Zusammenfassung
Das Restless-Legs-Syndrom ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen und geht mit vermehrt in Ruhe auftretenden (also meist nächtlichen) Missempfindungen und Bewegungsdrang einher. Die Beschwerden bessern sich bei Bewegung. Es werden primäre Formen mit genetischer Prädisposition und sekundäre Formen (z.B. durch Eisenmangel oder Urämie) unterschieden. Der neurologische Untersuchungsbefund ist unauffällig. Bei Therapiebedürftigkeit erfolgt eine Behandlung mit L-Dopa und Dopaminagonisten, bei sekundären Formen muss die Grunderkrankung behandelt werden. Die Erkrankung weist eine gute Prognose auf: Pharmaka lindern die Beschwerden, müssen allerdings tlw. lebenslang eingenommen werden, sekundäre Formen sind bei kausaler Behandlung meist regredient.
Epidemiologie
Ätiologie
- Primär: Genetische Prädisposition im Zusammenspiel mit Umweltfaktoren
- Sekundär [1]
- Medikamentös bedingt: Antipsychotika, Antidepressiva, Metoclopramid
- Im Rahmen einer Schwangerschaft
- Im Rahmen einer Grunderkrankung
- Internistisch: Eisenmangel, Niereninsuffizienz (mit oder ohne Urämie)
- Neurologisch: Polyneuropathien
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie des Restless-Legs-Syndroms ist nicht eindeutig geklärt. Veränderungen in der dopaminergen Neurotransmission im ZNS werden vermutet.
Symptomatik
Typische Befunde und Diagnosekriterien des Restless-Legs-Syndroms
- Minimalkriterien (obligat) [1]
-
Bewegungsdrang der Beine, i.d.R. ausgelöst durch oder zusammen mit
- Unruhegefühl
- Sensiblen Störungen (Missempfindungen, Kribbeln, Schmerzen) in den betroffenen Extremitäten
- Auftreten und Verstärkung der Symptomatik in Ruhe (bspw. im Sitzen oder Liegen)
- Besserung oder vollständige Rückbildung der Symptome bei Bewegung
- Periodische Rhythmik mit Verstärkung der Symptomatik abends und nachts
- Symptome sind nicht anders erklärbar (bspw. durch Beinödeme, Myalgie)
-
Bewegungsdrang der Beine, i.d.R. ausgelöst durch oder zusammen mit
- Supportive Kriterien (nicht obligat)
- Ansprechen auf Gabe von L-Dopa
- Positive Familienanamnese
- Periodische Beinbewegungen im Schlaf
- Häufig assoziierte Befunde
- Schlafstörungen
- Initial fluktuierender Verlauf, der später kontinuierlich voranschreitet
- Unauffälliger neurologischer Untersuchungsbefund
Diagnostik
Die Diagnose wird klinisch anhand der Diagnosekriterien des Restless-Legs-Syndroms gestellt. [1]
Klinisch-neurologische Untersuchung
- Unauffälliger Befund
- Bei begleitender Polyneuropathie: Vorliegen entsprechender Symptome wie etwa distale Sensibilitätsstörungen, Areflexie und andere Defizite
- Selbsteinschätzung des Patienten: Standardisierte Befragung nach der International RLS Severity Scale (IRLS)
- Siehe auch: Tipps & Links – ILRS
Labordiagnostik
Der Nachweis ätiologischer Faktoren für das Vorliegen eines RLS ermöglicht ggf. deren Behandlung und einen positiven Effekt auf die Symptomatik und den Verlauf des RLS.
- Immer (bei Erstdiagnose, Therapiebeginn und Symptomverschlechterung) [1]
- Ggf. sinnvoll [1]
- Elektrolyte (inkl. Magnesium, Calcium)
- Parameter der Nierenfunktion und Leberfunktion
- TSH (ggf. auch T3, T4)
- Vitamine (insb. Vitamin B12 und Folsäure)
- Nüchternglucose, HbA1c
- Schwangerschaftstest
Optionale Zusatzdiagnostik
- Polysomnografie
- Indikation: Zur Abgrenzung gegenüber einem Schlafapnoe-Syndrom und assoziierten Bewegungsstörungen, insb. wenn die RLS-Therapie nicht anspricht sowie bei jungen Patienten vor Beginn einer Dauertherapie
- Atypisches RLS (kein Ansprechen auf dopaminerge Therapie, Schlaflosigkeit unter Therapie)
- Junge Patienten mit schwerer Symptomatik vor Beginn einer Dauertherapie
- Ausgeprägte Tagesmüdigkeit ohne deutliche RLS-Symptomatik
- Verdacht auf schlafbezogene Atmungsstörungen, ggf. begleitend zum RLS
- Befunde beim RLS
- Verlängerte Einschlafdauer
- Fragmentiertes Schlafprofil mit häufigem Wechsel der Schlafphasen
- Erhöhter Anteil an Schlafstadium I
- Häufige Wachphasen
- Indikation: Zur Abgrenzung gegenüber einem Schlafapnoe-Syndrom und assoziierten Bewegungsstörungen, insb. wenn die RLS-Therapie nicht anspricht sowie bei jungen Patienten vor Beginn einer Dauertherapie
- Elektrophysiologie: Zur Bestätigung bzw. zum Ausschluss einer (begleitenden) Neuropathie
- L-Dopa-Test
- Probatorisch einmalige abendliche Gabe von L-Dopa + Decarboxylasehemmer
- Bei Ansprechen auf die Medikation gehen die Missempfindungen und der Bewegungsdrang zurück
- Ein Nicht-Ansprechen schließt ein RLS jedoch nicht sicher aus
Differenzialdiagnosen
- Akathisie
- Nächtliche Wadenkrämpfe
- Polyneuropathie
- Periodic Limb Movement Disorder (PLMD, Periodic Limb Movements in Sleep, PLMS)
- Klinik
- Schlafstörungen oder Tagesmüdigkeit
- Kein Bewegungsdrang
- Keine Missempfindungen
- Diagnostik
- Ausschluss anderer schlafbezogener Erkrankungen , keine erklärenden internistischen Erkrankungen
- Ausschluss Medikamentennebenwirkung
- Ausschluss Substanzmissbrauch
- Polysomnografie: Periodische Bewegungen der Beine im Schlaf (PLMS) , mehr als 15 pro Stunde Schlaf (PLMS-Index)
- Therapie : Dopaminerge Therapie wie beim RLS als Therapieversuch
- Klinik
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Restless-Legs-Syndrom - Allgemeine Therapieprinzipien [1]
- Therapieindikation: Individueller Leidensdruck
- Dauerhafte Pharmakotherapie: Möglichst spät beginnen, zuvor
-
Absetzen/Reduzieren potenziell verstärkender oder auslösender Medikamente, bspw.
- Antidepressiva, insb. Mirtazapin (aber auch SSRI und Venlafaxin)
- Antipsychotika
- Lithium
- Antiemetika
- Antihistaminika
- Nicht-medikamentöse Therapieoptionen des RLS beachten
- Bei Ferritin ≤75 μg/L oder Transferrinsättigung <20%: Eisensubstitution empfohlen
- Leichtgradige Symptomatik: Orale Gabe
- Mittel- bis schwergradige Symptomatik : Intravenöse Gabe
-
Absetzen/Reduzieren potenziell verstärkender oder auslösender Medikamente, bspw.
Restless-Legs-Syndrom - Medikamentöse Therapie
Mittel der 1. Wahl
Dopaminagonisten [1]
- Zugelassen bei: Mittelschwerer bis schwerer Symptomausprägung
- Empfohlene Substanzen: Non-Ergot-Dopaminagonisten
Gabapentinoide (Off-Label Use) [1]
- Empfohlene Substanzen
Mittel der 2. Wahl
Opioide [1]
- Zugelassen bei: (Sehr) schwerem idiopathischen RLS (nach Versagen dopaminerger Therapie)
- Empfohlene Substanz: Oxycodon/Naloxon retard
L-Dopa (+ Decarboxylasehemmer) [1]
- Früher: Mittel der 1. Wahl
- Hohes Risiko für Augmentation
- Einsatz
- Nur intermittierend, nicht als Dauerbehandlung
- Max. 100 mg/d
Nebenwirkungen
- Augmentation: Verschlechterung der Symptomatik durch dopaminerge Wirkstoffe, wichtige, ggf. therapielimitierende Nebenwirkung [1]
- Symptome: Zunahme, Ausbreitung und/oder früherer tageszeitlicher Beginn der Krankheitssymptome
- Vorkommen: Häufiger bei Therapie mit L-Dopa, seltener auch bei Therapie mit Dopaminagonisten
- Prävention
- Verwendung der kleinsten, aber ausreichend wirksamen Dosis
- Therapiedauer limitieren: Mit zunehmender Therapiedauer erhöht sich das Risiko für das Auftreten einer Augmentation
- Eisensubstitution: Bei Eisenmangel verbessert die Eisensubstitution auch die Wirksamkeit der dopaminergen Therapie
- Therapeutisches Management [1]
- Indikation für Eisensubstitution überprüfen
- Bei Auftreten unter Dopaminagonisten
- 1. Schritt: Dosisreduktion oder -aufteilung (auf mehrere Gaben am Tag)
- Bei Bedarf: Umstellung auf
- Langwirksame Substanz (bspw. Rotigotin) oder
- Gabapentinoid
- Bei Auftreten unter L-Dopa-Therapie: Umstellung auf
- Dopaminagonisten oder
- Gabapentinoid
- Letzte Option: Einsatz eines Opiats
- In Monotherapie oder
- Zusätzlich zu Gabapentinoid oder Dopaminagonist
- Weitere Nebenwirkungen siehe: Parkinson-Medikamente
Restless-Legs-Syndrom - Nicht-medikamentöse Therapie [1]
Die Verfahren können alleinstehend oder additiv eingesetzt werden.
- Bewegungstraining
- Infrarotlicht-Behandlung
- tsDCS (transkutane spinale Gleichstromstimulation)
Prognose
- Gutes Ansprechen auf Pharmakotherapie
- Dosisreduktion bzw. Auslassversuche bei Fluktuationen im frühen Krankheitsverlauf möglich
- Aufgrund langsamer Progredienz häufig lebenslange Therapie nötig
- Sekundäre Formen
- Restless-Legs-Syndrom bei Schwangeren nach Entbindung häufig regredient
- Regredienz bei Eisensubstitution und erfolgreicher Niereninsuffizienz-Therapie möglich
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Restless-Legs-Syndrom
Periodic Limb Movement Disorder (PLMD)
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- G25.-: Sonstige extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
- G25.0: Essentieller Tremor (familiärer Tremor)
- G25.1: Arzneimittelinduzierter Tremor
- G25.2: Sonstige näher bezeichnete Tremorformen (Intentionstremor)
- G25.3: Myoklonus
- G25.4: Arzneimittelinduzierte Chorea
- G25.5: Sonstige Chorea
- G25.6: Arzneimittelinduzierte Tics und sonstige Tics organischen Ursprungs
- G25.8-: Sonstige näher bezeichnete extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
- G25.80: Periodische Beinbewegungen im Schlaf (Periodic Limb Movements in Sleep, PLMS)
- G25.81: Syndrom der unruhigen Beine (Restless-Legs-Syndrom)
- G25.88: Sonstige näher bezeichnete extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
- Akathisie (behandlungsinduziert, medikamenteninduziert)
- Stiff-man-Syndrom (Muskelstarre-Syndrom)
- G25.9: Extrapyramidale Krankheit oder Bewegungsstörung, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.