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Nuklearmedizin und Strahlenschutz

Letzte Aktualisierung: 4.6.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Die Nuklearmedizin beruht auf dem Einsatz von radioaktiven Substanzen mit kurzer Halbwertzeit, die Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung emittieren. Zumeist werden sie an einen sogenannten Tracer (von außen zugeführte Substanz, die vom Körper transportiert und verstoffwechselt wird) gekoppelt und somit ins Zielgebiet (z.B. Knochen) gebracht. Je nach emittierter Strahlungsart ergeben sich verschiedene Indikationsgebiete: Während Alphastrahlung (= Helium-Atomkern) nur eine Reichweite von wenigen μm im Körper hat und daher zur Bestrahlung von direkt umliegenden Gewebe (z.B. Nuklidtherapie bei Knochenmetastasen) eingesetzt wird, können Beta- und Gammastrahlen aufgrund ihrer höheren Reichweite neben therapeutischen Zwecken (z.B. Radioiodtherapie) auch außerhalb des Körpers registriert werden und somit Rückschlüsse auf Stoffwechselaktivität des Gewebes geben (z.B. MIBG-Szintigrafie bei Phäochromozytom). Eine erhöhte Stoffwechselaktivität kann dabei beispielsweise für eine Neoplasie sprechen und diese dadurch von einer Nekrose, die keine Stoffwechselaktivität aufweist, abgrenzen.

Durch ihre ionisierende Wirkung, die Zellen schädigen und zerstören kann, geht von radioaktiven Strahlen jedoch auch ein großes Gefahrenpotenzial aus. Daher stellt die strenge Indikationsstellung der Anwendung radioaktiver Strahlen die wichtigste Maßnahme des Strahlenschutzes dar. Weitere Vorkehrungen die Strahlenbelastung für Patienten und medizinisches Personal zu verringern, können durch das ALARA-Prinzip ("As Low As Reasonably Achievable" = "So niedrig wie vernünftigerweise erreichbar") zusammengefasst werden, das eine möglichst hohe Dosisreduktion unter Berücksichtigung des durchführbaren Strahlenschutzes vorsieht (bspw. Abstandsvergrößerung, Abschirmung und Beschränkung der Aufenthaltsdauer).

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Definitiontoggle arrow icon

  • Nuklearmedizin (lat. von "nucleus" = Kern): Oberbegriff zur Bezeichnung von diagnostischen und therapeutischen Verfahren, die auf radioaktiven Strahlen beruhen.
  • Strahlenschutz: Schutz von Patienten und Personal vor der biologischen Auswirkung von ionisierenden und nicht-ionisierenden Strahlen. Insbesondere der Schutz vor Röntgen-Strahlung und radioaktiver Strahlung ist hierbei zu berücksichtigen.
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Technischer Hintergrundtoggle arrow icon

Ionisierende Strahlungsarten

Als ionisierende Strahlen werden alle Strahlungen bezeichnet, deren Energie hoch genug ist, um Elektronen aus einem Atom herauszuschleudern . Diese lassen sich wie folgt einteilen:

Alphastrahlung Betastrahlung Gammastrahlung Röntgenstrahlung
Charakteristika
  • Elektromagnetische Welle
  • Typische Erzeugung: Durch den Übergang eines Atomkerns von einem angeregten in den Grundzustand, entsteht Energie, die als ungeladene Photonen abgegeben wird (= Gammastrahlung)
    • Strahlung wird aus dem Atomkern emittiert
  • Elektromagnetische Welle
  • Typische Erzeugung: Ionisierende Strahlen, die durch das Auftreffen von stark beschleunigten Elektronen auf eine metallische Anode erzeugt werden
Medizinische Anwendung (Beispiel)
  • Einsatz v.a. zu diagnostischen Zwecken (z.B. 123Iod oder 99mTc zur Szintigrafie)
  • Einsatz zu diagnostischen Zwecken

Energie

  • Im Vergleich zur Beta- oder Gammastrahlung wird eine ca. 20-fach höhere schädliche Wirkung auf das Gewebe bewirkt
  • Es wird nicht immer eine konstante Energie abgegeben, sondern vielmehr ein Energiespektrum erzeugt, das abhängig vom zerfallenden Element ist
  • Energie abhängig von Anodenspannung und Anodenmaterial
  • „Weiche“ Strahlung: <100keV
  • „Harte“ Strahlung: ≥100keV
Effekt
  • Direkt ionisierend
  • Indirekt ionisierend

Reichweite/ Halbwertsdicke

  • Reichweite: Ca. 5 μm in Wasser (≈ Gewebe)
  • Reichweite: Ca. 5 mm in Wasser (≈ Gewebe)
  • Halbwertsdicke : Abhängig von Wellenlänge und Dichte des zu durchdringenden Materials, ca. 5 cm in Wasser (≈ Gewebe) bei Röntgenstrahlen mit einer Energie von 100 keV, 10 cm bei Gammastrahlen mit einer Energie von 1.000 keV

Schutzmaßnahmen

  • Blatt Papier ausreichend
  • Z.B. einige mm dickes Aluminiumblech

Strahlenbelastung

Mess- und Schutzgrößen

Die schädliche Wirkung ionisierender Strahlung auf den menschlichen Körper, wie z.B. Zellschädigung und Zelluntergang, ist nur schwer direkt messbar. Deshalb werden zu ihrer Beurteilung verschiedene Schätzgrößen eingesetzt. Dabei unterscheidet man zwischen Messgrößen (Ortsdosis, Personendosis u.a.), die zur Abschätzung der auf einen (menschlichen) Körper einwirkenden Energiedosis verwendet werden, und Schutzgrößen (Organ-Äquivalentdosis, effektive Dosis), die zur Definition von Grenzwerten herangezogen werden.

  • Messgrößen
    • Energiedosis (DR): Energiemenge (ER), die durch ionisierende Strahlung (R) in Materie (mit der Masse m) deponiert worden ist
      • DR = ER / m [Gray (Gy)]
      • Die Energiemenge ER (und damit auch die Energiedosis DR) ist sowohl von der Intensität der Strahlung R als auch von ihrer Einwirkdauer abhängig
    • Organ-Energiedosis (DT,R): Über ein Organ bzw. Gewebe (T) gemittelte Energiedosis
      • DT,R = ET,R / mT [Gy]
    • Äquivalentdosis (HR): Produkt aus der Energiedosis DR und dem dimensionslosen Qualitätsfaktor QR, der die biologische Wirksamkeit der Strahlungsart von Strahlung R berücksichtigt
      • HR = DR × QR [Sievert (Sv)]
      • Wenn mehrere Strahlungsarten mit unterschiedlichen Qualitätsfaktoren vorliegen, ist HR die Summe aller ermittelten Einzeldosen
      • Ortsdosis: Äquivalentdosis, gemessen an einem bestimmten Ort (z.B. im Strahlengang eines Röntgengeräts)
      • Personendosis: Äquivalentdosis, gemessen an einer für die Exposition repräsentativen Stelle der Körperoberfläche
        • Auf dem Konzept der Personendosis basiert der Gebrauch von Personendosimetern zur Beurteilung der individuellen Strahlenexposition
  • Schutzgrößen
    • Organ-Äquivalentdosis (HT,R): Produkt aus der Organ-Energiedosis DT,R und einem Strahlungs-Wichtungsfaktor (wR), der (ähnlich wie QR) die biologische Wirksamkeit der Strahlungsart von Strahlung R berücksichtigt
      • HT,R = DT,R × wR [Sv]
      • Beispiele für Werte von wR (höherer Wert = schädlicher)
      • Wenn mehrere Strahlungsarten mit unterschiedlichen Strahlungs-Wichtungsfaktoren vorliegen, ist HT,R die Summe aller ermittelten Einzeldosen
      • Grenzwerte laut Strahlenschutzgesetz (StrlSchG)
        • Augenlinse: 15 mSv/Jahr für die Allgemeinbevölkerung, 20 mSv/Jahr für beruflich Exponierte
        • Haut (pro cm2): 50 mSv/Jahr für die Allgemeinbevölkerung, 500 mSv/Jahr für beruflich Exponierte
        • Hände, Unterarme, Füße, Knöchel: Jeweils 500 mSv/Jahr (nur für beruflich Exponierte)
    • Effektive Dosis (E): Summe mehrerer Organ-Äquivalentdosen (HT,R), die zusätzlich jeweils mit einem Gewebe-Wichtungsfaktor (wT) multipliziert wurden

Die wichtigste Größe zur Beurteilung der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung auf den menschlichen Körper ist die effektive Dosis: Sie berücksichtigt die Art und Intensität der Strahlung, die Expositionszeit und die Sensibilität der bestrahlten Organe bzw. Gewebe!

Zur Beurteilung einer äußeren Strahlenexpositionen werden in der Praxis mittels Dosimetern Orts- bzw. Personendosen bestimmt und diese anschließend mithilfe sog. Konversionsfaktoren (festgelegt durch die Internationale Strahlenschutzkommission) in Organ-Äquivalentdosen bzw. eine effektive Dosis umgerechnet.

Ursachen der Strahlenbelastung

  • Exposition der Bevölkerung: Mittlere jährliche Belastung für den Bundesbürger ca. 4 mSv
    • Natürliche Strahlung
      • Z.B. durch Einatmen von Radon (ca. 1,1 mSv/Jahr), terrestrische Strahlung (ca. 0,4 mSv/Jahr), kosmische Strahlung (höhenabhängig, ca. 0,5 mSv/Jahr): Insg. ca. 2–3 mSv/Jahr
    • Medizinische Exposition: Durchschnittlich ca. 2 mSv/Jahr
    • Zivilisatorische Exposition
      • Flugverkehr (durchschnittlich ca. 0,04 mSv/Jahr)
  • Berufliche Exposition
    • Jahresgrenzwert für beruflich strahlenexponierte Personen: 20 mSv
    • 400.000 Menschen in Deutschland gelten als beruflich strahlenexponiert
    • Risikogruppen:

Nicht notwendige Strahlenbelastung durch medizinische Exposition sollte unbedingt vermieden werden!

Strahlenschutzmaßnahmen

Die wichtigsten Maßnahmen zum Strahlenschutz sind die Rechtfertigung und Optimierung der Strahlenanwendung!

  • ALARA-Prinzip: "As Low As Reasonably Achievable" = "So niedrig wie vernünftigerweise erreichbar"
    • Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit von Schutzaufwand und erreichbarer Dosisreduktion
      • Verringerung der Strahlung von außen
        • Abstand: Entfernung zur radioaktiven Quelle → Abstandsquadratgesetz
          • Die Energie der radioaktiven Quelle nimmt proportional mit dem Quadrat des Abstands ab (1/r2)
        • Abschirmung: Wände, Bleischürze
        • Aufenthaltsdauer
        • Aktivitätsbeschränkung
        • Ausschalten: Ausschalten einer elektrisch betriebenen Strahlenquelle
      • Strikte Vermeidung von Inkorporation (Strahlung von innen)
        • Durch Inhalation oder Inkorporation gelangen die schädlichen radioaktiven Substanzen in direkten Kontakt mit Körperzellen (= Abstand minimal!) → Hohe Strahlendosis!
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Ablauf/Durchführungtoggle arrow icon

Szintigrafie (Szintigramm)

Szintigrafie (von lat. scintilla = "Funke"): Nuklearmedizinisches Verfahren zur Darstellung der Aktivität eines Gewebes oder Organs. Hierzu werden radioaktiv markierte Stoffe (sog. Tracer ) appliziert, die vom Körper transportiert und metabolisiert werden und sich im Zielorgan je nach Stoffwechselaktivität des Gewebes anreichern. Indem die abgegebene Strahlung der Tracer (in der Regel Gammastrahlung) von einer Kamera aufgezeichnet wird, können Stoffwechselvorgänge lokalisiert und nachverfolgt werden.

  • Planare Szintigrafie: Aufzeichnung erfolgt auf einer Ebene. Ähnlich eines Röntgenbildes kommt es hierdurch zur Überlagerung von hintereinander liegenden Strukturen
  • SPECT (single photon emission computed tomography = Einzelphotonen-Emissionscomputertomografie)
    • Gammakamera rotiert um den Patienten
      • Überlagerungsfreie dreidimensionale Darstellung auffälliger Areale und Beurteilung von Schnittbildern möglich
    • Vorteile
      • Tiefere Herde können besser beurteilt werden → Genaue topografische Zuordnung
      • Hohes Auflösungsvermögen
Verfahren Indikationen Tracer
Schilddrüsenszintigrafie
  • Diagnostisch : Abgrenzung von sonografisch auffälligen Befunden (z.B. Knoten), Abklärung einer unklaren hyperthyreoten Stoffwechsellage (z.B. Nachweis eines heißen Knoten als Hinweis auf eine fokale Autonomie)
Knochenszintigrafie
  • Verdacht auf bzw. Abklärung von

Tumorlokalisations-Szintigrafie
  • Nachweis von erhöhtem/verringertem Stoffwechsel
Myokardszintigrafie
Nierenfunktionsszintigrafie
Sentinel-Lymphknoten Untersuchung
Perfusions- und Ventilationsszintigrafie der Lunge
  • Abklärung einer Lungenembolie (Nachweis eines belüfteten, aber nicht perfundierten Bereiches → Mismatch bei Perfusionsdefizit)

PET (Positronenemissionstomografie)

  • Die PET ist eine Schnittbilduntersuchung und stellt wie die Szintigrafie die Stoffwechselaktivität von Geweben dar
    • Im Gegensatz zur Szintigrafie, bei der Gammastrahler zur Anwendung kommen, werden bei der PET Positronen-emittierende Radionuklide verwendet → häufig eine mit radioaktivem Fluor (18F) markierte stoffwechselaktive Substanz (z.B. 18F-Fluoruracil oder 18F-FDG = Fluordesoxyglucose )
    • Die Verteilung des Radionuklids kann mithilfe einer Gammakamera sichtbar gemacht und lokalisiert werden
  • Einsatzgebiete
    • Kardiologie (z.B. Beurteilung der Vitalität des Myokards)
    • Neurologie (z.B. Alzheimer-Diagnostik)
    • Onkologie (z.B. Metastasensuche)

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