Zusammenfassung
Eine Uterusruptur kommt etwa bei 1 von 1.100–5.000 Geburten vor und ist meist auf eine Überdehnung des Uterus oder uterine Narben bei Z.n. früheren Operationen mit Eröffnung der Gebärmutter zurückzuführen. Bei einer kompletten Ruptur ist die gesamte Uteruswand inkl. Serosa gerissen, wobei eine Verbindung von Fötus und ggf. Plazenta zur Bauchhöhle entsteht. Bei einer inkompletten Ruptur ist die Serosa noch intakt, bei einer gedeckten Ruptur schließt ein anderes Organ das Cavum uteri nach außen ab. Es besteht bei diesen beiden Formen also keine Verbindung zur Bauchhöhle.
Während eine stille Ruptur asymptomatisch verläuft, sind die typischen Symptome einer drohenden Ruptur massive Schmerzen, Anstieg der Bandl-Furche und ein Wehensturm. Erfolgt dann nicht sofort eine adäquate Notfalltokolyse, ist eine Uterusruptur möglich. Diese führt zwar initial zu einem Nachlassen der Schmerzen, kann aber aufgrund des Blutverlustes mit einem Volumenmangelschock der Mutter und einer hohen Sterblichkeit des Kindes einhergehen. Bei eingetretener Uterusruptur muss eine sofortige Laparotomie mit Notsectio erfolgen. Bei unstillbarer Blutung kann eine Hysterektomie notwendig sein.
Definition
- Komplette Uterusruptur („offene Ruptur“): Zerreißung des Myometriums und der Serosa [1][2][3]
- Gedeckte Ruptur: Zerreißung des Myometriums und der Serosa mit Abdeckung des Risses durch ein anderes Organ (i.d.R. Harnblase) [1]
- Inkomplette Uterusruptur: Teilweise oder komplette Zerreißung des Myometriums, Serosa intakt [1][3]
- Stille Uterusruptur: Asymptomatische Uterusruptur [1][3]
Epidemiologie
- Inzidenz: Ca. 1:1.100–5.000 Geburten [1][4][5]
- Erhöhtes Risiko nach vorangegangenen operativen Eingriffen am Uterus, siehe hierzu auch: Vaginale Entbindung nach Sectio
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Wenn die Belastbarkeit des Myometriums überschritten wird, kommt es zur Zerreißung des Uterus. Grund ist meist ein relativ zu hohes Maß an Wehentätigkeit oder eine Vorschädigung des myometrialen Gewebes. Auch wenn eine Ruptur theoretisch zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft auftreten kann (also auch am wehenlosen Uterus), ist sie aufgrund der massiv wirkenden Kräfte der Wehentätigkeit am häufigsten während des Geburtsvorgangs. [3][4][5][6][7]
- Allgemein
- Überdosierung wehenfördernder Medikamente mit ggf. Wehensturm
- Geburtsverzögerung durch Haltungs- oder Lageanomalien, Kopf-Becken-Missverhältnis, Verlegung des Geburtskanals sowie nicht erkannte geburtsunmögliche Lagen
- Uterusnarbe
- Nach operativen Eingriffen am Uterus (z.B. Sectio caesarea, (insb. transmurale) Myomenukleation)
- Überdehnung
- Rasch aufeinanderfolgende Schwangerschaften
- Makrosomie
- Multiparität
- Polyhydramnion
- Trauma
- Unfälle mit starker äußerer Gewalteinwirkung
- Iatrogen (sehr selten bspw. nach äußerer Wendung, Kristeller-Handgriff, vaginal-operativer Entbindung)
- Plazentare oder uterine Anomalien
Infolge der klassischen Schnittführung (korporaler Längsschnitt) bei der Sectio caesarea kommt es deutlich häufiger zu einer Uterusruptur als nach dem seit vielen Jahren gebräuchlichen isthmischen Querschnitt (je nach Quelle 1–7% vs. 0,5–1%). Nach einem T-Schnitt des Uterus steigt das Risiko sogar auf 4–9%. [4][5][8]
Symptomatik
Die Symptome einer Uterusruptur entwickeln sich meistens unter der Geburt.
Drohende Uterusruptur [5][9][10]
- Wehen
- Zunahme der Wehentätigkeit bis zum Wehensturm
- Anstieg der Bandl-Furche (Bandl-Ring) über Nabelniveau: Hinweis für eine bevorstehende Ruptur
- Schmerzen
- Extrem starke Wehenschmerzen
- Stark druckschmerzhaftes unteres Uterinsegment, auch außerhalb der Wehe
- Geburtsstillstand: Kindliche Leitstelle zeigt kein weiteres Tiefertreten mehr
- Maternales Befinden
- Unruhe und Angst
- Keine Entspannung in der Wehenpause
- Urin: Ggf. Makrohämaturie
Eingetretene Uterusruptur [9][10]
- Wehen: I.d.R. plötzliches Sistieren
- Weicher Uterus
- Schmerzen
- Extrem starke (z.T. als schneidend beschriebene) Schmerzen zum Zeitpunkt der Ruptur
- Schlagartiges Nachlassen und Entwicklung einer abdominalen Abwehrspannung
- Evtl. Schulterschmerz
- Blutungen
- Vaginale Blutung
- Intraabdominale Blutung
- Hämorrhagischer Schock mit Tachykardie, Blutdruckabfall, Blässe, Kaltschweißigkeit und Atemnot
- Blutungskomplikationen bei massiver Blutung, siehe auch: Verbrauchskoagulopathie (Hyperfibrinolyse)
- Siehe auch: Klinisches Management postpartaler Blutungen
- Fetal: Fetale Asphyxie, siehe auch: Pathologisches CTG
Stille Ruptur [1]
- Keine Symptome
- Oftmals Zufallsbefund im Rahmen einer Sectio caesarea
Sowohl die Narbenruptur als auch die gedeckte und die inkomplette Uterusruptur können klinisch stumm verlaufen („stille Ruptur“)! [4][5]
Bei einem unklaren Schockzustand unter oder unmittelbar nach der Geburt muss an eine Uterusruptur gedacht werden! [7]
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose stellt sich anhand anamnestischer Risikofaktoren und der klinischen Symptomatik und wird im Rahmen der Sectio caesarea verifiziert oder ausgeschlossen.
- CTG
- Abfall der kindlichen Herztöne (Bradykardie, Dezelerationen)
- Siehe auch: Pathologisches CTG
- Abdominelle Sonografie
- Freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle
- Ggf. Darstellung des Kindes in der freien Bauchhöhle
- Diagnosesicherung: Operative Exploration via Sectio caesarea
Therapie
Drohende Uterusruptur [9][10]
- Sofortige intravenöse Notfalltokolyse (insb. bei Wehensturm)
- Bei V.a. eine Uterusruptur (insb. bei erhöhtem Risiko) unverzüglich Sectio caesarea, siehe auch: Notsectio-Indikationen
Die Symptome der drohenden Uterusruptur sind oft unspezifisch. Bei (V.a.) Uterusruptur sollte unverzüglich eine Notsectio erfolgen!
Eingetretene Uterusruptur [9]
- Sofortige Laparotomie bzw. Notsectio mit operativer Versorgung der Uterusruptur nach Entwicklung des Kindes
- Idealerweise durch Übernähung der Ruptur
- Ggf. mit interdisziplinärer Behandlung bei Beteiligung von Nachbarorganen
- Ggf. Hysterektomie bei unstillbarer Blutung als Ultima Ratio notwendig (25–80% der Fälle) [4]
Therapie der Blutungskomplikationen [11]
- Kreislaufstabilisierung
- Blutstillung
- Volumentherapie mit kristalloiden Lösungen
- Siehe auch: Schocktherapie
- Ggf. Substitution von Blutprodukten (in Absprache mit Anästhesist:innen und Gerinnungsspezialist:innen)
- Weiterführende Maßnahmen
- Siehe auch: Gerinnungsmanagement bei Blutungen
- Siehe auch: Klinisches Management postpartaler Blutungen
- Siehe auch: Komplikationsmanagement bei schweren peripartalen Blutungen
Bei Hypovolämie muss neben den Vitalzeichen v.a. die Urinausscheidung im Auge behalten werden, da die Nieren besonders empfindlich auf eine Minderperfusion reagieren!
Prognose
- Fetale Mortalität: 10–25% [10]
- Fetale Morbidität: 10% (hypoxische Enzephalopathie) [10]
- Maternale Mortalität: Ca. 4% [4][5]
- Wiederholungsrisiko: Ca. 10% [12]
Die Uterusruptur ist eine wesentliche Ursache der Müttersterblichkeit! [4]
Prävention
- Allgemein [4][10][13]
- Vermeidung von Uterusoperationen (wenn möglich), insb. bei bestehendem Kinderwunsch
- Ggf. primäre Sectio caesarea bei Z.n. Uterotomie (absolute Indikation bei Z.n. ≥3 Sectiones)
- Siehe auch: Vaginale Entbindung nach Sectio [14]
- Bei Z.n. Uterusruptur: Primäre Sectio zwischen 35+0 SSW und 36+6 SSW [10]
- Frühzeitige Identifikation von Risikoschwangerschaften
- Vermeidung von Nikotin und Drogen
- Präpartal (bei Z.n. Sectio caesarea): Ggf. sonografische Messung der Sectionarbendicke im unteren Uterinsegment [14][15]
- >3,65 mm: Kein erhöhtes Risiko für eine Uterusruptur
- 2–3,65 mm: Vaginale Entbindung nach Sectio möglich, wenn keine Kontraindikationen vorliegen
- <2 mm: Erhöhtes Risiko für eine Uterusruptur
- Peripartal [4][8]
- Strenge Indikationsstellung einer medikamentösen Geburtseinleitung
- Vorsichtiger Einsatz von Oxytocin (Vermeidung eines Wehensturms)
- Frühzeitige Diagnostik und Vermeidung protrahierter Geburtsverläufe (siehe auch: Protrahierte Geburt)
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- O71.-: Sonstige Verletzungen unter der Geburt
- Inklusive: Schädigung durch Instrumente
- O71.0: Uterusruptur vor Wehenbeginn
- O71.1: Uterusruptur während der Geburt
- Uterusruptur ohne Angabe, ob vor Wehenbeginn eingetreten
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.