Zusammenfassung
Eine Aspiration wird i.d.R. durch Kau- und Schluckstörungen hervorgerufen und kann weitreichende Folgen haben. Grundsätzlich wird die Mikroaspiration, also das Verschlucken kleiner Mengen von Speichel und Flüssigkeit, als Mechanismus für die Krankheitsentstehung von Pneumonien bei älteren Menschen betrachtet. Klinisch offensichtlicher und in ihren Folgen noch unmittelbarer ist die Makroaspiration, also das Verschlucken größerer Mengen Flüssigkeit sowie von Nahrungsbestandteilen, Fremdkörpern oder erbrochenem Mageninhalt.
Neben der Aspiration gehören auch Mangelernährung durch einseitige Ernährung, Gewichtsabnahme und Dehydration zu den Folgen einer Dysphagie. Das Erkennen, Behandeln und Beachten von Kau- und Schluckstörungen ist daher entscheidend, um Aspirationen und Folgeschäden zu vermeiden. Viele Betroffene leiden unter Schamgefühlen, wenn sie nicht mehr richtig schlucken und essen können und nehmen deshalb häufig erst spät Hilfe in Anspruch.
Die relevantesten akuten Komplikationen einer Aspiration sind die Verlegung der Atemwege (absoluter Notfall!) bzw. bei tiefer Aspiration in die Lungen die potenziell lebensbedrohliche Aspirationspneumonie.
- Siehe auch weitere wichtige thematisch verwandte AMBOSS-Pflegeinhalte
- Für die anästhesiologischen Aspekte der Aspirationsprophylaxe
- Für Grundlagen der Anatomie und Physiologie siehe
Erkennen einer Kau- bzw. Schluckstörung
Kaustörungen
Der physiologische Schluckvorgang beginnt mit der Zerkleinerung und Einspeichelung der Nahrung im Mund. Dabei können Kaustörungen auftreten.
- Begünstigende Faktoren einer Kaustörung
- (Vor)geschädigtes Kiefergelenk
- Unzureichender Zahn-/Gebissstatus
- Geschwächte Kaumuskulatur
- Unzureichende Speichelproduktion
- Eingeschränkte Beweglichkeit der Zunge
Ist der Kauvorgang abgeschlossen, formt die Zunge einen Nahrungsbolus und der reflektorisch ausgelöste Schluckakt beginnt.
Symptome bei Kaustörung
- Speichel oder Nahrung läuft aus dem Mund
- Geringe Kaubewegungen, unzerkaute Nahrungsreste
- Nahrungsreste in den Wangentaschen
- Probleme mit festen Speisen, verlängertes Kauen, Nahrungsaustritt
Maßnahmen bei Kaustörung
- Beschwerden ernst nehmen und nach Ursachen suchen:
- Ggf. Anpassung von Zahnprothesen und Sanierung des Mundraums
- Häufigere Mundpflege und Behandlung von Entzündungen
- Anregung des Speichelflusses
- Bei weiterbestehenden Beschwerden: Nahrungskonsistenz an Kauvermögen anpassen
- Ggf. Nahrung vorher zerkleinern
- Ggf. weiche Kost oder harte Stücke der Nahrung weglassen
Die richtige Kostform kann den Appetit und die Freude am Essen steigern und einer Mangelernährung vorbeugen!
Schluckstörungen
Schluckstörungen können ursächlich für Scham- und Angstgefühle rund um die Nahrungsaufnahme sein. Für betroffene Patient:innen kann es anstrengend sein, sich konzentrieren zu müssen, um sich nicht zu verschlucken. Die wichtigste Maßnahme ist daher, den Patient:innen genügend Zeit und Ruhe zu geben.
Siehe auch: Schluckakt (Ablauf und Funktionen)
Häufigste Ursachen für Schluckstörungen
- Neurologische Erkrankungen
- Erkrankungen im Mund-Rachen-Raum
- Insb. Entzündungen
- Insb. Tumorerkrankungen
- Weitere mögliche Ursachen
- Appetitlosigkeit
- Eingeschränkte Wahrnehmung
- Vigilanzminderung
- Verhaltensstörungen
- Schlechter Zahnstatus
- Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Symptome einer Schluckstörung
Die Symptome treten während und/oder nach der Nahrungsaufnahme auf:
- Verschlucken
- Husten
- Ausspucken der Nahrung
- Niesen
- Nahrungsaustritt aus der Nase
- Fremdkörpergefühl im Hals
- Wiederholtes Schlucken
- Veränderte Stimmqualität
- Würgen
- Aspirationspneumonie
- Gefühl des Steckenbleibens der Nahrung hinter dem Brustbein oder in der Speiseröhre
- Aufstoßen
- Rückfluss der Nahrung
- Verweigerung von Getränken und/oder Mahlzeiten bzw. Angst vor den Mahlzeiten
- Häufiges Räuspern während und nach der Nahrungsaufnahme
- Verbleibende Nahrungsreste im Mundraum
- Atemnot
- Schmerzen
- Weitere Symptome:
- Ggf. (unklares) Fieber als Hinweis auf eine stille Aspiration oder Aspirationspneumonie
- Ggf. Gewichtsverlust
- Ggf. Zeichen einer Mangelernährung
- Ggf. Dehydratation durch unzureichende Flüssigkeitsaufnahme
Bei einem V.a. eine insb. neu aufgetretene Schluckstörung sollte der/die Arzt/Ärztin informiert und ggf. Logopäd:innen hinzugezogen werden! Darüber hinaus sollten die Beschwerden sowie die aufgenommene Nahrung (insb. deren Konsistenz) dokumentiert werden!
Ersteinschätzung eines physiologischen Schluckvorgangs
Eine erste Einschätzung können die in dieser Sektion aufgeführten Tests liefern. Trotzdem sollte eine fachliche Einschätzung und ggf. erweiterte Diagnostik durch Ärzt:innen und Logopäd:innen erfolgen, insb. bei Neuauftreten oder Verschlechterung einer vorbekannten Schluckstörung.
Schluckreflex beurteilen
- Vorgehen
Hustenreflex beurteilen
- Vorgehen: Patient:in zum Husten auffordern oder auf spontane Hustenreflexe beobachten
- Hinweis auf insuffiziente Hustenmuskulatur: Bauch wölbt sich vor
- Hinweis auf insuffizienten Hustenstoß: Sekret kann nicht abgehustet werden, siehe auch: Sekretmanagement und Umgang mit Sputum
Maßnahmen bei Aspiration
- Zum Husten mit nach vorne gebeugtem Oberkörper auffordern
- Ggf. Klopfen auf den Rücken (bis zu 5×) zwischen den Schulterblättern
- Bei Luftnot: Arzt/Ärztin informieren
- Ggf. endotracheal absaugen, siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Absaugen der Atemwege
- Ultima Ratio: Heimlich-Handgriff
- Siehe auch: Aspiration
Maßnahmen zur Aspirationsprophylaxe
Die Maßnahmen gelten sowohl bei Patient:innen als auch allgemein.
- Kostform: Nach ärztlicher Anordnung bzw. in Absprache mit Logopäd:innen
- Ggf. Flüssigkeiten andicken
- Trockene und bröselnde/krümelnde Speisen sollten vermieden werden
- Siehe auch: Schluckstörungen nach ischämischem Schlaganfall
- Ggf. nach ärztlicher Anordnung: Parenterale Ernährung bzw. Ernährung über PEG/Magensonde
- Essprotokoll und Flüssigkeitsbilanzierung: Nach ärztlicher Anordnung, um eine Mangelernährung bzw. Dehydration zu vermeiden sowie als Erfolgskontrolle des Schlucktrainings
- Gewichtskontrollen: Insb. im Verlauf auf Gewichtsabnahme achten, Intervall nach ärztlicher Anordnung
- Ggf. Anpassung der Zahnprothese veranlassen: Nach ärztlicher Rücksprache
- Ggf. Essbegleitung: Nach ärztlicher Anordnung bzw. in Absprache mit Logopäd:innen
- Bei der Nahrungsaufnahme unterstützen, ggf. zum Kauen und Schlucken anleiten
- Patient:in darf nur in Anwesenheit von geschultem Personal essen bzw. trinken
Bei der Nahrungsaufnahme unterstützen
Generell gilt es, die Ressourcen der Patient:innen zu fordern und fördern, jedoch nicht zu überfordern! Ggf. können Patient:innen mehrere kleine Mahlzeiten angeboten werden, da dies häufig die Akzeptanz fördert.
- Ggf. Einweisung durch Logopäd:innen: Vermittlung spezieller Schlucktechniken
- Ggf. Absauggerät bereitstellen: Ggf. um vor dem Essen Sekret und nach dem Essen Nahrungsreste aus dem Mund abzusaugen
- Ggf. Hilfsmittel vorbereiten: Plastiklöffel, spezielle Tassen , Spezialbesteck, Strohhalme
- Ggf. auf Hilfsmittel für den/die Patient:in achten: Brille, Hörgerät
- Umgebung: Keine Unterhaltungen insb. mit dem/der Patient:in, keine Ablenkungen bspw. durch Radio/Fernseher, ausreichend Zeit einplanen
- Ggf. Mobilisation: In den Rollstuhl bzw. auf einen Stuhl mobilisieren, möglichst aufrecht sitzen, Kopf leicht nach vorne gebeugt
- Positionierung bei nicht-mobilisierbaren Patient:innen: Sitzend im Bett, Kopf leicht nach vorne gebeugt
- Positionierung der Pflegekraft: Auf Augenhöhe mit dem/der Patient:in
- Mundpflege und ggf. Zahnprothesen einsetzen: Ggf. nur Mund ausspülen, ggf. Patient:in auffordern, Zahnprothesen selbstständig einzusetzen
- Ggf. Nahrung zerkleinern: Mundgerechte Stücke
- Motivation: Durch Sehen und Riechen des Essens
- Nach Rücksprache mit Logopäd:innen: Sensibilität im Mund anregen, indem spezielle Bewegungsübungen durchgeführt werden
- Portionierung der Menge: Maximal halbvolle Löffel mittlerer Größe, langsames Essen
- Ggf. Arm des/der Patient:in zum Mund führen: Auf die Temperatur des Essens achten, da bei zu heißen Speisen Verbrennungsgefahr droht
- Löffel auf vorderes Zungendrittel: Zungenspitze leicht runterdrücken
- Patient:in kauen lassen: Zum Kauen auffordern und dann ausreichend Zeit geben
- Patient:in schlucken lassen: Ggf. im Anschluss Mundkontrolle oder nachschlucken lassen
- Ggf. Pausen einlegen: Auf die Bedürfnisse der Patient:innen achten
- Mund abwischen: Immer mit Servietten, nicht mit Handtüchern, Löffeln etc.
- Refluxprophylaxe: Patient:in für mind. weitere 20 Minuten nach Nahrungsaufnahme in sitzender Position belassen
- Mundpflege: Um ggf. verbliebene Speisereste zu entfernen, insb. in den Wangentaschen
- Dokumentation: Insb. Auffälligkeiten, angeordnete Flüssigkeitsbilanzierung bzw. Essprotokolle
Unterschiedliche Konsistenzen des Essens sollten niemals vermischt werden, um die Aspirationsgefahr zu senken!
Schnabeltassen/-becher sind insb. bei Dysphagie zu vermeiden!
Bei Patient:innen mit halbseitigem Neglect muss ggf. der Teller gedreht werden, da sie das Essen auf der vernachlässigten Seite zunächst nicht beachten. Durch gezieltes Training und ständiges Auffordern kann den Patient:innen beigebracht werden, auch die vernachlässigte Körper- und Raumhälfte wieder mehr zu berücksichtigen.
Medikamente verabreichen
- Kompatibilität der Tabletten mit Essen prüfen: Bestimmte Medikamente dürfen bspw. nicht mit Milchprodukten eingenommen werden, Einzelfälle prüfen
- Ggf. Tabletten teilen: Sind die Tabletten sehr groß, sollte geprüft werden, ob sie teilbar sind
- Ggf. Tabletten mörsern oder in Wasser auflösen: Nur nach ärztlicher Rücksprache; zunächst versuchen, die Darreichungsform anzupassen , ggf. durch Arzt/Ärztin weniger wichtige Medikamente absetzen lassen
- Ggf. gemörserte Medikamente mit Nahrung verabreichen , Patient:in vorher darüber informieren
- Ggf. in Wasser aufgelöste Medikamente über liegende Nasensonde/PEG verabreichen
- Bei erschwertem Schlucken: Patient:in auffordern, Kopf während des Schluckens zur Brust zu führen
- Bei Schluckstörungen: In Absprache mit dem/der Arzt/Ärztin gemörsert bzw. über liegende Nasensonde/PEG verabreichen
Tabletten niemals ohne das Einverständnis und die Kenntnis der Patient:innen verabreichen! Dies kann zu Vertrauensverlust der Patient:innen gegenüber dem Pflegepersonal führen und ist eine Körperverletzung!