Zusammenfassung
Maligne Hodentumoren treten vornehmlich bei jungen Männern zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr auf und können verschiedene histologische Tumorentitäten aufweisen. Meist stellen die Patienten eine schmerzlose Vergrößerung des Skrotums fest, ohne weitere Symptome zu zeigen. Neben der Palpation kommen diagnostisch vor allem die Hodensonografie sowie die Bestimmung der Tumormarker (AFP, β-HCG) zum Einsatz. Zur Befundsicherung erfolgt primär bei begründetem Verdacht eine inguinale Hodenfreilegung mit radikaler Orchiektomie der betroffenen Seite. Nach einem ausführlichen Staging steht zur adjuvanten Therapie je nach Subtyp und Stadium eine retroperitoneale Radiatio, eine Polychemotherapie nach PEB-Schema oder eine radikale Lymphadenektomie zur Verfügung.
Epidemiologie
- Häufigkeitsgipfel 20.–50. Lebensjahr
- Erneuter Inzidenz-Peak ab dem 70. Lebensjahr
- Bilaterales Vorkommen in 2%
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Risikofaktoren
- Maldeszensus testis (Kryptorchismus)
- Kontralateraler Hodentumor oder TIN
- Verwandte ersten Grades mit Hodentumor
- Infertilität, Hypospadie
Klassifikation
Einteilung nach Seminom/Nicht-Seminom
Übersicht: Maligne Hodentumoren | |||||
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Häufigkeit | AFP | HCG | Besonderheiten | ||
Seminom | 40–55% | – | –/↑ |
| |
Nicht-Seminom | Embryonalzellkarzinom | 12–30% | –/↑ | –/↑ |
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Teratom | 12–30% | – | – | ||
Chorionkarzinom | 2–6% | –/↑ | ↑ |
| |
Dottersacktumor | 2–6% | ↑ | – |
| |
Stromatumor | 2–6% | – | – |
|
HCG ist immer beim Chorionkarzinom und manchmal beim Embryonalzellkarzinom und Seminom erhöht. AFP ist immer beim Dottersacktumor und manchmal beim Chorionkarzinom und Embryonalzellkarzinom erhöht!
Hodentumoren metastasieren früh lymphogen ins Retroperitoneum mit Ausnahme des früh hämatogen metastasierenden Chorionkarzinoms! Mischformen von Seminomen und Nicht-Seminomen kommen vor!
Einteilung nach Keimzelltumor/Nicht-Keimzelltumor
Keimzelltumor
- Seminom
- Embryonalzell-Karzinom
- Dottersack-Karzinom
- Chorionkarzinom
- Teratom
Nicht-Keimzelltumor
- Stromatumoren
- Lymphome des Hodens
- Metastasen anderer Tumoren
- Mischtumoren mit nicht-Keimzelltumoranteil
Symptomatik
- Schmerzlose Verhärtung und Vergrößerung des Hodens
- Selten (ca. 10%) Spannungsschmerz im Skrotalfach bei größeren Tumoren (Schweregefühl)
- 10% der Hodentumoren werden aufgrund von Symptomen entdeckt, die durch Metastasen bedingt sind (z.B. Knochenschmerz bei ossärer Metastasierung)
- Sehr selten: Gynäkomastie
Stadien
Die Einteilung der Tumoren kann nach TNM-, Lugano/UICC- oder IGCCCG-Klassifikation erfolgen. Bisher wird vom IMPP vorrangig die Einteilung nach Lugano verwendet!
Lugano-Klassifikation/UICC-Klassifikation | |
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Stadium I | N0-Situation |
Stadium II | Regionärer Lymphknotenbefall
|
Stadium III | M1-Situation oder N-Situation extraretroperitoneal |
Diagnostik
Körperliche Untersuchung
- Inspektion
- Palpation: Verhärtung des Hodens und amorphe Form
- Diaphanoskopie
Blutuntersuchung
- Bestimmung der spezifischen Tumormarker: α1-Fetoprotein (AFP), humanes Choriongonadotropin (β-HCG) → siehe Übersicht: Maligne Hodentumoren
- Bestimmung der Laktatdehydrogenase (LDH)
Apparative Diagnostik
- Sonografie des Skrotums
- Tumorgewebe echoarm, echogemischt (inhomogen) oder teilweise zystisch
- Gesteigerte Durchblutung möglich
- Disseminierte Verkalkungen als Vorstufe eines Karzinoms (Sternenhimmel-Phänomen)
- Staginguntersuchungen
- Beurteilung der Lymphknoten : CT-Abdomen mit Kontrastmittel
- Metastasensuche: Röntgen oder CT des Thorax, CT-Abdomen und ggf. kraniales MRT (bei starkem Verdacht auf Hirnmetastasen)
Pathologie
- Identifizierung der Tumorentität → Übersicht: Maligne Hodentumoren
- Intraoperativer Schnellschnitt zur Diagnosesicherung bei unklaren klinischen Befunden
- Histopathologische Untersuchung des Orchiektomiepräparates
- Ggf. histopathologische Untersuchung von Material aus der radikalen Lymphadenektomie oder Metastasenchirurgie
Differenzialdiagnosen
- Hydrozele testis
- Epididymitis
- Metastasen anderer Tumoren (selten)
- Entzündliche Infiltrate
- Skrotalhernie
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Ein schneller Therapiebeginn ist wegen einer Tumorverdopplungszeit von 10–30 Tagen essenziell!
Operation
- Indikation: Alle malignen Hodentumoren sollten primär operiert werden (Ausnahme: Bei akut lebensbedrohlicher Metastasierung erfolgt die OP erst nach Polychemotherapie).
- Durchführung
-
Primäre Semikastration über einen inguinalen Zugang bei allen Hodentumoren
- Vor OP: Asservation von Ejakulat in spezialisierten Praxen!
- Kontralaterale Hodenbiopsie, wenn primär keine Chemotherapie geplant ist und ein erhöhtes Risiko für einen beidseitigen Befall besteht
-
Primäre Semikastration über einen inguinalen Zugang bei allen Hodentumoren
Adjuvante Radiatio und Chemotherapie
Stadieneinteilung nach Lugano-Klassifikation | Seminome | Nicht-Seminome |
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Stadium I |
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Stadium II A/ B |
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Stadium III |
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1PEB = Polychemotherapie mit Cisplatin, Etoposid, Bleomycin |
- Rezidivtherapie
- Bei Hirnmetastasen zusätzlich Ganzhirnbestrahlung mit 40 Gy
- Regelmäßige Nachsorge mittels Röntgen-Thorax, CT Abdomen/Becken und Tumormarker-Bestimmung
Der Hodentumor ist eines der wenigen Karzinome, das im metastasierten Stadium durch adäquate Chemotherapie noch kuriert werden kann – dies gilt vor allem für das Seminom. Nicht-Seminome, wie z.B. das embryonale Karzinom, haben eine deutlich schlechtere Prognose!
Prognose
Die Prognose der malignen Hodentumoren lässt sich durch die IGCCCG-Klassifikation abschätzen. Sie teilt die Tumorentitäten in drei Prognosegruppen ein, wobei Tumormarkerhöhe und Fernmetastasierung ausschlaggebend sind. Dabei ist zu beachten, dass Lungenmetastasen die Prognose nicht entscheidend verschlechtern und daher in der folgenden Klassifikation nicht als Fernmetastasen gezählt werden.
IGCCCG-Klassifikation | ||
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Seminom | Nicht-Seminom | |
Gute Prognose |
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Mittlere Prognose |
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Schlechte Prognose |
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Hodentumoren
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- C62.-: Bösartige Neubildung des Hodens
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.