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AMBOSS-Pflegewissen: Sturzprophylaxe

Letzte Aktualisierung: 4.7.2023

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Ein Sturz wird vom Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege im Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“ als Ereignis definiert, „bei dem der oder die Betroffene unbeabsichtigt auf dem Boden oder einer anderen tieferen Ebene aufkommt.“ Es ist hierbei nicht ausschlaggebend, ob die Person nach dem Sturz auf dem Boden liegt, sitzt oder kniet. Das Ziel der Sturzprophylaxe ist es, Risikofaktoren zu erkennen und zu minimieren, sowie Stürzen so gut wie möglich vorzubeugen. Sie können zu leichten Verletzungen wie Hämatomen oder Prellungen führen, aber auch schwere Folgen wie Knochenbrüche, Hirnblutungen oder sogar der Tod sind möglich. Nicht selten erholen sich ältere Patient:innen von den Einschränkungen durch die Folgen eines Sturzes nicht mehr. Darüber hinaus kann sich eine Angst vor weiteren Stürzen entwickeln. Das Risiko eines Sturzes kann nie vollständig reduziert werden, da jeder Mensch, der sich bewegt, auch stürzen kann.

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Risikofaktoren für Stürze und präventive Maßnahmentoggle arrow icon

Risikofaktoren für Stürze sind vielfältig. Im Expertenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“ werden diese in personen-, umgebungs- und medikamentenbezogene Risikofaktoren unterteilt. Oftmals liegen bei einer Person mehrere Risikofaktoren vor, sodass das Sturzrisiko sehr hoch ist .

Risikofaktoren Präventive Maßnahmen
Personenbezogene Risikofaktoren
  • Gezieltes Muskelaufbautraining
  • Ausgleich von Mangelernährung
  • Bei Erkrankungen mit kurzzeitigem Bewusstseinsverlust
    • Grunderkrankung behandeln
    • Konsequente Medikamenteneinnahme
    • Patient:innen anweisen, sich bei ersten Anzeichen eines drohenden Bewusstseinsverlusts sofort hinzusetzen/hinzulegen
  • Bei Erkrankungen mit Schwindelsymptomatik
    • Grunderkrankung behandeln
    • Patient:innen anweisen, sich bei zunehmendem Schwindel hinzusetzen bzw. hinzulegen und nicht allein aufzustehen
  • Bei Erkrankungen, die mit eingeschränkter Mobilität einhergehen
    • Bewegung fördern, um die Mobilität zu erhalten
    • Bei starken Schmerzen ggf. Schmerzmitteleinnahme/-gabe vor der Mobilisation nach ärztlicher Anordnung
  • Bei Einschränkungen der Sensibilität
    • Mit den Patient:innen trainieren, die Füße beim Gehen bewusst anzuheben
    • Auf gut sitzendes Schuhwerk achten
  • Kognitives Training
  • Muskel- und mobilitätserhaltendes Training
  • Möglichst keine Veränderungen in der gewohnten Umgebung
  • Stolperfallen beseitigen: Insb. auf dem Weg zwischen Bett und Toilette
  • Insb. bei Nykturie: Auf einfach zu erreichende Beleuchtung achten, die den Weg ausreichend erhellt
  • Unsicherheit im Umgang mit (Mobilitäts‑)Hilfsmitteln
    • Uneinsichtigkeit in Bezug auf die Notwendigkeit der Nutzung von Hilfsmitteln
    • Fehlende Einweisung durch geschultes Personal
    • Unangepasste Hilfsmittel
  • Ausführliche Einweisung in den Umgang mit Hilfsmitteln
  • Hilfsmittel auf die Größe/Bedürfnisse der Patient:innen anpassen
  • Stürze in der Vorgeschichte
    • Als Indikator für weitere Stürze aufgrund bestehender Risikofaktoren
    • Post-Fall-Syndrom: Aus vorangegangenen Stürzen resultierende Sturzangst erhöht das Sturzrisiko zusätzlich
  • Patient:innen über Post-Fall-Syndrom aufklären
  • Verunsicherten Patient:innen Anwesenheit einer Pflegekraft bei den ersten Mobilisationen nach dem Sturz anbieten
Umweltbezogene Risikofaktoren
  • Stolperfallen
  • Stolperfallen beseitigen
  • Patient:innen über die Notwendigkeit der Anpassung der häuslichen Umgebung im Alter aufklären
  • Im Krankenhaus über Umgang mit Drainagen und Infusionsständern informieren
  • Schlechte Beleuchtung, schwache Farbkontraste
  • Ausreichende Beleuchtung und Nachtlicht (installieren lassen)
  • Kanten bspw. farbig markieren
  • Schlecht sitzende Kleidung und ungeeignetes Schuhwerk
  • Patient:innen raten, beim Kauf von neuem Schuhwerk auf guten Sitz und rutschfeste Sohle zu achten
  • Empfehlen, Hosen/Röcke/Kleider passend zu kaufen oder kürzen zu lassen
  • Veränderte Umgebung/Ortswechsel
  • Im Krankenhaus / einer neuen Pflegeeinrichtung die Räumlichkeiten zeigen und auf Sturzrisiken hinweisen
  • Häufig nach desorientierten/verunsicherten Patient:innen sehen und Sicherheit vermitteln
  • Patient:innen über mögliche Stolperfallen informieren
  • Rufanlage erklären und immer in greifbarer Nähe zu Patient:innen positionieren
  • Ungeeignete Ausstattung des Wohnumfelds: Bspw. hohe Türschwellen, Badewannen mit einem hohen Rand
  • Schwellen, wenn möglich, entfernen (lassen) oder farbig kennzeichnen
  • Empfehlen, Badezimmer mit rutschfesten Matten ausstatten zu lassen
Medikamentenbezogene Risikofaktoren
  • Alle behandelnden (Fach‑)Ärzt:innen müssen über alle eingenommenen Medikamente informiert sein
  • Psychotrope Medikamente: Medikamente, die in ihrer Wirkung das zentrale Nervensystem beeinflussen
  • Patient:innen über den Zusammenhang der Medikamentenwirkung und einer möglicherweise erhöhten Sturzgefahr aufklären

Die Patientenrufanlage und alle benötigten Hilfsmittel wie ein Rollator müssen immer in greifbarer Nähe sein, auch wenn die Patient:innen bspw. in einen Sessel oder an den Tisch mobilisiert werden!

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Einschätzung des Sturzrisikostoggle arrow icon

  • Kein einheitliches Assessment-Instrument vorhanden
  • Ersteinschätzung i.d.R. durch Pflegekraft: Bei Aufnahme der Patient:innen
    • Die Einschätzung orientiert sich daran, wie viele Sturzrisikofaktoren vorhanden sind und ob diese kompensiert werden können
  • Beobachtung der Patient:innen: Insb. in Situationen, in denen es häufig zu Stürzen kommt
    • Beim Aufstehen aus dem Bett und vom Stuhl oder Sessel
    • Während der ersten Schritte nach dem Loslaufen
    • Beim Richtungswechsel während des Gehens
    • Beim Ein- und Ausstieg aus der Badewanne oder Dusche
    • Beim An- und Auskleiden, insb. der Hose
    • Beim Treppensteigen
  • „Beinahe-Stürze“: Als Indikator für ein hohes Sturzrisiko
  • Nach pflegerischer Ersteinschätzung: Abstimmung über mögliche präventive Maßnahmen mit Ärzt:innen , Patient:innen, Angehörigen und ggf. Physiotherapeut:innen
  • Erneute Risikoeinschätzung: Bei Veränderungen des Gesundheitszustandes und/oder des Wohnumfelds, nach Operationen
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Hilfsmittel zur Sturzprävention bzw. Risikoreduktion von Sturzfolgentoggle arrow icon

  • Professionelle Sturzberatung: Insb. bei zunehmender Gangunsicherheit oder Stürzen in der Vergangenheit
  • Mobilitätserhaltende Hilfsmittel: Bspw. Rollatoren, Gehstöcke
  • (Haus‑)Notrufsysteme: Patientenrufanlagen im Krankenhaus
  • Sensormatten
  • Sturzmatten
  • Hüftprotektoren
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Vorgehen nach einem Sturztoggle arrow icon

Ist es zu einem Sturz gekommen, wirkt die Pflegekraft beruhigend auf den Patienten oder die Patientin ein und verschafft sich einen Überblick über mögliche Sturzverletzungen. Es muss immer ein Arzt oder eine Ärztin über den Sturz informiert werden, um ggf. die Folgen des Sturzes abzuklären. Ist der/die Patient:in versorgt, muss nach jedem Sturz von der zuständigen Pflegekraft ein Sturzprotokoll angelegt werden.

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Erstmaßnahmen nach Stürzentoggle arrow icon

Wird eine gestürzte Person aufgefunden, sollte neben der Erstversorgung die Sturzursache geklärt werden und ein/eine Arzt/Ärztin hinzugezogen werden. Im weiteren Verlauf werden Verletzungen durch das ärztliche Personal abgeklärt und ein Sturzprotokoll durch die zuständige Pflegekraft ausgefüllt. In der Folge muss die gestürzte Person auf Sturzfolgen beobachtet werden.

  • Bei sofort erkennbaren schweren Verletzungen
    • Umgehend Arzt/Ärztin informieren
    • Mind. eine weitere Pflegekraft dazuholen (stationsinternes Notrufsystem nutzen)
    • Blutungen stoppen
    • Bei V.a. Wirbelsäulenverletzung: Patient:in nicht bewegen, bis ein wirbelsäulenschonender Transfer mit mehreren Personen möglich ist
    • Prüfen, ob i.v. Zugang vorhanden und dieser durchgängig ist, wenn nicht: i.v. Zugang legen (lassen)
    • Weitere Versorgung nach ärztlicher Anordnung
  • Informationen erfragen
    • Sturzmechanismus: Insb. mit Blick auf Kopfbeteiligung .
    • Vermeintliche Ursache des Sturzes: Aus Sicht des/der Patient:in
    • Durch den Sturz aufgetretene Schmerzen: Insb. Kopfschmerzen und Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule
  • Vitalparameter erheben: Auf Veränderungen wie Hypotonie achten
  • Inspektion auf äußere, erkennbare Verletzungen: Insb. auf Kopfverletzungen (Prellmarken, Platzwunden) achten
    • Ggf. Wunden erstversorgen
  • Bei keinen oder leichten Verletzungen: Patient:in ggf. mit mehreren Pflegekräften ins Bett helfen
  • Arzt/Ärztin informieren
  • Sturzprotokoll ausfüllen
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Sturzprotokolltoggle arrow icon

Sturzprotokolle werden im Rahmen der Qualitätssicherung erstellt, um die Anzahl der Stürze und ihre Umstände in einer Einrichtung festzuhalten. Dies dient dem systematischen Erfassen von Sturzursachen und hilft, Schwerpunkte in der Sturzprävention zu setzen. In den meisten Einrichtungen gibt es standardisierte Protokollbögen, die von der Pflegekraft nach einem Sturz ausgefüllt werden.

Unabhängig von der Einrichtung sollte ein Sturzprotokoll Folgendes beinhalten:

  • Persönliche Daten der gestürzten Person
  • Datum und Uhrzeit des Sturzes
  • Ort des Sturzes
  • Wie wurde der/die Patient:in vorgefunden?
  • Wer hat die gestürzte Person gefunden?
  • Gesundheitlicher Zustand der Person vor dem Sturz
  • Aktivität vor dem Sturz
  • Unmittelbare Sturzfolgen
    • Körperlich: Schmerzen, Wunden, Prellungen, Frakturen, Bewusstseinsveränderungen
    • Psychisch: Verunsicherung, Angst
  • Vitalparameter nach dem Sturz
  • Eingeleitete Erstmaßnahmen
  • Welcher Arzt / welche Ärztin wurde zu welcher Uhrzeit informiert?
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Häufige Sturzfolgentoggle arrow icon

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