Zusammenfassung
Das Phäochromozytom ist ein hormonell aktiver Tumor (meist im Nebennierenmark), der Katecholamine (insb. Adrenalin und Noradrenalin) produziert und unkontrolliert freisetzt. Man unterscheidet dabei zwischen benignen und malignen Phäochromozytomen, wobei die benigne Form deutlich häufiger ist (meist adrenal). Typisch sind paroxysmale Blutdruckkrisen in Kombination mit Gesichtsblässe, Kopfschmerzen und Tachykardie, doch sind auch Formen mit persistierender Hypertonie häufig. Die Diagnostik des Phäochromozytoms besteht primär in der Bestimmung von Katecholaminmetaboliten im Plasma und im Urin sowie der apparativen Tumorsuche. Eine operative Entfernung des Phäochromozytoms sollte nach effektiver Blockade der α-Adrenozeptoren mit Phenoxybenzamin angestrebt werden. Bei Inoperabilität kommen die dauerhafte Gabe von Alphablockern und bei malignen Befunden strahlentherapeutische Verfahren zum Einsatz.
Epidemiologie
- Alter: Häufigkeitsgipfel im 30.–50. Lebensjahr
- Häufigkeit: Auslöser von 0,2% aller Hypertonien
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Lokalisation
- >80% im Nebennierenmark
- <20% in extraadrenalen Paraganglien
- In den meisten Fällen benigne, katecholaminproduzierende Tumoren (neuroendokrine Tumoren)
- 25% der Phäochromozytome sind hereditär (MEN Typ 2, Neurofibromatose, Von-Hippel-Lindau-Syndrom)
Grob gerundet gilt: Jeweils 10% der Phäochromozytome liegen extraadrenal, 10% treten beidseitig auf und 10% sind maligne!
Symptomatik
Die Symptome sind wesentlich gekennzeichnet durch die Überproduktion von Katecholaminen und durch die Wirkung der Katecholamine auf die einzelnen Organe. Typischerweise treten die Symptome anfallsartig auf.
- Häufige Symptome
- Hypertonie: Persistierend (50–60%) oder paroxysmal (40–50%), ggf. hypertensiver Notfall
- Tachykardie und Palpitationen
- Kopfschmerzen
- Schweißausbrüche
- Unruhe, Angst
- Seltenere Symptome
- Tremor
- Blässe (auffällig im Gesicht)
- Gewichtsverlust (durch Hypermetabolismus)
- Übelkeit
- Sonstige Veränderungen
- Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels (Hyperglykämien) bis hin zur Entwicklung eines Diabetes mellitus
- Kardiomyopathie (selten)
Blutdruckkrisen können durch Palpation des Abdomens ausgelöst werden!
Diagnostik
Ein Phäochromozytom sollte in folgenden Fällen vermutet werden:
- Typische anfallsartige Symptomatik aus Kopfschmerzen, Schweißausbrüchen und Tachykardie sowie Blässe, Palpitationen und Tremor
- Therapieresistente Hypertonie oder Hypertonie in jungen Jahren
- Familiäre Belastung (z.B. MEN Typ 2, Von-Hippel-Lindau-Syndrom, Neurofibromatose Typ I)
- Inzidentalom in der Bildgebung
Labor
- Blutplasma: Bestimmung der Meta- und Normetanephrine (Katecholaminmetabolite), heutzutage sensitivste Methode
- 24-h-Urin
- Bestimmung der Metanephrine und Normetanephrine im angesäuerten Urin
- Evtl. Bestimmung der Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin, evtl. Dopamin ) im angesäuerten Urin
- Evtl. Bestimmung der Vanillinmandelsäure
- Bestätigungstest: Clonidinhemmtest
- Testprinzip: Bei gesunden Probanden sinken nach Clonidingabe die Plasmakatecholamine normalerweise deutlich um mind. 30%
- Auswertung: Bei Vorliegen eines Phäochromozytoms bleibt nach Gabe von Clonidin das Abfallen des Katecholaminspiegels infolge der autonomen Katecholaminsekretion aus
- Evtl. genetische Analyse: Bei Verdacht auf MEN-2-Syndrom und Zweittumorsuche
Bildgebung
Nachdem mithilfe der oben genannten Tests ein Phäochromozytom diagnostiziert wurde, sollte eine Bildgebung mittels CT oder MRT zur Lokalisationsdiagnostik erfolgen. Erst wenn dabei keine Läsion gefunden wird, sollte eine Szintigrafie durchgeführt werden.
- CT
- Indikation: Meist nur zur Lokalisationsdiagnostik, kann auch ohne Kontrastmittel durchgeführt werden
- Befund: Gut abgrenzbarer, großer und inhomogener Tumor
- Kräftige Kontrastmittelaufnahme mit bis zu 110 HE in der arteriellen Phase
- MRT
- Indikation
- Bei chirurgischen Clips, die Artefakte in der CT hervorrufen
- Kontrastmittelallergie
- Bei Patienten, bei denen eine CT aufgrund der Strahlenbelastung zurückhaltend eingesetzt werden sollte
- Befund: Typischerweise hyperintense, scharf begrenzte Läsion in der T2-Wichtung („Lightbulb Sign“)
- Indikation
- Szintigrafische Verfahren
- 123Iod-MIBG-Szintigrafie zur Identifikation extraadrenaler Phäochromozytome
- DOPA-PET
- Somatostatinrezeptor-Szintigrafie
Pathologie
Ursprungsgewebe
- Chromaffine Zellen des Nebennierenmarks, die aus der Aminosäure Tyrosin die Katecholamine Noradrenalin und Adrenalin bilden
Pathologischer Befund
- Makroskopisch: Wächst meist abgekapselt und hat eine gelblich-graue bis rötlich-braune Schnittfläche
- Histopathologisch
- Tumorzellen sind zum Teil in sog. Zellballen angeordnet (kleinere Verbände mehrerer Tumorzellen)
- Zwischen den Zellballen verlaufen viele kleine Blutgefäße
- Tumorzellballen werden von sog. Sustentakularzellen umgeben
Therapie
Operabel
- Verfahren: Tumorentfernung
- Besonderheiten bei der Durchführung und präoperativen Vorbereitung
-
Präoperative Gabe eines unselektiven Alphablockers : Phenoxybenzamin blockiert in gleichem Maße irreversibel den α1- und α2-Adrenozeptor (siehe auch: Alphablocker)
- Bei auftretenden Tachyarrhythmien: Kombination mit Betablockern
- CAVE: Die alleinige Gabe eines Betablockers ist ohne suffiziente Alphablockade kontraindiziert!
- „No touch“-Technik
-
Präoperative Gabe eines unselektiven Alphablockers : Phenoxybenzamin blockiert in gleichem Maße irreversibel den α1- und α2-Adrenozeptor (siehe auch: Alphablocker)
Inoperabel
- Benigne: Dauerhafte Gabe von Phenoxybenzamin
- Maligne: Bei 123Iod-MIBG-Positivität → 131MIBG-Therapie, alternativ Palliation (Chemotherapie, Tumorembolisation)
Mehr als die Hälfte der Patienten mit benignem Phäochromozytom werden postoperativ normotensiv!
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Phäochromozytom
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- D44.-: Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens der endokrinen Drüsen
- Exklusive: Endokriner Drüsenanteil des Pankreas (D37.70), Hoden (D40.1), Ovar (D39.1), Thymus (D38.4)
- D44.0: Schilddrüse
- D44.1: Nebenniere
- D44.2: Nebenschilddrüse
- D44.3: Hypophyse
- D44.4: Ductus craniopharyngealis
- D44.5: Epiphyse [Glandula pinealis] [Zirbeldrüse]
- D44.6: Glomus caroticum
- D44.7: Glomus aorticum und sonstige Paraganglien
- D44.8: Beteiligung mehrerer endokriner Drüsen
- Multiple endokrine Adenomatose
- D44.9: Endokrine Drüse, nicht näher bezeichnet
- C74.-: Bösartige Neubildung der Nebenniere
- C74.0: Nebennierenrinde
- C74.1: Nebennierenmark
- C74.9: Nebenniere, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.