Zusammenfassung
Das Herz muss sich in regelmäßigen Abständen kontrahieren, um den Körper des Menschen mit Blut zu versorgen. Hierzu müssen die Herzmuskelzellen ebenso regelmäßig elektrisch erregt werden. Diese Erregung kann das Herz eigenständig durch sog. Schrittmacherzellen erzeugen.
Der Sinusknoten ist das primäre Schrittmacherzentrum des Herzens und generiert diese elektrischen Erregungen mithilfe von hyperpolarisationsaktivierten Kationenkanälen (sog. „Funny Channels“). Diese öffnen sich am Ende von jedem Erregungszyklus und leiten durch eine leichte Depolarisation einen erneuten Erregungszyklus ein. Diese Aktionspotenziale werden über ein Erregungsleitungssystem aus spezialisierten Herzmuskelzellen zum Myokard der Vorhöfe und Kammern weitergeleitet. Die koordinierte Erregung des Myokards ist Voraussetzung für eine koordinierte Kontraktion des Herzens. Die Übersetzung dieser elektrischen Signale in eine mechanische Kontraktion wird als elektromechanische Kopplung bezeichnet.
Die Summe der elektrischen Vorgänge kann registriert und in Form von charakteristischen Wellen aufgetragen werden, was dann als Elektrokardiogramm bezeichnet wird. Im EKG lassen sich jedoch nur die elektrischen Vorgänge und nicht die mechanischen Vorgänge am Herzen betrachten.
Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem
Alle Strukturen des Erregungsleitungssystems (veraltet auch Reizleitungssystem genannt) erzeugen eigene Schrittmacher-Potenziale mit abnehmender Grundfrequenz. Das heißt, die Frequenz der Sinusknoten-Potenziale ist höher als die Aktionspotenzialfrequenz des AV-Knotens, und diese ist höher als die des nächst untergeordneten Schrittmachers usw. Die vom Sinusknoten erzeugten Aktionspotenziale erregen den AV-Knoten daher bevor er ein eigenes Schrittmacher-Aktionspotenzial generieren kann. Dadurch wird gewährleistet, dass immer der schnellste Schrittmacher der Taktgeber ist (i.d.R. Sinusknoten). Fällt das schnellste (primäre) Schrittmacherzentrum aus, übernimmt das nächst untergeordnete Schrittmacherzentrum (bspw. der AV-Knoten).
Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem | ||||
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Name | Anatomische Lokalisation | Eigenschaften | Generierte Frequenz | Aktionspotenzial |
Sinusknoten (Nodus sinuatrialis) |
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AV-Knoten (Nodus atrioventricularis) |
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His-Bündel (Fasciculus atrioventricularis) |
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Tawara-Schenkel (Crus dextrum et sinistrum) |
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Purkinje-Fasern (Rami subendocardiales) |
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Erregungsleitungsstörungen
Das Erregungsleitungssystem des Herzens kann trotz intakter Erregungsbildung gestört sein. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Herzerkrankungen über Elektrolytstörungen bis zu Medikamentenüberdosierungen. Dies lässt sich am einfachsten anhand der Aufzeichnung der elektrischen Herzaktivität (EKG, s.u.) erkennen. Von Erregungsbildungs- und -leitungsstörungen kann praktisch jeder Teil betroffen sein, wie bspw. der Sinusknoten (sinuatrialer Block) oder der AV-Knoten (atrioventrikulärer Block ). Auch der linke (Linksschenkelblock ) und der rechte Tawara-Schenkel (Rechtsschenkelblock ) können betroffen sein. Da der linke Tawara-Schenkel sich noch in drei Faszikel aufteilt, können auch nur diese betroffen sein (linksanteriorer Hemiblock / linksposteriorer Hemiblock). Eine gestörte oder sogar vollständig unterbrochene Erregungsleitung (wie bspw. beim vollständigen AV-Block) kann eine lebensbedrohliche Situation darstellen.
Entstehung und Ablauf der elektrischen Herzaktion
Die Schrittmacherzellen erzeugen eigenständig und spontan ein Aktionspotenzial, das zum Myokard weitergeleitet wird. Im Myokard soll das Schrittmacher-Aktionspotenzial zur Erzeugung eines Arbeitsmyokard-Aktionspotenzials führen. Die elektrische Erregung des Myokards führt mittels sog. elektromechanischer Kopplung (s.u.) zu dessen Kontraktion. Für die abwechselnde Pump-Saug-Funktion des Herzens ist es unerlässlich, dass auf jede Kontraktion des Myokards eine ausreichend lange Phase der Erschlaffung folgt. Daher ist eine Herzmuskelzelle, nachdem sie erregt wurde, für eine gewisse Zeit nicht mehr erregbar (sog. Refraktärphase).
Übersicht: Ablauf der Herzerregung
Nachdem das Aktionspotenzial im Sinusknoten generiert wurde, wird es über das Erregungsleitungssystem koordiniert an Vorhöfe und Ventrikel weitergeleitet. Fällt der primäre Schrittmacher (Sinusknoten) aus, übernehmen untergeordnete Schrittmacherzentren seine Aufgabe, wenn auch mit niedrigerer Frequenz.
- Erregung der Vorhöfe
- Spontane Depolarisation der Schrittmacherzellen des Sinusknotens und Erzeugung eines Aktionspotenzials (AP)
- Weiterleitung des APs ans Vorhofmyokard → Koordinierte Vorhofkontraktion
- Weiterleitung des APs vom Vorhof auf den AV-Knoten
- Verzögerung der Weiterleitung des APs im AV-Knoten
- Erregung der Ventrikel
- Weiterleitung des APs vom AV-Knoten via His-Bündel
- Weiterleitung des APs an Tawara-Schenkel
- Weiterleitung via Purkinje-Fasern → Koordinierte Erregung des Arbeitsmyokards
- Koordinierte Kontraktion des Arbeitsmyokards
Vorhofflimmern
Eine häufige Herzrhythmusstörung ist das Vorhofflimmern. Es kann bei verschiedenen kardialen und extrakardialen Grunderkrankungen auftreten und betrifft ca. 1–2% der Bevölkerung in Deutschland. Die erhöhte Frequenz der Vorhöfe wird durch den AV-Knoten abgebremst, wodurch das Vorhofflimmern klinisch meist symptomarm bleibt. Neben unregelmäßigem Herzschlag (Palpitationen) mit schwankender Druckamplitude oder Herzrasen können aufgrund der fehlenden Synchronität zwischen Vorhof und Kammer jedoch auch Symptome einer Herzinsuffizienz hervorgerufen oder verschlimmert werden. Durch Bedingungen einer turbulenten Strömung im linken Vorhof bei ineffektiver Kontraktion wird zudem eine Thrombenbildung begünstigt, was zu einem deutlich erhöhten Risiko für Thromboembolien führt.
Wolff-Parkinson-White-Syndrom
Die koordinierte Erregung des Herzens funktioniert nur über das spezialisierte Erregungsleitungssystem in Verbindung mit dem Herzskelett, welches die Vorhöfe elektrisch von den Ventrikeln isoliert. Existieren Muskelbündel, die diese Isolationsschicht überspringen und somit das Erregungsleitungssystem „kurzschließen“, kann die Erregung nicht mehr regelgerecht im AV-Knoten verzögert werden. Hierdurch können die Ventrikel zu früh erregt werden, was als Präexzitationssyndrom bezeichnet wird. Ein Beispiel hierfür ist das Wolff-Parkinson-White-Syndrom , bei dem ein Muskelbündel (sog. Kent-Bündel) vom Vorhof- zum Kammermyokard zieht und somit die elektrische Isolation des Herzskelettes quasi kurzschließt. Die Folgen können ein beschleunigter Herzschlag (Tachykardie), Schwindel und/oder Ohnmacht sein.
Übersicht: Ionenkanäle und -pumpen am Herzen
Calciumkanäle und -pumpen
Calciumkanäle und -pumpen des Herzens | |||||
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Name des Kanals | Definition | Lage | Ion und Flussrichtung | Aktivierungsphase (betroffenes Gewebe) | |
Calciumkanäle | Spannungsabhängiger L-Typ-Calciumkanal (Cav,L, Dihydropyridin-Rezeptor, DHPR ) | Spannungsabhängiger Calciumkanal auf der Oberfläche von Schrittmacherzellen des Sinusknotens und Zellen des Arbeitsmyokards, der bei ca. −40 mV öffnet | Zellmembran | Ca2+ von extra- nach intrazellulär (ICa,L) | Initiale Depolarisation (Sinusknoten) bzw. Plateauphase (Arbeitsmyokard) |
Spannungsabhängiger T-Typ-Calciumkanal (Cav,T) | Spannungsabhängiger Calciumkanal auf der Oberfläche von Schrittmacherzellen des Sinusknotens, der während der initialen, durch die Funny Channels angetriebenen Depolarisation öffnet und diese unterstützt | Zellmembran | Ca2+ von extra- nach intrazellulär (ICa,T) | Initiale Depolarisation (Sinusknoten) | |
Ryanodin-Rezeptor (RyR) | Ligandengesteuerter Calciumkanal in der Membran des sarkoplasmatischen Retikulums, der bei Bindung von Ca2+ öffnet | Membran des sarkoplasmatischen Retikulums | Ca2+ aus dem sarkoplasmatischen Retikulum ins Zytosol | Plateauphase (Arbeitsmyokard) | |
Calciumpumpen | Sarkoplasmatische Ca2+-ATPase (SERCA ) | Calciumpumpen bzw. -austauscher, die Ca2+ aus dem Zytosol entfernen und so die Kontraktion von Zellen des Arbeitsmyokards beenden | Membran des sarkoplasmatischen Retikulums | Ca2+ vom Zytosol ins sarkoplasmatische Retikulum | Plateauphase (Arbeitsmyokard) |
Plasmamembran-Ca2+-ATPase (PMCA) | Zellmembran | Ca2+ von intra- nach extrazellulär | |||
Na+/Ca2+-Austauscher (NCX) | Zellmembran | Ca2+ von intra- nach extrazellulär |
Weitere Kationenkanäle
Weitere Kationenkanäle des Herzens | |||||
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Name des Kanals | Definition | Lage | Ion und Flussrichtung | Aktivierungsphase (betroffenes Gewebe) | |
Funny Channel (HCN ) | Spannungsabhängiger, unselektiver Kationenkanal in Schrittmacherzellen, der bei Hyperpolarisation öffnet | Kationen von extra- nach intrazellulär (If ) | Initiale Depolarisation (Sinusknoten) | ||
„Schneller“ Natriumkanal (Nav) | Spannungsabhängiger Natriumkanal, der bei Depolarisation schnell öffnet, aber auch schnell wieder schließt | Na+ von extra- nach intrazellulär (INa) | Aufstrich (Arbeitsmyokard) | ||
Kaliumkanäle | „Einwärtsgleichrichter“ (Kir, „Inward Rectifier“) | Spannungsabhängiger Kaliumkanal, der unterhalb von ca. −70 mV das Ruhemembranpotenzial des Arbeitsmyokards stabilisiert | Zellmembran | K+ von intra- nach extrazellulär (IK1) | Ruhemembranpotenzial (Arbeitsmyokard) |
„Verzögerte Auswärtsgleichrichter“ (Kv11.1 und Kv7.1 ) | Spannungsabhängige Kaliumkanäle, die bei Depolarisation mit leichter (Kv11.1) oder starker (Kv7.1) Verzögerung öffnen | Zellmembran | K+ von intra- nach extrazellulär (IKr und IKs ) | Repolarisation (Sinusknoten und Arbeitsmyokard) |
Entstehung eines Schrittmacher-Aktionspotenzials
- Ausgangspunkt: Schrittmacherzelle wird nach vorherigem Aktionspotenzial auf ca. −60 mV hyperpolarisiert
- Initiale Depolarisation
- Öffnung von Funny Channels durch Hyperpolarisation → Kationen strömen in die Zelle und depolarisieren sie auf ca. −40 mV
- Öffnung von spannungsaktivierten L-Typ-Calciumkanälen bei ca. −40 mV → Calciumeinstrom und Depolarisation auf ca. 20 mV
- Repolarisation
- Schluss der L-Typ-Calciumkanäle
- Öffnung der verzögerten Auswärtsgleichrichter (Kaliumkanäle) → Kaliumausstrom → Repolarisation bis ca. −60 mV
- Schluss der verzögerten Auswärtsgleichrichter (Kaliumkanäle) bei ca. −60 mV
- Erneute Depolarisation bei Hyperpolarisation durch Öffnung der Funny Channels
Schrittmacherzellen haben kein stabiles Ruhemembranpotenzial. Ihre besonderen hyperpolarisationsaktivierten Kationenkanäle (Funny Channels) sorgen am Ende jeder Repolarisation für eine spontane und erneute Depolarisation!
Der Aufstrich des Aktionspotenzials einer Schrittmacherzelle wird außergewöhnlicherweise durch die spannungsaktivierten L-Typ-Calciumkanäle verursacht. Bei Neuronen und anderen Muskelzellen sind hierfür meist die schnellen Natriumkanäle verantwortlich!
Die Aktionspotenzialdauer unterscheidet sich in den verschiedenen Schrittmacherzentren des Herzens und nimmt vom Sinusknoten zu den Purkinje-Fasern zu!
Entstehung eines Arbeitsmyokard-Aktionspotenzials
Die Aktionspotenziale der Schrittmacherzentren werden über das Erregungsleitungssystem an die Zellen des Arbeitsmyokards weitergeleitet und depolarisieren diese. Hierdurch öffnen sich spannungsaktivierte Calciumkanäle, wodurch Calcium-Ionen in die Muskelzelle einströmen. Calcium bindet an Regulationsproteine der Myofilamente (Troponin) und ermöglicht die Interaktion von Aktin und Myosin. Die Muskelzelle kontrahiert. Der genaue Ablauf der molekularen Interaktion von Aktin und Myosin (sog. Filamentgleittheorie) wird bei den Grundlagen des Muskelgewebes behandelt.
- Stabiles Ruhemembranpotenzial: Bei ca. –85 mV
- Aufstrich und „Overshoot“
- Erregung der Herzmuskelzelle durch das Erregungsleitungssystem via Gap Junctions → Depolarisation bis ca. −65 mV
- Öffnung spannungsaktivierter schneller Natriumkanäle und Schluss des „Einwärtsgleichrichter“-Kaliumkanals
- Natriumeinstrom bis zu einem Membranpotenzial von ca. 30 mV („Overshoot“) → Schluss aller schnellen Natriumkanäle
- Partielle Repolarisation: Nach dem „Overshoot“ öffnen sich kurzzeitig Kaliumkanäle, die eine Repolarisation bis auf das Niveau des Plateaus bedingen (Ito)
- Plateauphase des Aktionspotenzials
- Öffnung spannungsaktivierter L-Typ-Calciumkanäle bei ca. –40 mV
- Langsamer Calciumeinstrom → Auslösung der Calcium-induzierten Calciumfreisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum → Mechanische Kontraktion (s.u.: Elektromechanische Kopplung am Herzen)
- Elimination des Calciums durch Na+/Ca2+-Austauscher und Ca2+-ATPasen → Muskel relaxiert
- Repolarisation
- Langsame Abnahme der Calciumleitfähigkeit
- Öffnung der verzögerten Auswärtsgleichrichter (Kaliumkanäle) durch Depolarisation → Kaliumausstrom aus der Zelle → Repolarisation
- Stabiles Ruhemembranpotenzial: Bei ca. –85 mV
- Weiterer Kaliumausstrom durch Einwärtsgleichrichter (Kaliumkanäle) → Stabilisierung des Ruhemembranpotenzials
- Erneuter Aufstrich bei Erregung durch das Erregungsleitungssystem
Sinn der Repolarisation ist v.a., die Inaktivierung der schnellen Natriumkanäle aufzuheben und so das Auslösen eines neuen Aktionspotenzials zu ermöglichen!
Die Besonderheit des Aktionspotenzials beim Herzmuskel ist die Plateauphase, die der Muskelzelle ausreichend Zeit zur mechanischen Kontraktion lässt!
Die für das Ruhemembranpotenzial wichtigen Einwärtsgleichrichter-Kaliumkanäle und die für den Aufstrich wichtigen schnellen Natriumkanäle spielen bei den Schrittmacherzellen des Herzens keine Rolle!
Kardioplegie
Bei Operationen am offenen Herzen muss häufig ein künstlicher Herzstillstand (Kardioplegie) erzeugt werden, damit das Operationsteam genauer und in Ruhe arbeiten kann. Dazu kommen u.a. stark kaliumhaltige Lösungen zum Einsatz. Die hohe extrazelluläre Kaliumkonzentration führt zu einer Dauerdepolarisation der Kardiomyozyten. Die Dauerdepolarisation verhindert eine Repolarisation und hält somit die Inaktivierung der Natriumkanäle aufrecht, sodass keine weiteren Aktionspotenziale ausgelöst werden und es zum diastolischen Herzstillstand kommt.
Arrhythmogenes Potenzial des Na+/Ca2+-Austauschers
Der Auswärtsstrom von Ca2+ durch den Na+/Ca2+-Austauscher trägt zur Senkung der intrazellulären Ca2+-Konzentration und damit zur Beendigung der Kontraktion bei. Durch eine unphysiologische Ca2+-Überladung (z.B. bei Ischämie) kann es aber zu einer erhöhten Aktivität des Na+/Ca2+-Austauschers kommen. Da jedes Ca2+ gegen 3 Na+ ausgetauscht wird, gelangen so netto positive Ladungen in die Zelle, wodurch das Ruhemembranpotenzial in die positive Richtung verschoben und – bei Überschreiten der Schwelle – ein erneutes Aktionspotenzial ausgelöst wird. Diese sog. späten Nachdepolarisationen können zu Herzrhythmusstörungen führen.
Refraktärzeit des Arbeitsmyokards
Nachdem eine Herzmuskelzelle erregt wurde, kommt danach eine Phase, in der sie für kurze Zeit nicht erneut erregt werden kann: die Refraktärzeit. Aufgrund des sehr langen Aktionspotenzials der Herzmuskelzellen (200–400 ms) sind die zuerst erregten Herzmuskelzellen noch refraktär, während die letzten noch erregt werden. Dies verhindert einerseits kreisende Erregungen und gibt den Herzmuskelzellen andererseits genug Zeit nacheinander zu kontrahieren und zu erschlaffen, ohne von erneuten Erregungen „gestört“ zu werden!
- Refraktärzeit: Die Refraktärzeit beschreibt, wie lange eine (Herz‑)Muskelzelle gar nicht (absolut) oder nur sehr schwer (relativ) erneut zu erregen ist.
- Absolute Refraktärzeit: Die schnellen Natriumkanäle sind während der Plateauphase des Aktionspotenzials des Arbeitsmyokards völlig inaktiviert, weshalb kein neues Aktionspotenzial ausgelöst werden kann
- Relative Refraktärzeit: Die schnellen Natriumkanäle sind ab ca. −40 mV teilweise wieder aktivierbar, weshalb bereits sehr starke Reize wiederum kleine Aktionspotenziale mit weniger steilem Anstieg auslösen können
- Vulnerable Phase der elektrischen Herzaktion: Während der Repolarisationsphase sind Teile des Herzens relativ refraktär, so dass eine neue Erregung ein neues Aktionspotenzial auslösen kann und es zwischen den erregten und unerregten Teilen des Herzens zu sog. kreisenden Erregungen kommen kann
Die Plateauphase des Aktionspotenzials des Arbeitsmyokards ist i.d.R. länger als die eigentliche Kontraktion. Dies ermöglicht dem Herzmuskel nach jeder Kontraktion wieder zu erschlaffen. Eine dauerhafte Kontraktion (sog. Tetanie) wird dadurch verhindert!
Kammerflimmern
Während der sog. vulnerablen Phase der Herzerregung sind Teile des Myokards bereits relativ refraktär (und damit erregbar) und andere Teile noch absolut refraktär (und somit nicht erregbar). Fällt in diese Phase eine zusätzliche Erregung (bspw. durch eine Extrasystole oder einen Stromstoß), können unphysiologische, kreisende Erregungen in den Ventrikeln entstehen. Eine koordinierte Ventrikelkontraktion ist dann nicht möglich, sodass es zu einem drastischen Abfall des Herzminutenvolumens kommt. Deshalb stellt dieser, je nach Frequenz, als Kammerflattern oder -flimmern bezeichnete Zustand eine akut lebensbedrohliche Situation dar und sollte schnellstmöglich mittels elektrischer Defibrillation durchbrochen werden.
Elektromechanische Kopplung
Schrittmacherzellen des Herzens erzeugen Aktionspotenziale, die über das Erregungsleitungssystem zum Myokard weitergeleitet werden. Dort werden die Aktionspotenziale in mechanische Muskelkontraktion übersetzt. Diesen Vorgang bezeichnet man als „elektromechanische Kopplung“. Die sich über die Zellmembran der Muskelzellen (Sarkolemm) ausbreitende Erregung muss auf den intrazellulären kontraktilen Apparat übertragen werden. Hierzu besitzt die Zellmembran tiefe Einbuchtungen (T-Tubuli), die es den sich darüber ausbreitenden Erregungen möglich machen, bis tief in die Zelle vorzudringen und den kontraktilen Apparat zu erreichen. Hier sorgt die elektrische Erregung für den Einstrom von Calcium in die Herzmuskelzelle, welches als Zündfunke für die darauffolgende massive Ausschüttung von Calcium aus den Speichern des sarkoplasmatischen Retikulums dient. Hierdurch steigt die intrazelluläre Calciumkonzentration stark an und ermöglicht die Interaktion der Myofilamente Aktin und Myosin, die bei niedrigen Calciumkonzentrationen verhindert wird. Es folgt die Kontraktion der Myofilamente und anschließend eine Normalisierung der intrazellulären Calciumkonzentration durch Elimination in den Extrazellularraum und das sarkoplasmatische Retikulum.
Übersicht beteiligter Strukturen
In der Sektion „Entstehung und Ablauf der elektrischen Herzaktion“ werden Ionenkanäle und Pumpen des Herzens zusammengefasst. Hier werden dagegen nur die Rezeptoren und Pumpen beschrieben, die an der elektromechanischen Kopplung beteiligt sind.
1) Kontraktion des Herzens (durch Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentration) | ||
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Name des Rezeptors/Transporters | Lage | Richtung des Calciumstroms |
L-Typ-Calciumkanal (Cav,L, Dihydropyridin-Rezeptor, DHPR) | Zellmembran (bei T-Tubuli) | Extra- nach intrazellulär |
Ryanodin-Rezeptor (RyR) | Membran des sarkoplasmatischen Retikulums | Sarkoplasmatisches Retikulum nach intrazellulär |
2) Relaxation des Herzens (durch Normalisieren der intrazellulären Calciumkonzentration) | ||
Sarkoplasmatische Ca2+-ATPase (SERCA) | Membran des sarkoplasmatischen Retikulums | Intrazellulär ins sarkoplasmatische Retikulum |
Plasmamembran-Ca2+-ATPase (PMCA) | Zellmembran | Intra- nach extrazellulär |
Na+/Ca2+-Austauscher (NCX) | Zellmembran | Intra- nach extrazellulär |
(Natrium-Kalium-ATPase) | Zellmembran | Keiner |
Ablauf
- Unerregte Myokardzelle (intrazelluläre Calciumkonzentration ca. 10−7 mol/L)
- Erregung der Myokardzelle
- Myokardzelle wird durch Aktionspotenzial eines Schrittmacherzentrums erregt
- Erregung breitet sich über die Myokardmembran bis in die T-Tubuli aus → Öffnung der dortigen spannungsabhängigen L-Typ-Calciumkanäle
- Calciumeinstrom von extrazellulär („Calcium-Zündfunke“)
- Calciumeinstrom aus dem Extrazellularraum ins Zytosol durch die L-Typ-Calciumkanäle
- Aktivierung der Ryanodin-Rezeptoren des sarkoplasmatischen Retikulums durch einströmendes Calcium
- Calcium-induzierte Calciumfreisetzung
- Calcium strömt aus dem sarkoplasmatischen Retikulum durch den Ryanodin-Rezeptor ins Zytosol
- Anstieg der intrazellulären Calciumkonzentration von 10−7 mol/L auf 10−5 mol/L (Calcium-induzierte Calciumfreisetzung)
- Muskelkontraktion durch hohe Calciumspiegel
- Bindung von Calcium an Troponin C → Aktinbindungsstellen werden freigegeben
- Interaktion von Aktin- und Myosinfilamenten → Mechanische Kontraktion
- Relaxation durch Senkung der intrazellulären Calciumkonzentration
- SERCA pumpt Calcium aktiv in das sarkoplasmatische Retikulum zurück
- Calcium-ATPase und Natrium-Calcium-Antiporter pumpen Calcium von intra- nach extrazellulär
- Calciumkonzentration im Zytosol sinkt → Interaktion von Myosin und Aktin wird verhindert → Relaxation
- Unerregte Myokardzelle: Intrazelluläre Calciumkonzentration wurde auf 10−7 mol/L normalisiert → Erneute Erregung möglich (→ 2.)
Die Steigerung der intrazellulären Calciumkonzentration (bspw. durch den Sympathikus) während der Kontraktion steigert die dabei vom Muskel entwickelte Kraft (sog. positive Inotropie)!
Pulslose elektrische Aktivität
Kommt es bspw. im Rahmen eines Herzinfarktes zu einer Situation, in der zwar elektrische Erregung gebildet wird, diese aber nicht mehr in mechanische Kontraktionen umgesetzt wird, spricht man von sog. elektromechanischer Entkopplung. Dieser akut lebensbedrohliche Zustand kann nicht mittels elektrischer Defibrillation behandelt werden, so dass die kardiopulmonale Reanimation und die Behandlung der Ursache der elektromechanischen Entkopplung therapeutisch im Vordergrund stehen.
Herzglykoside
Die sog. Herzglykoside (Digoxin, Digitoxin) kommen in der Natur in Pflanzen der Gattung Fingerhut (lat. „Digitalis“) vor. Sie werden als Reservemittel bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz oder zur Frequenzkontrolle einer Tachyarrhythmia absoluta eingesetzt. Ihr Wirkprinzip beruht darauf, dass sie die Natrium-Kalium-ATPase der Kardiomyozyten hemmen und so indirekt den intrazellulären Calciumgehalt erhöhen. Dadurch steigern sie die Kontraktionskraft (positiv inotrop) und verlangsamen die Erregungsleitung im Herzen (negativ dromotrop).
Aufzeichnung der elektrischen Herzaktivität (EKG)
Das sog. Elektrokardiogramm (EKG) ist ein Verfahren, bei dem die Entstehung und Ausbreitung der elektrischen Aktivität des Herzens gemessen wird. Dies geschieht mittels Elektroden, die auf der Haut der Patient:innen befestigt werden. Das EKG kann Hinweise auf eine Vielzahl von Erkrankungen geben, die mit einer Veränderung der Herzerregung einhergehen (bspw. Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen).
AMBOSS-Video-Tutorial zum Schreiben eines Ruhe-EKG:
Grundlagen der EKG-Aufzeichnung
Die Erregung des Herzens breitet sich von den Schrittmacherzentren des Herzens sukzessive aus. Somit ist stets ein Teil der Herzmuskelzellen erregt und ein Teil noch unerregt. Zwischen erregten und unerregten Zellen entstehen elektrische Felder. Die Summe dieser elektrischen Felder kann mithilfe von auf der Haut aufgebrachten Elektroden gemessen werden.
- Ladungsunterschiede von erregten und unerregten Herzmuskelzellen
- Erregte Herzmuskelzelle: Zelloberfläche ist negativ geladen
- Unerregte Herzmuskelzelle: Zelloberfläche ist positiv geladen
- Entstehung einer elektrischen Potenzialdifferenz
Ableitungen des EKG
Standardmäßig wird ein 12-Kanal-EKG abgeleitet mit sechs Extremitätenableitungen (I, II, III, aVL, aVF, aVR ) und sechs Brustwandableitungen (V1–V6).
Man unterscheidet zwei Ableitungsformen:
- Bipolare Ableitungen: Die Spannung wird zwischen zwei Elektroden bestimmt – Z.B. bei Ableitung I zwischen der Elektrode an der rechten und jener an der linken Hand.
- Unipolare Ableitungen: Die Spannung wird zwischen einer Elektrode und einem indifferenten Referenzpunkt bestimmt
Extremitätenableitungen
- Bestandteile: Sechs Ableitungen in der Frontalebene
- Drei bipolare Extremitätenableitungen: I, II, III (Einthoven-Ableitungen)
- Drei unipolare Extremitätenableitungen: aVR, aVL, aVF (Goldberger-Ableitungen)
- Praktische Anwendung: Steht man der untersuchten Person gegenüber, werden vom rechten Arm ausgehend im Uhrzeigersinn die Elektroden in den Ampelphasen rot, gelb und grün platziert, zuzüglich einer 4. Elektrode am rechten Bein
Brustwandableitungen
- Bestandteile: Sechs unipolare Brustwandableitungen V1–6 (Wilson-Ableitungen) in der Horizontalebene
- Praktische Anwendung: Die Elektroden werden im 4. bzw. 5. Interkostalraum von rechts parasternal bis links auf Höhe der mittleren Axillarlinie angebracht.
Im physiologischen Zustand nimmt die Amplitude der R-Zacke von V1/2 bis V6 an Höhe zu, wohingegen die Amplitude der S-Zacke kontinuierlich abnimmt! Der Punkt, wo die R-Zacke zum ersten Mal größer als die S-Zacke ist, wird als „R/S-Umschlag“ bezeichnet!
Bedeutung der einzelnen Abschnitte des EKG
- Nulllinie: Isoelektrische Linie
- Ausschläge: Wellen oder Zacken, positiv oder negativ
- Zeitliche Abschnitte
- Isoelektrischer Abschnitt zwischen zwei Abschnitten: Strecke
- Abschnitt, der sowohl Zacken/Wellen als auch isoelektrische Anteile hat: Zeit/Intervall
P-Welle
- Definition: Die P-Welle entspricht der Erregungsausbreitung in den Vorhöfen
- Ausgangspunkt der Erregung: Sinusknoten
- Ausbreitung: Vom rechten über den linken Vorhof
- Vektor: Richtung Herzspitze
- Endpunkt: Vorhöfe vollständig erregt → EKG-Linie geht zurück zur isoelektrischen Linie
- Morphologie: Halbrunder, i.d.R. positiver Ausschlag.
- Dauer: ≤0,10 Sekunden
- Amplitude <0,25 mV
PQ-Zeit und PQ-Strecke
- PQ-Zeit: Zeit zwischen Anfang der P-Welle und Beginn des QRS-Komplexes (intraatriale Erregungsausbreitung und atrioventrikuläre Überleitung)
- Dauer: ≤0,20 Sekunden
- PQ-Strecke: Zeit zwischen Ende der P-Welle und Beginn des QRS-Komplexes (isoelektrische Strecke)
- Dauer: ≤0,10 Sekunden
Störungen der atrioventrikulären Überleitung: AV-Blöcke
Die Erregungsweiterleitung über den AV-Knoten kann in verschiedener Weise gestört sein: Werden die elektrischen Impulse aus dem Vorhof lediglich verzögert weitergeleitet, kommt es zu einer verlängerten PQ-Zeit, der QRS-Komplex erfolgt jedoch regelmäßig und normal konfiguriert (AV-Block Grad I). Wird nicht mehr jeder Impuls weitergeleitet, fallen einzelne QRS-Komplexe aus (nicht auf jedes P folgt ein QRS-Komplex, AV-Block Grad II). Die schwerste Form der AV-Überleitungsstörung ist der AV-Block Grad III: Hierbei wird keine Erregung aus dem Vorhof mehr auf den Ventrikel fortgeleitet. Da dies lebensbedrohlich sein kann, erfolgt bei einem AV-Block Grad III i.d.R. die Implantation eines Herzschrittmachers.
QRS-Komplex
- Definition: Der QRS-Komplex entspricht der Erregungsausbreitung in den Herzkammern
- Innenschicht der Herzkammern wird vor der Außenschicht erregt
- Am Ende des QRS-Komplexes ist die gesamte Kammer erregt
- Morphologie und Bedeutung
- Q-Zacke: Initial negativer Ausschlag des QRS-Komplexes
- R-Zacke: Jeder positive Ausschlag des QRS-Komplexes
- S-Zacke: Jeder negative Ausschlag eines QRS-Komplexes, dem ein R vorangeht
- Dauer: ≤ 0,1 Sekunden
ST-Strecke
- Definition: Die ST-Strecke erstreckt sich vom Ende der S-Zacke bis zum Beginn der T-Welle und entspricht der vollständigen Erregung der Ventrikel
- In dieser Zeit ist kein Potenzialunterschied messbar (isoelektrische Linie)
ST-Strecken-Hebung
Die Beurteilung der ST-Strecke ist klinisch besonders von Bedeutung, da eine Hebung der ST-Strecke (Verlauf oberhalb der isoelektrischen Linie) ein Hinweis auf eine Minderperfusion des Herzmuskels (Ischämie) sein kann! Tritt eine ST-Hebung in den Ableitungen eines Herzareals akut auf und leidet die betroffene Person zusätzlich unter typischen Symptomen wie Thoraxschmerzen, ist von einem Herzinfarkt auszugehen.
T-Welle
- Definition: Die T-Welle entspricht der Rückbildung der Kammererregung
- Verlauf: Positiv, wenn QRS-Komplex positiv; negativ, wenn auch QRS-Komplex negativ (sog. „Konkordanz der T-Welle“)
QT-Zeit
- Definition: Zeit vom Anfang der Q-Zacke bis zum Ende der T-Welle; entspricht der gesamten intraventrikulären Erregungsdauer, inkl. Depolarisation und Repolarisation der Kammern
- Dauer: Ca. 0,35–0,44 Sekunden
- Die QT-Zeit ist abhängig von der Herzfrequenz
- Anstieg der Herzfrequenz → Verkürzung der QT-Zeit
Kongenitale Long-QT-Syndrome
Die QT-Zeit im EKG entspricht der vollständigen Erregungsausbreitung und -rückbildung der Ventrikel. Bei einigen Menschen ist die QT-Zeit aufgrund genetischer Veränderungen verschiedener Ionenkanäle oder assoziierter Proteine verlängert (sog. kongenitale Long-QT-Syndrome). Bei einer Form dieser Erkrankung sind die L-Typ-Calciumkanäle der Ventrikel verändert, weshalb sie verlangsamt schließen. Dadurch verlängert sich nicht nur die Plateauphase des Aktionspotenzials, sondern das gesamte Aktionspotenzial der Arbeitsmyokardzelle und somit auch die QT-Zeit.
Übersicht über EKG-Abschnitte und Phasen der Herzaktion
Zusammenhang von EKG-Abschnitten, Phasen der Herzaktion und Öffnungszustand der Herzklappen | |||
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EKG-Abschnitt | Bedeutung | Phase der Herzaktion | Öffnungszustand der Herzklappen |
P-Welle | Erregungsausbreitung in den Vorhöfen | AV-Klappen geöffnet, Taschenklappen geschlossen | |
PQ-Zeit | Erregungsausbreitung in den Vorhöfen (P-Welle) und atrioventrikuläre Überleitung | ||
QRS-Komplex | Erregungsausbreitung in den Kammern |
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Alle Herzklappen geschlossen | |||
ST-Strecke | Depolarisation der ganzen Kammer |
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Taschenklappen geöffnet, AV-Klappen geschlossen | |||
T-Welle | Erregungsrückbildung der Kammer |
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Grundzüge der Interpretation eines EKG
Papiervorschub
- Standard für 12-Kanal-EKGs in Deutschland: Papiervorschub von 50 mm/s → Auf Millimeterpapier lassen sich die Zeitabstände daher leicht erfassen
- 1 mm = 0,02 s bzw. 20 ms
- Seltener: Papiervorschub von 25 mm/s
- 1 mm = 0,04 s bzw. 40 ms
- Amplitude: 1 mm (vertikal) entspricht 0,1 mV
Herzrhythmus
Bei der Beurteilung des Herzrhythmus sollte geprüft werden, ob ein Sinusrhythmus vorliegt. Dafür müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Vorliegen von normal konfigurierten P-Wellen
- Auf jede P-Welle folgt regelmäßig ein QRS-Komplex
Sind zudem die PP-Intervalle konstant, liegt ein regelmäßiger Sinusrhythmus vor.
Respiratorische Arrhythmie
Die Herzfrequenz kann sich in Abhängigkeit von der Atmung verändern: Bei Inspiration steigt sie, bei Exspiration sinkt sie wieder. Ursache ist eine zentrale Kopplung von Atmung und Kreislaufzentrum, es handelt sich also um ein physiologisches Phänomen. Besonders ausgeprägte respiratorische Arrhythmien finden sich bei Kindern, mit zunehmendem Lebensalter nimmt das Ausmaß jedoch ab.
AV-Dissoziation
Treten zwar normal konfigurierte, regelmäßige P-Wellen auf, die jedoch nicht regelmäßig von einem QRS-Komplex gefolgt werden, spricht dies für eine sog. AV-Dissoziation. Dies bedeutet, dass Vorhöfe und Herzkammern unabhängig voneinander erregt werden. Es liegt somit kein Sinusrhythmus vor. Ursache für eine solche Dissoziation ist häufig eine fehlende Überleitung der Erregung aus den Vorhöfen über den AV-Knoten in die Herzkammern (AV-Block Grad III). Da die Erregung aus dem Sinusknoten somit nicht mehr im Kammermyokard ankommt, bildet sich ein Ersatzerregungszentrum, dessen Frequenz eine andere (geringere) ist als die des Sinusknoten.
Extrasystolen
Verfrühte Herzschläge (Extrasystolen) finden sich relativ häufig im EKG, sie haben dabei jedoch nicht unbedingt einen Krankheitswert. Man unterscheidet zwischen supraventrikulären und ventrikulären Extrasystolen: Supraventrikuläre Extrasystolen haben ihren Erregungsursprung oberhalb des His-Bündels, der QRS-Komplex hat eine normale Konfiguration und der nächste QRS-Komplex folgt wieder in normalem Abstand. Im Gegensatz dazu entsteht die Erregung bei ventrikulären Extrasystolen im späteren Verlauf des Erregungssystems und führt zu breiten, deformierten QRS-Komplexen im EKG. Da die nächste normale Erregung auf refraktäres Kammermyokard stößt, ist der RR-Abstand zum nächsten Schlag verlängert.
Herzfrequenz
- Bestimmung: Die Herzfrequenz wird anhand des Abstandes zwischen zwei R-Zacken (RR-Abstand) berechnet
- Bei 50 mm/s
- HF = 300/RR-Abstand in cm
- Alternative: HF = 60/RR-Abstand in Sekunden
- Bei 25 mm/s: HF = 150/RR-Abstand in cm
- In der Praxis kann Frequenz auch mit Hilfe eines EKG-Lineals bestimmt werden
- Bei 50 mm/s
- Interpretation
- Normale Herzfrequenz: 50–100/Minute
- Tachykardie: >100/Minute
- Bradykardie: <50–60/Minute
Bestimmung des Lagetyps
Der Lagetyp entspricht dem Hauptvektor der intraventrikulären Erregungsausbreitung (Hauptvektor des QRS-Komplexes) und projiziert sich auf die Frontalebene. Er wird mithilfe der Extremitätenableitungen I, II, III, aVR, aVL, aVF bestimmt und auch elektrische Herzachse genannt.
Vereinfachte Methode
Man betrachtet den QRS-Komplex und bewertet, ob dieser positiv oder negativ ist. Positiv ist ein QRS-Komplex, wenn die Fläche oberhalb der isoelektrischen Linie größer ist als die unterhalb – negativ entsprechend umgekehrt. Der Hauptvektor (Lagetyp der elektrischen Herzachse) ist der Ableitung mit dem höchsten positiven Ausschlag (bzw. genau genommen mit der „größten positiven Fläche“) am nächsten.
Lagetyp | Extremitätenableitung | ||
---|---|---|---|
I | II | III | |
Überdrehter Linkstyp (ÜLT) | + | − | − |
Linkstyp (LT) | + | + | − |
Indifferenztyp* (IT) | + | + | + |
Steiltyp* (ST) | + | + | + |
Rechtstyp (RT) | − | + | + |
Überdrehter Rechtstyp (ÜRT) | − | −(+ ) | + |
*wenn alle Ableitungen positiv: I>III = Indifferenztyp, III>I = Steiltyp |
Exakte Bestimmung mit Hilfe des Cabrera-Kreises
Zwar ist die oben beschriebene Methode der Lagetypbestimmung schnell und einfach und daher in der Klinik sehr verbreitet. Genauer ist jedoch die Bestimmung mithilfe des Cabrera-Kreises.
- Aufbau des Cabrera-Kreises: Die Vektoren aller sechs Extremitätenableitungen werden von einem gemeinsamen Mittelpunkt ausgehend aufgezeichnet
- Ergibt ein sog. Polarogramm mit einer Winkelunterteilung in 30° großen Abständen
- Jeder Ableitung ist somit ein bestimmter Winkel im Cabrera-Kreis zugeordnet (z.B. I → 0°, II → 60°, aVF → 90°, III → 120°)
- Bestimmung des Lagetyps
Klinische Bedeutung der Lagetypen
Die physiologische Herzachse liegt im Bereich −30° bis 90° und reicht damit von Links- über Indifferenz- zu Steiltyp. Kinder und Jugendliche können auch einen Rechtstyp aufweisen, mit zunehmendem Alter und Gewicht verschiebt sich die Herzachse dann aber von rechts nach links. Ein (überdrehter) Rechtstyp beim Erwachsenen kann ein Hinweis auf eine Rechtsherzbelastung oder eine Störung der Erregungsleitung im Bereich des rechten Ventrikels sein.
Ein Vertauschen der Elektroden von rechtem und linkem Arm führt u.a. zu einer Spiegelung der Ableitung I, was einen Wechsel des Hauptvektors und damit die Bestimmung eines falschen Lagetyps zur Folge hat.
Wiederholungsfragen zum Kapitel Herzerregung
Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem
Welche Strukturen gehören zum Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem?
Wo genau befindet sich der Sinusknoten?
Was ist das sog. Herzskelett? Von welcher Struktur wird es durchzogen bzw. überbrückt?
Warum kontrahieren die Kammern während der Systole etwas später als die Vorhöfe und durch welche Struktur des Erregungsleitungssystems wird dies gewährleistet?
Entstehung und Ablauf der elektrischen Herzaktion
Beschreibe die Entstehung eines Schrittmacherpotenzials inkl. beteiligter Kanäle!
Was sind die sog. Schrittmacherzentren des Herzens und wie unterscheidet sich die Aktionspotenzialdauer in den unterschiedlichen Schrittmacherzentren?
Beschreibe die Depolarisation des Arbeitsmyokards inkl. beteiligter Kanäle!
Beschreibe die Plateauphase eines Arbeitsmyokard-Aktionspotenzials inkl. beteiligter Kanäle! Was ist dabei die sog. elektromechanische Kopplung?
Beschreibe die Repolarisation eines Arbeitsmyokards inkl. beteiligter Kanäle!
Wie entstehen kreisende Erregungen und wodurch werden sie begünstigt? Wie äußern sie sich klinisch?
Aufzeichnung der elektrischen Herzaktivität (EKG)
Was unterscheidet bipolare von unipolaren Ableitungen? Welche Rolle spielt dies für die Ableitung eines normalen 12-Kanal-EKGs?
Wie verändern sich die Amplituden der R- bzw. S-Zacke in den Brustwandableitungen eines 12-Kanal-EKGs physiologischerweise?
Was bezeichnet man als AV-Block III° und wie äußert er sich im EKG?
Ordne die Abschnitte des EKG den entsprechenden Phasen der Herzaktion zu inkl. dem Zustand der Herzklappen!
Wie lang ist die QT-Zeit normalerweise und wie verändert sie sich bei einem Anstieg der Herzfrequenz? Was weißt du über die Entstehung von kongenitalen Long-QT-Syndromen?
Während der Auskultation eines 11-jährigen Kindes fällt dir eine Veränderung der Herzfrequenz in Abhängigkeit von der Atmung auf. Was ist die wahrscheinlichste Erklärung dafür?
Wie kann man die Herzfrequenz anhand eines EKGs bestimmen und was ist der Normwert?
Was bezeichnet man als Linkstyp bzw, überdrehten Linkstyp?
Wie kann der Lagetyp exakt anhand des Cabrera-Kreises bestimmt werden?
Eine Sammlung von allgemeineren und offeneren Fragen zu den verschiedenen prüfungsrelevanten Themen findest du im Kapitel Beispielfragen aus dem mündlichen Physikum.
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Aktionspotenzial des Arbeitsmyokards
Schrittmacherpotenzial
EKG-Grundlagen
12-Kanal-EKG
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