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Neuroendokrine Neoplasien

Letzte Aktualisierung: 3.12.2024

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Neuroendokrine Neoplasien (NEN) sind eine heterogene Gruppe von Neoplasien, deren Zellen sich aus dem Neuroektoderm ableiten. In etwa der Hälfte der Fälle sind die Zellen funktionell aktiv, d.h. sie sezernieren Hormone oder hormonartige Botenstoffe. NEN können grundsätzlich im gesamten Körper auftreten, sie kommen jedoch hauptsächlich im gastroenteropankreatischen (GEP) System vor. Die genaue Ätiologie ist nicht bekannt, das Auftreten erfolgt meist sporadisch. Funktionell nicht-aktive NEN sind häufig asymptomatisch, während funktionell aktive NEN eine Vielzahl unspezifischer gastrointestinaler, metabolischer und autonomer Symptome verursachen können. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Karzinoid-Syndrom, welches typischerweise mit Durchfall, abdominellen Krämpfen sowie einer Flush-Symptomatik einhergeht. Die initiale Diagnostik bei klinischem Verdacht auf eine neuroendokrine Neoplasie stützt sich zunächst auf bildgebende Verfahren zur Lokalisierung und, sofern möglich, Gewinnung von Gewebeproben für die histologische Diagnosesicherung. Daneben werden in der Labordiagnostik insb. zur Verlaufskontrolle Chromogranin A sowie ggf. verschiedene weitere Marker bestimmt. Im Rahmen der bildgebenden Verfahren eignet sich dazu insb. die Bestimmung der Somatostatinrezeptor-Dichte per PET-CT. Die einzig kurative Therapie besteht in der R0-Resektion des Primarius, ggf. inkl. aller seiner Metastasen, was leider oft nicht mehr möglich ist. Zur symptomatischen bzw. antiproliferativen Therapie werden u.a. Somatostatin-Analoga, Interferon-α und Chemotherapeutika eingesetzt. Darüber hinaus stehen interventionell-radiologische und nuklearmedizinische Verfahren zur Verfügung. Insg. ist die Überlebensrate in den letzten Jahren gestiegen, es wurden 5-Jahres-Überlebensraten von bis zu 80% verzeichnet.

Dieses Kapitel behandelt die neuroendokrinen Neoplasien des gastroenteropankreatischen Systems (GEP-NEN). Die in der Lunge auftretenden neuroendokrinen Neoplasien werden im Rahmen des kleinzelligen Lungenkarzinoms besprochen.

Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion “Tipps & Links".

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Die Leitlinie der DGVS ist als AMBOSS-Kapitel verfügbar. Sukzessive werden die Empfehlungen der Leitlinie kontextsensitiv auch in diesem und anderen AMBOSS-Kapiteln angeboten.

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Definitiontoggle arrow icon

Die Terminologie bzgl. neuroendokriner Neoplasien hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder stark verändert und entsprechende Diskussionen um eine Vereinheitlichung dauern nach wie vor an. Die hier genannten Definitionen bilden den Stand des WHO-Vorschlags von 2017 ab. [1][2]

  • Neuroendokrine Neoplasien (NEN): Heterogene, potenziell maligne Gruppe von Tumoren, die von neuroendokrinen Zellen ausgehen und in allen Organen vorkommen können.
    • Funktionelle (aktive) NEN: Setzen Hormone bzw. hormonähnliche Stoffe oder Neurotransmitter frei und können dadurch spezifische klinische Symptome verursachen
    • Nicht-funktionelle (inaktive) NEN: Setzen keine Hormone bzw. hormonähnliche Stoffe oder Neurotransmitter frei. Klinisch werden sie v.a. durch zunehmende Raumforderungen , Perforationen oder Blutungen apparent.
  • Neuroendokriner Tumor (NET): NEN mit insg. (noch) guter Gewebsdifferenzierung
  • Neuroendokrines Karzinom (NEC): NEN mit insg. schlechter Gewebsdifferenzierung
  • Veraltet: Karzinoid

Obwohl NET und NEC unter dem Überbegriff „neuroendokrine Neoplasie“ (NEN) zusammengefasst werden, handelt es sich um biologisch separate Entitäten!

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Übersicht neuroendokriner Neoplasientoggle arrow icon

Gastroenteropankreatische neuroendokrine Neoplasien (GEP-NEN) [3][4]

Beispiele weiterer neuroendokriner Neoplasien

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Epidemiologietoggle arrow icon

Beispiele verschiedener Inzidenzen neuroendokriner Neoplasien [3][6][7]
Nach Tumor-Entität
NET insg.

∼ 2–4/100.000

Gastrinom ∼ 0,05–0,15/100.000
Insulinom ∼ 0,1–3/100.000
VIPom ∼ 0,05–0,2/100.000
Glucagonom ∼ 0,01–0,1/100.000

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

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Klassifikationtoggle arrow icon

Allgemein

Die Einteilung der NEN erfolgt anhand der

  • Gewebsdifferenzierung (Grading): Beurteilung anhand der WHO-Klassifikation
  • Ausbreitung des Tumors (Staging): Beurteilung anhand der ENETS- bzw. der AJCC/UICC-Klassifikation

Grading [8]

WHO-Klassifikation GEP-NEN (2017) [1][2][9][10]

Typ Differenzierung Grad Ki67-Index Mitoserate
Neuroendokriner Tumor (NET) Gut differenziert G1 <3% ≤2 pro 10 HPF
G2 3–20% 2–20 pro 10 HPF
G3 >20% >20 pro 10 HPF

Neuroendokrines Karzinom (NEC)

Schlecht differenziert G3 kleinzellig >20% >20 pro 10 HPF
großzellig
Gemischte neuroendokrine/nicht neuroendokrine Neoplasie („mixed neuroendocrine-nonneuroendocrine neoplasm“, MiNEN)
Hyperplastische und präneoplastische Läsion

Staging

Die TNM-Klassifikation und die Stadieneinteilung gelten für gut differenzierte NET des Gastrointestinaltraktes sowie des Pankreas. Schlecht differenzierte NEC werden entsprechend den Kriterien für Karzinome der jeweiligen Lokalisation klassifiziert. [11]

TNM-Klassifikation der ENETS [12] [10] [13]

Ausdehnung
Magen
Tx

Primärtumor nicht beurteilbar

T0 Primärtumor nicht nachweisbar
Tis In-situ-Tumor/Dysplasie (Durchmesser <0,5 mm)
T1 Invasion von Lamina propria oder Submukosa und Durchmesser <1 cm
T2 Invasion der Muscularis propria oder Subserosa oder Durchmesser >1 cm
T3 Durchbruch der Serosa
T4 Invasion von benachbarten Organen
Pankreas
Tx Primärtumor nicht beurteilbar
T0 Primärtumor nicht nachweisbar
T1 beschränkt auf das Pankreas, Größe <2 cm
T2 beschränkt auf das Pankreas, Größe 2–4 cm
T3 beschränkt auf das Pankreas, Größe >4 cm oder mit Invasion von Duodenum oder Gallengang
T4 Infiltration großer Gefäße (Truncus coeliacus oder Mesenterica superior) oder eines der folgenden Organe: Magen, Milz, Kolon, Nebenniere
Duodenum
Tx Primärtumor nicht beurteilbar
T0 Primärtumor nicht nachweisbar
T1 Invasion von Mukosa oder Submukosa und Durchmesser <1 cm
T2 Invasion der Muscularis propria oder Durchmesser >1 cm
T3 Invasion von Pankreas, Retroperitoneum oder Subserosa
T4 Invasion von Peritoneum oder anderen Organen
Ileum
Tx Primärtumor nicht beurteilbar
T0 Primärtumor nicht nachweisbar
T1 Invasion von Mukosa oder Submukosa und Durchmesser ≤1 cm
T2 Invasion der Muscularis propria oder Durchmesser >1 cm
T3 Invasion von Subserosa
T4 Invasion von Peritoneum oder umgebender Organe
Appendix
Tx Primärtumor nicht beurteilbar
T0 Primärtumor nicht nachweisbar
T1 Durchmesser <1 cm, Invasion von Submukosa oder Muscularis propria
T2 Durchmesser <2 cm, Invasion von Submukosa oder Muscularis propria und/oder minimale (<3 mm) Invasion der Subserosa/Mesoappendix
T3 Durchmesser >2 cm und/oder ausgedehnte (>3 mm) Invasion von Subserosa/Mesoappendix
T4 Invasion von Peritoneum oder umgebender Organe
Kolon und Rektum
Tx Primärtumor nicht beurteilbar
T0 Primärtumor nicht nachweisbar
T1

Invasion von Mukosa oder Submukosa

  • T1a: Durchmesser <1 cm
  • T1b: Durchmesser 1–2 cm
T2 Invasion der Muscularis propria oder Durchmesser >2 cm
T3 Invasion von Subserosa, perikolischem oder perirektalem Fettgewebe
T4 Invasion umgebender Organe oder Perforation der Serosa
Alle Lokalisationen
Nx Regionäre Lymphknoten nicht beurteilbar
N0 Keine Lymphknotenmetastasen
N1 Lymphknotenmetastasen
Fernmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen

UICC-Stadien

UICC-Stadium TNM
Stadium l
  • T1 N0 M0
Stadium ll
  • T2, T3 N0 M0
Stadium lll
  • T4 N0 M0
  • Jedes T N1 M0
Stadium IV
  • Jedes T
  • Jedes N M1
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Pathophysiologietoggle arrow icon

  • Funktionell aktive Tumoren: Abnormale, absolute Steigerung der jeweiligen hormonellen Sekretion . Dies kann sowohl zu lokalen Läsionen (bspw. Ulzerationen beim Gastrinom) als auch zu systemischen Effekten (bspw. autonome und neurologische Störungen beim Insulinom) führen
  • Alle Tumoren: Ggf. lokale mechanische Effekte (bspw. Verdrängung von Organen oder Leitungsbahnen durch die Tumormasse)

Die spezifischen pathophysiologischen Mechanismen und die daraus resultierenden spezifischen Symptome werden im Rahmen der einzelnen Tumor-Entitäten besprochen.

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Symptomatiktoggle arrow icon

Allgemein [3]

Viele der unspezifischen Symptome können auch bei anderen Erkrankungen (bspw. Reizdarm-Syndrom, Morbus Crohn, Asthma, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Ulcus ventriculi) vorkommen! Daher sollte immer eine gründliche differenzialdiagnostische Abklärung erfolgen!

Übersicht der häufigsten Leitsymptome

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Karzinoid-Syndromtoggle arrow icon

Karzinoid-Syndrom [3][8]

Karzinoid-Herzerkrankung

Aufgrund der unspezifischen Symptomatik des Karzinoid-Syndroms wird der Hormonüberschuss häufig erst diagnostiziert, wenn der NET bereits metastasiert ist oder eine fortgeschrittene Herzinsuffizenz vorliegt!

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Diagnostiktoggle arrow icon

Das genaue diagnostische Vorgehen hängt zu einem gewissen Grad von der jeweiligen Tumor-Entität bzw. deren Lokalisation ab. Hier werden allgemeine Prinzipien und Vorgehensweisen beschrieben. Details und Besonderheiten hinsichtlich einzelner Entitäten und/oder Lokalisationen werden, soweit vorhanden, in den entsprechenden Detailsektionen dargestellt.

Allgemein

  • Initiale Diagnostik bei V.a. neuroendokrinen Tumor
    • Labordiagnostik
    • Bildgebende Diagnostik
  • Diagnosesicherung: Histopathologische Diagnostik von Biopsien
  • Spezifischere Diagnostik: Siehe Sektionen zu den jeweiligen NEN-Entitäten

Labordiagnostik [3][8]

Generelle Tumormarker

Übersicht spezifischer Laborparameter

Bildgebende Verfahren

Histopathologische Diagnostik

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Pathologietoggle arrow icon

Die genaue (histo‑)pathologische Untersuchung hängt zu einem gewissen Grad von der jeweiligen Tumor-Entität bzw. deren Lokalisation ab. Hier werden allgemeine Prinzipien und Vorgehensweisen beschrieben. Details und Besonderheiten hinsichtlich einzelner Entitäten und/oder Lokalisationen werden, sofern vorhanden, in den entsprechenden Detailsektionen dargestellt.

Morphologie [15][16]

Makroskopie

Mikroskopie

  • Beurteilung der Gewebsdifferenzierung
    • Gut: Monomorphe Zellen mit reichlich Zellplasma und lobulären/trabekulären soliden Anteilen
    • Schlecht: Überwiegend kleinzellig
  • Gewebsarchitektur: Nest-, strang- oder schichtartige Ansammlungen der Zellverbände

Histopathologische Diagnosestellung einer NEN [8]

Die histopathologische Untersuchung ist der Goldstandard zur Diagnosesicherung bei V.a. NEN!

Histopathologisches Grading einer NEN

  • Entscheidende Kriterien zur Prognose der Dignität [15]
    • Proliferative Aktivität: Erfassung der Tumorzellen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zellteilung (Proliferation) befinden durch immunhistochemische Bestimmung des Ki67-Index im Schnittpräparat [17]
    • Durchmesser
    • Gewebeinvasion
    • Gefäßinvasion
  • Beurteilung der Gewebsdifferenzierung → Siehe Abschnitt „Mikroskopie“

Funktionell nicht-aktive Tumoren können histopathologisch nicht von funktionell-aktiven Tumoren unterschieden werden!

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Therapietoggle arrow icon

Das genaue therapeutische Vorgehen hängt zu einem gewissen Grad von der jeweiligen Tumor-Entität bzw. deren Lokalisation ab. Hier werden allgemeine Prinzipien und Vorgehensweisen beschrieben. Details und Besonderheiten hinsichtlich einzelner Entitäten und/oder Lokalisationen werden in den entsprechenden Detailsektionen dargestellt.

Allgemeines [8][18]

  • Chirurgische bzw. endoskopische Resektion des Tumors (R0-Resektion): Einzige kurative Therapie
    • Da bereits bei Diagnosestellung schon in ca. der Hälfte der Fälle diagnostizierbare Metastasen vorliegen, ist dies allerdings oft nicht mehr möglich
  • Maßnahmen zur Symptomkontrolle und antiproliferativen Therapie
  • Bei Patienten in fortgeschrittenem Alter und/oder mit signifikanten Komorbiditäten: In Einzelfällen kann von den sonstigen therapeutischen Empfehlungen abgewichen werden (bspw. konservative Therapie oder minimal-invasives Vorgehen statt onkologischer Resektion)

Therapeutische Entscheidungen sollten bei neuroendokrinen Tumoren/Karzinomen grundsätzlich interdisziplinär getroffen werden!

Die vollständige chirurgische bzw. endoskopische Resektion ist die einzige kurative Therapieoption bei neuroendokrinen Tumoren/Karzinomen des gastroenteropankreatischen Systems!

Chirurgische und endoskopische Therapie [8]

Endoskopische Therapie

Techniken

Chirurgische Therapie [8]

Behandlung des Primarius

  • Resektion des Primarius: Kann auch bei Vorliegen von nicht-kurativ resektablen Metastasen oder zur Prophylaxe von Komplikationen (bspw. Ileus) erwogen werden
  • Debulking-Operation: Kann erwogen werden, wenn der Primarius bspw. durch physikalische Eigenschaften bzw. seine anatomische Position oder durch seine Stoffwechselaktivität erhebliche Komplikationen verursacht

Vorgehen bei Metastasierung

  • Bei NET G1/G2
    • Lebermetastasen
      • Chirurgische Resektion: Methode der Wahl
        • Beurteilung der Resektabilität anhand der ENETS-TNM-Klassifikation
        • Resektion aller vollständig entfernbar erscheinenden Metastasen
        • Entscheidung für 1- bzw. 2-zeitiges Vorgehen: Abhängig vom klinischen Allgemeinzustand und den operationstechnischen Umständen
        • Bei multifokaler Metastasierung: Bevorzugung parenchymsparender Verfahren
      • Lebertransplantation: Zu erwägen bei diffuser Lebermetastasierung (Typ 3 nach ENETS) mit
        • Funktionellem Tumor und pharmakologisch nicht beherrschbaren Symptomen und/oder
        • Nicht-funktionellem Tumor und einer diffusen, anderweitig nicht behandelbaren Lebermetastasierung
    • Metastasierung in weitere Organe
      • Chirurgische Resektion: Indiziert unter folgenden Bedingungen
        • Erreichen von Tumorfreiheit
        • Verhindern/Verminderung signifikanter Komplikationen
        • Geringe Morbidität des Eingriffs
      • Bei Peritonealmetastasierung: Ggf. Peritonektomie
  • Bei NEN G3

Medikamentöse Therapie [8][19]

Eine medikamentöse Therapie wird bei GEP-NEN nur zur Symptomkontrolle, als antiproliferative Therapie, adjuvant oder zur Behandlung von Metastasen eingesetzt.

Eingesetzte Medikamentenklassen

Allgemeine Therapieschemata

Interventionell-radiologische Therapie [8]

Lokale Ablation

Transarterielle Embolisation (TAE) und transarterielle Chemo-Embolisation (TACE)

  • Prinzip: Unterbindung der arteriellen Blutversorgung der Tumorzellen bei weitgehender Erhaltung der arteriellen Blutversorgung des gesunden Gewebes, ggf. mit simultaner Chemotherapie
  • Indikation:
  • Verfahren:
    • Transarterielle Embolisation (TAE): Intraluminale Applikation verschiedener Fremdmaterialien (z.B. Metallspiralen oder Kunststoffkügelchen, teilweise auch abbaubare Partikel) [24]
    • Transarterielle Chemo-Embolisation (TACE): Applikation embolisierender Partikel (z.B. Lipiodol) in Kombination mit einem Chemotherapeutikum (z.B. Doxorubicin) [25]

Radioembolisation (RE)

  • Prinzip: Transarterielle Applikation von Partikeln (welche fest an Betastrahlungsquellen gekoppelt sind) über die Leberarterie → Anreicherung der radioaktiven Partikel innerhalb der Tumorzellen → Abtötung der Tumorzellen
  • Indikation
  • Komplikation: Entwicklung einer Radioembolisations-induzierten Lebererkrankung

Nuklearmedizinische Therapie

Peptidrezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT)

  • Prinzip: Kopplung somatostatinähnlicher Peptide an radioaktive Nuklide → Intravenöse Verabreichung → Selektive Aufnahme in Tumorzellen (via Somatostatin-Rezeptoren) → Abtötung der Tumorzellen
  • Indikation: Der Einsatz sollte primär (aber nicht ausschließlich) vom Grad der Somatostatin-Rezeptor-Expression abhängig gemacht werden
  • Verfahren
    • Auswahl des Radiotherapeutikums: Lutetium-177 (Lu-177) sollte im Allgemeinen gegenüber Yttrium-90 (Y-90) bevorzugt werden

I-131-MIBG-Therapie

  • Prinzip: Kopplung des noradrenalinähnlichen MIBG an radioaktive Nuklide → Intravenöse Verabreichung → Selektive Aufnahme in Tumorzellen (via vesikulärer Monoamin-Transporter) → Abtötung der Tumorzellen
  • Indikation: In Einzelfällen zur Behandlung von metastasierten, inoperablen und progredienten NEN bei Versagen aller anderen Therapieoptionen

PRRT und Radioembolisation sollten bei Patienten mit metastasierten NET nicht als First-Line-Therapie eingesetzt werden!

Eine RE soll weder zeitgleich mit einer PRRT noch mit einer TACE erfolgen! Ein sequenzieller Einsatz ist aber grundsätzlich möglich!

Vor Einleitung einer nuklearmedizinischen Therapie sollte ein Fortschreiten der Erkrankung dokumentiert sein!

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Nachsorgetoggle arrow icon

  • Indikation: Alle NET (auch nach R0-Resektion und ohne Nachweis von Metastasen)
  • Dauer und Intervalle
    • Dauer: Regelmäßig über mind. 10–15 Jahre, ggf. auch lebenslang (insb. bei jungen Pat.)
    • Intervalle
      • G1: Alle 6–12 Monate
      • G2: Alle 6 Monate
      • G3: Alle 3 Monate
  • Durchführung
    • Laborchemie
    • Bildgebung
      • I.d.R. CT- oder MRT-Bildgebung
      • In größeren Zeitabständen auch Darstellung der Somatostatinrezeptor-Dichte (vorzugsweise via PET/CT)
    • Endoskopische Kontrollen: Nur in speziellen Situationen

Die Nachsorge sollte immer in spezialisierten Zentren erfolgen, in denen die regelmäßige Vorstellung bei einem interdisziplinären Tumorboard möglich ist!

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Prognosetoggle arrow icon

Allgemein [4][18]

  • Hoch variable Krankheitsverläufe
  • Wesentliche prognostische Faktoren
    • Auftreten von Hormonhypersekretions-Syndromen (z.B. Karzinoid-Syndrom)
    • Differenzierungsgrad
    • Proliferationsrate
    • Größe und Lokalisation des Primärtumors
    • TNM-Stadium
  • Allgemeine Überlebensrate
    • Hängt entscheidend von den o.g. prognostischen Faktoren sowie weiteren Einflussgrößen (bspw. Therapieadhärenz, Erfolg therapeutischer Maßnahmen) ab
    • Unter bestimmten Voraussetzungen wurden 5-Jahres-Überlebensraten von bis zu 80% beobachtet

Prognose nach Differenzierungsgrad [4][26]

  • Gut differenzierte NET
    • Langsame, teils auch benigne Verläufe über Jahrzehnte möglich
    • Resektion als kurativer Ansatz (sofern keine Metastasen vorliegen)
  • Schlecht differenzierte NET
    • Typischerweise kurze Verläufe mit einem frühen Metastasierungsmuster
    • Durch gezielte therapeutische Maßnahmen ist eine Verzögerung des Fortschreitens der Erkrankung um Jahre möglich
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Insulinomtoggle arrow icon

Für alle GEP-NEN gelten die oben dargestellten Angaben bzgl. der allgemeinen Ätiologie, Klassifikation, Pathophysiologie, Symptomatik, Diagnostik, Pathologie, Therapie, Nachsorge und Prognose neuroendokriner Neoplasien. Im Folgenden werden nur die Details und Besonderheiten des Insulinoms dargestellt.

Allgemein [8][27][28]

  • Ätiologie
    • Sporadisch auftretend
    • Entstehung im Bereich der Langerhans-Inseln
    • Assoziation mit MEN1 (in 4% der Fälle)
  • Pathomechanismus: Autonome Insulinproduktion der neuroendokrinen Tumorzellen → Spontane Hypoglykämien
  • Auftreten
    • Ausschließlich im Pankreas
    • Meist solitär
  • Dignität: In >90% der Fälle benigne

Spezielle Klinik [8][18]

Spezifische Diagnostik [8]

Labordiagnostik

Fastentest

  • Allgemein: Der Fastentest ist der Goldstandard für die biochemische Diagnose eines Insulinoms.
    • Prinzip: Ausbleiben der Insulinsuppression bei abfallenden Blutzuckerwerten
    • Durchführung: Messung von Blutzucker, Insulin und C-Peptid in festen zeitlichen Abständen
    • Diagnosekriterien für den biochemischen Nachweis eines Insulinoms (nach aktuellen DGVS-Leitlinien)
      • Hypoglykämiesymptome mit gleichzeitigem Nachweis von:
        • Serumglucosespiegel <55 mg/dL
        • Insulin-Spiegel ≥3 μU/mL
        • C-Peptid-Spiegel ≥0,6 ng/mL
        • Proinsulin-Spiegel von ≥5,0 pmol/L
    • Besonders relevante Faktoren im Kontext der Insulinom-Diagnostik
      • Reaktion auf Glucagon-Gabe: Typischerweise rascher und starker Anstieg der Serum-Glucosekonzentration
      • β-Hydroxybutyrat-Spiegel: Niedrige Hydroxybutyrat-Spiegel (<2,7 mmol/L) weisen, im Zusammenhang mit einer nachgewiesenen Hypoglykämie, auf eine inadäquate autonome Insulinsekretion hin

Weitere Diagnostik

  • Bei Vorliegen von Mikroadenomen (Durchmesser <5 mm): Ausschluss einer Insulinomatose durch intensivierte Gewebsaufarbeitung von sowohl tumorsuspektem als auch makroskopisch unauffälligem Pankreasparenchym
  • Molekulargenetische Diagnostik: Zum Nachweis/Ausschluss einer MEN1

Differenzialdiagnosen

Spezifische Therapie

Chirurgische Therapie

Allgemein

  • Indikation: Alle umschriebenen Insulinome
  • Intraoperativer Tumornachweis: Es sollte eine sichere intraoperative Diagnose mittels intraoperativem Ultraschall und der Möglichkeit eines intraoperativen histologischen Gefrierschnitts erfolgen → Keine blinde Resektion von Pankreasgewebe ohne intraoperativen Tumornachweis!

Operatives Vorgehen

Weitere spezifische Therapie

  • Symptomatische Therapie des Hypersekretionssyndroms
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Gastrinomtoggle arrow icon

Für alle GEP-NEN gelten die oben dargestellten Angaben bzgl. der allgemeinen Ätiologie, Klassifikation, Pathophysiologie, Symptomatik, Diagnostik, Pathologie, Therapie, Nachsorge und Prognose neuroendokriner Neoplasien. Im Folgenden werden nur die Details und Besonderheiten des Gastrinoms dargestellt.

Allgemeines [18]

  • Pathomechanismus: Sekretion von Gastrin durch Tumorzellen → Chronische Hypergastrinämie → Magensäurehypersekretion → Peptische Ulzera in Pankreas, Magen, Duodenum und/oder Jejunum
  • Dignität: In ca. 60–70% der Fälle maligne
  • Ätiologie
    • Überwiegend sporadisch (75% der Fälle)
    • Im Rahmen eines MEN1-Syndroms (25% der Fälle)
  • Lokalisation

Spezifische Klinik

Spezifische Diagnostik [8]

  • Gastrin-Bestimmung
    • Durchführung: Mind. einmalige Bestimmung des Nüchterngastrinspiegels im Serum
    • Interpretation: Diagnosesicherung bei:
      • Erhöhung des Nüchterngastrinspiegels über das 10-Fache der Norm (im Allgemeinen auf >1.000 pg/mL) und
      • Gleichzeitigem Magensaft-pH <2
  • Sekretin-Test
    • Indikation: Bei grenzwertig hohem Nüchterngastrinspiegel und einem Magensaft-pH <2
    • Durchführung: I.v. Gabe von 2 U/kg KG Sekretin
    • Interpretation: Test ist positiv, wenn der Serumgastrinspiegel um >200 pg/mL ansteigt
  • Bei gesichertem Gastrinom
    • Gendiagnostik: Nachweis/Ausschluss einer MEN1

Spezifische Pathologie [8]

Spezifische Therapie [8]

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MANECtoggle arrow icon

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Pankreatische NENtoggle arrow icon

Für alle GEP-NEN gelten die oben dargestellten Angaben bzgl. der allgemeinen Ätiologie, Klassifikation, Pathophysiologie, Symptomatik, Diagnostik, Pathologie sowie Therapie, Nachsorge und Prognose neuroendokriner Neoplasien. Im Folgenden werden nur die Details und Besonderheiten der NEN des Pankreas dargestellt.

Spezifische Therapie [8]

Chirurgische Therapie

  • Indikation zur chirurgischen Resektion: Nicht-funktionell aktive Tumoren >2 cm ohne diffuse Fernmetastasierung
  • Technik und Ausmaß der Resektion
    • Technik:
      • Formale Resektion: I.d.R. bei Tumoren >2 cm oder bei Verdacht auf Lymphknotenmetastasen, bspw. als partielle Pankreatikoduodenektomie
      • Atypische Resektion: I.d.R. bei kleineren Tumoren, bspw. als Enukleation
    • Systematische prophylaktische Lymphknotendissektion
      • Bei formalen Resektionen, wenn ein Lymphknotenbefall gesichert oder wahrscheinlich ist
      • Nicht indiziert bei nicht-funktionell aktiven Tumoren ≤2 cm mit potenziell benignem Verhalten sowie prä- und intraoperativ unauffälligen Lymphknoten

Chemotherapie

Erstlinientherapie

  • Indikation: Bei hoher hepatischer Tumorlast (>25%), signifikantem Tumorprogress innerhalb von 6 Monaten und/oder G2-NET mit Ki67-Proliferationsindex >10%
    • Weitere mögliche Anwendungsfälle:
      • Patienten mit hoher Tumorlast und/oder tumorassoziierten Symptomen (auch ohne dokumentierten Tumorprogress)
      • Neoadjuvante Therapie zum Downstaging
        • Indikation: Bei Patienten mit primär irresektablem Tumor, der durch Rückbildung resektabel wird
        • Kein etabliertes Therapiekonzept, nur als individueller Heilversuch
  • Therapieschemata:
  • Therapiedauer: Abhänging von individueller klinischer Situation, im Allgemeinen aber mind. 6 Monate

Zweit- oder Drittlinientherapie

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Gastrische NENtoggle arrow icon

Für alle GEP-NEN gelten die oben dargestellten Angaben bzgl. der allgemeinen Ätiologie, Klassifikation, Pathophysiologie, Symptomatik, Diagnostik, Pathologie, sowie Therapie Nachsorge und Prognose neuroendokriner Neoplasien. Im Folgenden werden nur die Details und Besonderheiten der NEN des Magens dargestellt.

Spezifische Klassifikation

  • Einteilung in gut differenzierte (Typ I–III) und schlecht differenzierte (Typ IV) NEN
  • Detaillierte Einteilung: siehe DGVS-NET-Tabelle 3.1

Spezifische Diagnostik

Spezifische Therapie

  • Gut differenzierte gastrische NET Typ I oder II
    • <1 cm: Endoskopische Überwachung
    • ≥1 cm und <2 cm: Endoskopische Therapie
    • >2 cm und Infiltration der Submukosa
      • Kein Nachweis lokaler LK-Metastasen:
        • Lokale chirurgische Resektion (Wedge-Resektion) oder
        • Magenteilresektion
      • Prä- oder intraoperativ nachgewiesene Lymphknotenmetastasen: Onkologische Magenresektion (partiell, subtotal oder total) mit Lymphknotendissektion
  • Gut differenzierte gastrische NET Typ III und IV
    • <1 cm: Primär endoskopische Therapie
    • ≥1 cm und/oder Bestehen von Risikofaktoren: Primär chirurgische Therapie
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Intestinale NENtoggle arrow icon

Für alle GEP-NEN gelten die oben dargestellten Angaben bzgl. der allgemeinen Ätiologie, Klassifikation, Pathophysiologie, Symptomatik, Diagnostik, Pathologie, sowie Therapie Nachsorge und Prognose neuroendokriner Neoplasien. Im Folgenden werden nur die die Details und Besonderheiten der NEN des Darms dargestellt.

Spezifische Therapie

NEN des Duodenums

  • Endoskopische Therapie
    • Indikation:
      • G1-NET <1 cm
      • G1-NET 1–2 cm ohne Risikofaktoren
      • Ausnahme: Gastrinome , sporadische Somatostatinome >1–2 cm
    • Durchführung: Endoskopische Mukosaresektion (EMR)
    • Nachsorge: Jährliche endoskopische Kontrollen (nach kurativer endoskopischer Resektion)
  • Chirurgische Therapie
    • Indikation:
      • Nicht-funktionelle NET >2 cm ohne diffuse Fernmetastasierung
      • Nicht-funktionelle NET von 1–2 cm mit Risikofaktoren
      • Nicht-funktionelle NET der Papille >2 cm
    • Durchführung: Resektion des Primarius + ggf. Lymphadenektomie

NEN des Dünndarms

  • Chirurgische Resektion: Therapie der Wahl (keine endoskopische Resektion!)
  • Minimal-invasives Vorgehen: Kann erwogen werden, sofern die onkologischen Standards mit einer R0-Resektion erreicht werden können und eine Palpation des gesamten Dünndarms möglich ist

Vor der Operation einer NEN des Dünndarms mit Karzinoidsyndrom sollte, bspw. mittels Echokardiografie, überprüft werden, ob eine Karzinoid-Herzerkrankung vorliegt!

NEN des Kolons

  • Endoskopische Therapie
    • Indikation: G1-NET <1 cm ohne Submukosainvasion
    • Bei nicht-kurativer Resektion: Chirurgische Nachresektion nach onkologischen Standards
  • Chirurgische Therapie: Therapie der Wahl
    • Indikation
      • NEN >1 cm
      • NEN <1 cm: Bei G2- oder G3-Grading, Infiltration der M. propria oder Angioinvasion
      • Nur im Notfall sollte bei NEC mit lokoregionären oder Fernmetastasen eine Resektion erfolgen!
    • Durchführung: Analog zur Resektion eines Kolonkarzinoms

NEN der Appendix

NEN des Rektums

  • Endoskopische Therapie
    • Indikation
  • Chirurgische Therapie
    • Transanale Lokalexzision
      • Indikation: G1-/G2-NET von 1–2 cm ohne Risikofaktoren
    • Onkologische Resektion (analog zum Rektumkarzinom)
      • Alle NET >2 cm
      • NET mit lokoregionalen Lymphknotenmetastasen
      • NET G3
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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