Zusammenfassung
Eine Hyperthyreose spiegelt meist eine pathologische Veränderung der Schilddrüse wider. Die häufigsten Ursachen sind der immunogene Morbus Basedow sowie die funktionelle Schilddrüsenautonomie. Klinisch zeigen sich multiple Befunde, unter denen ein Gewichtsverlust trotz ständigem Heißhunger, eine Struma sowie die Merseburger Trias bei Morbus Basedow besonders markant sind.
Zur Diagnostik einer Hyperthyreose müssen die Schilddrüsenparameter fT3, fT4, TSH sowie bei Verdacht auf eine immunogene Genese die relevanten Antikörper (Anti-TRAK, TPO-AK) bestimmt werden.
Vor anderen therapeutischen Maßnahmen muss mithilfe von Thyreostatika eine euthyreote Stoffwechsellage hergestellt werden. Während beim Morbus Basedow unter konservativer Therapie in ca. 50% der Fälle eine dauerhafte Remission erreicht werden kann, sind bei der funktionellen Schilddrüsenautonomie i.d.R. nur die operative Resektion oder die Radioiodtherapie dauerhaft zielführend.
Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion „Tipps & Links“.
Epidemiologie
- Morbus Basedow
- Funktionelle Schilddrüsenautonomie
- Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Morbus Basedow : Genetische Prädisposition
- Hyperthyreose infolge einer funktionellen Schilddrüsenautonomie
- Unifokal (= autonomes Adenom)
- Multifokal
- Disseminiert
- Seltenere Ursachen einer Hyperthyreose
-
Iatrogen
-
Hyperthyreosis factitia durch exogene Zufuhr von Schilddrüsenhormonen bzw. Iod
- Insb. iodhaltige Röntgenkontrastmittel (siehe: Prophylaxe vor Gabe iodhaltiger Kontrastmittel)
- Einnahme von Amiodaron, siehe auch Amiodaron-induzierte Hyperthyreose
-
Hyperthyreosis factitia durch exogene Zufuhr von Schilddrüsenhormonen bzw. Iod
- Entzündlich
- Passager bei subakuter Thyreoiditis de Quervain
- Passager bei Hashimoto-Thyreoiditis (sog. Hashitoxikose)
- β-HCG-induzierte Hyperthyreose
- TSHom
-
Iatrogen
Sonderform: Amiodaron-induzierte Hyperthyreose
Allgemeines
- Häufigkeit: 2–12% der mit Amiodaron Behandelten
- Klinisches Bild: Einige Wochen bis Jahre nach Therapiebeginn auftretende Hyperthyreose
Klassifikation
- Amiodaron-induzierte Hyperthyreose Typ 1 (seltener)
- Ätiologie: Gesteigerte Hormonsynthese aufgrund der erhöhten Iodbelastung, i.d.R. bei vorbestehender Schilddrüsenpathologie
- Auftreten: Eher frühzeitig (innerhalb von Wochen nach Therapiebeginn)
- Verlauf: Häufig schwer
- Amiodaron-induzierte Hyperthyreose Typ 2 (häufiger)
- Ätiologie: Gesteigerte Hormonfreisetzung aufgrund einer destruierenden Thyreoiditis, typischerweise keine vorbestehende Schilddrüsenpathologie
- Auftreten: Eher spät (Monate bis Jahre nach Therapiebeginn)
- Verlauf: Meist selbstlimitierend, ggf. Übergang in eine Hypothyreose
- Mischformen: Überlappung von Typ 1 und Typ 2
Diagnostik
- Diagnostik der Hyperthyreose: TSH↓, fT4↑, fT3↑ (selten fT3↔︎)
- Differenzierung der Unterformen
Diagnostische Differenzierung der Amiodaron-induzierten Hyperthyreose | |||
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Diagnostische Parameter | Subtyp | ||
Typ 1 | Typ 2 | ||
Sonografie | Morphologie |
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Durchblutung |
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Laboruntersuchungen | Interleukin-6 |
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Schilddrüsenantikörper |
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Szintigrafie |
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Eine Differenzierung der Unterformen sollte wegen der unterschiedlichen Therapieansätze immer angestrebt werden, sollte jedoch insb. bei schweren Verläufen nie den Therapiebeginn verzögern!
Therapie
- (Initial‑)Therapie bei unklarer Form oder Mischform
- Kombination aus Thionamid, bspw. Thiamazol , und Glucocorticoiden oder
- Zunächst Thionamid, bspw. Thiamazol (ggf. + Natriumperchlorat ), bei ausbleibender Besserung nach 4–6 Wochen zusätzlich Glucocorticoide
- Nach Differenzierung der Unterformen
- Typ 1
- Thionamide, bspw. Thiamazol (ggf. + Natriumperchlorat )
- Absetzen von Amiodaron prüfen (individuelle Entscheidung nach kardiologischer Rücksprache)
- Nach Erreichen einer Euthyreose: Definitive Therapie (Thyreoidektomie bzw. Radioiodtherapie)
- Typ 2
- Glucocorticoide
- Bei mildem Verlauf: Ggf. Therapieverzicht
- Fortführung der Amiodarontherapie i.d.R. möglich
- Typ 1
- Bei bedrohlichem Verlauf
- Thyreotoxische Krise: Sofortige entsprechende Therapieeinleitung (siehe: Kausale Therapie bei thyreotoxischer Krise)
- (Drohende) kardiale Dekompensation oder Therapieresistenz: Ggf. notfallmäßige Thyreoidektomie
Amiodaron kann sowohl eine Hyper- als auch eine Hypothyreose auslösen (siehe auch: Amiodaron-induzierte Hypothyreose). Unter Amiodarondauertherapie sollten daher alle 6 Monate TSH, fT4 und fT3 kontrolliert werden!
Insb. bei vorbestehenden schweren kardialen Erkrankungen und bei älteren Personen mit reduzierter LVEF kann eine Amiodaron-induzierte Hyperthyreose zur kardialen Dekompensation führen!
Pathophysiologie
Morbus Basedow (Graves' disease)
- Anti-TSH-Rezeptor-Antikörper (Anti-TRAK) wirken stimulierend auf die Schilddrüsenhormonproduktion und führen zur Hyperthyreose
Schilddrüsenautonomie
- Physiologische, basale Autonomie: Jede Schilddrüse besitzt Areale, die sich der Regulation durch die hypothalamisch-hypophysäre Achse entziehen
- Fakultative Hyperthyreose: Übermäßiger Anteil von autonomem Schilddrüsengewebe in Suppressionsszintigrafie (>1,5–3%) bei (noch) euthyreoter Stoffwechselsituation
- Manifeste Hyperthyreose: Meist erst bei hoher exogener Iodzufuhr (in Iodmangelgebieten ist dies bei 80% der Fälle der Auslöser!)
Symptomatik
Allgemeine Symptome
- Schilddrüse: Struma
- Vegetativ
- Ursache: Indirekte sympathomimetische Wirkung durch gesteigerte Sensibilität auf Katecholamine
- Tachykarde Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris , arterieller Hypertonus, Wärmeintoleranz, Hyperreflexie, Tremor und Schwitzen
- Diffuser Haarausfall
- Neuropsychiatrisch
- Psychomotorische Unruhe und Reizbarkeit, aber auch Apathie
- Schlafstörungen und rasche Ermüdbarkeit
- Gastrointestinal: Evtl. erhöhte Stuhlfrequenz/Diarrhö, aber nicht zwingend
- Metabolisch
- Gewichtsabnahme
- Pathologische Glucosetoleranz
- Muskuloskelettal: Myopathie oder Osteopathie, es kann zur Adynamie in Kombination mit Schmerzen in den Beinen (vorwiegend Oberschenkel) kommen
Spezielle Symptome bei Morbus Basedow
- Merseburger Trias
- Struma
- Tachykardie
-
Exophthalmus → Endokrine Orbitopathie (Auftreten in etwa 60% der Fälle)
- Frühzeichen: Schwellung der lateralen Augenbrauen, Fremdkörpergefühl
- Liegt neben allgemeinen Symptomen der Hyperthyreose auch eine endokrine Orbitopathie vor, so ist dies nahezu pathognomonisch für einen Morbus Basedow
- Sonderform Immunogene Hyperthyreose: Atypischer Morbus Basedow mit fehlendem Exophthalmus
- Myxödem bei Morbus Basedow
- Auftreten: Selten
- Lokalisation: Insb. prätibial, meist bilateral [4] , seltener Akropachie
- Therapie: Verbände mit steroidhaltigen Salben, Glucocorticoid-Injektionen in die betroffenen Stellen
Diagnostik
Laboruntersuchung bei Hyperthyreose
- Manifeste Hyperthyreose: TSH basal↓, fT3↑ und/oder fT4↑
- Latente Hyperthyreose: TSH basal↓, fT3 und fT4 normal
- Insb. vor Einnahme iodhaltiger Medikamente bzw. Kontrastmittel zu beachten, siehe Vorgehen bei latenter Hyperthyreose
- Auftreten von Symptomen möglich, dann auch thyreostatische Therapie indiziert
- Morbus Basedow: Schilddrüsen-Antikörper
- Anti-TSH-Rezeptor-Antikörper (Anti-TRAK) in >90% der Fälle nachweisbar
- Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-AK) in etwa 70% der Fälle nachweisbar
- Thyreoglobulin-Antikörper (Tg-AK) in etwa 20% der Fälle nachweisbar
- Urinuntersuchung: Bei einer durch Iodkontakt induzierten Hyperthyreose ist ein Nachweis von Iod im Urin möglich
Laboruntersuchungen bei manifester und latenter Hyperthyreose | ||
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Manifeste Hyperthyreose | Latente Hyperthyreose | |
TSH basal | Erniedrigt | Erniedrigt |
Erhöht | Normal | |
In 90% erhöht | Normal |
Ein normaler TSH-Spiegel schließt eine manifeste Hyper- oder Hypothyreose mit hoher Wahrscheinlichkeit aus!
Bei erniedrigtem TSH sollten sowohl fT4 als auch fT3 bestimmt werden, da es auch isolierte fT3-Hyperthyreosen gibt!
Sonografische Untersuchung der Schilddrüse [5]
- Bildgebung mittels Dopplersonografie
- Typische sonografische Befunde bei Morbus Basedow
- Vergrößerte Schilddrüse (♀ >18 mL bzw. ♂ >25 mL)
-
Vermehrte Vaskularisation des Schilddrüsengewebes
- Echoarme Areale (diffus oder lokalisiert) in Kombination mit vermehrter Perfusion bzw. erhöhter Gefäßanzahl
- Bei Morbus Basedow typischerweise sog. „Vaskuläres Inferno“ .
- Homogenes, echoarmes Muster
Szintigrafie
- Schilddrüsenszintigrafie: Technetium-Uptake erhöht (>5%; normal 0,5–2%)
Differenzialdiagnosen
- Psychosen
- Drogenabusus (Kokain, Amphetamine)
- Unbehandelter Diabetes mellitus (Gewichtsverlust trotz Heißhunger)
- Schilddrüsenhormon-Resistenz
- Seltene Erkrankung mit partieller Resistenz der Schilddrüsenhormonwirkung an den Zielorganen (bei vollständiger Resistenz ist der Patient nicht lebensfähig)
- Labor: TSH basal n/↑, fT3↑ und/oder fT4↑
- Differenzialdiagnostisch kann bei TSH basal ↑, fT3↑ und fT4↑ auch ein seltenes TSH-produzierendes Hypophysenadenom (sog. „TSH-om“, siehe auch: Hypophysenvorderlappeninsuffizienz) vorliegen
- Klinik mannigfaltig
- Asymptomatisch
- Symptome der Hypo- und/oder Hyperthyreose möglich (je nach Resistenzlage und Höhe der Hormonspiegel)
- Therapie je nach klinischer Manifestation
Differenzialdiagnose bei Hyperhidrosis
Die Hyperhidrosis ist ein häufiger Konsultationsgrund in der Praxis, bei der als erstes die Hyperthyreose ausgeschlossen werden sollte. Weitere Differenzialdiagnosen mit dem Symptom Hyperhidrosis sind:
- Dermatologisch: Primäre, idiopathische Hyperhidrose
- Psycho-vegetativ: Körperlicher oder emotionaler Stress (Hypoglykämie, Aufregung, Angst etc.)
- Endokrinologisch
- Neurologisch
- Medikamente und Drogen (Opioide, Amphetamine u.a.) bzw. ihr Entzug
- Malignome: Insb. Lymphome (Nachtschweiß!)
Bei Gewichtsabnahme trotz adäquatem Essverhalten muss auch immer an eine Tumorkachexie gedacht werden. Ebenso ist bei jedem unklaren Gewichtsverlust im Alter auch an eine Hyperthyreose zu denken!
Bei Abklärung eines Gewichtsverlustes (bspw. Tumorsuche) sollte die Schilddrüsenfunktion stets zu Beginn geklärt werden – insb. vor CT-Untersuchungen mit iodhaltigem Kontrastmittel!
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Allgemeine Therapieprinzipien
- Thyreostatika-Therapie: Bei allen Formen der Hyperthyreose zur Einstellung einer euthyreoten Stoffwechsellage
- Symptomatische Therapie: Symptomatische und supportive Behandlung von Symptomen der Hyperthyreose
- Unselektive Betablocker, bspw. Propranolol (Hemmung der Konversion von T4 zu T3)
- Kausale Therapie: Behandlung der Grunderkrankung, bspw. Absetzen auslösender Medikamente
- Operative bzw. interventionelle Verfahren: Die Indikationsstellung richtet sich nach der Grunderkrankung
- Radioiodtherapie: Totale oder subtotale Ablation des Schilddrüsengewebes nach Applikation von radioaktivem Iod
- Schilddrüsenchirurgie: Resektion der Schilddrüse
- Operative bzw. interventionelle Verfahren: Die Indikationsstellung richtet sich nach der Grunderkrankung
- Siehe auch: Prophylaxe vor Gabe iodhaltiger Kontrastmittel (bei latenter Hyperthyreose und anderen Risikokonstellationen für eine Thyreotoxikose)
Vor jeder anderen Therapie wird immer durch eine thyreostatische Therapie eine euthyreote Stoffwechsellage eingestellt!
Iod-Plummerung
- Prinzip: Alternatives und eskalatives Konzept zur Blockierung der Schilddrüsenhormonproduktion, hierbei Gabe von hohen Dosierungen (>5 mg/Tag) Iod zur Unterbindung der Iodaufnahme und der Hormonproduktion der Schilddrüse(Wolff-Chaikoff-Effekt)
- Indikation
- Zusätzlich zur thyreostatischen Therapie zur präoperativen Erzielung einer Euthyreose, wenn Thyreostatika alleine nicht ausreichen
- Anwendung nur bei nicht-iodinduzierten Formen einer Hyperthyreose
- Als Schutzmaßnahme bei einem schweren nuklearen Zwischenfall
- Zusätzlich zur thyreostatischen Therapie zur präoperativen Erzielung einer Euthyreose, wenn Thyreostatika alleine nicht ausreichen
- Iodgabe bei einem schweren nuklearen Zwischenfall
- Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten nach altersadaptierten Richtwerten
- Zeitpunkt der Einnahme: Nach Aufforderung durch die zuständigen Behörden, idealerweise vor (bis wenige Stunden nach) Resorption des radioaktiven Iods.
- Einnahmehinweise: Einnahme mit einem Schluck Wasser, insb. für Kinder ist das Auflösen in einem Getränk (bspw. Tee, Saft, Wasser) möglich, die Flüssigkeit muss sofort getrunken werden
- Altersgerechte Iod-Dosierung
- Bis 1 Monat
- 1 Monat bis 3 Jahre
- 3–12 Jahre
- 13–45 Jahre
- >45 Jahre: Kontraindikation für eine Kaliumiodid-Einnahme
- Schwangere und Stillende jeden Alters
- Bei bekannter Hyperthyreose sollte die Einnahme erst nach ärztlicher Rücksprache bzw. mit engmaschigen Kontrollen nach Einnahme erfolgen
- Wirkung: Rascher Wirkungseintritt (binnen 24 h), relativ kurze Wirkdauer (1–2 Wochen)
Bei einer Hyperthyreose darf Iod nicht ohne eine Abdeckung durch Thionamide gegeben werden → Gefahr der thyreotoxischen Krise!
Therapie bei Morbus Basedow
- Thyreostatische Therapie über 12–18 Monate, i.d.R. mit Thionamiden (= Hemmung der Thyreoperoxidase)
- Initialdosis der Thyreostatika je nach klinischem Bild
- Remission unter der Therapie in 50% der Fälle
- Dosisreduktion bei Erreichen der Euthyreose, sonst Verschlimmerung der endokrinen Orbitopathie!
- Verlaufskontrolle: Kontrolle der Anti-TRAK-Spiegel nach 6 Monaten: Bei Werten >10 IU/L → Remission unwahrscheinlich, Operation bzw. Radioiodtherapie indiziert
- Anschließend: Auslassversuch (CAVE: Gefahr einer Hyperthyreose!)
- Bei Rezidiv/persistierender Erkrankung: Definitive Behandlung mit:
- Operation (Schilddrüsenchirurgie): Eine totale Thyreoidektomie ist der subtotalen Thyreoidektomie bzgl. der Hyperthyreose-Kontrolle überlegen [6]
- oder Radioiodtherapie
- Ablatives Konzept; bei Morbus Basedow mit hohem Behandlungserfolg (200–300 Gy) → Jedoch hohe Hypothyreoserate mit lebenslanger Levothyroxin-Substitution
Therapie bei Schilddrüsenautonomie
- Radioiodtherapie: Nach Erreichen einer Euthyreose ist aufgrund der hohen Rezidivrate eine definitive Therapie mittels Radioiodtherapie oder Operation indiziert, ein Wirkungseintritt der Radioiodtherapie ist binnen 2–3 Monaten zu erwarten
- Funktionsoptimiertes Dosiskonzept: Weist eine niedrige Hypothyreoserate auf
- Unifokale Autonomie: 300–400 Gy Herddosis auf das identifizierte autonome Areal
- Multifokale und disseminierte Autonomie: 120 Gy
- Postinterventionell: Regelmäßige Kontrollen der Schilddrüsenhormone zweiwöchentlich, bei Eintritt einer Hypothyreose Beginn einer L-Thyroxin-Substitution [7]
- Funktionsoptimiertes Dosiskonzept: Weist eine niedrige Hypothyreoserate auf
- Indikation eher zugunsten einer operativen Therapie
- Malignomverdacht (kalte Knoten)
- Kompressionssymptome, große Struma
- Sofortige Therapienotwendigkeit (thyreotoxische Krise, schwere Nebenwirkungen einer thyreotoxischen Medikation, Hyperthyreose in der Schwangerschaft mit hohem Thyreostatikabedarf)
- Postoperativ: L-Thyroxin-Substitution fast immer notwendig
Therapie bei seltenen Ursachen einer Hyperthyreose
- Therapie abhängig von der Grunderkrankung, bspw.
- Onkologische Resektion bei Schilddrüsenkarzinom
- Absetzen der iatrogenen Schilddrüsenhormon-Zufuhr bei Hyperthyreosis factitia
- Absetzen von Amiodaron bei Amiodaron-induzierter Hyperthyreose
AMBOSS-Pflegewissen: Hyperthyreose
Für Grundlagen der Anatomie und Physiologie, siehe auch: Schilddrüse
Beobachten/Überwachen
Die klinischen Verläufe der Hyperthyreose reichen von symptomlosen Betroffenen bis hin zu Patient:innen mit stark ausgeprägter Symptomatik. Treten die Symptome erstmalig auf oder verschlechtern sich unter einer bestehenden medikamentösen Therapie, sollte dies mit dem ärztlichen Personal besprochen werden.
- Basismonitoring
- Blutdruck: Arterielle Hypertonie
- Herzfrequenz
- Temperatur
- Wärmeintoleranz
- Fieber
- Körpergewicht: Gewichtsabnahme
- Haut: Warm, feucht
- Stuhlgang: Erhöhte Stuhlfrequenz/Diarrhö
- Neuropsychiatrisch
- Psychomotorische Unruhe und Reizbarkeit, aber auch Apathie
- Schlafstörungen und rasche Ermüdbarkeit
Thyreotoxische Krise
Eine thyreotoxische Krise tritt selten auf, hat aber mit >20% eine hohe Letalität. Für eine thyreotoxische Krise besonders gefährdet sind Patient:innen mit einer nicht oder nur unzureichend behandelter Hyperthyreose. Die thyreotoxische Krise kann spontan auftreten oder durch Trigger ausgelöst werden. Insb. die Iodexposition durch iodhaltige Kontrastmittel steht hier im Vordergrund. Pflegefachpersonen müssen die Ätiologie und Klinik einer thyreotoxischen Krise kennen, um gefährdete Patient:innen besonders sorgfältig zu überwachen.
- Für Ätiologie und Trigger siehe Thyreotoxische Krise
- Bei Hyperthyreose und gleichzeitiger Notwendigkeit der Applikation von iodhaltigem Kontrastmittel siehe Prophylaxe einer Hyperthyreose vor Gabe iodhaltiger Kontrastmittel
Für jede Bildgebung, bei der iodhaltiges Kontrastmittel verabreicht wird, muss ein aktueller TSH-Wert vorliegen, um eine Hyperthyreose auszuschließen!
Treten Symptome einer thyreotoxischen Krise auf, muss unverzüglich das ärztliche Personal verständigt und Reanimationsbereitschaft hergestellt werden!
Medikamentöse Therapie
Zur Einstellung einer euthyreoten Stoffwechsellage ist die Therapie der 1. Wahl die Gabe von Thionamiden , die zur Medikamentengruppe der Thyreostatika gehören. Ggf. erfolgt zusätzlich eine symptomatische Therapie . Darüber hinaus kann eine Radioiodtherapie oder eine (Teil‑)Resektion der Schilddrüse notwendig sein. Siehe auch:
Beratungsschwerpunkte bei medikamentöser Therapie mit Thyreostatika
- Engmaschige Kontrollen des Blutbildes
- Aufklärung der Patient:innen über mögliche Nebenwirkungen: Umgehende ärztliche Vorstellung einleiten bzw. zu dieser raten!
- Halsschmerzen, Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl als Zeichen einer Agranulozytose
- Arthralgien
- Siehe auch: Therapiemonitoring der Thionamid-Thyreostatika
Gelenkschmerzen bzw. Halsschmerzen und Fieber sind die wichtigsten Warnsignale, auf die Patienten unter Thionamid-Therapie hingewiesen werden müssen!
Weitere pflegerische Maßnahmen
- Bei Vorliegen eines (ausgeprägten) Exophthalmus bei Morbus Basedow
- Befeuchtende Augentropfen, Augensalbe zur Nacht
- Schlafen mit erhöhtem Oberkörper
- Siehe auch: Endokrine Orbitopathie
- Ernährung
- Hochkalorische Kost bei unfreiwilliger Gewichtsabnahme
- Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten
Beratung
- Aufklärung der Patient:innen über die (möglichen) Symptome der Hyperthyreose, bei Veränderung der Symptomatik soll der Arzt/die Ärztin aufgesucht werden
- Patient:innen sollten die Hyperthyreose (und ggf. die medikamentöse Therapie) erwähnen, wenn radiologische Untersuchungen geplant werden
Komplikationen
Thyreotoxische Krise
Allgemeines
- Definition: Akute lebensbedrohliche Exazerbation einer Hyperthyreose
- Ätiologie: Für eine thyreotoxische Krise besonders gefährdet sind Patienten mit nicht oder nur unzureichend behandelter Hyperthyreose. Die thyreotoxische Krise kann spontan auftreten oder durch folgende Faktoren ausgelöst werden:
- Schwere Erkrankungen (Infektionen, kardiale Notfälle)
-
Iodexposition
-
Intravenöse Kontrastmittelapplikation: Röntgen-, CT-, DSA-Verfahren
- Bei geplanter Iodexposition: Prophylaxe mit Perchlorat und Thiamazol zur Hemmung von Iodination und Iodisation
- Siehe auch: Prophylaxe vor Gabe iodhaltiger Kontrastmittel
- Medikamente: Bspw. bei Amiodaron-induzierter Hyperthyreose
-
Intravenöse Kontrastmittelapplikation: Röntgen-, CT-, DSA-Verfahren
- Absetzen thyreostatischer Medikamente
- Schilddrüsen-OP in hyperthyreotem Zustand
MR-Untersuchungen sind bei Hyperthyreose-Patienten unproblematisch, da als Kontrastmittel nicht Iod, sondern Gadolinium eingesetzt wird!
Klinik
- Stadieneinteilung nach Hermann
- Stadium I
- Tachykardie, oft absolute Arrhythmie
- Fieber, Erbrechen, Durchfälle → Exsikkose
- Adynamie, Muskelschwäche
- Tremor, Agitation
- Stadium II: Symptome aus Stadium I sowie Bewusstseinsstörungen (Somnolenz, Sopor), Desorientiertheit und psychotische Zustände
- Stadium III: Symptome aus Stadium I + II sowie Koma und Kreislaufversagen mit Nebennierenrindeninsuffizienz
- Stadium I
- Burch-Wartofsky-Score [8][9][10]
- Einschätzung der Wahrscheinlichkeit und des Schweregrades einer thyreotoxischen Krise anhand folgender Kriterien
- Körpertemperatur
- Zentralnervöse Symptomatik
- Hepatogastrointestinale Dysfunktion
- Kardiovaskuläre Dysfunktion (Herzfrequenz, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern)
- Anamnese bzgl. eines möglichen Auslösers
- Beurteilung: Addition der Punkte
- Summe der Punkte >25: Vorliegen einer thyreotoxischen Krise möglich
- Summe der Punkte >45: Vorliegen einer thyreotoxischen Krise sehr wahrscheinlich
- Einschätzung der Wahrscheinlichkeit und des Schweregrades einer thyreotoxischen Krise anhand folgender Kriterien
Ein Patient mit thyreotoxischer Krise gehört auf die Intensivstation!
Kausale Therapie bei thyreotoxischer Krise
-
Thyreostatische Therapie
- Thiamazol hochdosiert (Hemmung der Schilddrüsenhormon-Synthese)
- Natriumperchlorat (Hemmung der Iodidaufnahme in die Schilddrüse)
- Bei bedrohlicher thyreotoxischer Krise: Plasmapherese oder Notfall-Thyreoidektomie
Bei der Gabe von Thionamiden ist die Agranulozytose als Nebenwirkung zu bedenken. Generell ist die thyreostatische Therapie in der thyreotoxischen Krise jedoch trotz der möglichen Nebenwirkungen alternativlos!
Symptomatische Therapie
- Intensivstationäre Überwachung
- Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution , parenterale bzw. enterale Ernährung
-
Betablocker → Senkung des Tremors und der Agitation
- Propranolol: R-Enantiomer bewirkt eine Hemmung der Konversion von T4 zu T3
- Oder kardioselektive Betablocker (bspw. Bisoprolol, Metoprolol) [11]
- Glucocorticoide, bspw. Prednisolon (wegen relativer Nebennierenrindeninsuffizienz und Hemmung der Konversion von T4 zu T3)
- Fiebersenkende Medikamente, bspw. Ibuprofen oder Paracetamol
- Thromboseprophylaxe
Insb. hinsichtlich hämodynamischer Aspekte kann die Behandlung einer thyreotoxischen Krise herausfordernd sein: Negativ inotrope Effekte von Betablockern bewirken ein reduziertes Herzzeitvolumen, bei einem Verzicht auf Betablocker können wiederum tachykarde Rhythmusstörungen zu einem niedrigeren Herzzeitvolumen führen!
Die Letalität der thyreotoxischen Krise liegt bei >20%!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Besondere Patientengruppen
Schwangerschaft [7][12][13]
- Ätiologie
- Morbus Basedow: Vorbestehend oder Neumanifestation
- Funktionelle Schilddrüsenautonomie
- Therapie
- Symptomatische Therapie: Betablocker
- Vorzugsweise Propranolol
- Thyreostatische Therapie
- Indikation: Manifeste Hyperthyreose
- Therapieziel: fT4 im oberen Referenzbereich oder gering erhöht, Thyreostatika-Dosierung so gering wie möglich
- Wirkstoffe
- Im 1. Trimenon: Propylthiouracil
- Im 2. und 3. Trimenon: Umstellung auf Thiamazol
- Thyreoidektomie: Bei Versagen einer thyreostatischen Therapie
- Radioiodtherapie: In der Schwangerschaft kontraindiziert
- Symptomatische Therapie: Betablocker
Sonderform: β-HCG-induzierte Hyperthyreose
- Ursache: β-HCG-induzierte Stimulation von TSH-Rezeptoren
- Symptome: Meist keine typischen Symptome einer Hyperthyreose, häufig Hyperemesis gravidarum (bis zu 73% der Fälle) [13]
- Verlauf: Meist selbstlimitierend
- Therapie: Abhängig vom Ausmaß der Beschwerden
- I.d.R. keine spezifische Therapie notwendig, symptomatische Therapie kann erwogen werden
Insulinpflichtiger Diabetes mellitus
- Erhöhter Insulinbedarf [14] : Ggf. passagere Anpassung der Insulintherapie an den erhöhten Bedarf, engmaschigere Blutzuckerkontrollen bis zur Erreichung einer Euthyreose
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Morbus Basedow
Hyperthyreose (Video frei verfügbar)
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- E05.-: Hyperthyreose [Thyreotoxikose]
- Exklusive: Chronische Thyreoiditis mit transitorischer Hyperthyreose (E06.2), Hyperthyreose beim Neugeborenen (P72.1)
- E05.0: Hyperthyreose mit diffuser Struma
- Basedow-Krankheit [Morbus Basedow]
- Toxische diffuse Struma
- Toxische Struma o.n.A.
- E05.1: Hyperthyreose mit toxischem solitärem Schilddrüsenknoten
- Hyperthyreose mit toxischer einknotiger Struma
- E05.2: Hyperthyreose mit toxischer mehrknotiger Struma
- Toxische Struma nodosa o.n.A.
- E05.3: Hyperthyreose durch ektopisches Schilddrüsengewebe
- E05.4: Hyperthyreosis factitia
- E05.5: Thyreotoxische Krise
- E05.8: Sonstige Hyperthyreose
- Überproduktion von Thyreotropin
- E05.9: Hyperthyreose, nicht näher bezeichnet
- Hyperthyreose o.n.A.
- Thyreotoxische Herzkrankheit† (I43.8*)
- P72.-: Sonstige transitorische endokrine Krankheiten beim Neugeborenen
- P72.1: Transitorische Hyperthyreose beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.