perkussion: Abklopfen
- Auskultation: Abhören (i.d.R. mit dem Stethoskop)
- Ggf. Funktionsprüfung
Am Beginn einer Untersuchung steht grundsätzlich die Inspektion. Die Reihenfolge der anderen Methoden unterscheidet sich je nach untersuchter Körperregion. Während z.B. bei der Lungenuntersuchung Palpation, Perkussion und Auskultation aufeinanderfolgen, sollte bei der Abdomenuntersuchung zuerst auskultiert werden, um Darmgeräusche durch eine vorherige palpatorische Anregung nicht zu verfälschen. Bei anderen Untersuchungen (wie z.B. bei der Beurteilung des Herzens) haben Palpation und Perkussion nur einen geringen Stellenwert.
Siehe auch: Mediathek – Untersuchungsvideos
Allgemeiner Eindruck und Vitalparameter![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Allgemeinzustand
- Ernährungszustand
- Pflegezustand
- Bewusstsein und Orientierung
- Kooperativität/Zugewandtheit
- Vitalparameter : Blutdruck, Herzfrequenz, Temperatur, Atemfrequenz(, Sauerstoffsättigung )
Hände![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Hände
- Temperatur
- Verformungen und Gelenkveränderung der Hände und Finger
- Typische Befunde siehe: Veränderungen der Hände
- Nägel
- Typische Befunde
- Siehe: Veränderungen der Hände
- Siehe: Nagelveränderungen
Kopf/Hals![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Schädel
- Beklopfen der Kalotte
- Austrittspunkte des N. trigeminus druckschmerzhaft?
- Nasennebenhöhlen klopfschmerzhaft?
Augen
- Inspektion der Skleren
- Inspektion der Konjunktiven
- Indirekte und direkte Lichtreaktion der Pupillen
- Untersuchung der Augenmotilität
- Orientierende fingerperimetrische Überprüfung des Gesichtsfeldes
Mund und Rachen
- Beurteilung der Mundschleimhaut
- Beurteilung der Tonsillen
- Beurteilung der Gaumensegel
- Patient:in bitten, die Zunge herauszustrecken
- Typische Befunde siehe: Zungenveränderungen
Gesicht
Für einen flüssigen Untersuchungsablauf bietet es sich an, hier bereits einige Schritte der neurologischen Untersuchung durchzuführen.
- Prüfung der Sensibilität
- Prüfung der Motorik
- Ggf. Otoskopie
Hals
- Beurteilung der Füllung der Halsvenen
- Palpation der zervikalen, nuchalen und submandibulären Lymphknoten (siehe auch: Untersuchung der Lymphknoten)
- Untersuchung der Schilddrüse
- Inspektion
- Palpation
- Beurteilung der Nackenbeweglichkeit (siehe auch: Meningismus)
- Prüfung der Kraft des Halses
Typische Befunde siehe: Red-Flag-Befunde an Kopf und Hals
Thorax![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Herz
AMBOSS-Video-Tutorial zur klinischen Untersuchung des Herzens:
Inspektion
- Patient:in bitten, den Oberkörper freizumachen
- Bei der Inspektion auf mögliche Narben einer Herzoperation (Thorakotomienarbe), Herzschrittmacher etc. achten
Palpation
- Durchführung
- Am besten in Linksseitenlage
- Flache Hand auf die Herzspitze legen
- Beurteilung
- Bei schlanken Menschen: Herzspitzenstoß im 5. ICR leicht medial der Medioklavikularlinie palpabel
- Verbreiterung findet sich bspw. im Rahmen einer Linksherzhypertrophie
Auskultation (siehe auch: Auskultation des Herzens)
- Allgemeine Hinweise zur Auskultation
- Optimalerweise im Liegen mit leicht erhöhtem Oberkörper; Taschenklappen am besten im Sitzen mit leicht vorgebeugtem Oberkörper, Mitralklappe am besten in mäßiger Linksseitenlage hörbar
- Bei sehr schwach hörbaren Herztönen: Patient:in bitten, die Luft nach Exspiration für einen Moment lang anzuhalten (Atemruhelage)
- Patient:in ankündigen, dass bei der Auskultation nicht gesprochen werden soll
- Zur besseren Unterscheidung der Herztöne und zur Erkennung eines möglichen Pulsdefizits während der Auskultation parallel den Puls tasten (meist an der A. radialis)
- Ablauf: Auskultationspunkte
- 3. ICR links parasternal = Erb-Punkt
- 2. ICR rechts parasternal: Auskultation der Aortenklappe
- 2. ICR links parasternal: Auskultation der Pulmonalklappe
- 4. ICR rechts parasternal: Auskultation der Trikuspidalklappe
- 5. ICR links medioklavikulär: Auskultation der Mitralklappe
- Typische Befunde
- Worauf sollte geachtet werden?
- Herzrhythmus und Herzfrequenz
- Liegt ein Pulsdefizit vor?
- Sind pathologische Herzgeräusche zu hören? Wenn ja:
- Wo sind sie am deutlichsten zu hören? Punctum maximum (p.m.)
- Systolisch vs. diastolisch
- Klangcharakter (hochfrequent, niederfrequent)
- Zeitlicher Verlauf (bandförmig, spindelförmig etc.)
- Fortleitung?
Lunge
AMBOSS-Video-Tutorial zur klinischen Untersuchung der Lunge:
Inspektion
- Thoraxform
- Atemfrequenz
- Symmetrie der Atembewegungen
- Zeichen der Dyspnoe
Palpation
- Grobe Prüfung auf knöcherne Verletzungen des Thorax: Mit beiden Händen Druck auf den Thorax ausüben und ihn dabei einmal seitlich sowie einmal von dorsal und ventral komprimieren
- Prüfung der Atemexkursion
- Prüfung des Stimmfremitus
- Interpretation siehe: Differenzialdiagnostik auf der Basis der pulmonalen Untersuchungsbefunde
Perkussion
- Perkussion der Lungenabschnitte
- Bestimmung der Atemverschieblichkeit
- Interpretation siehe: Differenzialdiagnostik auf der Basis der pulmonalen Untersuchungsbefunde
Auskultation
- Ablauf: Patient:in bitten, durch den geöffneten Mund tief ein- und auszuatmen ; Lungenabschnitte immer im direkten Seitenvergleich auskultieren!
- Von dorsal: Im oberen Thoraxbereich → Oberlappen; mittlere und untere Thoraxabschnitte → Unterlappen
- Von lateral: Links → Ober- und Unterlappen; rechts → Mittellappen
- Von ventral: Im oberen Thoraxbereich beidseits → Auskultation des Oberlappens; im unteren Thoraxbereich → rechts Auskultation des Mittellappens und Unterlappens, links des Unterlappens
- Normalbefund: Vesikuläres Atemgeräusch über allen Lungenabschnitten
- Pathologische Befunde siehe: Differenzialdiagnostik auf der Basis der pulmonalen Untersuchungsbefunde
- Weiterhin: Prüfung der Bronchophonie
Abdomen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
AMBOSS-Video-Tutorials zur klinischen Untersuchung des Abdomens:
Vorbereitung
- Lagerung
- Liegend mit freiem Bauch
- Arme locker neben dem Körper abgelegt, Beine leicht angewinkelt, ggf. Kissen unter den Kopf legen
- Ggf. kalte Hände ankündigen
Inspektion
- Haut: Insb. auf Narben, Striae und Gefäßveränderungen (z.B. Caput medusae) achten
- Nabel: Insb. auf Vorwölbungen achten
- Konturen/Form des Abdomens: Ist das Abdomen flach, ausladend, eingefallen? Sind Vorwölbungen/Asymmetrien erkennbar?
Auskultation
Die Auskultation des Abdomens sollte vor Perkussion und Palpation erfolgen, um eine Verfälschung der Darmgeräusche durch eine vorherige palpatorische Anregung zu verhindern!
- Über allen 4 Quadranten mit leichtem Druck auskultieren
- Normalbefund: Ca. alle 5–10 Sekunden glucksende/gurgelnde Darmgeräusche
Perkussion
- Ziel: Bestimmung der Dichte der intraabdominellen Organe
- Vorgehen: Analog zur Perkussion der Lunge über allen 4 Quadranten
- Physiologischer Befund: Tympanitischer Klopfschall über luftgefüllten Magen-/Darmabschnitten; gedämpfter Klopfschall über flüssigkeitsgefüllten oder soliden Organen (Leber, Milz)
Palpation
- Allgemeine Hinweise
- Patient:in zunächst fragen, ob Schmerzen im Bereich des Abdomens bestehen → Falls ja, Palpation in nicht-schmerzhaften Bereichen beginnen
- Patient:in ggf. in ein Gespräch verwickeln und bitten, ruhig durchzuatmen
Bei der Untersuchung sollte die Mimik der untersuchten Person beobachtet werden – sie kann auf Intensität und Lokalisation der Schmerzen hinweisen!
- Vorgehen
- Oberflächliche Palpation: Zur Beurteilung von Prozessen der Bauchdecke/Bauchwand
- Tiefe Palpation: Untersuchung der Bauchorgane → Resistenzen, Druckschmerz
- Appendizitiszeichen
- Palpation der Leber
- Palpation der Milz
- Palpation der inguinalen Lymphknoten (siehe auch: Untersuchung der Lymphknoten)
- Überprüfung der Nierenlager
- Interpretation
- Siehe: Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens
Bestimmung der Lebergröße
- Kratzauskultation
- Perkussion
- Physiologischer Befund: Normale kraniokaudale Lebergröße in der Medioklavikularlinie 7–11,5 cm (♀) bzw. 8–12,5 cm (♂)
Digital-rektale Untersuchung
- Aufklärung: Untersuchung ist unangenehm, aber unerlässlich und schnell
- Vorgehen
- Beurteilung
Die digital-rektale Untersuchung wird oft als unangenehm empfunden, gehört jedoch zu einer vollständigen körperlichen Untersuchung dazu!
Gefäßstatus/Flüssigkeitshaushalt![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Inspektion
- Hautfarbe der Extremitäten/Hautveränderungen
- Temperatur der Extremitäten
- Pulsstatus
- Palpation von A. carotis communis, A. radialis, Aorta abdominalis, A. femoralis, A. poplitea, A. tibialis posterior, A. dorsalis pedis
- Auskultation von A. carotis, Aorta abdominalis, A. renalis, A. femoralis
- Siehe auch: Pulsdiagnostik
- Ödeme
Bewegungsapparat und orientierende neurologische Untersuchung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Zu einer vollständigen körperlichen Untersuchung gehört immer auch eine neurologische Untersuchung. Diese wird i.d.R. in verkürzter Form an die internistische Untersuchung angeschlossen und dient einer groben Einschätzung des neurologischen Zustands. Finden sich dabei Auffälligkeiten, sollte im Anschluss eine ausführlichere Untersuchung erfolgen.
AMBOSS-Video-Tutorial zur orientierenden neurologischen Untersuchung:
- Prüfung der Beweglichkeit der Gelenke
- Grobe Prüfung der Sensibilität
- Prüfung der groben Kraft
- Prüfung der Koordination: Finger-Nase-Versuch , Finger-Folge-Versuch und/oder Knie-Hacke-Versuch , Diadochokinese
- Prüfung der Muskeleigenreflexe: Bizepssehnenreflex , Trizepssehnenreflex , Radiusperiostreflex , Patellarsehnenreflex , Achillessehnenreflex
- Prüfung pathologischer Reflexe/Pyramidenbahnzeichen: Babinski-Reflex
-
Untersuchung der Wirbelsäule
- Inspektion
- Grobe Prüfung der Beweglichkeit
- Klopfschmerz
- Empfehlung: Vor/nach Wirbelsäulenuntersuchung Nierenlager auf Klopfschmerzhaftigkeit prüfen
- Beurteilung des Gangbildes
Für eine detailliertere neurologische Untersuchung siehe: Neurologische Untersuchung