Zusammenfassung
Der Begriff pulmonale Hypertonie (PH) fasst ein Spektrum von Erkrankungen zusammen, die den Blutdruck im Lungenkreislauf erhöhen. Definitionsgemäß besteht eine pulmonale Hypertonie, wenn der pulmonal-arterielle Mitteldruck in Ruhe dauerhaft über 20 mmHg liegt. Ätiologisch werden die seltene (z.B. idiopathische) pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH), die pulmonale Hypertonie durch bestehende Grunderkrankungen (z.B. Herz- oder Lungenerkrankungen) und die chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) unterschieden.
Während die Erkrankung in frühen Stadien häufig asymptomatisch bleibt, können im Verlauf belastungsabhängige, unspezifische Symptome wie Dyspnoe, Schwäche, Zyanose oder Synkopen auftreten. Langfristig schädigt der erhöhte Druck im Lungenkreislauf das rechte Herz. Es kommt zu einer Hypertrophie und ggf. Dilatation des rechten Herzens (sog. Cor pulmonale), die unbehandelt i.d.R. zu einer Herzinsuffizienz führen. Diagnostisch ist die transthorakale Echokardiografie hilfreich, als Goldstandard gilt allerdings eine Rechtsherzkatheteruntersuchung zur Bestimmung hämodynamischer Parameter. Die Therapie richtet sich insb. nach der Art der pulmonalen Hypertonie: Zur Behandlung der PAH stehen gezielte Medikamente zur Drucksenkung zur Verfügung, die eine Stabilisierung auf gutem klinischen Niveau ermöglichen sollen. Eine Lungentransplantation sollte frühzeitig erwogen werden. Bei CTEPH ist die chirurgische pulmonale Endarteriektomie und lebenslange Antikoagulation die bevorzugte Therapie. Bei allen anderen Formen steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.
Definition
Die Definition der pulmonalen Hypertonie (PH) basiert auf hämodynamischen Parametern, die bei einer Rechtsherzkatheteruntersuchung bestimmt werden. Bei einem erhöhten pulmonal-arteriellen Mitteldruck sind insb. der pulmonale Kapillarverschlussdruck (PCWP; erlaubt eine Abschätzung des linksventrikulären enddiastolischen Drucks) und der pulmonale Gefäßwiderstand (PVR) relevant. Anhand dieser Parameter gelingt die Unterscheidung zwischen einer präkapillären PH mit primär pulmonaler Ursache, zu der u.a. die „echte“ pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) gehört, und einer postkapillären PH, der eine Linksherzerkrankung zugrunde liegt.
Pulmonale Hypertonie
- Definition: Chronisch erhöhter pulmonal-arterieller Mitteldruck (mPAP) in Ruhe >20 mmHg
Präkapilläre pulmonale Hypertonie
- Definition: Pulmonaler Kapillarverschlussdruck (PCWP) ≤15 mmHg und pulmonaler Gefäßwiderstand >2 Wood-Einheiten (WE)
- Zugehörige Unterformen
- Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH): Präkapilläre pulmonale Hypertonie unterschiedlicher Genese, allerdings nicht infolge einer Lungenerkrankung oder CTEPH
- Chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH)
- Pulmonale Hypertonie bei Lungenerkrankungen
- Keine schwerwiegende Form: Pulmonaler Gefäßwiderstand ≤5 Wood-Einheiten
- Schwere Form: Pulmonaler Gefäßwiderstand >5 Wood-Einheiten
- Siehe auch: Klassifikation der pulmonalen Hypertonie
Postkapilläre pulmonale Hypertonie
- Definition: Pulmonaler Kapillarverschlussdruck (PCWP) >15 mmHg
- Isolierte postkapilläre pulmonale Hypertonie (IpcPH): Pulmonaler Gefäßwiderstand ≤2 Wood-Einheiten
- Pulmonale Hypertonie durch Linksherzerkrankungen (PH-LHD )
- Kombinierte post- und präkapilläre pulmonale Hypertonie (CpcPH): Pulmonaler Gefäßwiderstand >2 Wood-Einheiten
- Isolierte postkapilläre pulmonale Hypertonie (IpcPH): Pulmonaler Gefäßwiderstand ≤2 Wood-Einheiten
Belastungsinduzierte pulmonale Hypertonie (EIPH )
Unklassifizierte pulmonale Hypertonie
- mPAP >20 mmHg und PCWP ≤15 mmHg und PVR ≤2 Wood-Einheiten
Cor pulmonale
- Definition: Hypertrophie und/oder Dilatation des rechten Ventrikels infolge einer Druckerhöhung im Lungenkreislauf, ggf. mit Rechtsherzinsuffizienz
- Akutes Cor pulmonale: Bspw. bei schwerer Lungenembolie, Status asthmaticus oder Spannungspneumothorax
- Chronisches Cor pulmonale: Bspw. bei den verschiedenen Formen der pulmonalen Hypertonie
Epidemiologie
- Prävalenz
- Pulmonale Hypertonie
- Ca. 1% der globalen Bevölkerung
- Personen >65 Jahre: Ca. 10%
- Pulmonal-arterielle Hypertonie: 48–55 / 1 Mio. Personen
- Chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie: 26–38 / 1 Mio. Personen
- Pulmonale Hypertonie
- Inzidenz
- Pulmonal-arterielle Hypertonie: 6 / 1 Mio. Personen jährlich
- Chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie: 2–6 / 1 Mio. Personen jährlich
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Klassifikation der pulmonalen Hypertonie
Die Ätiologie der pulmonalen Hypertonie ist maßgeblich für ihre Behandlung und daher auch eng mit der Klassifikation des Krankheitsbildes verknüpft. Je nach Ätiologie und Pathophysiologie sowie klinischem Bild und hämodynamischen Parametern erfolgt eine Zuordnung zu einer von fünf Klassifikationsgruppen mit unterschiedlichen Behandlungsstrategien.
Gruppe 1: Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)
-
Präkapilläre pulmonale Hypertonie mit unterschiedlicher Ätiologie
- Idiopathische PAH (IPAH)
- Einteilung in sog. Non-Responder oder Acute Responder gemäß Ergebnis der Vasoreagibilitätsmessung
- Hereditäre PAH (HPAH)
- Medikamenten- oder toxininduzierte PAH (DPAH)
- Nachgewiesene Assoziation: u.a. Dasatinib, Methamphetamin
- Mögliche Assoziation: u.a. Cyclophosphamid, Bosutinib, Sofosbuvir, Interferone, Leflunomid, Carfilzomib, Ponatinib, Kokain, Amphetamine
- PAH assoziiert mit
- PAH mit Merkmalen einer venösen oder kapillären Beteiligung
- Pulmonale venookklusive Erkrankung (PVOD) [2][3]
- Pulmonale kapilläre Hämangiomatose (PCH) [3][4]
- Persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen
- Idiopathische PAH (IPAH)
Gruppe 2: Pulmonale Hypertonie assoziiert mit Linksherzerkrankung
-
Postkapilläre pulmonale Hypertonie, chronisch-pulmonalvenöse Stauung aufgrund von Blutrückstau aus dem linken Herzen, bspw. durch
- Herzinsuffizienz
- Linksseitige Herzklappenerkrankungen
- Kongenitale oder erworbene kardiovaskuläre Erkrankungen, die zu einer postkapillären PH führen
Gruppe 3: Pulmonale Hypertonie assoziiert mit Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie
-
Präkapilläre pulmonale Hypertonie, häufige Ursachen
- Obstruktive Lungenerkrankungen (z.B. Asthma bronchiale, COPD) oder Lungenemphysem
- Restriktive Lungenerkrankungen (z.B. interstitielle Lungenparenchymerkrankungen wie idiopathische Lungenfibrose)
- Gemischte restriktive-obstruktive Lungenerkrankungen („combined pulmonary fibrosis and emphysema“, CPFE)
- Hypoventilationssyndrome (z.B. Obesitas-Hypoventilationssyndrom)
- Hypoxie ohne Lungenerkrankung (z.B. höhenbedingt ab ca. 2.500 m)
- Pulmonale Entwicklungsstörungen
Gruppe 4: Pulmonale Hypertonie assoziiert mit pulmonalarterieller Obstruktion
- Chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH): Symptomatische präkapilläre pulmonale Hypertonie aufgrund obstruierter Pulmonalarterien durch fibrosierte Thromboembolien, die sich trotz mind. dreimonatiger Antikoagulation nicht oder nur inkomplett aufgelöst haben
- Weitere mögliche Ursachen obstruierter Pulmonalarterien: u.a. Angiosarkom, Arteriitis, Tumoren, Fremdkörperembolien sowie angeborene oder erworbene Stenosen
Gruppe 5: Pulmonale Hypertonie mit unklarer und/oder multifaktorieller Genese
- Prä- oder postkapilläre pulmonale Hypertonie, je nach Ätiologie
- Hämatologische Erkrankungen
- Multisystemerkrankungen wie Sarkoidose, Langerhans-Zell-Histiozytose, Neurofibromatose Typ 1
- Stoffwechselerkrankungen
- Chronische Nierenerkrankung
- Pulmonale tumorthrombotische Mikroangiopathie (PTTM) [5][6]
- Fibrosierende Mediastinitis
Eine pulmonale Hypertonie kann im Rahmen zahlreicher unterschiedlicher Erkrankungen auftreten. Die häufigsten Ursachen sind jedoch Herz- und Lungenerkrankungen!
Pathophysiologie
Der idiopathischen pulmonal-arteriellen Hypertonie liegt eine progrediente Obliteration der kleinen und mittelgroßen Pulmonalarterien zugrunde, deren Ursache aber unbekannt ist. Andere Formen der pulmonalen Hypertonie haben bekannte Ursachen wie Erkrankungen der Lunge, des linken Herzens oder bspw. Thromboembolien (Klassifikation der pulmonalen Hypertonie).
- Mechanismen, die zu einem erhöhten Widerstand der Pulmonalgefäße führen
- Vasokonstriktion (durch Hypoxie = Euler-Liljestrand-Mechanismus): Bspw. bei COPD
- (Mikro‑)Thromben
- Umbauprozesse („Remodeling“): Intimafibrose, Endothelhyperplasie
- Gemeinsame pathophysiologische Folgen: Drucksteigerung im Lungenkreislauf → Erhöhung der rechtsventrikulären Nachlast → Dilatation oder Hypertrophie des rechten Ventrikels (Cor pulmonale) → Herzinsuffizienz
Symptomatik
Die Symptome einer pulmonalen Hypertonie werden maßgeblich durch eine Dysfunktion des rechten Ventrikels geprägt, die sich jedoch nicht akut, sondern über längere Zeit entwickelt. Frühe Krankheitsstadien verlaufen daher i.d.R. asymptomatisch, bevor typischerweise zunächst belastungsabhängige Symptome auftreten.
- Unspezifische Symptome
- Belastungsdyspnoe, ggf. Bendopnoe
- Schwindel und Müdigkeit
- Hämoptysen
- Belastungsabhängige Übelkeit und aufgetriebenes Abdomen
- Gewichtszunahme
- Synkopen
- Zyanose
- Brustschmerzen (selten)
- Symptome der Herzinsuffizienz: Bei chronischem Cor pulmonale mit Rechtsherzinsuffizienz
- Ggf. Symptome der Grunderkrankung, bspw. COPD oder Kollagenosen
Die pulmonale Hypertonie verläuft in frühen Krankheitsstadien i.d.R. asymptomatisch, bevor typischerweise zunächst belastungsabhängige Symptome auftreten. Die Symptome ggf. bestehender Grunderkrankungen können daher lange Zeit im Vordergrund stehen (bspw. COPD)!
Einteilung in WHO-Funktionsklassen der PAH
- Klasse I
- Asymptomatische pulmonale Hypertonie
- Klasse II
- Klasse III
- Klasse IV
- Dyspnoe, Müdigkeit und Synkopen bereits in Ruhe
- Manifeste Rechtsherzinsuffizienz
Diagnostik
Initiale Diagnostik
- Auskultation
- Lauter 2. Herzton über der Pulmonalklappe (2. ICR links)
- Evtl. fixierte (atemunabhängige) Spaltung des 2. Herztons
- Ggf. Holosystolikum über der Trikuspidalklappe (4. ICR rechts)
- Ggf. Graham-Steell-Geräusch
- Labor: NT-proBNP↑
- Bei CTEPH: Screening auf Anti-Phospholipid-Antikörper
- BGA
- 6-Minuten-Gehtest: Zur Einschätzung der Belastbarkeit und des Therapieansprechens sowie als Prognoseparameter
- EKG: Ggf. Rechtsherzbelastungszeichen im EKG
- Lungenfunktionsuntersuchung
- Spirometrie und Bodyplethysmografie: Restriktive oder obstruktive Ventilationsstörung (als Hinweis auf mögliche zugrundeliegende Erkrankungen)
- Messung der Diffusionskapazität: Bei PAH typischerweise isolierte Verminderung der DLCO
- Spiroergometrie, insb.
- Max. Sauerstoffaufnahme (VO2max)↓
- Atemäquivalent für CO2 (Ve/VCO2) ↑
- Endtidaler Partialdruck für CO2 (petCO2) ↓
- Sauerstoffpuls (VO2/HF) ↓
- Echokardiografie
- Hinweise auf eine pulmonale Hypertonie
- Dilatierter rechter Vorhof und/oder Ventrikel
- Rechtsventrikuläre Hypertrophie
- Eingeschränkte RV-Funktion
- Abgeflachtes interventrikuläres Septum
- Akzelerationszeit im RVOT↓ , ggf. mittsystolischer „Notch“ (bei präkapillärer PH)
- Trikuspidalklappeninsuffizienz mit erhöhter Regurgitationsgeschwindigkeit
- Geschätzter systolischer pulmonal-arterieller Druck↑ (sPAP)
- Perikarderguss
- Dilatierte V. cava inferior, ggf. mit reduzierter Atemvariabilität
- Ggf. Hinweise auf Ätiologie: Beurteilung von linkem Herzen und Herzklappen
- Bestimmung der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer pulmonalen Hypertonie
- Hohe Wahrscheinlichkeit: Weitere Abklärung (insb. durch Rechtsherzkatheter)
- Maximale Regurgitationsgeschwindigkeit über der Trikuspidalklappe >3,4 m/s oder
- Maximale Regurgitationsgeschwindigkeit über der Trikuspidalklappe 2,9–3,4 m/s + weitere echokardiografische Hinweise auf eine pulmonale Hypertonie
- Mittlere Wahrscheinlichkeit: Echokardiografische Verlaufskontrolle
- Maximale Regurgitationsgeschwindigkeit über der Trikuspidalklappe 2,9–3,4 m/s oder
- Maximale Regurgitationsgeschwindigkeit über der Trikuspidalklappe ≤2,8 m/s + weitere echokardiografische Hinweise auf eine pulmonale Hypertonie
- Niedrige Wahrscheinlichkeit : Differenzialdiagnosen prüfen
- Maximale Regurgitationsgeschwindigkeit über Trikuspidalklappe ≤2,8 m/s und
- Keine weiteren echokardiografischen Hinweise auf eine pulmonale Hypertonie
- Hohe Wahrscheinlichkeit: Weitere Abklärung (insb. durch Rechtsherzkatheter)
- Hinweise auf eine pulmonale Hypertonie
- Röntgen-Thorax
- Betonung des Pulmonalisbogens
- Rechtsherzvergrößerung
- Kalibersprung zwischen zentralen und peripheren Lungenarterien
- Gefäßrarefizierung in der Lungenperipherie
- Hinweise auf Grunderkrankung, bspw. interstitielle Lungenparenchymerkrankung, COPD, Herzinsuffizienz
Sind sowohl EKG als auch NT-proBNP unauffällig, ist das Vorliegen einer pulmonalen Hypertonie unwahrscheinlich!
Weiterführende Diagnostik
- HR-CT: Bei allen Betroffenen, insb. jedoch bei Personen mit V.a. auf eine zugrundeliegende Lungenparenchymerkrankung
- Perfusions- und Ventilationsszintigrafie der Lunge: Mittel der Wahl zum Ausschluss einer CTEPH
- Rechtsherzkatheteruntersuchung bei pulmonaler Hypertonie
- Indikation: Goldstandard zur Diagnosestellung und Klassifizierung der pulmonalen Hypertonie (insb. PAH und CTEPH)
- Kontraindikationen
- Bekannter Thrombus oder Tumor im rechten Vorhof oder Ventrikel
- Z.n. Implantation (<1 Monat) von Schrittmachersonden oder mechanischen Herzklappen im rechten Herzen und Clipping der Trikuspidalklappe (TriClipTM)
- Akute Infektion
- Messparameter (Auswahl)
- Rechtsatrialer Druck (RAP) ↑
- Pulmonal-arterieller Mitteldruck (mPAP) ↑
- Pulmonaler Kapillarverschlussdruck (PCWP, Wedge-Druck)
- Herzzeitvolumen (HZV) und Cardiac Index (CI)
- Gemischtvenöse und arterielle Sauerstoffsättigung (svO2 und saO2)
- Pulmonaler Gefäßwiderstand (PVR)
- Vasoreagibilitätsmessung: Identifikation sog. „Responder“, die auf eine Therapie mit hochdosierten Calciumantagonisten ansprechen
- Indikation: Nur bei idiopathischer, hereditärer oder medikamenten- oder toxininduzierter PAH
- Durchführung: Inhalation von Stickstoffmonoxid oder Iloprost, Messung der hämodynamischen Parameter nach 5–10 min
- Kriterien für Therapieansprechen: Verminderung des mPAP um ≥10 mmHg auf absolut ≤40 mmHg ohne Reduktion des HZV
- Genetische Analyse: Bei V.a. hereditäre PAH
Die Rechtsherzkatheteruntersuchung ist der Goldstandard zur Diagnose und Klassifizierung der pulmonalen Hypertonie und sollte in spezialisierten Zentren durchgeführt werden!
Insb. bei Personen mit stattgehabter Lungenembolie und persistierender oder neu aufgetretener Dyspnoe oder Leistungsminderung sollte an eine CTEPH/CTEPD gedacht werden!
Risikostratifizierung bei pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH)
Initiale Risikostratifizierung (bei Diagnosestellung)
- Umfangreiche Erhebung mit Einteilung in 3 Klassen zur Abschätzung der 1-Jahres-Letalität (Drei-Strata-Modell)
Risikostratifizierung bei Diagnosestellung einer pulmonal-arteriellen Hypertonie (Drei-Strata-Modell) | ||||
---|---|---|---|---|
Parameter | Niedriges Risiko | Intermediäres Risiko | Hohes Risiko | |
Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz | Nein | Nein | Ja | |
Krankheitsprogression | Keine | Langsam | Schnell | |
Auftreten von Synkopen | Nie | Gelegentlich | Wiederholt | |
WHO-Funktionsklasse der PAH | I und II | III | IV | |
Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest (in m) | >440 | 165–440 | <165 | |
Spiroergometrie | VO2max (in mL/min/kgKG) | >15 | 11–15 | <11 |
Ve/VCO2 | <36 | 36–44 | >44 | |
Biomarker | BNP-Serumspiegel (in ng/L) | <50 | 50–800 | >800 |
NT-proBNP-Serumspiegel (in ng/L) | <300 | 300–1.100 | >1.100 | |
Echokardiografie | RA-Fläche (in cm2) | <18 | 18–26 | >26 |
TAPSE/sPAP (in mm/mmHg) | >0,32 | 0,19–0,32 | <0,19 | |
Perikarderguss | Nein | Gering | Ausgeprägt | |
Kardiale Magnetresonanztomografie | Rechtsventrikuläre Ejektionsfraktion (RVEF; in %) | >54 | 37–54 | <37 |
Schlagvolumenindex (SVI; in mL/m2) | >40 | 26–40 | <26 | |
Endsystolischer rechtsventrikulärer Volumenindex (RVESVi; in mL/m2) | <42 | 42–54 | >54 | |
Rechtsherzkatheter | RA-Druck (RAP; in mmHg) | <8 | 8–14 | >14 |
Cardiac Index (CI; in L/min/m2) | ≥2,5 | 2,0–2,4 | <2,0 | |
Schlagvolumenindex (SVI; in mL/m2) | >38 | 31–38 | <31 | |
Gemischt-venöse Sättigung (svO2) | >65% | 60–65% | <60% |
Risikostratifizierung im Verlauf
- Vereinfachte Erhebung mit Einteilung in 4 Klassen (Vier-Strata-Modell)
Risikostratifizierung im Verlauf bei pulmonal-arterieller Hypertonie (Vier-Strata-Modell) | |||||
---|---|---|---|---|---|
Parameter | Niedriges Risiko (1 Punkt pro Parameter) | Intermediäres Risiko | Hohes Risiko (4 Punkte pro Parameter) | ||
Intermediär-niedriges Risiko (2 Punkte pro Parameter) | Intermediär-hohes Risiko (3 Punkte pro Parameter) | ||||
WHO-Funktionsklasse der PAH | I oder II | — | III | IV | |
Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest (in m) | >440 | 320–440 | 165–319 | <165 | |
Biomarker | BNP-Serumspiegel (in ng/L) | <50 | 50–199 | 200–800 | >800 |
NT-proBNP-Serumspiegel (in ng/L) | <300 | 300–649 | 650–1.100 | >1.100 | |
Das Risiko wird berechnet, indem die Summe aller Punkte durch die Anzahl der Variablen dividiert und auf die nächste ganze Zahl aufgerundet wird. |
Therapie
Allgemeine Maßnahmen
- Kausale Therapie: Behandlung assoziierter Grunderkrankungen, wenn möglich
- Sauerstoff-Langzeittherapie: Nur bei manifester Hypoxämie mit pO2 <60 mmHg
- Begleitmedikation
-
Diuretika: Bei Herzinsuffizienz mit kompensatorischer Flüssigkeitsretention
- Siehe auch: Diuretika bei Herzinsuffizienz
- Antikoagulation: Empfohlen nur bei CTEPH oder aufgrund von Nebenerkrankungen
- Siehe auch: Therapeutische Antikoagulation - klinische Anwendung
-
Diuretika: Bei Herzinsuffizienz mit kompensatorischer Flüssigkeitsretention
- Rehabilitationsmaßnahmen in spezialisierten Einrichtungen
- Impfungen: Influenza-Impfung, Pneumokokken-Impfung und COVID-19-Impfung
Empfehlungen bzgl. einer Schwangerschaft
Schwangerschaft und Entbindung stellen ein hohes Risiko für Patientinnen mit pulmonaler Hypertonie dar. Aufgrund der verbesserten Therapie der PH und zunehmenden Erfahrung im Umgang mit schwangeren PH-Patientinnen ist die früher extrem hohe Sterblichkeitsrate zurückgegangen, die maternale Mortalität liegt aber immer noch bei 11–25%. Eine eingehende Beratung zur Empfängnisverhütung und Aufklärung über die Risiken einer Schwangerschaft sind daher unerlässlich!
- Bei gut eingestellten Patientinnen mit niedrigem Risikoprofil: Bei Eintritt einer Schwangerschaft sollte eine intensive Beratung und Behandlung in einem Zentrum durchgeführt werden, das Erfahrung im Management von Schwangeren mit PH hat
- Bei schlecht eingestellten Patientinnen mit intermediärem bis hohem Risikoprofil: Bei Eintritt einer Schwangerschaft sollte eine intensive Beratung durchgeführt und aufgrund der sehr schlechten Prognose für Mutter und Kind auch ein Schwangerschaftsabbruch in Betracht gezogen werden
Pulmonal-arterielle Hypertonie [7]
- Ziel: Stabilisierung der Erkrankung auf einem klinischen Niveau entsprechend PAH-WHO-Funktionsklasse I oder II, Heilung derzeit nicht möglich
Wirkstoffe zur gezielten Therapie der PAH
Folgende Wirkstoffe werden zur gezielten Therapie der PAH eingesetzt, insb. bei negativer Vasoreagibilitätsmessung. Bei positiver Vasoreagibilitätsmessung eignen sich hingegen primär Calciumantagonisten, die auch zur Behandlung vieler anderer Erkrankungen indiziert sind.
- Endothelin-Rezeptor-Antagonisten
- PDE-5-Hemmer bei PAH
- Guanylatcyclase-Stimulator : Riociguat p.o.
- Prostacyclin-Analoga bei PAH
- Prostacyclin-Rezeptor-Agonist : Selexipag p.o.
Die Wirkstoffe zur gezielten Therapie der PAH sind bisher nur bei einem mPAP von >25 mmHg und einem pulmonalen Gefäßwiderstand (PVR) von >3 Wood-Einheiten zugelassen. Zum Einsatz bei Personen mit einer PAH und niedrigeren Werten (mPAP 20–25 mmHg, PVR 2–3 Wood-Einheiten gemäß der Definition der ESC-Leitlinie 2022) liegen noch keine Daten vor!
Therapieschemata
Bei positiver Vasoreagibilitätsmessung
- Monotherapie mit Calciumantagonisten, z.B.
- Therapieerfolg beurteilen: Mittels Rechtsherzkatheter und Vasoreagibilitätsmessung
- WHO-Funktionsklasse I/II oder Verbesserung hämodynamischer Parameter : Therapie fortsetzen
- WHO-Funktionsklasse III/IV oder keine Verbesserung hämodynamischer Parameter: Zusätzliche Gabe gezielter PAH-Medikamente
Bei negativer Vasoreagibilitätsmessung
Die medikamentöse Therapiestrategie wird anhand des individuellen Risikos festgelegt (siehe: Risikostratifizierung bei PAH).
- Keine kardiopulmonalen Vorerkrankungen
- Initiale Therapie: Entsprechend der Risikostratifizierung bei Diagnosestellung einer pulmonal-arteriellen Hypertonie
- Niedriges oder intermediäres Risiko: Kombination aus Endothelin-Rezeptor-Antagonist und PDE-5-Hemmer bei PAH
- Hohes Risiko : Dreifachkombination aus Endothelin-Rezeptor-Antagonist und PDE-5-Hemmer bei PAH und Prostacyclin-Analogon
- Verlaufstherapie: Entsprechend der Risikostratifizierung im Verlauf bei pulmonal-arterieller Hypertonie
- Niedriges Risiko: Therapie fortsetzen
- Intermediär-niedriges Risiko: Therapie umstellen
- Zusätzliche Gabe des Prostacyclin-Rezeptor-Agonisten Selexipag erwägen
- Alternative: Wechsel von PDE-5-Hemmer bei PAH auf Guanylatcyclase-Stimulator
- Intermediär-hohes oder hohes Risiko
- Zusätzliche Gabe eines Prostacyclin-Analogons
- Evaluation bzgl. Lungentransplantation
- Initiale Therapie: Entsprechend der Risikostratifizierung bei Diagnosestellung einer pulmonal-arteriellen Hypertonie
- Kardiopulmonale Vorerkrankungen
- Initiale Therapie: Monotherapie mit PDE-5-Hemmer bei PAH oder Endothelin-Rezeptor-Antagonist
- Verlaufstherapie: Therapiezielkontrolle alle 3–6 Monate
- Niedriges Risiko: Therapie fortsetzen
- Intermediäres oder hohes Risiko: Einzelfallentscheidung über zusätzliche Gabe weiterer Wirkstoffe zur gezielten Therapie der PAH
Die gleichzeitige Gabe von PDE-5-Hemmern und dem Guanylatcyclase-Stimulator Riociguat ist aufgrund eines Hypotonierisikos kontraindiziert! Beide Wirkstoffklassen dürfen zudem nicht mit Nitraten kombiniert werden!
Pulmonale Hypertonie bei Lungen- oder Linksherzerkrankungen und multifaktorieller Genese
- Keine Empfehlung für den Einsatz von gezielten PAH-Medikamenten!
- Im Vordergrund steht die Therapie der Grunderkrankung
Chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie
- Methode der Wahl: Operative pulmonale Endarteriektomie
- Alternative bei inoperabler oder postoperativ persistierender CTEPH: Riociguat
- Lebenslange Antikoagulation, auch nach pulmonaler Endarteriektomie (siehe auch: Therapeutische Antikoagulation - klinische Anwendung)
Eine gezielte Therapie ist i.d.R. nur bei pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH) und chronisch-thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH) sinnvoll, bei den anderen Formen der pulmonalen Hypertonie steht die Therapie der Ursache im Vordergrund!
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Pulmonale Hypertonie
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I27.-: Sonstige pulmonale Herzkrankheiten
- I27.0: Primäre pulmonale Hypertonie
- I27.1: Kyphoskoliotische Herzkrankheit
- I27.2-: Sonstige näher bezeichnete sekundäre pulmonale Hypertonie
- I27.20: Pulmonale Hypertonie bei chronischer Thromboembolie
- I27.28: Sonstige näher bezeichnete sekundäre pulmonale Hypertonie
- I27.8: Sonstige näher bezeichnete pulmonale Herzkrankheiten
- Exklusive: Eisenmenger-Defekt (Q21.88)
- I27.9: Pulmonale Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet
- Chronische kardiopulmonale Krankheit
- Cor pulmonale (chronisch) o.n.A.
- P29.-: Kardiovaskuläre Krankheiten mit Ursprung in der Perinatalperiode
- Exklusive: Angeborene Fehlbildungen des Kreislaufsystems (Q20–Q28)
- P29.3: Persistierender Fetalkreislauf
- Inklusive: (Persistierende) pulmonale Hypertonie beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.