Zusammenfassung
Digitoxin und Digoxin sind Herzglykoside, die eine Hemmung der Natrium/Kalium-ATPase in den Kardiomyozyten bedingen. Dadurch steigt der intrazelluläre Natriumgehalt, wodurch sich der Wirkgradient des Natrium/Calcium-Antiporters verringert und der Calciumgehalt intrazellulär steigt. Dies führt zu einer Kontraktionskraftsteigerung (positiv inotrop) und einer Verlangsamung der Erregungsleitung im Herzen (negativ dromotrop). Da eine geringe therapeutische Breite besteht, muss der Blutspiegel streng kontrolliert werden. Eingesetzt werden Herzglykoside insb. zur Frequenzkontrolle bei tachykardem Vorhofflimmern, vor allem bei gleichzeitig bestehender Herzinsuffizienz. Zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz bei Patienten im Sinusrhythmus werden Digitalisglykoside nicht mehr allgemein empfohlen und gelten als Medikamente der ferneren Wahl.
Übersicht
Wirkbeginn | Besonderheiten | ||
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Digoxin |
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Digitoxin |
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"Digit"-oxin wie "lipid" ist lipophil und wird daher hepatisch eliminiert! Digoxin ist hydrophil und wird ausschließlich renal eliminiert!
"Großer Name (Digitoxin) = großes Organ (Leber), kleiner Name (Digoxin) = kleines Organ (Niere)"
Wirkung
- Positiv inotrop und negativ dromotrop
- Inhibitor der Na+/K+-ATPase in den Kardiomyozyten → Steigerung des intrazellulären Natriumgehalts → Verringerter Wirkgradient des Natrium/Calcium-Antiporters → Anstieg des intrazellulären Calciumgehalts → Kontraktionskraftsteigerung (positiv inotrop) und Verlangsamung der Erregungsleitung im Herzen (negativ dromotrop)
- Negativ dromotrope Wirkung erfolgt zudem über direkte Aktivierung des Parasympathikus durch zentrale Aktivierung der Vaguskerne
- Negativ chronotrop
- Zentrale Aktivierung der Vaguskerne → Erhöhung des Vagotonus → reflektorische Senkung des Sympathikotonus → Herzfrequenz↓
Nebenwirkung
Geringe therapeutische Breite: Bei einem ausgeprägten Nebenwirkungsprofil muss der Blutspiegel streng kontrolliert werden!
- Gastrointestinale Nebenwirkungen (Erbrechen, Durchfälle)
- Herzrhythmusstörungen
- Neurotoxizität: Sehstörungen
Digitalis-Intoxikation [1]
- Ätiologie
- Überdosierung
- Bei Digoxin: Niereninsuffizienz
- Verzehr Herzglykosid-haltiger Pflanzen
- Begünstigende Faktoren: Elektrolytstörungen
- Klinisches Bild
- Herzrhythmusstörungen: AV-Block, supraventrikuläre und/oder ventrikuläre Arrhythmien
- Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
- Sehstörungen (z.B. Gelb- und/oder Grünstich)
- Allgemeine Dämpfung, Verwirrtheit, Somnolenz
- Hyperkaliämie
- Diagnostik
- EKG: Muldenförmige ST-Senkung, Herzrhythmusstörungen jeglicher Art (Extrasystolen bis totaler AV-Block oder Kammerflimmern)
- Laboruntersuchungen: Bestimmung des Serumglykosidspiegels (CAVE, Anstieg um ca. 8 h verzögert bei akuter Intoxikation) und der Elektrolyte
- Therapie
- Digitalis-Antitoxin: Fab-Antikörperfragmente von IgG-Immunglobulinen, die Digitalispräparate binden
- Maßnahmen zur Entgiftung
- (Wiederholte) Gabe von Aktivkohle, ggf. Magenspülung
- Intoxikation mit Digitoxin: Ggf. zusätzlich Colestyramin , Hämoperfusion
- Antiarrhythmische Therapie
- Bradykarde Herzrhythmusstörungen: Bei Bedarf temporäre Schrittmachertherapie, Atropin (siehe auch: Bradykarde Herzrhythmusstörungen – AMBOSS-SOP)
- Tachykarde Herzrhythmusstörungen: Bei Bedarf Defibrillation bzw. Kardioversion (siehe auch: Elektrische Kardioversion und Defibrillation – AMBOSS-SOP)
- Elektrolythaushalt einstellen
- Hyperkaliämie → Digitalis-Antitoxin; falls nicht verfügbar: Kaliumsenkung mittels Glucose-Insulin-Infusion und/oder Natriumbicarbonat anstreben (siehe auch: Hyperkaliämie – Therapie)
- Hypokaliämie → Vorsichtige Substitution (gilt nicht bei AV-Überleitungsstörungen! )
- Hyperkalzämie korrigieren (siehe auch: Hyperkalzämie – Therapie)
Es werden die wichtigsten Nebenwirkungen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Indikation
- Frequenzkontrolle einer Tachyarrhythmia absoluta
-
Herzinsuffizienz: Anwendung nicht mehr allgemein empfohlen, da
- Keine Prognoseverbesserung mit Digitalis
- Sehr geringe therapeutische Breite
- Potenziell schwere Nebenwirkungen
- Ausnahme: Frequenzregulierung bei gleichzeitig bestehender tachykarder Herzrhythmusstörung
- Siehe auch
Kontraindikation
- Elektrolyte: Hypokaliämie und Hyperkalzämie → verstärkte Wirkung der Glykoside
- Herz
- Niere: Digoxin ist kontraindiziert bei Niereninsuffizienz
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Interaktion
- Wirkungsverstärkend
- Wirkungsmindernd
Dosierungsempfehlungen
Empfehlungen für Digoxin und Digitoxin [2]
Vergleich der Digitalisglykoside | ||
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Wirkstoff | Digoxin | Digitoxin |
Aufsättigungsdosis |
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Tägliche Erhaltungsdosis (p.o.) |
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Zielkonzentration im Serum |
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Toxische Konzentration im Serum |
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Digitalisglykoside haben eine geringe therapeutische Breite und können starken interindividuellen Schwankungen unterworfen sein. Auf eine regelmäßige Kontrolle der Wirkspiegel ist daher zu achten. Insb. ältere Menschen sowie Personen mit chronischer Nierenerkrankung oder geringem Körpergewicht benötigen oftmals eine kleinere Dosis!
Umstellung von Digitoxin auf Digoxin [2]
- Indikation für Digitalisglykoside prüfen
- Bei Vorhofflimmern: Ggf. Dosierung von Betablocker oder Calciumantagonist steigern, Auslassversuch erwägen, weitere Optionen prüfen (Frequenzkontrolle mit Amiodaron , Pulmonalvenenisolation)
- Therapiepause für 2–3 Wochen
- Therapiebeginn mit Digoxin: Dosisfindung anhand vorheriger Digitoxin-Dosis
- Kontrolle des Digoxinserumspiegels nach 7–10 d, ggf. Dosisanpassung
- Zielspiegel: 0,5–0,9 ng/mL
- Dosisreduktion auf 0,05 bzw. 0,1 mg/d oder Dosissteigerung auf 0,2 bzw. 0,25 mg/d
Studientelegramme zum Thema
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