Zusammenfassung
Eine Lungenerkrankung durch Inhalation von Asbestfasern wird als Asbestose bezeichnet. Häufig ist eine Exposition am Arbeitsplatz ursächlich für diese bedeutsame Berufskrankheit. Nach einer langjährigen Latenz können unspezifische Symptome wie Husten und Dyspnoe aufgrund der fibrotischen Lungenveränderungen auftreten, teilweise zeigen sich auch zufällig radiologische Auffälligkeiten. Ein Pleuraerguss kann das erste Zeichen des gefürchteten malignen Mesothelioms sein, das fast immer auf eine Asbestexposition zurückzuführen ist. Meist ist bei dieser Erkrankung keine kurative Behandlung möglich und die mittlere Überlebenszeit beträgt nur noch etwa ein Jahr. Seit 1993 besteht ein Verbot für die Verwendung von Asbest in Deutschland.
Ätiologie
- Inhalation von Asbestfasern
- Vorkommen
- Asbestherstellung und -verwendung bspw. in der Schiffsindustrie oder bei der Herstellung von Hitzeschutzbekleidung (Asbest ist hitzebeständig) → Meldepflichtige Berufskrankheit
- Personen mit mäßiger dauerhafter Asbestbelastung sind ebenfalls gefährdet (z.B. durch die regelmäßige Reinigung verschmutzter Arbeitskleidung oder räumliche Nähe zu Isolationsarbeiten)
Pathophysiologie
- Entscheidend für die Pathogenität der Asbestfasern ist die Fasergeometrie
- Luftgängige Asbestfasern gelangen in die Alveolen → Bei einer kritischen Länge und geringem Durchmesser können sie nicht mehr erfolgreich phagozytiert werden und durchwandern das Lungengewebe in Richtung Pleura (Länge >5 μm, Durchmesser <3 μm, Länge : Durchmesser ≥ 3:1 = kritische Abmessungen)
- Induktion einer Fibrose
- Karzinogene Wirkung
Symptomatik
- Benigne Asbestpleuritis als häufigste Manifestation der Asbestose in den ersten 20 Jahren nach Exposition
- Lange asymptomatisch
- Grau-weißes Sputum, Husten
- Belastungsdyspnoe
Diagnostik
- Berufsanamnese
- Auskultation: Basales Knisterrasseln
- Bildgebung
-
Röntgen-Thorax (Klassifikation nach ILO)
-
Fibrose, im Unterfeld betont
- Kleine Fleckschatten, beidseits Verdichtung des Lungengewebes
- Kugelatelektasen
- Streifige Fibrosierungen
- Pleuraplaques oder diffuse Pleuraverdickungen (teilweise nur im HR-CT gut nachweisbar)
- Gelegentlich chronisch rezidivierende Pleuraergüsse
-
Fibrose, im Unterfeld betont
- CT-Thorax: Typischerweise Pleuraplaques und diffuse Pleuraverdickungen
-
Röntgen-Thorax (Klassifikation nach ILO)
- Lungenfunktion: Insb. restriktive Ventilationsstörung (Compliance↓)
- Bronchoalveoläre Lavage: Mikroskopisch Asbestkörperchen (durchspießte Alveolarmakrophagen, länglich-gelbliche Struktur, ggf. mit eisenhaltiger Eiweißhülle)
Therapie
- Behandlung der Komplikationen (siehe: Therapie Mesotheliom)
Komplikationen
- Lungenfibrose, Cor pulmonale
-
Malignome
- Ovarialkarzinom, Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs und Mesotheliom
- Treten mit einer Latenz von 15–40 Jahren nach Asbestexposition auf
Mesotheliom (Pleuramesotheliom)
- Definition
- Epidemiologie: >1.000 Todesfälle/Jahr in Deutschland
- Ätiologie
- Bis zum Beweis des Gegenteils auf Boden von Asbestbelastung
- Oft nur kurze Asbestexposition von 1–2 Jahren
- Histologische Klassifikation: Epitheloides Mesotheliom, sarkomatoides Mesotheliom, biphasisches Mesotheliom (Mischtumor aus epitheloidem und sarkomatoidem Mesotheliom)
- Lokalisation: Häufig Pleuramesotheliom, selten Peritonealmesotheliom, sehr selten Perikardmesotheliom
- Symptome/Klinik
- Häufiges Erstsymptom: Maligner, exsudativer Pleuraerguss mit auskultatorisch gedämpftem Atemgeräusch und hyposonorem Klopfschall (bzw. Perikarderguss, Aszites)
- Schmerzen bei der Atmung mit mangelnder Verschieblichkeit der Lungengrenzen
- Diagnostik
- CT: Multiple noduläre pleurale Raumforderungen (sog. Pleuraverdickungen) im ipsilateralen Hemithorax
- Thorakoskopische Biopsie
- Das Risiko für Impfmetastasen liegt bei etwa 20%
-
Immunhistochemie: Mesotheliome sind oft positiv für Mesothelin, Calretinin, Zytokeratin 5/6, Vimentin
- Unterscheidung Adenokarzinom wichtig
- Therapie
- Chemotherapie (Cisplatin und Pemetrexed) + ggf. OP + ggf. Radiatio
- Bei einem frühen Pleuramesotheliom mit begrenztem Pleurabefall kann eine Pleuropneumoperikardio-Diaphragmektomie mit Resektion von Pleura, Lunge, Perikard und Zwerchfell mit postoperativer Radiatio und Chemotherapie eine kurative Therapie sein
- Prognose: Mittlere Überlebenszeit 1 Jahr
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prävention
- Seit 1990 besteht ein Verbot der Produktion und Verwendung von Asbest in Österreich und der Schweiz, seit 1993 in Deutschland und seit 2005 in der gesamten EU
- Weltweit werden insb. in Ländern des Globalen Südens weiter große Mengen Asbest produziert und verarbeitet
- Asbestsanierung von Gebäuden: Durchführung durch Fachunternehmen, Verwendung von Schutzkleidung und Atemschutzmaske, staubdichter Abschluss der Sanierungsstelle
Berufskrankheiten durch Asbest
- Durch Asbest verursachte Erkrankungen, die als Berufskrankheiten anerkannt werden, sind
- BK 4103 Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose)
- BK 4104 Ovarialkarzinom, Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- BK 4114 Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen
- BK 4105 Durch Asbest verursachtes Mesotheliom
- Zur Evaluation im Rahmen eines Prüfungsverfahrens auf Anerkennung als Berufskrankheit wird die kumulative Asbestfaserstaubdosis errechnet
- Als kritisches Maß gelten hier 25 Asbestfaserjahre
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- J61: Pneumokoniose durch Asbest und sonstige anorganische Fasern
- Inklusive: Asbestose
- Exklusive: Mit Tuberkulose der Atmungsorgane (J65), Pleuraplaques mit Asbestose (J92.0)
- J92.-: Pleuraplaques
- Inklusive: Pleuraverdickung
- J92.0: Pleuraplaques mit Nachweis von Asbest
- J92.9: Pleuraplaques ohne Nachweis von Asbest
- Pleuraplaques o.n.A.
- C45.-: Mesotheliom
- C45.0: Mesotheliom der Pleura
- Exklusive: Sonstige bösartige Neubildungen der Pleura (C38.4)
- C45.1: Mesotheliom des Peritoneums
- Mesenterium
- Mesokolon
- Omentum
- Peritoneum (parietale) (viscerale)
- Exklusive: Sonstige bösartige Neubildungen des Peritoneums (C48.‑)
- C45.2: Mesotheliom des Perikards
- Exklusive: Sonstige bösartige Neubildungen des Perikards (C38.0)
- C45.7: Mesotheliom sonstiger Lokalisationen
- C45.9: Mesotheliom, nicht näher bezeichnet
- C45.0: Mesotheliom der Pleura
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.