Zusammenfassung
Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung bei Erwachsenen. Es entsteht durch vom Sinusknoten unabhängige Erregungszentren auf Vorhofebene, die zu unkoordinierten, schnellen Vorhofkontraktionen mit unregelmäßiger ventrikulärer Antwort führen. Neben dem Alter als wichtigstem Risikofaktor wird Vorhofflimmern insb. durch kardiale (bspw. arterielle Hypertonie) und extrakardiale Grunderkrankungen (bspw. Diabetes mellitus, COPD) sowie Lebensstilfaktoren begünstigt. Häufige Symptome sind Palpitationen, Dyspnoe und Erschöpfung, je nach Vorerkrankungen und Kammerfrequenz sind allerdings auch fulminante Verläufe mit Lungenödem, kardiogenem Schock und Tod möglich. Die ineffektive Vorhofkontraktion erhöht zudem das Risiko für Thromboembolien (insb. Schlaganfälle). Diagnostisch wird Vorhofflimmern mittels EKG gesichert – wegweisend sind fehlende P-Wellen, unregelmäßige RR-Abstände und schmale QRS-Komplexe.
Therapeutisch lassen sich drei wichtige Strategien abgrenzen: 1. die Behandlung auslösender Faktoren (Upstream-Therapie), 2. eine adäquate Thromboembolieprophylaxe und 3. die Kontrolle von Symptomen (mittels Frequenz- und/oder Rhythmuskontrolle). Während die Thromboembolieprophylaxe i.d.R. durch orale Antikoagulanzien gewährleistet wird, stehen für die Symptomkontrolle medikamentöse, elektrische und invasive Optionen zur Verfügung – als interventionelle Form der Rhythmuskontrolle gewinnt insb. die Katheterablation zunehmend an Bedeutung.
Aufgrund der altersabhängig zunehmenden Prävalenz stellt Vorhofflimmern auch perspektivisch eine erhebliche Last für das Gesundheitssystem dar. Von entscheidender Bedeutung ist daher die frühzeitige Diagnosestellung und eine konsequente, strukturierte Therapie, um Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität Betroffener nachhaltig zu verbessern.
Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion „Tipps & Links“.
Definition
- Vorhofflimmern (auch AFib, von engl. „Atrial Fibrillation“): Supraventrikuläre Arrhythmie mit
- Schneller, unkoordinierter Erregung des Vorhofs
- Verlust der effektiven Vorhofkontraktion und i.d.R.
- Unregelmäßiger Ventrikelfrequenz (bei intakter AV-Überleitung)
Epidemiologie
- Häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung im Erwachsenenalter
- Prävalenz: Ca. 60 Mio. Betroffene weltweit bzw. bis zu 1% der Gesamtbevölkerung[4]
- Altersabhängiger Anstieg auf bis zu 10% bei Personen ≥65 Jahre [4]
- Lebenszeitrisiko: Bis zu 33% bei älteren Personen [2]
- Große geografische Unterschiede [1]
- >900/100.000 Fälle in Nordamerika und in Teilen Europas
- <600/100.000 Fälle in Afrika
- Geschlechterverteilung: ♂ > ♀
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Stets sekundäre Genese [1]
- Chronische Risikofaktoren → Entwicklung, Persistenz und Progress von AFib
- Akute Triggerfaktoren → Auslösen von AFib bei entsprechender Prädisposition
Bei jeder Person mit Vorhofflimmern ist mind. ein auslösender Faktor präsent!
Chronische Risikofaktoren
Vorhofflimmern – Chronische Risikofaktoren | |
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Nicht-modifizierbar | |
Modifizierbar [3] | |
Kardiale Grunderkrankungen |
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Extrakardiale Grunderkrankungen | |
Lebensstilfaktoren |
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Triggerfaktoren [7][8]
Vorhofflimmern – Triggerfaktoren [7][8] | |
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Kardial |
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Extrakardial |
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Ein hilfreiches Akronym zum Erinnern der wichtigsten akuten Triggerfaktoren von Vorhofflimmern ist PIRATES: P – Pulmonale Erkrankungen, I – Ischämie, R – Rheumatische Herzerkrankungen, A – Anämie, T – Thyroidea (Schilddrüsenüberfunktion), E – Ethanol (Alkoholintoxikation), S – Sepsis.
Klassifikation
Klassifikation nach Kammerfrequenz
Vorhofflimmern – Klassifikation nach Kammerfrequenz | ||
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Begriff | Kammerfrequenz | Definition |
Tachyarrhythmia absoluta | >100–110/min | Tachykard übergeleitetes AFib |
Normofrequente Arrhythmia absoluta | 60–100(–110)/min | Normofrequent übergeleitetes AFib |
Bradyarrhythmia absoluta | <60/min | Bradykard übergeleitetes AFib |
Klassifikation nach Häufigkeit/Dauer
Vorhofflimmern – Klassifikation nach Häufigkeit/Dauer [1] | |
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Begriff | Definition |
Erstdiagnostiziertes Vorhofflimmern | Zuvor noch nicht diagnostiziertes AFib, unabhängig von Dauer und/oder möglicher Symptomatik |
Paroxysmales Vorhofflimmern | AFib, das innerhalb von 7 d in einen Sinusrhythmus konvertiert (spontan oder durch Intervention) |
Persistierendes Vorhofflimmern | AFib, das >7 d anhält (inkl. AFib, das erst nach >7 d kardiovertiert wird) |
Langanhaltend persistierendes Vorhofflimmern | AFib, das zum Zeitpunkt einer Entscheidung bzgl. Rhythmuskontrolle bereits >12 Monate besteht |
Permanentes Vorhofflimmern | Sowohl von Patient:innen als auch von ärztlicher Seite akzeptiertes AFib ohne Ziel der Rhythmuskontrolle |
Von der ESC nicht mehr empfohlene Begriffe: „Lone atrial Fibrillation“, „valvuläres Vorhofflimmern“ bzw. „nicht-valvuläres Vorhofflimmern“, „chronisches Vorhofflimmern“ |
Klassifikation nach Dokumentation
Vorhofflimmern – Klassifikation nach Dokumentation | |
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Begriff | Definition |
Klinisches Vorhofflimmern | EKG-Dokumentation ± Symptomatik |
Subklinisches Vorhofflimmern | Keine EKG-Dokumentation und keine Symptomatik |
Weitere Klassifikationen
Vorhofflimmern – Weitere Klassifikationen | |
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Begriff | Definition |
Recent-Onset Vorhofflimmern | Erst seit kurzer Zeit bestehendes AFib (bisher kein Cut-Off-Zeitintervall etabliert ) |
Trigger-induziertes Vorhofflimmern | AFib, das in direktem zeitlichen Zusammenhang mit einem (potenziell reversiblen) Triggerfaktor auftritt |
Frühes Vorhofflimmern | Seit etwa 3–12 Monaten bestehendes AFib, unabhängig von bestehendem atrialen Remodeling |
Pathophysiologie
Multifaktorielle Pathomechanismen ⇄ Atriales Remodeling ⇄ Vorhofflimmern
- Multifaktorielle Pathomechanismen
- Atriale Dilatation
- Diastolische Dysfunktion
- Atherosklerose
- Oxidativer Stress, Inflammation, Endotheldysfunktion
- Autonomes Remodeling
- Atriales Remodeling: Umbauprozesse auf Vorhofebene mit
- Atrialer Fibrosierung und
- Gestörter Erregungsweiterleitung bzw. regional oder global reduzierter Spannung [9]
- Elektrophysiologische Folgen
- Reentry-Mechanismen
- Getriggerte Automatie
- AFib: Hämodynamische Folgen
- Hohe Ventrikelfrequenz (bei intakter AV-Überleitung)
- Wegfall der effektiven Vorhofsystole als Beitrag zur Ventrikelfüllung
- Atrial reduzierter Blutfluss (insb. im linken Vorhofohr) → Thromboembolierisiko↑
Vorhofflimmern – Elektrophysiologisches Korrelat nach Dauer/Häufigkeit | ||
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Dauer/Häufigkeit | Elektrophysiologisches Korrelat | |
Paroxysmales Vorhofflimmern |
| |
Persistierendes Vorhofflimmern |
| |
Langanhaltend persistierendes Vorhofflimmern / Permanentes Vorhofflimmern |
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Symptomatik
Hämodynamisch instabiles Vorhofflimmern
- Symptomatische Hypotonie, Synkope, Schocksymptomatik
- Akute Belastungsdyspnoe
- Angina pectoris
Hämodynamisch stabiles Vorhofflimmern
- Symptomatischer Verlauf: In bis zu 90% der Fälle
- Palpitationen, Dyspnoe
- Erschöpfung/Fatigue
- (Verschlechterung einer) Herzinsuffizienz: (Belastungs‑)Dyspnoe, Ödeme↑
- Schwindel, (Prä‑)Synkope
- Angina pectoris
- Gestörte Schlafhygiene
- Ggf. Polyurie
- Verstärkung von Angststörungen und/oder Depressionen
- Asymptomatischer Verlauf: Selten
Das Vorhandensein (oder Nicht-Vorhandensein) von Symptomen ist kein Gradmesser für das bestehende Risiko für Thromboembolien!
Auch bei Erstdiagnose eines Vorhofflimmerns sind fulminante Verläufe mit kardiogenem Schock und Lungenödem möglich!
Modifizierter EHRA-Score
- Symptomscore zur besseren Charakterisierung des jeweiligen Vorhofflimmertyps
- Erhebung bei Erstdiagnose sowie vor und nach jeder Therapieanpassung
- Mögliche Entscheidungshilfe bzgl. angestrebtem Therapieziel
mEHRA-Score – Graduierung von Symptomen bei Vorhofflimmern | |||
---|---|---|---|
Grad | Symptomatik | Beschreibung | |
I | Keine | Asymptomatisches AFib | |
II | a | Leicht | Alltagskompetenz erhalten |
b | Moderat | Alltagskompetenz erhalten, Patient:in jedoch subjektiv beeinträchtigt | |
III | Schwer | Alltagskompetenz eingeschränkt | |
IV | Behindernd | Keine Alltagskompetenz mehr |
Verlaufs- und Sonderformen
Brady-Tachy-Syndrom [13]
- Definition: Sick-Sinus-Syndrom + supraventrikuläre Tachykardie bzw. AFib
- Epidemiologie: Häufigste Form des Sick-Sinus-Syndroms
- Ätiologie: Altersabhängig fortschreitende Fibrose des Sinusknotengewebes und des Vorhofmyokards
- Symptome/Klinik
- SVT bzw. AFib: Herzrasen, Dyspnoe, Palpitationen
- Präautomatische Pause oder Sinusbradykardie: Schwindel, (Prä‑)Synkope
- Diagnostik: Anamnese, körperliche Untersuchung, (Langzeit‑)EKG
- Rhythmusprofil: Wechsel zwischen Sinusbradykardie und SVT bzw. AFib
- Präautomatische Pause: Verzögertes Wiedereinsetzen des Sinusrhythmus nach paroxysmaler SVT bzw. AFib
- Therapie
- Medikamentöse Therapieoptionen häufig begrenzt
- Bei hierfür geeigneten Personen Katheterablation der SVT / des AFib erwägen
- Schrittmacherimplantation
Vorhofflimmern mit Präexzitation [12][14]
- Definition: AV-Reentry-Tachykardie + (paroxysmales) AFib
- Epidemiologie: Betrifft ca. die Hälfte der Personen mit Wolff-Parkinson-White-Syndrom!
- Ätiologie: Unklar, AFib ggf. direkt durch AVRT getriggert
- Pathophysiologie
- Gesundes Herz: AV-Knoten als Frequenzfilter → Ventrikel i.d.R. geschützt vor Frequenzen >200/min
- AVRT: Akzessorische Leitungsbahn außerhalb des AV-Knotens mit schnelleren Leitungseigenschaften → Begünstigung von Reentry-Tachykardien zwischen Vorhöfen und Kammern
- AVRT + AFib: Flimmerfrequenz der Vorhöfe → Direkte Übertragung auf Kammern unter Umgehung des AV-Knotens
- Symptome/Klinik: Herzrasen, Palpitationen, (Prä‑)Synkope, Vigilanzminderung, Angina pectoris
- Diagnostik: Anamnese (Präexzitation bekannt?), körperliche Untersuchung, 12-Kanal-EKG
- Rhythmusprofil
- Ruhe-EKG im Sinusrhythmus ggf. mit Hinweisen auf Präexzitation, z.B.
- Retrograde P-Wellen
- Deltawelle
- FBI-Tachykardie
- FBI = „Fast, Broad, Irregular“
- Hohe Ventrikelfrequenz
- Deformierte QRS-Komplexe
- Unregelmäßige RR-Abstände
- Ggf. Fusion Beats
- Herzachse stabil
- Seltene, aber wichtige Differenzialdiagnose bei Breitkomplextachykardie
- FBI = „Fast, Broad, Irregular“
- Ruhe-EKG im Sinusrhythmus ggf. mit Hinweisen auf Präexzitation, z.B.
- Therapie
- Instabile Hämodynamik: Elektrokardioversion
- Stabile Hämodynamik
- Akut: Ajmalin , alternativ Flecainid oder Propafenon
- Cave: Kein Einsatz von Betablockern, NDCA, Adenosin, Digitalisglykosiden oder Amiodaron (Gefahr der paradoxen Beschleunigung)!
- Langfristig: Katheterablation der akzessorischen Leitungsbahn (ggf. + Pulmonalvenenisolation )
- Akut: Ajmalin , alternativ Flecainid oder Propafenon
- Komplikationen: Kardiogener Schock, plötzlicher Herztod
Bei Vorhofflimmern mit Präexzitation dürfen keine negativ dromotropen Substanzen wie Betablocker oder Adenosin eingesetzt werden, da ansonsten die Degeneration in lebensgefährliche ventrikuläre Arrhythmien droht!
Diagnostik
Diagnostische Hinweise auf Vorhofflimmern
- Anamnese
- Vorliegen typischer Symptome (siehe: Vorhofflimmern - Symptome/Klinik)
- Vorliegen von Risikofaktoren und/oder akuten Triggerfaktoren (siehe: Vorhofflimmern - Ätiologie)
- Klinische Untersuchung
- Pulspalpation: Unregelmäßige Herzaktion
- Auskultation: Wechselnde Lautstärke des 1. Herztons
- Pulsdefizit: Differenz zwischen peripher tastbarer Pulsfrequenz und „hörbarer“ bzw. im EKG angegebener Herzfrequenz
- Hinweise auf stattgehabte Embolien: Schlaganfall/TIA, Niereninfarkte, Milzinfarkte, Mesenterialinfarkte
Diagnosesicherung Vorhofflimmern
- EKG-Dokumentation
- Unregelmäßige RR-Intervalle (bei intakter AV-Überleitung ): Absolute Arrhythmie
- I.d.R. schmale QRS-Komplexe (<120 ms)
- Fehlen von P-Wellen
- Ggf. Flimmerwellen (insb. in V1, Vorhoffrequenz i.d.R. 350–600/min)
- Ggf. ambulantes EKG-Monitoring, bspw. mittels Langzeit-EKG oder Eventrecorder
- Siehe auch: Screening auf Vorhofflimmern)
Die Diagnose Vorhofflimmern kann nur ärztlich mittels EKG gestellt werden!
Weiterführende Diagnostik bei gesichertem Vorhofflimmern
Bei allen Patient:innen
- Fokussierte Anamnese
- Bisheriger Krankheitsverlauf: Vorhofflimmern – Klassifikation
- Symptome / funktionelle Einschränkung: EHRA-Score
- Vorerkrankungen/Risikofaktoren: CHA2DS2VA-Score, individuelles Blutungsrisiko
- Labordiagnostik
- Großes Blutbild
- Serumelektrolyte
- Nieren- und Leberparameter
- Schilddrüsenparameter
- Serumglucose, HbA1c
- Gerinnungsparameter
- Bildgebung: Transthorakale Echokardiografie
Bei ausgewählten Patient:innen
- Erweiterte EKG-Diagnostik
- Ambulantes EKG-Monitoring
- Belastungs-EKG
- Erweiterte Labordiagnostik (Auswahl)
- Infektparameter/Sepsisdiagnostik: Bei V.a. Infektgeschehen bzw. Sepsis
- Kardiale Biomarker (u.a. hs-Troponin, NT-proBNP): Bei V.a. (atriale) Kardiomyopathie
- D-Dimere: Bei V.a. akute LAE und niedrigem Wells-Score
- Erweiterte Bildgebung
- TEE: Bei V.a. höhergradige, mit AFib assoziierte Klappenvitien und/oder zum Ausschluss eines Vorhofohrthrombus
- Kardio-MRT: Bei V.a. (atriale) Kardiomyopathie
- Koronar-CT bzw. Ischämiebildgebung: Bei V.a. zugrundeliegende KHK
- cCT und/oder cMRT: Bei V.a. stattgehabten (thromboembolischen) Schlaganfall
- Kognitionstests: U.a. zur Einschätzung des Demenzrisikos
- Weitere Diagnostik: Voltage-Maps
Bei jeder Person mit Vorhofflimmern sollte eine strukturierte diagnostische Aufarbeitung erfolgen!
Vorhofflimmern kann unabhängig von anderen Grunderkrankungen für eine Erhöhung von Troponin, NT-proBNP oder D-Dimeren sorgen. Diese Laborparameter sollten immer in Zusammenschau aller klinischen Befunde interpretiert werden!
Screening auf Vorhofflimmern [1]
- Opportunistisches Screening: Empfohlen bei Personen ab 65 Jahren
- Regelmäßiges Screening auf AHRE im Rahmen von Schrittmacher-/ICD-Kontrollen empfohlen
- Systemisches Screening: Bisher aufgrund uneindeutiger Studiendaten keine klare Empfehlung
- Kann bei Personen ab 75 Jahren bzw. bei hohem Schlaganfallrisiko erwogen werden
Mögliche Screeningtools
- EKG-basierte Methoden
- Ruhe-EKG
- Telemetrisches Monitoring (innerklinisch)
- Tragbare Tools (sog. „Wearables“): Langzeit-EKG, EKG-Patches, EKG-Gürtel, Eventrecorder
- Nicht-EKG-basierte Methoden
- Pulspalpation
- Oszillometrische Blutdruckmessung
- Mobile Tools: Insb. Smartwatches, Smartphone-Apps (z.B. mit Pulswellenplethysmografie)
- Zunehmende Nutzung in der Allgemeinbevölkerung
- Teilweise sehr gute Sensitivität und Spezifität
Patient:innen sollten vor einem Screening über die möglichen Konsequenzen einer Vorhofflimmerdiagnose aufgeklärt werden und eine Weiterbehandlung sollte gebahnt sein!
Ein mittels Screeningtools detektiertes „Vorhofflimmern“ muss immer durch ein EKG ärztlich bestätigt werden!
Differenzialdiagnosen
- Schmalkomplextachykardien
- AVRT/AVNRT (CAVE: Vorhofflimmern mit Präexzitation)
- Vorhofflattern
- Fokale atriale Tachykardien
- Breitkomplextachykardien
Vorhofflattern [2][12][15]
- Definition
- Vorhofflattern (auch AFlut, von engl. „Atrial Flutter“): Supraventrikuläre Arrhythmie mit
- Schneller Erregung des Vorhofs
- Verlust der effektiven Vorhofkontraktion und i.d.R.
- Regelmäßiger Ventrikelfrequenz
- Vorhofflattern (auch AFlut, von engl. „Atrial Flutter“): Supraventrikuläre Arrhythmie mit
- Epidemiologie: Zweithäufigste anhaltende Rhythmusstörung bei Erwachsenen
- Pathophysiologie: Makro-Reentry-Tachykardie auf Vorhofebene
- Formen
- Typisches Vorhofflattern: Abhängig vom cavotrikuspidalen Isthmus (CTI)
- Erregung verläuft gegen den Uhrzeigersinn („Counter Clockwise“, häufigste Form mit ca. 90%)
- Erregung verläuft mit dem Uhrzeigersinn („Clockwise“, ca. 5%)
- Atypisches Vorhofflattern (ca. 5%)
- Typisches Vorhofflattern: Abhängig vom cavotrikuspidalen Isthmus (CTI)
- Ätiologie
- Siehe Vorhofflimmern - Ätiologie
- Typische Risiko- bzw. Triggerfaktoren: Intrakardiales Narbengewebe , Antiarrhythmika
- Symptome/Klinik: Siehe Symptome bei Vorhofflimmern
- Diagnostik: Anamnese, körperliche Untersuchung, 12-Kanal-EKG, EPU
- EKG: I.d.R. Zeichen einer atrialen Makro-Reentry-Tachykardie
- Rhythmische Erregungen
- Diskrete P-Wellen mit häufig 2:1- oder 3:1-Überleitung und Sägezahnmorphologie (= Flatterwellen)
- Vorhoffrequenz i.d.R. 250–320/min, Ventrikelfrequenz i.d.R. 120–160/min
- Typisches „Counter Clockwise“-Vorhofflattern: Negative Flatterwellen in II, III, aVF und positive Flatterwellen in V1
- Typisches „Clockwise“-Vorhofflattern: Positive Flatterwellen in II, III, aVF und negative Flatterwellen in V1
- Atypisches Vorhofflattern: Keine pathognomischen EKG-Muster
- EKG: I.d.R. Zeichen einer atrialen Makro-Reentry-Tachykardie
- Management
- Instabile Hämodynamik → Elektrokardioversion
- Stabile Hämodynamik → Therapiebeginn analog zum Vorhofflimmern (s.u.)
- Therapie
- Upstream-Therapie: Siehe Vorhofflimmern - Upstream-Therapie
- Thromboembolieprophylaxe nach CHA2DS2VA-Score (siehe Vorhofflimmern - Thromboembolieprophylaxe)
- Frequenzkontrolle
- Akut: Versuch mit Betablockern oder NDCA i.v.
- Für Dosierungshinweise siehe: Akute medikamentöse Frequenzkontrolle
- Langfristig : 1. Wahl Betablocker oder NDCA p.o., 2. Wahl Amiodaron
- Für Dosierungshinweise siehe: Langfristige medikamentöse Frequenzkontrolle
- Akut: Versuch mit Betablockern oder NDCA i.v.
- Rhythmuskontrolle
- Akut: Energiearme Elektrokardioversion oder ggf. Amiodaron i.v.
- Für Dosierungshinweise siehe: Medikamentöse Rhythmuskontrolle - Übersicht
- Sonderfall Schrittmacher/ICD mit Vorhofsonde: Atriale Überstimulation
- Langfristig: Katheterablation des cavotrikuspidalen Isthmus (Standardtherapie )
- Akut: Energiearme Elektrokardioversion oder ggf. Amiodaron i.v.
- Prognose
- Rezidivrate von ca. 70% unter medikamentöser Therapie!
- Rezidivrate von <10% nach Katheterablation
- Erhöhtes Risiko für Degeneration ins Vorhofflimmern → Verlaufskontrollen mit Langzeit-EKG
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Management
Initiale Beurteilung
- ABCDE-Schema
- >100–110/min oder <60/min und/oder instabil: Anlage eines venösen Zugangs + BGA
- Monitoring etablieren: 3-Kanal-EKG, RR, spO2 (± O2-Gabe)
- Beeinflussbare Ursachen von Vorhofflimmern suchen und behandeln
- Falls nicht zeitkritisch
- Diagnose AFib mittels 12-Kanal-EKG bestätigen
- TTE zur Beurteilung der LV-Funktion
- Bei V.a. Präexzitation: Siehe Vorhofflimmern mit Präexzitation
Vorgehen nach Ventrikelfrequenz
Tachykard übergeleitetes AFib >100–110/min
- Instabile Hämodynamik → Notfallmäßige elektrische Kardioversion
- I.d.R. synchronisierte Kardioversion mit biphasisch 120–200 J ± Analgosedierung
- Bei Bedarf Katecholamine, zurückhaltende Volumengabe
- Orale Antikoagulation
- Dauer AFib ≥24 h oder unklar: Zeitnaher Beginn einer Antikoagulation, falls nicht bereits etabliert
- Dauer AFib <24 h: Evaluation OAK nach CHA2DS2VA-Score
- Stabile Hämodynamik
- Dauer AFib ≥24 h oder unklar
- Akute medikamentöse Frequenzkontrolle
- Allgemeine Indikationen für eine Rhythmuskontrolle prüfen → Falls indiziert: Erst planen, sobald
- Dauer AFib <24 h
- Akute medikamentöse Frequenzkontrolle
- Allgemeine Indikationen für eine Rhythmuskontrolle prüfen → Falls indiziert: Frühe Rhythmuskontrolle erwägen [10]
- Orale Antikoagulation
- Bisher nicht etabliert: Evaluation nach CHA2DS2VA-Score bzw. bei geplanter Rhythmuskontrolle siehe: Antikoagulation vor und nach Kardioversion
- Bereits etabliert: Therapieadhärenz prüfen, bei VKA aktuelle INR-Kontrolle
- Dauer AFib ≥24 h oder unklar
Ein instabiles, tachykard übergeleitetes Vorhofflimmern sollte unmittelbar elektrisch kardiovertiert werden!
Bradykard übergeleitetes AFib <60/min
- Instabile Hämodynamik
- Medikamentöse Therapie: Atropin und/oder Katecholamine
- Für Dosierungshinweise siehe: Frequenzkontrolle bei bradykard übergeleitetem Vorhofflimmern
- Medikamentöse Therapie frustran → Temporäre Schrittmachertherapie
- Medikamentöse Therapie: Atropin und/oder Katecholamine
- Stabile Hämodynamik
- Monitoring, bradykardisierende Medikamente pausieren, Ursachenabklärung
- Indikation für OAK prüfen mittels CHA2DS2VA-Score
- Ggf. definitive Schrittmacherversorgung planen
- Siehe auch
Normofrequent übergeleitetes AFib 60–100(–110)/min
- I.d.R. stabile oder stabilisierte Hämodynamik
- Vorhofflimmern - Upstream-Therapie
- Vorhofflimmern - Thromboembolieprophylaxe
- Medikamentöse Frequenzkontrolle - Übersicht
- Allgemeine Indikationen für eine Rhythmuskontrolle prüfen
- Dauer AFib ≥24 h oder unklar: Rhythmuskontrolle erst planen, sobald
- Dauer AFib <24 h: Frühe Rhythmuskontrolle erwägen [10]
Vorgehen nach Häufigkeit/Dauer
Therapie
Therapiegrundsätze
- Vorgeschlagene Herangehensweisen
- ABC-Pfad (2020) [1]
- A = Antikoagulation bzw. Thromboembolieprophylaxe
- B = Bessere Symptomkontrolle: Frequenzkontrolle und/oder Rhythmuskontrolle
- C = Einstellung von Komorbiditäten: Upstream-Therapie
- AF-CARE (2024) [2]
- AF = Vorhofflimmern
- C = Einstellung von Komorbiditäten und Risikofaktoren: Upstream-Therapie
- A = Antikoagulation bzw. Thromboembolieprophylaxe
- R = Reduktion von Symptomen: Frequenzkontrolle und/oder Rhythmuskontrolle
- E = Regelmäßige Reevaluation
- ABC-Pfad (2020) [1]
- Zusätzliche Maßnahmen
- Psychosoziale Unterstützung der Betroffenen
- Aufklärung von Betroffenen, Angehörigen, Pflegenden, ärztlichem Personal
- Niederschwellige Kommunikation zwischen Erstversorger und auf AFib spezialisiertem Zentrum
- Gemeinsames Ziel: Interdisziplinäres, patientenzentriertes Behandlungskonzept
Jede von Vorhofflimmern betroffene Person sollte unabhängig von Geschlecht, Herkunft und sozioökonomischem Status Zugang zu einer optimalen, patientenzentrierten Versorgung erhalten!
Upstream-Therapie
- Definition: Identifikation und Behandlung von zugrundeliegenden Lebensstilfaktoren und Komorbiditäten
- Für Gesamtüberblick der Risikofaktoren siehe auch: Vorhofflimmern - Ätiologie
- Methode
- Fokus auf die individuell größten Risikofaktoren
- Realistische Zielsetzung
- Gemeinsame Entscheidungsfindung
- Ziel: Wirksamkeit↑ der übrigen Therapiesäulen
Lebensstil optimieren
- Gewichtsabnahme: Bei übergewichtigen und adipösen Personen
- Ziel: ≥10% des Körpergewichts bzw. BMI <27 kg/m2
- BMI ≥40 kg/m2 und geplante Rhythmuskontrolle: Bariatrische Chirurgie erwägen
- Eingeschränkter Alkoholkonsum: Max. 3 Standardgetränke (≤30 g Alkohol) / Woche
- Moderate körperliche Aktivität: Individueller Fitnessplan für Personen mit paroxysmalem und persistierendem AFib
Komorbiditäten einstellen
- Arterielle Hypertonie
- Assoziation mit AFib: 1,7-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von AFib!
- Einstellung
- Ziel-Blutdruck i.d.R. <130/80 mmHg bzw. „so niedrig wie klinisch vertretbar“
- ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker ggf. mit geringerer Progression von AFib assoziiert
- Einstellung von Lebensstilfaktoren (insb. Adipositas, Alkoholkonsum) und OSAS wirkt unterstützend
- Für weiterführende Informationen siehe: Therapie der arteriellen Hypertonie
- Herzinsuffizienz
- Assoziation mit AFib
- Wichtiger Prognosefaktor bei Personen mit AFib
- AFib einer der häufigsten Triggerfaktoren der akuten kardialen Dekompensation
- Assoziiert mit einer Verdoppelung des thromboembolischen Risikos (auch unter OAK!) und einer Steigerung der Mortalität um 25%
- Prognose ggf. abhängig von LVEF; am schlechtesten bei Personen mit AFib und HFrEF
- Einstellung
- Euvolämie u.a. mit effektiverer Frequenzkontrolle assoziiert; Diuretika sinnvoll einsetzen
- Bei allen Personen mit Herzinsuffizienz und AFib: SGLT2-Inhibitoren einsetzen
- Besonderheiten zur Frequenzkontrolle beachten (siehe: Medikamentöse Frequenzkontrolle - Übersicht)
- Für weiterführende Informationen siehe: Therapie der Herzinsuffizienz
- Assoziation mit AFib
- Diabetes mellitus
- Assoziation mit AFib
- Betrifft etwa 25% der Personen mit AFib
- Ggf. vermehrt symptomarme Episoden durch autonome Dysfunktion
- Einstellung
- Optimale Blutzuckereinstellung anstreben, häufige Komorbiditäten beachten
- Für weiterführende Informationen siehe: Diabetes mellitus - Therapie
- Assoziation mit AFib
- OSAS
- Assoziation mit AFib
- Hohe Prävalenz bei Personen mit AFib
- Erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und erhöhte Mortalität
- Schlechtere Erfolgsraten von Antiarrhythmika, Elektrokardioversion und Katheterablation
- Einstellung
- Adäquate CPAP-Therapie: Ggf. bessere Ergebnisse der Rhythmuskontrolle
- Für weiterführende Informationen siehe: Therapie des OSAS
- Assoziation mit AFib
Die Identifikation und Behandlung von Risikofaktoren und Komorbiditäten ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Vorhofflimmertherapie!
Thromboembolieprophylaxe
Thromboembolierisiko einschätzen
- CHA2DS2VA-Score: Bei Erstdiagnose AFib sowie bei jeder(!) Folgevorstellung erheben
- Vormals empfohlen: CHA2DS2VASc-Score
- Weitere Parameter, die mit einem erhöhten Thromboembolierisiko einhergehen
- (Chronische) Nierenerkrankung
- Kardiale Amyloidose, HCM
- Hyper-/ Dyslipidämie
- Rauchen
- Metabolisches Syndrom
- Tumorerkrankungen
- Erhöhung bestimmter Biomarker (bspw. Troponin, BNP)
CHA2DS2VA-Score: Einschätzung des Thromboembolierisikos bei Vorhofflimmern (nach ESC 2024) | |||
---|---|---|---|
Akronym | Risikofaktor | Definition | Punkte |
C |
|
| 1 |
H |
| 1 | |
A |
|
| 2 |
D |
| 1 | |
S |
|
| 2 |
V |
|
| 1 |
A |
|
| 1 |
Maximalpunktzahl | 8 | ||
Interpretation: 0–1 Punkte: niedriges Thromboembolierisiko; ≥2 Punkte: erhöhtes Thromboembolierisiko |
Das Thromboembolierisiko sollte bei Erstdiagnose Vorhofflimmern und bei jeder Folgevorstellung mittels CHA2DS2VA-Score (re)evaluiert werden!
Blutungsrisiko einschätzen
- Vormals empfohlen: HAS-BLED-Score
Risikofaktoren für Blutungsereignisse unter OAK oder Thrombozytenaggregationshemmung | |
---|---|
Nicht-modifizierbar |
|
Potenziell modifizierbar |
|
Das Blutungsrisiko sollte bei Erstdiagnose Vorhofflimmern und bei jeder Folgevorstellung (re)evaluiert und modifizierbare Risikofaktoren eingestellt werden!
Orale Antikoagulation
- Indikation
- Definitiv
- CHA2DS2VA-Score ≥2 oder
- HCM / kardiale Amyloidose oder
- Mind. mittelgradige Mitralklappenstenose / Z.n. mechanischem Herzklappenersatz
- Individuell zu erwägen: CHA2DS2VA-Score 1
- Bei erhöhtem Blutungsrisiko: Risikofaktoren einstellen, engmaschigeres Follow-up
- Definitiv
- Absolute Kontraindikationen
- Substanzen
- 1. Wahl: DOAK (Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban oder Dabigatran )
- Ausnahmen: Mind. mittelgradige Mitralstenose oder Z.n. mechanischem Herzklappenersatz
- Für Dosierungshinweise siehe: Therapeutische Antikoagulation: DOAK
- 2. Wahl: VKA (Phenprocoumon, Warfarin)
- Mittel der Wahl bei mind. mittelgradiger Mitralstenose oder Z.n. mechanischem Herzklappenersatz
- Für Dosierungshinweise siehe: Therapeutische Antikoagulation: VKA
- Alternative: Heparin
- Für Dosierungshinweise siehe: Therapeutische Antikoagulation: UFH, Therapeutische Antikoagulation: NMH
- 1. Wahl: DOAK (Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban oder Dabigatran )
Bei fehlenden Kontraindikationen sollte die orale Antikoagulation beim Vorhofflimmern mittels DOAK durchgeführt werden!
Ein erhöhtes Blutungsrisiko ist per se keine Kontraindikation für eine orale Antikoagulation!
Antikoagulation vor und nach Kardioversion [1][16]
- Antikoagulation vor Kardioversion
- Instabile Hämodynamik: Notfallmäßige Kardioversion, Antikoagulation so schnell wie möglich beginnen
- Stabile Hämodynamik
- Dauer <24 h: Nach CHA2DS2VA-Score
- Wenn indiziert: Antikoagulation so früh wie möglich vor Kardioversion beginnen
- Dauer ≥24 h oder unklar : Kardioversion erst durchführen, wenn
- Therapeutische Antikoagulation für ≥3 Wochen etabliert oder
- Thrombenausschluss mittels TEE erfolgt [17]
- Dauer <24 h: Nach CHA2DS2VA-Score
- Antikoagulation nach Kardioversion
- Dauer AFib sicher <24 h
- CHA2DS2VA-Score 0: Antikoagulation optional
- CHA2DS2VA-Score ≥1: Mind. 4 Wochen Antikoagulation, anschließend Reevaluation nach CHA2DS2VA-Score
- Dauer AFib ≥24 h oder unklar: Mind. 4 Wochen Antikoagulation, anschließend Reevaluation nach CHA2DS2VA-Score
- Dauer AFib sicher <24 h
Eine elektive Kardioversion bei Vorhofflimmern >24 h darf erst nach ≥3 Wochen etablierter therapeutischer Antikoagulation oder Thrombenausschluss mittels TEE erfolgen!
LAA-Verschluss [18]
- Indikation
- Methoden
- Interventionell: Kathetergestütztes Einbringen eines LAA-Okkluders von
- Endokardial (bspw. Amplatzer Amulet®, Watchman® ) oder von
- Endo- und epikardial (bspw. LARIAT® )
- Chirurgisch
- LAA-Exklusion (bspw. AtriClip® ) oder
- Chirurgische LAA-Resektion
- Interventionell: Kathetergestütztes Einbringen eines LAA-Okkluders von
Symptomkontrolle
- 2 Hauptprinzipien: Jeweils individuelle Entscheidung, welches Prinzip primär verfolgt wird
- Frequenzkontrolle = AFib mit Ziel einer weitgehend normalen Kammerfrequenz
- Rhythmuskontrolle = Wiederherstellen und Aufrechterhalten eines Sinusrhythmus
Gemeinsames Ziel von Frequenz- und Rhythmuskontrolle ist eine Verbesserung der Lebensqualität durch bessere Symptomkontrolle!
Frequenzkontrolle
Medikamentöse Frequenzkontrolle
- Indikation
- Initiale Basistherapie bei Erstdiagnose AFib
- Zusätzliche Therapieoption neben Rhythmuskontrolle
- Primäre Therapieoption bei
- Geringen Erfolgsaussichten einer Rhythmuskontrolle
- Kontraindikationen für eine Rhythmuskontrolle
- Z.n. (mehrfach) gescheiterter Rhythmuskontrolle
- Zielfrequenz
- Moderate Frequenzkontrolle mit <110/min: Initial bei allen Personen (Ausnahmen: CRT, Tachykardiomyopathie )
- Strikte Frequenzkontrolle mit <80/min: Bei anhaltenden Symptomen und/oder reduzierter LV-Funktion unter moderater Frequenzkontrolle
- Vorteile: Schneller Wirkeintritt, i.d.R. wenig Nebenwirkungen, sichere Anwendung
- Nachteile: Kein Einfluss auf strukturelle Langzeitveränderungen, erhöhtes Bradykardierisiko
- Substanzen
- Mittel der Wahl: Betablocker , NDCA oder Digitalisglykoside
- Reservemedikament: Amiodaron (zurückhaltender Einsatz )
Medikamentöse Frequenzkontrolle - Übersicht | ||||
---|---|---|---|---|
Substanzgruppe | Anwendungshinweise | Dosierung | ||
Akute Frequenzkontrolle (i.v./p.o. ) | Langfristige Therapie (p.o.) | |||
Betablocker |
|
| ||
NDCA |
| |||
Digitalisglykoside |
| |||
Amiodaron |
|
Amiodaron darf bei bekanntem LA/LAA-Thrombus nicht zur Symptomkontrolle eingesetzt werden, da ansonsten eine systemische Embolisierung droht!
Bei (beginnender) hämodynamischer Instabilität sollte direkt elektrisch kardiovertiert werden!
Bei Vorhofflimmern mit Präexzitation dürfen keine negativ dromotropen Substanzen wie Betablocker oder Adenosin eingesetzt werden, da ansonsten die Degeneration in lebensgefährliche ventrikuläre Arrhythmien droht!
Invasive Frequenzkontrolle
- Indikation: Ultima Ratio bei
- Insuffizienter Frequenzkontrolle unter medikamentöser Dreifachtherapie oder
- Kontraindikationen für medikamentöse Frequenzkontrolle und Rhythmuskontrolle
- Insb. bei älteren Personen mit HFrEF und eingeschränkter Lebenserwartung erwägen
- Methode: CRT-/Schrittmacherimplantation + AV-Knotenablation („Pace and ablate“)
- Zielfrequenz: Initiale Einstellung i.d.R. 70–90/min
- Vorteile: Keine Medikamentennebenwirkungen, in Einzelfällen ggf. Verbesserung der LVEF
- Nachteile
- Lebenslang komplette Schrittmacherabhängigkeit!
- Kein Einfluss auf strukturelle Langzeitveränderungen
- OP-/Interventionsrisiken und Risiko für langfristige Schrittmacherkomplikationen
Die AV-Knotenablation mit vorheriger Schrittmacherimplantation ist die Ultima Ratio der Frequenzkontrolle, da hierdurch eine komplette Schrittmacherabhängigkeit entsteht!
Frequenzkontrolle bei bradykard übergeleitetem Vorhofflimmern
- Allgemeines Vorgehen: Siehe Vorhofflimmern - Management
- Medikamentöse Therapie
- Frequenzkontrollierende Medikamente pausieren
- Atropin , bei ungenügender Wirkung Katechoalmine, bspw. Epinephrin
- Falls medikamentöse Therapie frustran: Temporäre Schrittmachertherapie, ggf. definitive Schrittmacherversorgung planen
- Siehe auch
Rhythmuskontrolle
- Allgemeine Indikationen für eine Rhythmuskontrolle
- Zusätzliche Therapieoption bei unzureichender Symptomkontrolle unter Frequenzkontrolle
- Primäre oder zusätzliche Therapieoption bei V.a. Tachykardiomyopathie
- Primäre Therapieoption bei bestimmten weiteren Patientengruppen
- Faktoren für eine erfolgreiche Rhythmuskontrolle
- Adäquate Upstream-Therapie
- Seit kurzer Zeit bestehendes, insb. paroxysmales AFib (mit geringem atrialen Remodeling )
- Vorteile
- Reduktion von Morbidität und Mortalität in bestimmten Patientengruppen
- Möglicherweise positiver Einfluss auf strukturelle Langzeitveränderungen [10]
- Nachteile
- Erhöhtes Thromboembolierisiko
- Geringe Erfolgsaussichten bei fortgeschrittenem atrialen Remodeling oder inadäquater Upstream-Therapie
- Einmalige Kardioversion ohne Zusatztherapie häufig ohne langfristige Wirkung
Strategien zur Rhythmuskontrolle sind insb. bei erst seit kurzer Zeit bestehendem Vorhofflimmern erfolgversprechend!
Elektrokardioversion
- Indikation
- Jedes tachykard übergeleitete AFib mit hämodynamischer Instabilität
- Bei persistierendem AFib zur Prüfung der Symptom-Rhythmus-Korrelation und Kontrolle der LVEF im Sinusrhythmus
- Vorteile: Schnellste Form der Kardioversion, keine Nebenwirkungen durch Antiarrhythmika
- Nachteile: Tiefe Analgosedierung notwendig, eingriffspezifische Risiken
- Zeitpunkt
- Notfallmäßig: Bei jedem tachykard übergeleiteten AFib mit hämodynamischer Instabilität
- Zeitnah [10]
- OAK seit ≥3 Wochen etabliert: Sofortige Kardioversion oder 48 h Spontankonversion abwarten
- Keine OAK / OAK seit <3 Wochen und milde Symptomatik: OAK beginnen, 48 h Spontankonversion abwarten, ggf. elektive Kardioversion planen
- Keine OAK / OAK seit <3 Wochen und starke Symptomatik: OAK beginnen, Kardioversion nach Thrombenausschluss mittels TEE
- Elektiv: Geplante Kardioversion nach ≥3 Wochen etablierter OAK
- Zu beachten
- Adäquate Analgosedierung
- Nach Kardioversion EKG-Monitoring für weitere 3 h, ggf. Schrittmacherkontrolle
- Adäquate Antikoagulation vor und nach Kardioversion
- Klinische Anwendung, siehe: Elektrische Kardioversion - AMBOSS-SOP
- Vorbehandlung mit Antiarrhythmika für 3–4 d mit geringerer Rate an Frührezidiven nach Elektrokardioversion assoziiert
Eine Kardioversion bei Vorhofflimmern kann der Demaskierung subtiler Symptome dienen!
Medikamentöse Rhythmuskontrolle
- Indikation
- Periinterventionell bei elektiver Elektrokardioversion
- Symptomatisches Frührezidiv nach Ablation
- Alternative Therapieoption bei Kontraindikationen für oder Z.n. (mehrfach) frustraner Ablation
- Primäre oder zusätzliche Therapieoption in bestimmten weiteren Patientengruppen
- Vorteile: Keine Analgosedierung notwendig, „Pill-in-the-pocket“-Prinzip mit gestärkter Selbstwirksamkeit
- Nachteile: Zahlreiche Medikamentennebenwirkungen
- Substanzen
- Methoden
-
Medikamentöse Kardioversion: Einmalgabe eines Antiarrhythmikums
- Sonderform ambulante Kardioversion in Eigenregie: „Pill-in-the-pocket“
- Längerfristige antiarrhythmische Therapie
-
Medikamentöse Kardioversion: Einmalgabe eines Antiarrhythmikums
- Zu beachten
- Kontraindikationen, Medikamenteninteraktionen und klinische Vigilanz bzgl. möglicher Nebenwirkungen
- Adäquate Antikoagulation vor und nach Kardioversion (für genaues Vorgehen siehe auch: Elektrokardioversion)
Auch bei der medikamentösen Rhythmuskontrolle muss auf eine adäquate Antikoagulation vor und nach Kardioversion geachtet werden!
Medikamentöse Rhythmuskontrolle - Übersicht | |||
---|---|---|---|
Substanz(gruppe) | Anwendungshinweise | Dosierung | |
Kardioversion (i.v./p.o.) | Längerfristige Therapie (p.o.) | ||
Flecainid, Propafenon |
| ||
Vernakalant |
|
|
|
Amiodaron |
| ||
Dronedaron |
|
| |
Sotalol |
|
|
Antiarrhythmika sind nebenwirkungsreiche Substanzen, deren (insb. längerfristiger) Einsatz wohlüberlegt sein sollte!
Bei (beginnender) hämodynamischer Instabilität sollte direkt elektrisch kardiovertiert werden!
Katheterablation
- Indikation
- Alternative Therapieoption bei Kontraindikationen für oder Wirkverlust von Antiarrhythmika
- Primäre Therapieoption bei paroxysmalem AFib , bei persistierendem AFib erwägen
- Primäre Therapieoption bei V.a. Tachykardiomyopathie, bei HFrEF ohne Tachykardiomyopathie erwägen
- Bei Brady-Tachy-Syndrom erwägen
- Vorteile
- Als Erstlinientherapie beim paroxysmalen AFib Antiarrhythmika überlegen
- Keine Nebenwirkungen durch Antiarrhythmika
- Prognostischer Benefit in bestimmten Patientengruppen [10]
- Nachteile
- Invasivität, tiefe Analgosedierung notwendig
- Eingriffsspezifische Risiken, u.a. Perikardtamponade, TIA bzw. ischämischer Schlaganfall, ösophageale Läsionen, Nervus-phrenicus-Parese [10]
- Sehr selten: Ösophagoatriale Fistel: Kurzschlussverbindung zwischen Herz und Speiseröhre durch thermale Läsionen [19]
- Insb. bei fortgeschrittenem atrialen Remodeling einmalige Ablation häufig nicht nachhaltig
- Methode: Katheterbasierte Erzeugung minimaler endokardialer Verletzungen zur Induktion von Narbengewebe
- Pulmonalvenenisolation (PVI)
- Thermale Technik: Kryoballonablation [19], Hochfrequenzstromablation
- Nicht-thermale Technik: Pulsed-Field-Ablation [10]
- Gezielte Ablation mit 3D-Mapping
- 3D-Mapping bspw. mittels Voltage-Maps: Katheterbasierte elektroanatomische „Landkarten“ der Herzhöhlen
- Ablation selbst i.d.R. mittels Hochfrequenzstrom- oder Pulsed-Field-Methode
- Pulmonalvenenisolation (PVI)
- Zu beachten
- Präinterventionell: ≥3 Wochen OAK etablieren und Thrombenausschluss mittels TEE erwägen
- Periinterventionell: OAK ohne Unterbrechung fortführen
- Postinterventionell
- Sonografisch aus 3 Ebenen Perikarderguss ausschließen : Direkt nach Intervention („auf dem Tisch“) und am Folgetag bzw. vorzeitig bei Beschwerden
- Leistenkontrolle nach Abnahme des Druckverbands zum Ausschluss relevanter Nachblutungen und/oder eines Aneurysma spurium
- OAK für mind. 2 Monate nach Intervention; im Anschluss Reevaluation nach CHA2DS2VA-Score
- Erfolgskontrolle: Abschließende Beurteilung mittels LZ-EKG nach ca. 2–3 Monaten
Chirurgische Ablation
Minimalinvasive Pulmonalvenenisolation [20]
- Indikation
- Bei persistierendem AFib mit persistierenden Symptomen trotz Antiarrhythmika erwägen
- Bei paroxysmalem AFib mit persistierenden Symptomen trotz Antiarrhythmika und Z.n. frustraner Katheterablation erwägen
- Methode: Endoskopische Hochfrequenzstromablation von epikardial
- Hybridablation: Kombination von endoskopischer Ablation (epikardial) und Katheterablation (endokardial)
- Zu beachten
- Höhere eingriffsbezogene Komplikationsraten im Vergleich zur Katheterablation
- Empfehlungen gelten für hochspezialisierte Zentren
- Empfehlungen zur periinterventionellen OAK i.d.R. analog zur Katheterablation
OP am offenen Herzen: Cox-MAZE-Operation [21]
- Indikation: Zusätzliche Therapieoption bei AFib und chirurgischem Mitralklappeneingriff
- Erwägen bei AFib und kardiochirurgischem Eingriff, der nicht die Mitralklappe betrifft
- Methode: Transmurale Hochfrequenzstrom- oder kryobasierte Ablation mit LAA-Resektion
- Zu beachten
- Intraoperative TEE zum Guiding und Thrombenausschluss empfohlen
- Ausgiebige biatriale Ablation ggf. mit höheren Raten postoperativer Schrittmacherabhängigkeit assoziiert
Frequenz- vs. Rhythmuskontrolle
Frequenz- vs. Rhythmuskontrolle - Vor- und Nachteile | ||
---|---|---|
Frequenzkontrolle | Rhythmuskontrolle | |
Vorteile |
|
|
Nachteile |
|
|
Frequenz- vs. Rhythmuskontrolle - Indikationen | |||
---|---|---|---|
Frequenzkontrolle | Medikamentös |
| |
Invasiv |
| ||
Rhythmuskontrolle | Elektrisch |
| |
Medikamentös |
| ||
Invasiv |
|
Komplikationen
Akute Komplikationen
- Thrombenbildung (insb. im LAA) → Thromboembolien
- Ischämischer Schlaganfall / TIA
- AFib verantwortlich für 20–30% aller ischämischen Schlaganfälle und
- Ca. 10% aller kryptogenen Schlaganfälle
- Nieren- oder Milzinfarkt
- Akute Mesenterialischämie
- Akute Extremitätenischämie
- Ischämischer Schlaganfall / TIA
- Akute Linksherzinsuffizienz → Kardiales Lungenödem
- Myokardiale Ischämie
- Rhythmogener kardiogener Schock
- Blutungen
- Tod
Die drei wichtigsten Embolieorgane sind Gehirn, Niere und Milz!
Langfristige Komplikationen
Vorhofflimmern – langfristige Komplikationen | ||
---|---|---|
Komplikation | Häufigkeit bei AFib | Pathomechanismus |
Tachykardiomyopathie bzw. Herzinsuffizienz ± LV-Dysfunktion |
|
|
Kognitiver Abbau, Demenz |
|
|
Depression, Suizidalität |
|
|
Krankenhausaufenthalte |
|
|
Eingeschränkte Lebensqualität |
|
|
Tachykardiomyopathie [22]
- Definition: Herzinsuffizienz aufgrund einer tachykarden und/oder arrhythmischen Herzrhythmusstörung
- Mit systolischer ± diastolischer Funktionsstörung
- I.d.R. (teil‑)reversibel durch Wiederherstellung eines Sinusrhythmus
- Epidemiologie
- Bei ca. 3–4% der Personen mit AFib
- Tachykardiomyopathie-Komponente bei bis zu 88% der Personen mit AFib und Herzinsuffizienz
- Pathophysiologie
- (Tachy‑)Arrhythmie mit Verlust der effektiven Vorhofkontraktion → Energie- und O2-Verbrauch↑, Asynchronie → Gestörte intra- und extrazelluläre Prozesse → Kontraktilität↓, HZV↓, Wandspannung↑, Füllungsdruck↑ → Langfristig: Ventrikeldilatation
- Formen
- Klassische Tachykardiomyopathie: Herzrhythmusstörung allein ursächlich für Herzinsuffizienz
- Gemischte Tachykardiomyopathie: Herzrhythmusstörung verschlechtert vorbestehende Herzinsuffizienz
- Ätiologie
- Supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen: Insb. AFib, AFlut, seltener AVNRT, AVRT
- Ventrikuläre Herzrhythmusstörungen: Insb. ventrikuläre Extrasystolie
- Entwicklung oder Verschlechterung einer Herzinsuffizienz abhängig von individuellen Faktoren , u.a.
- Dauer der Herzrhythmusstörung
- Kammerfrequenz bzw. Arrhythmielast
- Alter und Begleiterkrankungen
- Genetische Prädisposition
- Symptome/Klinik
- Symptome einer Herzinsuffizienz
- Verlauf i.d.R. über Wochen bis Jahre, Erstvorstellung allerdings auch mit akuter Symptomatik (bspw. kardiogener Schock) möglich
- Diagnostik
- Ausschlussdiagnose!
- Anamnese, körperliche Untersuchung
- Basislabor inkl. kardialer Biomarker (u.a. hs-Troponin, NT-proBNP)
- (Langzeit‑)EKG mit Tachykardiomyopathie-verdächtigen Befunden, insb.
- Supraventrikuläre Tachykardie mit dauerhaft >100/min erhöhter Herzfrequenz und/oder einem Burden von >10–15%
- VES-Burden >10%
- TTE
- Eingeschränkte LV-Funktion mit globaler Hypokinesie ± diastolische Funktionsstörung
- Ggf. Mitralklappeninsuffizienz bei bereits dilatierten linken Herzhöhlen
- Erweiterte Diagnostik (je nach klinischem Gesamtbild)
- Koronarangiografie zum Ausschluss einer ischämischen Komponente
- Kardio-MRT zum Ausschluss anderer struktureller Herzerkrankungen
- Myokardbiopsie zum Ausschluss einer inflammatorischen Komponente
- Therapie: Beendigung der Herzrhythmusstörung + Beginn bzw. Optimierung einer Herzinsuffizienztherapie
- Vorhofflimmern - Therapie
- Frühe Rhythmuskontrolle mittels Katheterablation bevorzugen!
- Ventrikuläre Extrasystolen - Therapie
- Frühe Katheterablation bevorzugen (falls anatomisch machbar)
- Herzinsuffizienz - Therapie
- Je nach LV-Funktion ggf. ICD-Evaluation oder Versorgung mit LifeVest®
- Vorhofflimmern - Therapie
- Nachsorge: Verlaufskontrollen mittels TTE und Langzeit-EKG (bspw. nach 3, 6 und 12 Monaten)
Die Tachykardiomyopathie-Komponente durch Vorhofflimmern wird bei vorbestehender Herzinsuffizienz häufig unterschätzt!
Die Tachykardiomyopathie ist eine Ausschlussdiagnose, die häufig erst retrospektiv gestellt werden kann!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Fahreignung bei Vorhofflimmern und Vorhofflattern
Besondere Patientengruppen
Postoperatives Vorhofflimmern [1][2][23]
- Definition: Postoperativ erstdiagnostiziertes AFib
- Epidemiologie: In der unmittelbar postoperativen Periode bei
- 30–50%(!) der Personen nach herzchirurgischen Eingriffen
- 5–30% der Personen nach chirurgischen, nicht-kardialen Eingriffen
- Vermutete Pathophysiologie: Vorbestehendes atriales Remodeling + Intra- und/oder postoperative Triggerfaktoren → Risiko↑ für postoperatives AFib
- Symptome/Klinik: Häufig asymptomatisch
- Diagnostik: 12-Kanal-EKG (siehe auch: Vorhofflimmern - Diagnostik)
- Therapie
- Allgemeines Vorgehen, siehe: Vorhofflimmern - Management
- Hämodynamik stabilisieren, Oxygenierung und Analgesie optimieren, Elektrolytstörungen und Volumenhaushalt ausgleichen
- Beginn einer OAK + Frequenz- oder Rhythmuskontrolle
- Langfristige Thromboembolieprophylaxe: Individuelle Entscheidung
- Bei Entlassung zeitnahe Wiedereinbestellung mit Reevaluation von Rhythmusprofil und Medikation planen!
- Komplikationen
- Hämodynamische Instabilität bzw. Schock, Nierenerkrankungen, Blutungen, Infektionen
- Risiko↑ für Schlaganfall, Myokardinfarkt und Tod
- Verlängerter Krankenhausaufenthalt mit Kostenbelastung für das Gesundheitssystem
- Prognose: Häufig selbstterminierend, aber
- 4–5-fach erhöhtes Risiko für AFib-Rezidiv innerhalb von 5 Jahren
- Ggf. Indikator für spätere Herzinsuffizienz
- Prävention: Bei herzchirurgischen Eingriffen ggf.
- Perioperative Prophylaxe mit Amiodaron beginnen bzw. fortführen
- Intraoperativ posteriore Perikardiotomie durchführen
Vorhofflimmern und KHK [1][2]
Vorhofflimmern und chronisches Koronarsyndrom
Allgemeine Hinweise
- Symptomkontrolle und Upstream-Therapie optimieren
- Stabile Patient:innen : Monotherapie mit OAK statt TAH fortführen
Periinterventionelle Antikoagulation/TAH
- Vor PCI: VKA mit Ziel-INR 2–2,5 fortführen (kein Bridging!), DOAK ggf. für 24 h pausieren
- Während PCI: Parenterale Antikoagulation (UFH, NMH oder Bivalirudin)
- Nach PCI
- DOAK gegenüber VKA bevorzugen
- Bei hohem Blutungsrisiko Rivaroxaban und Dabigatran ggf. niedriger dosieren
- Clopidogrel als P2Y12-Inhibitor bevorzugen
- Standardprotokoll
- ≤1 Woche Triple-Therapie (DAPT + OAK)
- 6 Monate duale Therapie (Clopidogrel + OAK)
- Anschließend lebenslange Monotherapie OAK
Vorhofflimmern und akutes Koronarsyndrom
- Epidemiologie
- ACS in 2–23% mit AFib assoziiert
- Myokardinfarkt: Risiko für erstmaliges AFib um 60–77% gesteigert
Periinterventionelle Antikoagulation/TAH
- Vor PCI: Loading mit P2Y12-Inhibitor nur bei STEMI und/oder bekanntem Koronarstatus empfohlen
- Während PCI: Parenterale Antikoagulation (UFH, NMH oder Bivalirudin), wenn DOAK oder VKA mit INR ≤2,5
- Nach PCI
- Für allgemeine Hinweise siehe: Vorhofflimmern und chronisches Koronarsyndrom
- Standardprotokoll
- ≤1 Woche Triple-Therapie (DAPT + OAK)
- 12 Monate duale Therapie (Clopidogrel + OAK)
- Anschließend lebenslange Monotherapie OAK
Das individuell festgelegte antithrombotische Therapieschema nach PCI sollte der betroffenen Person verständlich vermittelt und im Entlassbericht klar dokumentiert werden!
Vorhofflimmern und Schwangerschaft [1][2][24]
- Epidemiologie: Häufig Erstmanifestation oder Zunahme von AFib-Episoden während der Schwangerschaft
- Problematik
- AFib mit schneller Kammerüberleitung: Ggf. hämodynamische Beeinträchtigung von Schwangerer und Fötus
- Mit erhöhtem Risiko für Thromboembolien und Tod assoziiert
- Zahlreiche Medikamente kontraindiziert (bspw. DOAK, Amiodaron)
- Management
- Thromboembolieprophylaxe: Nach CHA2DS2VA-Score
- Je nach Schwangerschaftswoche und Patientinneneigenschaften Antikoagulation mit NMH oder VKA empfohlen (siehe: Antikoagulation während der Schwangerschaft)
- Schwangere unter therapeutischer Antikoagulation und mit bereits eingesetzten Wehen: Kaiserschnitt erwägen
- Symptomkontrolle: Rhythmuskontrolle bevorzugen
- Hämodynamisch instabiles AFib / AFib mit Präexzitation: Elektrokardioversion empfohlen
- AFib bei HCM: Elektrokardioversion erwägen
- Hämodynamisch stabiles AFib: Ggf. Flecainid i.v. erwägen
- Falls Frequenzkontrolle notwendig: β1-selektive Betablocker bevorzugen (bspw. Bisoprolol, Metoprolol ); Eskalation: Verapamil oder Digoxin
- Thromboembolieprophylaxe: Nach CHA2DS2VA-Score
Studientelegramme zum Thema
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- Studientelegramm 30-2018-1/3: Health Tech: Früherkennung von Vorhofflimmern durch Smartwatches?
- Studientelegramm 16-2018-1/3: Vorhofflimmern, Antikoagulation und Demenz
- Studientelegramm 15-2018-3/4: Vorhofflimmern: Ablation bei Patienten mit Herzinsuffizienz (CASTLE-AF) – erstmals Verbesserung der Sterblichkeit?
- Studientelegramm 10-2017-3/3: Die Qual der Wahl: Welches Antikoagulans zur Schlaganfallprophylaxe bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern?
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Patienteninformationen
- Vorhofflimmern
- Vorhofflattern
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I48.-: Vorhofflimmern und Vorhofflattern
- I48.0: Vorhofflimmern, paroxysmal
- I48.1: Vorhofflimmern, persistierend
- I48.2: Vorhofflimmern, permanent
- I48.3: Vorhofflattern, typisch
- Vorhofflattern, Typ I
- I48.4: Vorhofflattern, atypisch
- Vorhofflattern, Typ II
- I48.9: Vorhofflimmern und Vorhofflattern, nicht näher bezeichnet
- I49.5: Sick-Sinus-Syndrom
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.