Zusammenfassung
Der (Haupt‑)Erreger der Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis) wurde 1882 von Robert Koch entdeckt. Aufgrund der besonderen Eigenschaften der Tuberkelbakterien (säurefest, langsames Wachstum, überleben in Makrophagen) unterscheidet sich das klinische Bild der Erkrankung deutlich von anderen bakteriellen Infektionskrankheiten.
Die meist aerogene Erstinfektion verläuft häufig latent ohne röntgendiagnostisch nachweisbaren Organbefund – seltener kommt es zur manifesten Primärtuberkulose mit intrapulmonalen Läsionen. Typisch ist ein subklinischer Verlauf, gelegentlich mit nur geringer Temperaturerhöhung sowie Gewichtsverlust und Nachtschweiß. Klassisches pulmonales Symptom ist ein produktiver Husten, gelegentlich mit Hämoptysen, der auf die symptomatische Therapie nicht anspricht. Ausgehend von dieser Infektion kann es auch nach langjährigem Verlauf insb. bei immungeschwächten Patienten zu einer endogenen (seltener exogenen) Reaktivierung mit hämatogener Streuung in theoretisch jedes Organ kommen. Aus diesem Grund ist die Tuberkulose ein interdisziplinäres Krankheitsbild, das sich sehr unterschiedlich präsentieren kann (z.B. Knochentuberkulose → Spezifische Spondylitis; Hauttuberkulose → Lupus vulgaris).
Diagnostisch wegweisend sind Befunde im Röntgen-Thorax und in laborchemischen Verfahren (z.B. γ-Interferon-Test, Tuberkulin-Test). Gesichert wird die Diagnose aber über den direkten Keimnachweis in der Mikroskopie, Kultur und/oder PCR. Da die Bakterien nur langsam wachsen, sich in Makrophagen „verstecken“ und ihre Zellwand von Medikamenten kaum penetriert werden kann, ist die Tuberkulosetherapie langwierig und kompliziert. Laut Standardschema werden zunächst Rifampicin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazinamid für 2 Monate kombiniert gegeben. Im Anschluss werden Rifampicin und Isoniazid für mind. weitere 4 Monate verabreicht. Die Inzidenz der Tuberkulose mit multiresistenten Erregern nimmt jedoch stetig zu.
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Definition
Begriffsdefinitionen
- Primäraffekt (Ghon-Herd)
- Intrapulmonaler spezifischer Tuberkuloseherd nach Erstinfektion
- Meist im oberen Teil des Unterlappens bzw. im unteren (rechten) Mittellappen
- Primärkomplex (Ghon-Komplex, Ranke-Komplex)
- Primäraffekt + lokale Lymphknotenreaktion (z.B. der Hiluslymphknoten)
- Verkalkt häufig
- Minimal Lesions
- Kleine Organherde durch erste hämatogene Aussaat
- Meist in den Lungenspitzen lokalisiert
- Simon-Spitzenherd: In den Lungenspitzen lokalisierte Minimal Lesions
- Assmann-Frühinfiltrat: Im Rahmen einer postprimären Tuberkulose reaktivierter Simon-Spitzenherd
Epidemiologie
- Verbreitung: Weltweit
- Latente Infektion: Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung [1]
- Von den Infizierten erkranken 5–10% im Laufe ihres Lebens an TB
- Etwa 10% der gleichzeitig mit HIV Infizierten erkranken im Laufe eines Jahres(!) an TB
- Neuerkrankungen
- 10 Mio. Fälle weltweit (2017) , davon ca. 460.000 Fälle von MDR-TB [1]
- Etwa 5.500 Fälle in Deutschland (2017) [2]
- Todesfälle
- 1,3 Mio. weltweit (2017), damit die zehnthäufigste Todesursache [1][3][4]
- 102 Todesfälle in Deutschland (2017) [2]
- Latente Infektion: Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung [1]
- Inzidenz: 6,7 Fälle/100.000 Einwohner pro Jahr (2017, Deutschland) [2]
- Hohe Inzidenzen weltweit u.a. in Mosambik, Südafrika und auf den Philippinen (>500 Fälle/100.000 Einwohner pro Jahr) [1]
- Hohe Inzidenzen europaweit in den postsowjetischen Staaten (etwa 50–80 Fälle/100.000 Einwohner pro Jahr) [5]
- Mortalität: 0,12 Todesfälle/100.000 Einwohner (2016, Deutschland) [2]
- Geschlecht: ♂ > ♀ (2:1) [2]
- Alter: In jedem Lebensalter, in Deutschland v.a. Fälle im dritten Lebensjahrzehnt diagnostiziert [2]
- Risikogruppen in Deutschland [2]
- Migranten und Spätaussiedler aus Ländern mit hoher Tuberkuloseprävalenz
- HIV-Infizierte und andere Immunsupprimierte
- Obdachlose
- Drogenabhängige
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Erreger: Mykobakterien
- Allgemeine Merkmale
- Unbewegliche, aerobe, grampositive, säurefeste Stäbchen mit lipidhaltiger Zellhülle
- Widerstandsfähigkeit: Lebensfähig in der Luft auch über längere Distanzen
- Säurefestigkeit
- Lebensfähig im Magensaft
- Schwer zu entfärben
- Mycobacterium-tuberculosis-Komplex
- Mycobacterium tuberculosis (95%): Haupterreger der Tuberkulose
- Infektionsweg: Insb. durch Tröpfcheninfektion
- Erregerreservoir: Vorwiegend Menschen
- Mycobacterium bovis: Haupterreger der Darmtuberkulose
- Infektionsweg: Insb. über den Verzehr von kontaminierter Kuhmilch
- Erregerreservoir: Vorwiegend Rinder
- Mycobacterium africanum (auf dem afrikanischen Kontinent verbreitet)
- Mycobacterium tuberculosis (95%): Haupterreger der Tuberkulose
Multiresistente Erreger
Die Inzidenz an multiresistenten Tuberkulosekeimen nimmt weltweit jährlich zu.
- Epidemiologie
- Varianten
- Ursachen
- Unzureichende Kombination, Regelmäßigkeit und Wirkstoffkonzentration, z.B. bei mangelnder Compliance oder nicht adäquater Behandlung
- Armut, Immunschwäche: Weltweite Tuberkuloseinzidenz steigt an und geht mit vermehrten multiresistenten Keimen einher
- Folgen (im Vergleich zu nicht-resistenten Erregern)
- Prognose: Heilungschancen bis zu 50% geringer
- Klinischer Verlauf: Häufiger Befall mehrerer Organe, häufiger Rezidive
Risikofaktoren
- Immunsuppression, HIV (weltweit betrachtet ist Tuberkulose die häufigste Todesursache bei AIDS-Patienten)
- Drogenabhängigkeit und Alkoholkrankheit
- Unterernährung
- Vorgeschädigte Lunge (z.B. Silikose, COPD)
Tuberkulose und AIDS beschleunigen wechselseitig den Krankheitsverlauf!
Klassifikation
Primärtuberkulose (Erstinfektion)
- Phänomene nach Erstinfektion
- Primärkomplex: Intrapulmonaler spezifischer Tuberkuloseherd (auch „Ghon-Herd“ oder „Primäraffekt“ genannt) + lokale Lymphknotenreaktion (z.B. der Hiluslymphknoten)
- Positiver indirekter Erregernachweis: Z.B. durch Tuberkulinhauttest
- Anschließender Krankheitsverlauf
- Latente Tuberkuloseinfektion (LTBI): In >95% der Fälle
- Positiver indirekter Erregernachweis, jedoch ohne klinischen Nachweis einer aktiven Tuberkulose
- Erreger werden durch Immunsystem kontrolliert und verkapselt, Reaktivierung jedoch möglich
- Manifeste Primärtuberkulose: In <5% der Fälle
- Radiologisch nachweisbarer und sich ausbreitender Primärkomplex
- Gefahr der lymphogenen, bronchogenen und/oder hämatogenen Streuung
- Latente Tuberkuloseinfektion (LTBI): In >95% der Fälle
Postprimäre Tuberkulose
- Definition: Organinfektion nach einer zurückliegenden Erstinfektion
- In 80% der Fälle ist die Lunge betroffen
- Zwischen Erstinfektion und postprimärer Tuberkulose können Monate bis Jahre liegen
- Einteilung
Falldefinitionen der Tuberkuloseerkrankung
Das Robert-Koch-Institut unterscheidet die fünf in der folgenden Tabelle aufgeführten Falldefinitionen der Tuberkulose. Eine klinische Diagnose oder ein Labornachweis ist in jedem Fall zwingend notwendig. Wird die Diagnose einer Tuberkulose gemäß Falldefinition gestellt, so besteht immer Meldepflicht (nach § 6 und/oder § 7 des IfSG) und jede aktive Tuberkulose ist behandlungsbedürftig. Davon abzugrenzen ist die latente Tuberkuloseinfektion (LTBI), die nicht der Meldepflicht unterliegt und nur unter besonderen Bedingungen einer Behandlung bedarf.
Falldefinitionen der Tuberkuloseerkrankung | ||||
---|---|---|---|---|
Falldefinitionen (Mycobacterium-tuberculosis-Komplex) | Was liegt vor? | Meldepflicht? (immer namentlich!) | Behandlungsbedürftig? | |
A und B | Klinisch diagnostizierte (A) oder klinisch-epidemiologisch (B) bestätigte Erkrankung |
|
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|
C | Klinisch-labordiagnostisch bestätigte Erkrankung |
| ||
D und E | Labordiagnostisch nachgewiesene Infektion bei nicht erfülltem (D) oder unbekanntem (E) klinischen Bild |
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Latente Tuberkuloseinfektion (LTBI) |
|
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Pathophysiologie
Virulenz der Tuberkelbakterien
Die Besonderheit der Tuberkelbakterien ist die Beschaffenheit der Zellwand (Zusammensetzung aus Wachs und Lipiden).
- Nährstoffe gelangen nur schwer ins Innere der Bakterien → Die Bakterien wachsen und vermehren sich langsam, sodass sie bei Erstinfektion keine klassische Entzündung auslösen
- Unempfindlichkeit gegenüber Noxen
- Nicht-aktivierte Makrophagen phagozytieren die Tuberkelbakterien, können sie aber nicht eliminieren und gehen selbst infolge der Vermehrung der Bakterien innerhalb des eigenen Zellleibs zugrunde
- Cord-Faktor
- Aufgrund ihres Aufenthaltes in den Phagozyten entgehen die Bakterien weitestgehend der humoralen Immunantwort durch Antikörper → Antikörperbestimmung in der Diagnostik spielt keine Rolle
- Nur durch T-Lymphozyten aktivierte Makrophagen können ein phagozytiertes Tuberkelbakterium töten
- Antibiotika haben nur einen Effekt, wenn sie kombiniert über einen langen Zeitraum gegeben werden
- Nicht-aktivierte Makrophagen phagozytieren die Tuberkelbakterien, können sie aber nicht eliminieren und gehen selbst infolge der Vermehrung der Bakterien innerhalb des eigenen Zellleibs zugrunde
Symptomatik
Primärtuberkulose (siehe auch: Klassifikation)
Die Primärtuberkulose ist fast ausschließlich eine Lungentuberkulose. Weitaus seltener zeigen sich andere Verlaufsformen der Primärtuberkulose.
- Entstehung: Mit einer Latenz von 4–8 Wochen nach Erstinfektion kommt es zu einer Immunantwort und damit zur Primärtuberkulose
- Klinischer Verlauf: Meist symptomlos; fakultativ kann es zu folgenden Symptomen kommen:
- Unspezifische Allgemeinsymptome: Subfebrile Temperaturen, Gewichtsverlust, Nachtschweiß (→ B-Symptomatik), Abgeschlagenheit
- Pulmonale Symptome: Produktiver Husten (evtl. mit Blutbeimengung, sog. Hämoptysen), Belastungsdyspnoe
Bei jungen Menschen mit Bluthusten sollte immer an eine Tuberkulose gedacht werden!
Postprimäre Tuberkulose (siehe auch: Klassifikation)
Eine postprimäre Tuberkulose entsteht zumeist durch endogene Reaktivierung (z.B. bei Immunschwäche) und kann durch hämatogene Streuung zu einzelnen Organmanifestationen führen. Häufig ist ein einzelnes Organsystem betroffen.
- 80% Lungentuberkulose (Klinik → Primärtuberkulose)
- 20% extrapulmonale Tuberkulose
Extrapulmonale Tuberkulose
Die Tuberkulose kann bei Aussaat jedes Organ befallen!
Urogenitale Tuberkulose (Genitaltuberkulose)
Die Tuberkulose kann sich in allen Strukturen des Urogenitaltraktes manifestieren (z.B. Tuberkulose der Nieren, der Ureteren, der Harnblase, der Urethra, der Prostata, der Samenblase, des Nebenhodens, der Adnexen)
- Mögliche Symptomatik
- Ableitende Harnwege: Dysurie, Flankenschmerzen, Hämaturie
- ♂: Bspw. Prostatabefall: Symptome einer Prostatitis
-
♀: Bspw. Adnexbefall: Sekundäre Amenorrhö, Tubenverwachsungen mit Infertilität/Sterilität
- Bei Pyosalpinx: Eitriger Fluor, Metrorrhagien und Hypermenorrhö, subfebrile Temperaturen
- Diagnostik
- Ableitende Harnwege
- Klinische Chemie mit Leitbefund: Sterile Leukozyturie in der Primärurinkultur
- Radiologische Bildgebung: Kalzifikationen, Strikturen und Kavernen
-
♀: Adnexbefall
- Labor: Direkter Nachweis der Mykobakterien im Menstrualblut
- Bildgebung: Pyosalpinx
- Ableitende Harnwege
- Therapie: Medikamentöse Tuberkulosetherapie, ggf. operative Lösung von Verwachsungen (♀) und Harnröhrenstrikturen
Hauttuberkulose
Die Tuberkulose der Haut kann sich auf unterschiedliche Weise manifestieren und exogener oder endogener (per continuitatem, lymphogen oder hämatogen) Genese sein. Häufigste Manifestationsformen sind der Lupus vulgaris und die Tuberculosis cutis colliquativa.
- Exogene Genese (Inokulationstuberkulose)
- Endogene Genese (sekundäre Tuberkulose)
- Lupus vulgaris: Häufigste und klassische Erscheinungsform der Hauttuberkulose, Auftreten insb. in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen
- Synonym: Tuberculosis cutis luposa
- Lokalisation: Bevorzugt im Gesicht
- Effloreszenzen: Rötlich-braune Verhornungen, später sind Ulzerationen, Narbenbildung und Verstümmelungen möglich
- Keine Schmerzen
- Diagnostik: Positives Sondeneinbruchsphänomen
- Einbrechen der Sonde in die betroffene Haut, bereits bei geringem Druck
- Tuberculosis cutis colliquativa
- Synonym (veraltet): Skrofuloderm
- Tuberkulose der Subkutis
- Vorkommen: Meist bei mittlerer bis schlechter Abwehrlage in Ländern des Globalen Südens
- Sonderform: Tuberkulöse Gumma
- Lupus vulgaris: Häufigste und klassische Erscheinungsform der Hauttuberkulose, Auftreten insb. in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen
- Tuberkulide
- Z.B. Tuberculosis cutis indurativa (Erythema induratum Bazin): Knotige Gefäßentzündung der Waden; betrifft v.a. Frauen
Andere Lokalisationen
- Rachen und Hals
- Kehlkopftuberkulose
- Klinik: Heiserkeit
- Endoskopische Diagnostik: Entzündung einer Stimmlippe (Monochorditis) mit Ulzerationen und Granulationen
- Angina tonsillaris bei Tuberkulose: Verkäsend ulzerierende Gaumentonsille
- Kehlkopftuberkulose
- Knochen („Knochentuberkulose“)
- Lokalisation: Am häufigsten Wirbelsäule (>50%) → Spezifische Spondylitis
- Bildgebung: Osteolysen
- Herz
- Manifestationsform: Am häufigsten feuchte Perimyokarditis mit Perikarderguss
- Verlauf: Häufig Entwicklung einer chronisch-konstriktiven Perikarditis, oft auch mit Kalkeinlagerungen (sog. „Panzerherz“)
- Auge: Meist in Form einer Uveitis posterior (z.B. retinale Vaskulitis , choroidales Tuberkulom )
- Darm („Darmtuberkulose“)
- Klinik: Chronische (blutige) Durchfälle, Fieber, Gewichtsverlust
- Ätiologie
- Früher häufig durch Trinken unpasteurisierter Milch, die mit Mycobacterium bovis kontaminiert war
- Heute insg. selten, wenn überhaupt meist als schwere Komplikation der Lungentuberkulose (Verschlucken von erregerhaltigem Sputum, auch hämatogene Übertragung möglich) v.a. bei Immundefizienz (AIDS)
- Lokalisation: Zu etwa 90% Ileozökalregion mit diskontinuierlichem, asymmetrischem Befallsmuster
- Diagnostik: Gastroskopie und Koloskopie mit Biopsie
Verlaufs- und Sonderformen
Weitere Manifestationsformen der Primärtuberkulose
Hiluslymphknoten-Tuberkulose
- Ätiologie: Mitreaktion der (hilären und/oder paratrachealen) Hiluslymphknoten im Rahmen einer Primärtuberkulose
- Komplikationen: Vergrößerung des Hilus mit Kompression und Verlegung von Bronchien mit nachfolgenden Atelektasen
Pleuritis tuberculosa
- Ätiologie: Tritt bei 30% aller Patienten mit Lungentuberkulose auf, meistens als Erstmanifestation ca. 3–7 Monate nach Infektion
- Klinik: Meist exsudative Rippenfellentzündung mit Pleuraerguss
- Häufig jüngere Patienten als bei einer Tuberkulose des Lungenparenchyms
- In ⅔ der Fälle konventionell-radiologisch keine Beteiligung des Lungenparenchyms nachweisbar
- Diagnostik: Histologischer Nachweis mittels thorakoskopischer Pleurabiopsie (der kulturelle Erregernachweis aus der Pleuraflüssigkeit gelingt nur selten, da die Erregerkonzentration im Punktat meist zu gering ist)
- Therapie: Tuberkulostatika zur Vermeidung einer endogenen Reinfektion
Bei unklaren chronisch rezidivierenden Pleuraergüssen sollte auch immer an eine Pleuritis tuberculosa gedacht werden!
Miliartuberkulose
- Definition: Hämatogene Generalisation bei schlechter Immunlage mit Befall mehrerer Organe
- Ätiologie: Kann direkt aus einer Primärtuberkulose (2–5 Monate nach Erstinfektion) oder Jahre nach einer Primärtuberkulose entstehen
- Formen der Miliartuberkulose: Der isolierte Befall nur eines Organs ist eher die Ausnahme
- Pulmonale Form (häufigste Form)
- Röntgen-Thorax: Gleichmäßig große, feinknotige Lungenherde über die gesamte Lunge („Schneegestöber“)
- Meningeale Form (Meningitis tuberculosa)
- Weitere Organe: Leber/Milz (Hepatosplenomegalie) , Nieren, Nebennieren, Chorioidea und Retina
- Pulmonale Form (häufigste Form)
Landouzy-Sepsis
- Erklärung: Septische Verlaufsform der Primärtuberkulose bei schlechter Immunlage mit hoher Sterblichkeit
Diagnostik
Anamnese [6][7]
- Reise- bzw. Migrationsanamnese
- Kontakt zu Erkrankten?
- Reise oder Herkunft aus Gebiet mit hoher Tuberkuloseinzidenz, insb. mit hoher Rate resistenter Tuberkulosestämme?
- Allgemeine Anamnese mit Fokus auf Risikofaktoren
- Risikofaktoren für eine Immunschwäche? (= prädisponierender Faktor für eine Tuberkuloseinfektion)
- Andere Vorerkrankungen oder immunsupprimierende Medikation?
- Suchtanamnese
- Risikofaktoren für eine Immunschwäche? (= prädisponierender Faktor für eine Tuberkuloseinfektion)
- Vorgeschichte einer Tuberkulose-Erkrankung oder -vorbehandlung?
Blutuntersuchung
- Evtl. unspezifische Infektkonstellation (CRP↑, BSG↑, Leukozytose)
- HIV-Test und Hepatitis-Serologie anbieten
- Keine tuberkulosespezifische Serologie bzw. Antikörper-Diagnostik!
Radiologie
- Bildgebende Verfahren bei Lungentuberkulose
- Röntgen-Thorax in 2 Ebenen (p.a. und lateral)
- Ggf. auch CT-Thorax
- Typische Radiologiebefunde bei Lungentuberkulose
- Primäre pulmonale Tuberkulose
- Wenig spezifisch!
- Hiläre Lymphknotenvergrößerung, homogene Konsolidierungen , einseitiger Pleuraerguss
- Postprimäre pulmonale Tuberkulose
-
Unscharf berandete, häufig bilaterale Konsolidierungen in den Oberlappen
- Im Verlauf: Ausbildung von dickwandigen, unscharf und unregelmäßig berandeten Kavernen („kavernöser Spitzenherd“)
- Einseitiger, häufig septierter Pleuraerguss mit reaktiven Pleuraverdickungen
-
Unscharf berandete, häufig bilaterale Konsolidierungen in den Oberlappen
- Abgeheilte Tuberkulose
- Verkalkte, teilweise sternförmige Narben
- Pleuraverdickungen und -verkalkungen, bevorzugt apikal
- Fibrose des Lungenparenchyms
- Primäre pulmonale Tuberkulose
Erregerdiagnostik
Indirekter Erregernachweis
Nachweis einer zellulären Immunreaktion auf Proteine von Mykobakterien
- Tuberkulin-Hauttest (Mendel-Mantoux-Test): Intrakutane Applikation von 2 Tuberkulineinheiten (= 0,1 mL) in die Beugeseite des Unterarmes nach Desinfektion der Haut; beurteilt wird nach 48–72 h der Durchmesser der Induration an der markierten Applikationsstelle
- Interferon-γ-Test (z.B. Quantiferon-Test) Bei diesem Test wird mittels ELISA die Menge an Interferon-γ gemessen, die von den T-Zellen des Patienten bei Kontakt mit Antigenen des Tuberkuloseerregers ausgeschüttet wird
- Veraltet: Tine-Test®
Aussagewert der indirekten Erregernachweisverfahren
Nachweis einer durchgemachten Infektion ohne Bezug zur Klinik. Es kann nicht zwischen aktiver klinischer und alter stummer Infektion unterschieden werden .
- Eingeschränkte Spezifität und Sensitivität (nur 70%)
- Falsch-negative Ergebnisse beim Tuberkulintest durch :
- Immunsuppression (z.B. bei HIV)
- Infektion liegt weniger als 6–8 Wochen zurück
- Lymphome
- Sarkoidose
- Falsch-positive Ergebnisse beim Tuberkulintest durch:
- BCG-Impfung
- Infektion mit anderen Mykobakterien
- Falsch-negative Ergebnisse beim Tuberkulintest durch :
- Vorteile des Interferon-γ-Tests gegenüber dem Tuberkulintest
- Kein Störeinfluss durch BCG-Impfung
- Bei frischen Infektionen schneller positiv (Tuberkulin-Hauttest ist im Mittel erst nach 8 Wochen positiv)
Direkter Erregernachweis
Ein direkter Erregernachweis kann aus verschiedenen Untersuchungsmaterialien erfolgen und sichert die Diagnose. Insb. bei extrathorakalen Manifestationen ist ein entsprechender Erregernachweis wegweisend.
- Sputum: Gewinnung und Untersuchung an drei verschiedenen Tagen durch Abhusten aus tiefen Atemwegen
- Bronchialsekret
- Bronchoalveoläre Lavage
- Bronchoskopische Biopsie bzw. Biopsie mit der „geschützten Bürste“
- Magensaft
- Urin
- Ejakulat
- Stuhl
- Blut bzw. Knochenmark
- Menstrualblut
- Gewebeproben bzw. Biopsien (bspw. koloskopische Biopsie bei V.a. Darmtuberkulose)
- Pleuraflüssigkeit, Aszites, Synovialflüssigkeit bzw. andere Exsudate
Bei Fehlen spezifischer Erforderlichkeiten sollten Untersuchungsmaterialien nativ in einem sterilen Behältnis aufgefangen und umgehend zur Untersuchung verschickt werden. Falls eine Lagerung notwendig ist, sollte bei 2–8°C gelagert werden!
Proben sollten stets VOR Therapiebeginn gesichert werden!
Untersuchungsverfahren
- Mikroskopie: Durch Spezialfärbung nach Ziehl-Neelsen oder Kinyoun ; zwar können säurefeste Stäbchen identifiziert werden, es kann aber nicht zwischen Tuberkulosebakterien und nicht-tuberkulösen Mykobakterien differenziert werden (Ergebnis sehr schnell, Voraussetzung ist eine Bakterienzahl von ca. 103–104 Keimen/mL)
- Spezielle Kultur (z.B. lipidhaltiger Löwenstein-Jensen-Agar): Die kulturelle Anzüchtung dauert bis zu 6 Wochen, erlaubt aber Speziesbestimmung und Antibiogramm und stellt damit den Goldstandard der Erregerdiagnostik dar
- PCR: Schnelldiagnostik in 2–3 Tagen, kann nach durchgemachter Tuberkulose noch bis zu 1 Jahr positiv sein
- Zur weiteren Erregerdiagnostik im Therapieverlauf siehe: Therapiemonitoring bei Lungentuberkulose
Abstriche (z.B. Wundabstriche auf Abstrichtupfern) sind zum direkten Erregernachweis schlecht geeignet. Zu diesem Zweck sollten stattdessen bspw. Gewebebiopsie, Aspiration oder Geschabsel vorgezogen werden!
Vor Probenentnahme enge Rücksprache mit dem zuständigen Labor halten! Die optimale Materialasservierung und der fachgemäße Versand tragen entscheidend zum Diagnoseerfolg im Labor bei!
Diagnostische Sicherung einer Tuberkulose
- Durchführung: An drei aufeinander folgenden Tagen wird Material gewonnen (z.B. Sputum, Urin, Magensaft, Menstruationsblut)
- Ergebnis
- Angestrebt wird immer eine Kultur mit Antibiogramm
- Bei negativem Befund und weiterhin begründetem Verdacht → Ggf. bronchoalveoläre Lavage mit Biopsie
- Offene Tuberkulose = Direkter Keimnachweis in Sekreten, v.a. in Sputum oder Magensaft
Blutkulturen gehören nicht zur Standarddiagnostik bei Tuberkulose, da sich die Mykobakterien in Blutkulturen kaum anzüchten lassen!
Resistenztestung bei Tuberkulose [6][7][8]
Testung auf Vorliegen von Medikamentenresistenzen, insb. gegen Medikamente der Standardtherapie
- Zeitpunkt
- Zu Therapiebeginn (nach erster kultureller Anzucht von Tuberkulosebakterien)
- 2 Monate nach Therapiebeginn, bei weiterhin positiven Sputumkulturen
- Methoden
- Resistogramm: Aus der Bakterienkultur
- Zeitdauer: Abhängig von Anzucht auf Nährboden bis zu mehrere Wochen
- Schnellresistenztestverfahren: PCR-basierte Verfahren mit Material aus Bakterienkultur oder Untersuchungsmaterial (z.B. Bronchialsekret)
- Indikation: Bei Risikofaktoren für eine SDR- bzw. MDR-Tuberkulose zusätzlich zum konventionellen Resistogramm
- Zeitdauer: Ca. 1 Tag
- Resistogramm: Aus der Bakterienkultur
Zu diagnostischen Untersuchungen im Rahmen des Therapiemonitorings siehe auch: Therapiemonitoring bei Lungentuberkulose
Pathologie
Histopathologie
- Tuberkulöses Granulom (Tuberkel): Charakteristisch verkäsende Nekrose im Zentrum
- Verkäsende Nekrose
- Radiologisch sichtbare Calciumablagerungen
- Gute Abwehrlage
- Lebenslange Persistenz
- Geschwächte Abwehrlage (z.B. bei Unterernährung, AIDS, Alkoholismus, Drogenabusus) und/oder Auseinanderfallen des Granuloms
- Streuung des Erregers
Verkäsende tuberkulöse Granulome sind ein Zeichen für eine gute Abwehrlage und charakteristisch für eine Tuberkulose. Beweisend sind sie aber nicht, da auch bei anderen Mykobakteriosen (u.a. tuberkuloide Form der Lepra) und bei tertiärer Syphilis ähnliche Granulome vorkommen können!
Andere histologische Formen
- Azinös-nodöse Tuberkulose: Zusammenschluss mehrerer Epitheloidzellgranulome zu makroskopisch sichtbaren riesigen Nekrosebezirken
- Miliartuberkulose: Feinknotige Einzelherde, meist ohne zentrale Nekrose
- Urogenitaltuberkulose
- Stufenartiger Verlauf mit initial einzelnen Tuberkeln und im Verlauf zunehmender verkäsender Destruktion des Kelchsystems
- Im Endstadium bröckelige, mörtelartige Destruktion der Niere („Kittniere“ oder „Mörtelniere“)
Zum Vergleich: Normalbefunde
Differenzialdiagnosen
Atypische Mykobakteriose [9]
- Erreger: Nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM), früher MOTT (engl. Akronym für „Mycobacteria other than tuberculosis“)
- Mykobakterien, die nicht dem Mycobacterium-tuberculosis-Komplex und nicht Mycobacterium leprae zugeordnet werden
- Bislang 147 NTM-Spezies bekannt
- Häufige Vertreter: Erreger des Mycobacterium-avium-intracellulare-Komplexes oder Mycobacterium kansasii
- Ubiquitär verbreitet, fakultativ humanpathogen
- Prävalenz: Weltweit steigend
- Prädisponierende Faktoren : Rauchen, Lungenerkrankungen , Immunschwäche (insb. bei HIV mit CD4-Zellzahl <50/μL) , genetische Prädisposition
- Prophylaxe [9][10]: Bei Personen mit HIV-Infektion: ART
- Sekundärprophylaxe bei persistierender CD4-Zellzahl <50/μL: Azithromycin , alternativ Clarithromycin möglich
- Absetzen: Bei CD4-Zellzahl >100/μL über einen Zeitraum von >6 Monate
- Sekundärprophylaxe bei persistierender CD4-Zellzahl <50/μL: Azithromycin , alternativ Clarithromycin möglich
Klinik
- Pulmonale Infektionen (Häufigste Manifestation)
- Haut- und Weichteilinfektionen
- Augen-, Ohr- , Skelett- und Katheter-assoziierte Infektionen
-
Zervikale Lymphadenitis und Lymphknotenabszess (bei Kindern)
- Erreger: Meist Mycobacterium avium
- Therapie: Exstirpation, ggf. tuberkulostatische Therapie bei ausgeprägter Umgebungsentzündung
- Disseminiert (bei HIV-Patienten mit CD4-Zellzahl <25/μL) : Häufig Lymphadenopathie und Knochenmarkinfiltration mit transfusionspflichtigen Zytopenien [9][10]
Diagnostik
- Diagnosekriterien bei pulmonaler Infektion
- Klinisch-röntgenologische Kriterien
- Klinik: Bronchopulmonale Symptome und
- Röntgen-Thorax: Noduläre oder kavernöse Herde oder
- HRCT: Multilokuläre Bronchiektasen und noduläre Herde
- Ausschluss der Differenzialdiagnosen
- Mikrobiologische Kriterien
- Mind. 2 positive Sputum-Kulturen mit säurefesten Stäbchen oder
- Positive Kultur aus bronchoskopischer Probe oder
- Lungenbiopsie mit typischem histologischen Befund und positiver Kultur aus bioptischem Material oder
- Lungenbiopsie mit typischem histologischen Befund und positiver Kultur aus mind. einem anderen Material
- Expertenkonsultation bei seltener Mykobakterien-Spezies oder Spezies, die auf eine Umweltkontamination hinweist
- Bei V.a. NTM-Infektion, Beobachtung bis zur definitiven Diagnosestellung oder bis zum Ausschluss
- Ggf. PCR zum Ausschluss einer TB
- Klinisch-röntgenologische Kriterien
- Diagnostik disseminierter Mycobacterium-avium-Infektion bei HIV-Patienten
- Mikrobiologischer Nachweis: >90% aus Blutkulturen möglich
Therapie
- Behandlungsindikation abhängig von
- Ausmaß der Erkrankung
- Nachweisbarer Keimzahl
- Röntgenologischem Krankheitsprogress
- Nutzen-Risiko-Analyse insb. hinsichtlich UAW
- Therapieoptionen
- Therapie der Grunderkrankung
- Chirurgisch: Gründlich abwägen und nur bei kurativer Intention
- Medikamentös
- Medikamentöse Therapie einer Mycobacterium-avium-Infektion [9]
- Schwere Erkrankung: Täglich Clarithromycin oder Azithromycin + Rifampicin oder Rifabutin + Ethambutol
- Option bei moderater Erkrankung : 3×/Woche Clarithromycin oder Azithromycin + oder Rifabutin + Ethambutol
- Therapiedauer: Bis Sputumkultur >12 Monate negativ
- Medikamentöse Therapie einer disseminierten Mycobacterium-avium-Infektion bei HIV-Patienten [9][10]
- Tägliche Kombinationstherapie: Clarithromycin oder Azithromycin + Ethambutol (ggf. + Rifabutin )
- Therapiedauer: 12 Monate
- Verlaufskontrolle: Klinisch + Blutkultur nach 2–4 Wochen
- Erhaltungstherapie: Makrolid + Ethambutol bis CD4-Zellzahl >100/μL über einen Zeitraum von >3–6 Monate
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Allgemeines
- Indikation: Sowohl der gesicherte als auch der hochgradige V.a. eine Tuberkulose sind Indikationen für die medikamentöse Standardtherapie
- Wenn möglich, sollte vor Beginn der Therapie genug Material für eine Kultur gewonnen werden, um in einem Antibiogramm mögliche Resistenzen zu erkennen und die Therapie im Verlauf anpassen zu können
- Infektiosität
- 4–6 Wochen nach Therapiebeginn ist ein Patient mit einer unkomplizierten Lungentuberkulose i.d.R. nicht mehr infektiös
- Ausnahme: Persistierender direkter Keimnachweis in Sekreten wie Sputum, Magensaft oder Urin (→ weiterhin „offene Tuberkulose“)
- 4–6 Wochen nach Therapiebeginn ist ein Patient mit einer unkomplizierten Lungentuberkulose i.d.R. nicht mehr infektiös
- Hygienische Maßnahmen
- Isolation
- Alle Personen mit V.a. offene Tuberkulose müssen isoliert werden!
- Ende der Isolation: 3 negative Sputummikroskopien an 3 unterschiedlichen Tagen
- Kontaminierte Abfälle müssen separat entsorgt werden, Schutzkleidung muss separat gewaschen werden
- Isolation
- Therapiemonitoring [11]
- Prüfung der Compliance (siehe hierzu: Management von Therapie-Incompliance und -unterbrechungen bei Tuberkulose)
- Ggf. Directly Observed Therapy (DOT)
- Prüfung des Therapieansprechens bzw. von Resistenzentwicklung
- Mikroskopische bzw. kulturelle Verlaufsuntersuchungen
- Röntgenkontrollen in regelmäßigen Abständen
- Monitoring von Medikamentennebenwirkungen
- Siehe hierzu: Tuberkulostatika - Weiteres Therapiemanagement
- Siehe auch: Therapiemonitoring bei Lungentuberkulose
- Prüfung der Compliance (siehe hierzu: Management von Therapie-Incompliance und -unterbrechungen bei Tuberkulose)
Medikamentös
- Ambulante Therapie möglich: Medikamente der Standardtherapie haben bei p.o.-Gabe eine hohe Bioverfügbarkeit
- Gesamttherapiedauer: Im Regelfall 6 Monate
- Initialphase mit 4-fach-Therapie: 2 Monate Isoniazid (INH) + Rifampicin (RMP) + Pyrazinamid (PZA) + Ethambutol (EMB) (siehe auch: Tuberkulostatika - Dosierungen und Therapiemanagement)
- Kontinuitätsphase mit 2-fach-Therapie: Über weitere 4 Monate, hierbei möglichst mit INH + RMP
- Verlängerung der Therapiedauer (auf 9–24 Monate), ggf. erforderlich bei
- Komplizierten Verläufen
- Unverträglichkeit eines der Medikamente der Standardtherapie
- Erkrankung durch multiresistente Erreger
- Verkürzung der Therapiedauer: Forschungsansätze konzentrieren sich insb. auf die Möglichkeit verkürzter Therapieregime; bisher finden verkürzte Konzepte keinen Einzug in die Standardbehandlung
- Eine Kombinationstherapie ist obligat, um eine adäquate Erregerelimination zu ermöglichen und eine Resistenzbildung zu verhindern
Tuberkulostatika [11]
Bis auf Ethambutol (bakteriostatisch) wirken alle Tuberkulostatika bakterizid.
Tuberkulostatika - Übersicht (Medikamente der Standardtherapie) | Abk. | Anwendung | Wichtige Nebenwirkungen |
---|---|---|---|
Isoniazid | INH | 6 Monate |
|
Rifampicin | RMP | 6 Monate |
|
Pyrazinamid | PZA | 2 Monate |
|
Ethambutol | EMB | 2 Monate |
|
- Siehe für Dosierungen: Tuberkulostatika - Dosierungen für Erwachsene
„PERI“ als Akronym für die vier Standardmedikamente: Pyrazinamid, Ethambutol, Rifampicin, Isoniazid
Durch Enzyminduktion in der Leber kann es zu Wirkungsabschwächungen anderer Medikamente kommen, die über das gleiche Cytochrom metabolisiert werden (u.a. orale Antidiabetika, Calciumantagonisten, Statine, orale Kontrazeptiva)!
Während der tuberkulostatischen Therapie müssen regelmäßige Kontrollen von Blutbild, Harnsäure, Nierenretentionsparametern und Leberwerten erfolgen!
Vor Therapiebeginn ist wegen der Gefahr einer Optikusneuritis bei Ethambutol-Gabe ein Ophthalmologie-Konsil indiziert!
Weitere Tuberkulostatika [12][13]
- Substanzen : Bspw.
- Fluorchinolone (z.B. Levofloxacin, Moxifloxacin)
- Injizierbare Medikamente (z.B. Amikacin und Streptomycin ) [12]
- Siehe auch: WHO-Gruppierung der Tuberkulostatika
- Indikation: Resistenzen oder Komplikationen bei der Therapie mit den Medikamenten der Standardtherapie
- Siehe hierzu auch: Alternative Tuberkulose-Therapieregime bei vorbehandelten Patienten, Resistenzen oder Unverträglichkeiten
Vor Therapiebeginn ist wegen der Ototoxizität von Streptomycin immer ein HNO-Konsil indiziert!
Tuberkulostatika - Dosierungen und Therapiemanagement
Kurzzusammenfassung: Tuberkulostatika - Dosierungen für Erwachsene [7]
- Standardtherapie: Zu Therapiebeginn über 2 Monate alle 4 Wirkstoffe (INH + RMP + PZA + EMB), danach über weitere 4 Monate 2 Wirkstoffe, bevorzugt INH und RMP
- Einnahmezeitpunkt: I.d.R. alle Medikamente zusammen, morgens nüchtern
- Wirkstoffe
- Isoniazid (INH)
- Rifampicin (RMP)
- Pyrazinamid (PZA)
- Ethambutol (EMB)
- Siehe auch: Tuberkulostatika - Übersicht
Tuberkulostatika bei Niereninsuffizienz
- Substanzspezifische Hinweise
- Isoniazid und Rifampicin: Keine Anpassung erforderlich
- Pyrazinamid und Ethambutol: Ab GFR <30 mL/min Reduktion der Gabefrequenz von täglich auf 3×/Woche
- Dialysepatienten
- Jeweilige Fachinformation bzgl. des Gabezeitpunkts, der Dosis und der Gabefrequenz beachten
- Ggf. Blutspiegelkontrollen veranlassen, um Dosisakkumulation zu vermeiden
Therapie der extrapulmonalen Tuberkulose [7]
Therapie der extrapulmonalen Tuberkulose | |||
---|---|---|---|
Lokalisation | Initialphase | Kontinuitätsphase | Adjuvante Steroidgabe |
Knochen und/oder Gelenke |
|
|
|
Perikard |
|
|
|
Disseminiert (Miliar-Tbc) |
|
|
|
- Siehe auch: Therapie der tuberkulösen Meningitis
Tuberkulostatika - Weiteres Therapiemanagement [7]
Zahlreiche potenzielle Nebenwirkungen erfordern vor und während einer tuberkulostatischen Therapie Kontrolluntersuchungen!
- Für eine Zusammenfassung des Therapiemonitorings siehe: Therapiemonitoring bei Lungentuberkulose
Laboruntersuchungen
- Vor Therapiebeginn
- Blutbild inkl. Differenzialblutbild
- Nierenfunktionsparameter: Kreatinin, Harnstoff, Elektrolyte
- Leberfunktionsparameter: Transaminasen, GGT, AP, Bilirubin, INR
- Bei Risikogruppen bzw. auffälligen Leberfunktionsparametern: Ausschluss von Hepatitis B und Hepatitis C
- Angebot eines HIV-Tests
- Nach Therapieeinleitung: Kontrolle von Blutbild, Nieren- und Leberfunktionsparametern nach 2 und 4 Wochen
- Bei stabilen Werten: Ausdehnung des Kontrollintervalls auf 4 Wochen
- Bei auffälligen Werten: Verkürzung der Kontrollintervalle, ggf. Erforderlichkeit eines Therapieabbruchs
- Hyperurikämie bei PZA-Therapie: Bei einer Therapie mit PZA tritt regelhaft eine Hyperurikämie auf, die bei Fehlen einer klinischen Symptomatik nicht behandelt werden muss
Tuberkulostatika - Therapiemanagement der Hepatotoxizität
- Hepatotoxisches Potenzial
- 3 der 4 Wirkstoffe sind potenziell hepatotoxisch: INH , RMP und PZA
- Risikogruppen: Ältere Patienten, Patienten mit vorbestehender Leberschädigung (insb. durch Alkoholismus)
- Toleranzbereich zum Therapiestart: Geringgradige Leberwerterhöhungen können toleriert werden
- Abbruchkriterien unter laufender Therapie: Absetzen von INH, RMP und PZA bei
- Asymptomatischen Patienten : ≥5-fache Erhöhung von GOT, GPT, AP oder GGT bzw. ≥2-fache Erhöhung des Bilirubins
- Symptomatischen Patienten: ≥3-fache Erhöhung von GOT, GPT, AP oder GGT bzw. bei jeglicher Hyperbilirubinämie
- Wiederbeginn der Therapie: Einschleichende sequenzielle Eindosierung der einzelnen Wirkstoffe nach einer Karenz von 2 Wochen
- Engmaschige Laborwertkontrollen in diesem Zeitraum; bei auftretenden Erhöhungen ist der auslösende Wirkstoff identifiziert
- Bei Unverträglichkeit eines der Medikamente und entsprechendem dauerhaften Verzicht verlängert sich die Gesamttherapiedauer auf mind. 9 Monate
Ophthalmologische Diagnostik
- Risikopotenzial: EMB kann zur Optikusneuritis führen; das Schädigungsmuster kann bis hin zur Erblindung fortschreiten
- Ophthalmologische Untersuchung: Inkl. Prüfung von Visus, Gesichtsfeld und Farbsehvermögen
- Zu Therapiebeginn
- 4 und 8 Wochen nach Therapiebeginn
- Bei Auftreten von Auffälligkeiten: Verkürzte Kontrollintervalle
- Therapieabbruch bei
- Auftreten jeglicher Sehstörung
- Rot-Grün-Farbsehschwäche (Frühsymptom)
Hautreaktionen unter tuberkulostatischer Therapie
- Leichtgradige histaminvermittelte allergische Reaktionen: Behandlung mit Antihistaminika topisch oder systemisch (z.B. Cetirizin )
- Flush-Symptomatik unter PZA-Eindosierung: Kann i.d.R. durch einschleichende Aufdosierung über 5 Tage abgemildert werden
- Photosensibilität unter PZA-Therapie: Sonnenlichtexposition ist zu meiden, ggf. Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor einsetzen
- Hautreaktionen als Warnsymptome: Erfordern i.d.R. einen Abbruch der Therapie und eine Ursachenabklärung
- Fieber und Beteiligung der Schleimhäute: Können auf ein Stevens-Johnson-Syndrom hinweisen
- Petechien: Können auf eine Thrombopenie, ggf. kombiniert mit einer Leukopenie, hinweisen
- Ikterus: Kann auch auf eine hämolytische Anämie hinweisen
Überblick - Medikamentöse Interaktionen der Tuberkulostatika
- Isoniazid
- Steigert den Serumspiegel von Phenytoin, Carbamazepin, Phenprocoumon, Diazepam und Protionamid
- Senkt den Serumspiegel von Azol-Antimykotika
- Rifampicin
- Senkt den Serumspiegel von Cumarinen, Sulfonylharnstoffen, Glucocorticoiden, Theophyllin, Ciclosporin, Digitalisglykosiden, Digoxin und Digitoxin
- Antiretrovirale Therapie bei HIV: Rifampicin erhöht den Serumspiegel einer Vielzahl antiretroviraler Medikamente
- Pyrazinamid: Steigert den Serumspiegel von Ciclosporin
- Ethambutol: Wird in seiner Resorption durch Antazida maßgeblich behindert
Therapiemonitoring bei Lungentuberkulose
Definition der Therapieendpunkte [7][14]
- Heilung: Vollständige Therapie und
- Mind. 1 negative Kultur im Therapieverlauf und
- 1 negative Kultur im letzten Therapiemonat
- Abgeschlossene Therapie: Vollständige Therapie ohne Nachweis einer negativen Kultur zu Therapieende
- Therapieerfolg: Heilung oder abgeschlossene Therapie
- Therapieversagen: Beendigung der Therapie oder Wechsel von mind. 2 Tuberkulostatika im Therapieverlauf wegen
- Fehlender Konversion von positiver auf negative Kultur nach 5-monatiger Therapiedauer
- Erneutem Nachweis einer positiven Kultur nach zuvor stattgehabter kultureller Konversion
- Hinweisen für Resistenzen gegen Fluorchinolone oder injizierbare Medikamente der Nicht-Standardtherapie
- Nicht tolerierbarer Nebenwirkungen
- Tod: Tod jedweder Genese vor Beginn oder während der Therapie
- Therapieabbruch: Therapieunterbrechen ≥2 Monate
- Der Nachbeobachtung verloren gegangen: Ein Follow-Up des Patienten ist aufgrund eines Wegzugs nicht mehr möglich
- Fortführung der Therapie: Andauern der Therapie für >12 Monate
Management von Therapie-Incompliance und -unterbrechungen bei Tuberkulose
- Maßnahmen zur Verbesserung der Therapieadhärenz [7]
- Differenzierte Aufklärung, ggf. mit Dolmetscher
- Behandlungskontinuität sicherstellen, u.a. durch Ausstellen eines Therapiepasses (für andere involvierte Therapeuten)
- Kombinationspräparate mit fixer Wirkstoffkombination versuchen
- Psychologische, soziale und materielle Unterstützung anbieten
- Hilfsmittel nutzen, die eine ambulante Versorgung erleichtern: Hausbesuche, Erinnerungs-SMS, Telefonanrufe
- Bei drohender/bestehender Incompliance
- Direkte überwachte Therapie (DOT) bzw. unterstützte Therapie erwägen
- Ultima Ratio bei Incompliance und hoher Infektiosität: Einholung eines richterlichen Beschlusses zur Einweisung in eine spezialisierte isolierte Einrichtung erwägen
- Vorgehen nach Unterbrechung einer Tuberkulosetherapie [7]
- Eine Pause über mehr als 2 Monate gilt als Therapieabbruch → Beachte Hinweise zur Meldepflicht bei Tuberkulose
- Neubeginn der Therapie erforderlich, siehe: Therapieregime bei tuberkulostatisch vorbehandelten Patienten
- Bei Pause über weniger als 2 Monate: Individuelle Abschätzung, ob Weiterführung oder Neubeginn der Therapie mehr Sinn macht
- Eine Pause über mehr als 2 Monate gilt als Therapieabbruch → Beachte Hinweise zur Meldepflicht bei Tuberkulose
Alternative Therapieregime bei vorbehandelten Patienten, Resistenzen oder Unverträglichkeiten
Aufgrund der erhöhten Gefahr für bestehende Resistenzen bzw. für die Entwicklung weiterer Resistenzen im Therapieverlauf ist bei diesen Patientengruppen eine enge Rücksprache mit spezialisierten Zentren sinnvoll. Siehe hierzu Adressen, Links und Telefonnummern unter Tipps & Links am Ende des Kapitels.
Therapieregime bei tuberkulostatisch vorbehandelten Patienten [7][15]
- Problematik: Erhöhtes Risiko für Resistenzen
- Implikationen
- Schnellresistenztestung vor Therapiebeginn
- Kulturelle Resistenztestung veranlassen
- I.d.R. verlängerte Therapiedauer über 9 Monate sinnvoll
- Beginn mit empirischer Therapie in Abhängigkeit von Ergebnissen der Schnellresistenztestung und der aktuellen epidemiologischen Lage
- Therapieempfehlungen
- Therapieabbruch oder Rezidiv (ohne Resistenzen im Schnelltest): 5-fach Therapie nach PREIS-Schema , bis das Ergebnis der kulturellen Resistenztestung vorliegt
- Nach Therapieversagen: Therapie entsprechend den Ergebnissen der aktuellen Schnellresistenztestung mit Anpassung nach Erhalt der kulturellen Resistenzen [7] [5]
Therapieregime bei Monoresistenz oder Unverträglichkeit eines Standardmedikaments [7][12][13]
- Problematik: Erhöhtes Risiko zur Entwicklung weiterer Resistenzen bei fehlerhafter Therapie
- Implikationen
- Oft längere Therapiedauer notwendig
- I.d.R. Ergänzung der Therapie durch ein Fluorochinolon (FQ), meist Moxifloxacin oder alternativ Levofloxacin
Therapieregime bei Monoresistenz oder Unverträglichkeit eines Standardmedikaments | ||
---|---|---|
Monoresistenz oder Unverträglichkeit | Initialphase (immer 2 Monate) | Kontinuitätsphase |
Rifampicin (RMP): Unverträglichkeit | INH + EMB + FQ + PZA | INH + EMB + FQ für 10–18 Monate |
Isoniazid (INH): Monoresistenz oder Unverträglichkeit | RMP + EMB + FQ + PZA |
|
Pyrazinamid (PZA): Monoresistenz oder Unverträglichkeit | INH + RMP + EMB (ggf. + FQ) | INH + RMP für 7 Monate |
Ethambutol (EMB): Unverträglichkeit | INH + RMP + PZA (ggf. + FQ) | INH + RMP für 4 Monate |
Eine Kombination von Rifampicin und Moxifloxacin kann zu reduzierten Moxifloxacin-Spiegel führen. Wenn möglich alternative Kombinationen bevorzugen oder ggf. regelmäßige Spiegelkontrollen veranlassen!
Die Rifampicin-Monoresistenz (RR-Tuberkulose) wird wie eine MDR-Tuberkulose therapiert!
Therapieregime bei MDR-, RR- und XDR-Tuberkulose [7][12][13]
Allgemeines
- Erheblich längere Therapiedauer notwendig
- Behandlung in spezialisierten Zentren dringend empfohlen!
- Vor Therapiebeginn molekularbiologische Resistenztestung
- Beginn entsprechend den Ergebnissen der molekularbiologischen Resistenztestung
- Es sollte immer eine kostenlose Zweituntersuchung am Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Mykobakterien erfolgen
- Im Verlauf ggf. Anpassung entsprechend der Ergebnisse der kulturellen Resistenztestung
- Wenn möglich orales Therapieschema anstreben
- Kulturelle und mikroskopische Untersuchungen des Sputums sollten monatlich zur Beurteilung des Therapieansprechens durchgeführt werden
- Ggf. sind zusätzliche operative Eingriffe (bspw. eine Lobektomie) indiziert
- Bei einer zusätzlichen HIV-Infektion sollte auch so früh wie möglich (innerhalb der ersten 8 Wochen) eine antiretrovirale Therapie eingeleitet werden
- Ein Monitoring der Compliance und das Management von Therapie-Incompliance und -unterbrechungen bei Tuberkulose ist obligat
Kombinationstherapie nach WHO-Empfehlung
- Mind. 4-fach-Kombination für mind. 6 Monate, danach mind. 3-fach-Kombination sicher wirksamer Substanzen
- Dennoch wird in den meisten Fällen eine 5-fach-Kombination initiiert, um einen späteren Substanzwechsel zu verhindern, wenn
- eine vorzeitige Therapiebeendigung mit einzelnen Substanzen vorhersehbar ist
- Resistenzen gegenüber einer Substanz regional bekannt sind und keine zuverlässige Resistenztestung vorliegt
- nur zwei Substanzen des Regimes aus den Gruppen A und B stammen
- Es sollten alle Medikamente der WHO-Gruppe A plus mind. 1 Medikament der WHO-Gruppe B eingesetzt werden
- Sollten nur 2 Medikamente der WHO-Gruppe A einsetzbar sein, sollten beide Substanzen der WHO-Gruppe B im Regime enthalten sein
- Sollten nicht genügend wirksame Tuberkulostatika aus den WHO-Gruppen A und B für die initial angestrebte 4- bzw. 5-fach-Therapie zur Verfügung stehen, sollten Substanzen aus der WHO-Gruppe C zum Einsatz kommen
- Substanzen der WHO-Gruppe C sollten entsprechend folgender Faktoren präferiert eingesetzt werden
- Alter und Komorbiditäten der Betroffenen
- Lokale Resistenzen
- Reihenfolge der Benennung in der Tabelle WHO-Gruppierung der Tuberkulostatika
- Kanamycin und Capreomycin sollen nicht mehr eingesetzt werden, da sie mit erhöhtem Therapieversagen und Rückfällen einhergehen
- Bei Einsatz von Amikacin oder Streptomycin wird eine Initialphase von 6–7 Monaten empfohlen
- Dennoch wird in den meisten Fällen eine 5-fach-Kombination initiiert, um einen späteren Substanzwechsel zu verhindern, wenn
Therapiedauer
- Mind. 18–20 Monate [7][13]
- Mind. 15–17 Monate nach kultureller Konversion
- Alternativ: Kurzzeitregime von 9–12 Monaten nach Ausschluss von Resistenzen gegen Substanzen der WHO-Gruppen A und B [13]
WHO-Gruppierung der Tuberkulostatika | ||
---|---|---|
WHO-Gruppe | Bedeutung/Verwendung | Einzelsubstanzen |
A | Alle drei Substanzen sollten enthalten sein |
|
B | Eine oder zwei Substanzen sollten zusätzlich ergänzt werden |
|
C | Add-On- oder Alternativ-Medikamente |
|
Bei Therapieversagen sollte zu einem bestehenden Regime niemals nur ein Medikament hinzugenommen werden. Um einer weiteren Resistenzbildung vorzubeugen, sollten mind. 2 oder 3 neue Substanzen eingesetzt werden!
Bei einer gleichzeitigen Unverträglichkeit gegen Rifampicin und Isoniazid wird wie eine MDR-Tuberkulose therapiert!
Maßnahmen bei Kontakt mit offener Tuberkulose
- Kontaktierung von Kontaktpersonen und Umgebungsuntersuchung: Abhängig vom lokalen Gesundheitsamt
- Diagnostik: Durchführung eines Interferon-γ-Tests und eines Röntgen-Thorax
- Therapie
- Bei Erregernachweis: Sofortiger Therapiebeginn
- Ohne Erregernachweis: Die Maßnahmen sind insb. bei Immunsuppression und bei Kindern indiziert
- Positiver Interferon-γ-Test und/oder Tuberkulin-Hauttest: Chemoprävention einer LTBI mit Isoniazid für 9 Monate
- Negativer Interferon-γ-Test und/oder Tuberkulin-Hauttest: Ggf. Chemoprophylaxe mit Isoniazid für 3 Monate (Absetzen nach 3 Monaten bei negativem Interferon-γ-Test)
Prävention
Impfung gegen Tuberkulose
- STIKO-Empfehlung: Die aktive BCG-Impfung mit dem attenuierten Lebendimpfstoff wird von der STIKO seit 1998 aufgrund folgender Punkte nicht mehr empfohlen:
- Wirksamkeit unter 50%
- Starke Nebenwirkungen
- WHO-Empfehlung: Für Populationen mit einem Tuberkulose-Infektionsrisiko <0,1% (z.B. in Europa) ist keine generelle BCG-Impfung empfohlen
- Besonderheit: Der attenuierte BCG-Lebendimpfstoff gegen Tuberkulose kommt auch in der lokalen Therapie des Harnblasenkarzinoms zum Einsatz
- Impfstoff: BCG-Lebendimpfstoff zur intradermalen Applikation
Ein falsch-positiver Tuberkulintest bei BCG-Geimpften ist möglich!
Meldepflicht
- Arztmeldepflicht nach § 6 IfSG
- Namentliche Meldepflicht nur bei Erkrankung oder Tod durch behandlungsbedürftige Tuberkulose, auch ohne bakteriologischen Nachweis
- Namentliche Meldepflicht auch bei Verweigern oder Abbruch der Behandlung einer (behandlungsbedürftigen) Lungentuberkulose
- Der Verdacht ist nicht meldepflichtig!
- Labormeldepflicht nach § 7 IfSG
- Namentliche Meldepflicht nur bei direktem Erregernachweis (vorab namentliche Meldung bei Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum, nachfolgend Meldung der Resistenzbestimmung)
Studientelegramme zum Thema
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 115-2025-3/3: Sharing isn’t always caring: preventing TB transmission with levofloxacin
- One-Minute Telegram 75-2023-2/3: Continue screening at-risk individuals for LTBI
- One-Minute Telegram 71-2023-1/3: TRUNCATE-TB: Sometimes less isn’t less
- One-Minute Telegram 4-2020-3/3: Rifampin vs. isoniazid for latent TB infection: better care at a lower cost
Hast du Interesse an regelmäßigen Updates zu aktuellen Studien aus dem Bereich der Inneren Medizin? Dann abonniere das Studien-Telegramm! Den Link zur Anmeldung sowie zu weiteren spannenden AMBOSS-Formaten findest du am Seitenende unter „Tipps & Links“.
AMBOSS-Podcast zum Thema
Tuberkulose (Dezember 2022)
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Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Tuberkulose
Tuberkulose – Teil 1
Tuberkulose – Teil 2
Tuberkulose – Teil 3
Tuberkulostatika
Isoniazid
Rifampicin
Pyrazinamid
Ethambutol
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Tuberkulose (A15–A19)
- Inklusive: Infektionen durch Mycobacterium tuberculosis und Mycobacterium bovis
- Exklusive: Angeborene Tuberkulose (P37.0), Folgezustände der Tuberkulose (B90.‑), Pneumokoniose in Verbindung mit Tuberkulose (J65), Silikotuberkulose (J65)
A15.-: Tuberkulose der Atmungsorgane, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert
- A15.0: Lungentuberkulose, durch mikroskopische Untersuchung des Sputums gesichert, mit oder ohne Nachweis durch Kultur oder molekularbiologische Verfahren
- Tuberkulös:
- A15.1: Lungentuberkulose, nur durch Kultur gesichert
- Unter A15.0 aufgeführte Zustände, nur durch Kultur gesichert
- A15.2: Lungentuberkulose, histologisch gesichert
- Unter A15.0 aufgeführte Zustände, histologisch gesichert
- A15.3: Lungentuberkulose, durch sonstige und nicht näher bezeichnete Untersuchungsverfahren gesichert
- A15.4: Tuberkulose der intrathorakalen Lymphknoten, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert
- Lymphknotentuberkulose:
- Hilär
- Mediastinal
- Tracheobronchial
- Exklusive: Als primär bezeichnet (A15.7)
- Lymphknotentuberkulose:
- A15.5: Tuberkulose des Larynx, der Trachea und der Bronchien, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert
- A15.6: Tuberkulöse Pleuritis, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert
- Tuberkulöses Empyem
- Tuberkulose der Pleura
- Exklusive: Bei primärer Tuberkulose der Atmungsorgane, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert (A15.7)
- A15.7: Primäre Tuberkulose der Atmungsorgane, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert
- A15.8: Sonstige Tuberkulose der Atmungsorgane, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert
- Tuberkulose:
- Mediastinum
- Nase
- Nasennebenhöhle [jede]
- Nasopharynx
- A15.9: Nicht näher bezeichnete Tuberkulose der Atmungsorgane, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert
A16.-: Tuberkulose der Atmungsorgane, weder bakteriologisch, molekularbiologisch noch histologisch gesichert
- A16.0: Lungentuberkulose, weder bakteriologisch, molekularbiologisch noch histologisch gesichert
- Tuberkulös:
- A16.1: Lungentuberkulose, bakteriologische, molekularbiologische und histologische Untersuchung nicht durchgeführt
- Unter A16.0 aufgeführte Zustände, bakteriologische, molekularbiologische und histologische Untersuchung nicht durchgeführt
- A16.2: Lungentuberkulose ohne Angabe einer bakteriologischen, molekularbiologischen oder histologischen Sicherung
- Lungentuberkulose
- Tuberkulös:
- A16.3: Tuberkulose der intrathorakalen Lymphknoten ohne Angabe einer bakteriologischen, molekularbiologischen oder histologischen Sicherung
- Lymphknotentuberkulose:
- Hilär
- Intrathorakal
- Mediastinal
- Tracheobronchial
- Exklusive: Als primär bezeichnet (A16.7)
- Lymphknotentuberkulose:
- A16.4: Tuberkulose des Larynx, der Trachea und der Bronchien ohne Angabe einer bakteriologischen, molekularbiologischen oder histologischen Sicherung
- A16.5: Tuberkulöse Pleuritis ohne Angabe einer bakteriologischen, molekularbiologischen oder histologischen Sicherung
- Tuberkulös:
- Empyem o.n.A.
- Pleuritis
- Tuberkulose der Pleura
- Exklusive: Bei primärer Tuberkulose der Atmungsorgane (A16.7)
- Tuberkulös:
- A16.7: Primäre Tuberkulose der Atmungsorgane ohne Angabe einer bakteriologischen, molekularbiologischen oder histologischen Sicherung
- Primäre(r):
- Tuberkulose der Atmungsorgane o.n.A.
- Tuberkulöser Komplex
- Primäre(r):
- A16.8: Sonstige Tuberkulose der Atmungsorgane ohne Angabe einer bakteriologischen, molekularbiologischen oder histologischen Sicherung
- Tuberkulose:
- A16.9: Nicht näher bezeichnete Tuberkulose der Atmungsorgane ohne Angabe einer bakteriologischen, molekularbiologischen oder histologischen Sicherung
- Tuberkulose o.n.A.
- Tuberkulose der Atmungsorgane o.n.A.
A17.-: Tuberkulose des Nervensystems
- A17.0: Tuberkulöse Meningitis (G01*)
- Tuberkulöse Leptomeningitis
- Tuberkulose der Meningen (zerebral) (spinal)
- A17.1: Meningeales Tuberkulom (G07*)
- Tuberkulom der Meningen
- A17.8: Sonstige Tuberkulose des Nervensystems
- Tuberkulös:
- Hirnabszess (G07*)
- Meningoenzephalitis (G05.0*)
- Myelitis (G05.0*)
- Polyneuropathie (G63.0*)
- Tuberkulom in Gehirn/Rückenmark (G07*)
- Tuberkulose in Gehirn/Rückenmark (G07*)
- Tuberkulös:
- A17.9†: Tuberkulose des Nervensystems, nicht näher bezeichnet (G99.8*)
A18.-: Tuberkulose sonstiger Organe
- A18.0†: Tuberkulose der Knochen und Gelenke
- Tuberkulös:
- Arthritis (M01.1-*)
- Knochennekrose (M90.0-*)
- Mastoiditis (H75.0*)
- Osteomyelitis (M90.0-*)
- Ostitis (M90.0-*)
- Synovitis (M68.0-*)
- Tenosynovitis (M68.0-*)
- Tuberkulose:
- Hüfte (M01.15*)
- Knie (M01.16*)
- Wirbelsäule (M49.0-*)
- Tuberkulös:
- A18.1: Tuberkulose des Urogenitalsystems
- A18.2: Tuberkulose peripherer Lymphknoten
- Tuberkulöse Lymphadenitis
- Exklusive: Tuberkulöse tracheobronchiale Adenopathie (A15.4,A16.3), Tuberkulose der Lymphknoten: intrathorakal (A15.4, A16.3), mesenterial und retroperitoneal (A18.3)
- A18.3: Tuberkulose des Darmes, des Peritoneums und der Mesenteriallymphknoten
- Tuberkulös:
- Aszites
- Enteritis† (K93.0*)
- Peritonitis† (K67.3*)
- Tuberkulose:
- Anus und Rektum† (K93.0*)
- Darm (Dickdarm) (Dünndarm)† (K93.0*)
- Retroperitoneal (Lymphknoten)
- Tuberkulös:
- A18.4: Tuberkulose der Haut und des Unterhautgewebes
- Lupus:
- Exedens
- Vulgaris:
- Des Augenlides† (H03.1*)
- O.n.A.
- Skrofuloderm
- Tuberculosis cutis indurativa [Erythema induratum, tuberkulös]
- Exklusive: Lupus erythematodes(L93.‑), Systemischer Lupus erythematodes (M32.‑)
- Lupus:
- A18.5: Tuberkulose des Auges
- Tuberkulöse:
- Chorioretinitis† (H32.0*)
- Episkleritis† (H19.0*)
- Interstitielle Keratitis† (H19.2*)
- Iridozyklitis† (H22.0*)
- Keratokonjunktivitis (interstitiell) (phlyktänulär)† (H19.2*)
- Exklusive: Lupus vulgaris des Augenlides (A18.4)
- Tuberkulöse:
- A18.6: Tuberkulose des Ohres
- Tuberkulöse Otitis media† (H67.0*)
- Exklusive: Tuberkulöse Mastoiditis (A18.0†)
- A18.7†: Tuberkulose der Nebennieren (E35.1*)
- Addison-Krankheit, tuberkulös
- A18.8: Tuberkulose sonstiger näher bezeichneter Organe
A19.-: Miliartuberkulose
- Inklusive: Tuberkulöse Polyserositis, Tuberkulose: disseminiert, generalisiert
- A19.0: Akute Miliartuberkulose einer einzelnen näher bezeichneten Lokalisation
- A19.1: Akute Miliartuberkulose mehrerer Lokalisationen
- A19.2: Akute Miliartuberkulose, nicht näher bezeichnet
- A19.8: Sonstige Miliartuberkulose
- A19.9: Miliartuberkulose, nicht näher bezeichnet
B90.-: Folgezustände der Tuberkulose
- B90.0: Folgezustände einer Tuberkulose des Zentralnervensystems
- B90.1: Folgezustände einer Tuberkulose des Urogenitalsystems
- B90.2: Folgezustände einer Tuberkulose der Knochen und der Gelenke
- B90.8: Folgezustände einer Tuberkulose sonstiger Organe
- B90.9: Folgezustände einer Tuberkulose der Atmungsorgane und einer nicht näher bezeichneten Tuberkulose
- Folgezustände einer Tuberkulose o.n.A.
Schwangerschaft und Wochenbett
- O98.-: Infektiöse und parasitäre Krankheiten der Mutter, die anderenorts klassifizierbar sind, jedoch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren
- Inklusive: Aufgeführte Zustände, wenn sie die Schwangerschaft komplizieren, durch die Schwangerschaft verschlechtert werden oder wenn sie der Grund für eine geburtshilfliche Betreuung sind
- O98.0: Tuberkulose, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- P37.-: Sonstige angeborene infektiöse und parasitäre Krankheiten
- P37.0: Angeborene Tuberkulose
Sonstiges
- J65: Pneumokoniose in Verbindung mit Tuberkulose
- Z03.-: Ärztliche Beobachtung und Beurteilung von Verdachtsfällen
- Inklusive: Personen mit vorhandenen, untersuchungsbedürftigen Symptomen oder Anzeichen für einen abnormen Zustand, die jedoch nach Untersuchung und Beobachtung nicht behandlungsbedürftig sind
- Exklusive: Person mit Furcht vor Krankheit, bei der keine Diagnose gestellt wird (Z71)
- Z03.0: Beobachtung bei V.a. Tuberkulose
- Z20.-: Kontakt mit und Exposition gegenüber übertragbaren Krankheiten
- Z20.1: Kontakt mit und Exposition gegenüber Tuberkulose
- Z23.-: Notwendigkeit der Impfung [Immunisierung] gegen einzelne bakterielle Krankheiten
- Exklusive: Impfung: gegen Krankheitskombinationen (Z27.‑), nicht durchgeführt (Z28)
- Z23.2: Notwendigkeit der Impfung gegen Tuberkulose [BCG]
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.