Zusammenfassung
Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) ist ein häufiges chronisches Schmerzsyndrom, welches durch schmerzhafte Druckpunkte, vegetative Symptome und funktionelle Beschwerden charakterisiert ist. Es handelt sich um eine benigne Erkrankung mit hohem Leidensdruck der Patienten.
Epidemiologie
- Geschlecht: ♀ > ♂
- Altersgipfel: 30.–50. Lebensjahr
- Punktprävalenz in Deutschland: 2,1%
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Genetische Prädisposition
Fibromyalgie-Symptome, die erstmals bei Patienten über 60 Jahren auftreten, basieren meist auf einer anderen Ursache (Neoplasien, Infektionen, rheumatische Erkrankungen)!
Symptomatik
- Kernsymptome
- Chronische, diffuse Schmerzen v.a. der Muskeln und Sehnenansätze in mehreren Körperregionen, extrem empfindliche Tender Points
- Schlafstörungen mit nicht erholsamem Schlaf
- Erschöpfungsneigung mit ausgeprägter Tagesmüdigkeit
- Weitere Symptome
- Funktionelle Symptomatik
- Gelenkschmerzen
- Muskelkrämpfe, Parästhesien
- Vegetative Symptomatik
- Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit, Leistungsminderung (sog. „Fibro Fog“)
- Depressive Verstimmung
- Migräne/Spannungskopfschmerz
- Assoziation mit Reizdarmsyndrom, Reizblase (Dranginkontinenz), Restless-Legs-Syndrom
- Funktionelle Symptomatik
Pathophysiologie
Es existieren verschiedene Konzepte zur pathophysiologischen Entstehung des Fibromyalgie-Syndroms. Neben einem biopsychologischen Krankheitsmodell zählen dazu u.a.
- Veränderungen zentralnervöser Transmitter
- Dysregulation des sympathischen Nervensystems
- Reduziertes Vorkommen von sog. Small Fibers (intraepidermale kleine Nervenfasern)
Diagnostik
Diagnosekriterien
- ACR-Kriterien von 2010 (2017 überarbeitet) [1]
- Regionaler Schmerzindex ≥7/19 Schmerzorte auf der regionalen Schmerzskala + Symptom Severity Scale (SSS) ≥5
- Andere ursächliche Diagnose unwahrscheinlich
- ACR-Kriterien von 1990
- Chronische Schmerzen auf beiden Körperseiten sowohl in der unteren als auch oberen Körperhälfte für mehr als 3 Monate
- 11 von 18 Tender Points deutlich druckschmerzhaft
- Andere ursächliche Diagnose unwahrscheinlich
FMS ist eine klinische Diagnose, jedoch keine reine Ausschlussdiagnose und kommt häufig in Zusammenhang mit anderen (z.B. rheumatischen) Grunderkrankungen vor!
Klinisches Vorgehen [1]
- Anamnese und vollständige körperliche Untersuchung inkl. internistischem, neurologischem, dermatologischem und orthopädischem Befund zum Ausschluss einer anderen Erkrankung
- Basislaborwerte : Per definitionem keine Laborveränderungen
- Patientenfragebögen zur Erhebung der Symptomschwere
- Symptom Severity Scale (SSS), Widespread Pain Index (WPI)
- Schmerzskizze, Schmerzskala, Schmerztagebuch zur Verlaufsbeurteilung
- Evaluation psychischer Begleitsymptomatik
- Keine weitere apparative Diagnostik nach Ausschluss einer ursächlichen somatischen Erkrankung
Rheumafaktoren und ANA nur bei Gelenkschwellungen oder laborchemischen Entzündungszeichen messen! Beide Parameter sind z.T. auch ohne Krankheitswert erhöht und verleiten zu falschen Diagnosen!
Therapie
- Aufklärungsgespräch
- Benignität der Erkrankung
- Verweis auf Patientenselbsthilfegruppen und Patientenschulungen
- Verhaltenstipps: Regelmäßiger Sport , Anwenden von Entspannungsverfahren, Wasser- oder Trockengymnastik , Krafttraining, Muskeldehnung
- Ggf. regelmäßige psychosomatische Betreuung
- Medikamentös [1]
- Bei chronischen Schmerzen: Befristeter Therapieversuch mit Amitriptylin
- Bei depressiver Symptomatik/komorbider Angststörung: Befristeter Therapieversuch mit SSNRI, z.B. Duloxetin
- Bei komorbider Angststörung/neuropathischem Schmerz: Befristeter Therapieversuch mit Pregabalin
- Keine NSAR oder Opioide
- Partizipatives Erarbeiten von Therapiezielen
- Regelmäßige Evaluation der Therapie
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- M79.-: Sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes, anderenorts nicht klassifiziert
Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung
- 0 Mehrere Lokalisationen
- 1 Schulterregion
- 2 Oberarm
- 3 Unterarm
- 4 Hand
- 5 Beckenregion und Oberschenkel
- 6 Unterschenkel
- 7 Knöchel und Fuß
- 8 Sonstige
- 9 Nicht näher bezeichnete Lokalisation
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.