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Geburtsmechanik

Letzte Aktualisierung: 10.3.2025

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Die Geburtsmechanik ist stark von Fachvokabular und Eigennamen geprägt. Die Kenntnis der Nomenklatur von Lage, Stellung, (Pol‑)Einstellung und Haltung ist bei der Beschreibung des Geburtsvorganges unerlässlich. Dieser ist i.d.R. dadurch gekennzeichnet, dass sich der Kopf des Kindes physiologischerweise zuerst in hohem Querstand, dann in tiefem Geradstand und schließlich meistens in vorderer Hinterhauptslage befindet. Bei Lageanomalien können manuelle Manöver (Bracht, Veit-Smellie) den Geburtsvorgang erleichtern oder verkürzen, während bei bestimmten Anomalien der Einstellung (z.B. hoher Geradstand des Kopfes) und Haltung (Stirn- oder Gesichtshaltung) eine Sectio caesarea indiziert ist.

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Begriffetoggle arrow icon

Lage [1][2][3]

Die Lage bezeichnet das Verhältnis der Wirbelsäule des Kindes zur Wirbelsäule der Mutter. Sie kann mit dem 1. Leopold-Handgriff, der auch zur Bestimmung der Höhe des Uterusfundus dient, und dem 2. Leopold-Handgriff, mit dem auch die Stellung des Kindes untersucht wird, ermittelt werden.

  • Physiologisch: Längslage, Körperhauptachsen von Mutter und Kind liegen parallel zueinander
  • Pathologisch

Poleinstellung [1][2]

Beschreibt, welches Körperteil auf dem Geburtsweg vorangeht. Sie wird durch den 3. Leopold-Handgriff bestimmt.

Stellung [1][2]

Die Stellung wird immer aus Sicht der Mutter beschrieben und bezeichnet die Beziehung der kindlichen Wirbelsäule zur Seite der Mutter . Sie kann mit dem 2. Leopold-Handgriff bestimmt werden. Wenn man Lage und Stellung in einem beschreiben möchte, lässt man „Stellung“ weg → I. Schädellage .

Rücken rechts“: zweimal „R“ = II. Stellung

Haltung [1]

Beschreibt die Beziehung der Körperteile des Kindes zueinander. Bei einer Schädellage beschreibt die Haltung, ob sich der Kopf des Kindes in gestrecktem oder gebeugtem Zustand befindet . Bei Beckenendlagen oder Querlagen beschreibt die Haltung die Relation zwischen Extremitäten und Rumpf.

Einstellung [1]

Beschreibt, wie sich der vorangehende Körperteil im Geburtskanal der untersuchenden Person präsentiert, und ist somit Resultat aus Lage, Poleinstellung, Stellung und Haltung

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Geburtskanaltoggle arrow icon

Beckenebenen und Beckenräume

Der Geburtskanal ist der Weg, den das Kind während der Geburt durch das mütterliche Becken und die dazugehörigen Weichteile passieren muss. Zur Beschreibung des Geburtskanals werden vier unterschiedlich weite Beckenebenen und drei unterschiedlich geformte Beckenräume herangezogen. Um sich den unterschiedlichen Formen der Beckenräume anzupassen, muss sich das Kind im Geburtsverlauf mehrfach drehen. Kommt es an einer Stelle zu einem Missverhältnis zwischen kindlichem Kopf und mütterlichem Becken, ist eine vaginale Entbindung nur erschwert oder gar nicht möglich.

Knöchernes Becken der Frau
Beckenform
  • Größer und breiter als das männliche Becken
    • Großer, querovaler Beckeneingang
    • Kreuzbein auf Höhe des 3.–4. Wirbels abgeknickt
    • Weiter Winkel zwischen den beiden Schambögen

Beckenebenen

Beckeneingangsebene
  • Auf Höhe der Conjugata vera obstetrica
    • Kleinster gerader Durchmesser (ca. 11 cm) des kleinen Beckens und daher geburtshilflich besonders wichtig
    • Sie beschreibt die Distanz zwischen Promontorium und dem am weitesten ins kleine Becken ragenden Punkt der Symphysenhinterfläche (Eminentia retropubica)
Beckenmitte: Ebene der Beckenweite
  • Auf Höhe der Verbindung zwischen Mitte der Symphysenhinterfläche und des 3. Sakralwirbels
Beckenmitte: Ebene der Beckenenge
  • Auf Höhe der Verbindung zwischen Symphysenunterrand und Sakrokokzygealgelenk
Beckenausgangsebene
  • Auf Höhe der Verbindung zwischen Symphysenunterrand und Steißbeinspitze

Beckenräume

Beckeneingangsraum
  • Form: Queroval
  • Begrenzung
    • Nach kranial: Conjugata vera anatomica (zwischen Promontorium und Symphysenoberrand)
    • Nach kaudal: Parallele zur Conjugata vera anatomica durch den am weitesten ins Becken ragenden Teil der Symphyse
Beckenmitte
  • Form: Rund
  • Begrenzung
    • Nach kranial: Parallele zur Conjugata vera anatomica durch den am weitesten ins Becken ragenden Teil der Symphyse
    • Nach kaudal: Steißbeinspitze und Symphysenunterrand
Beckenausgangsraum
  • Form: Längsoval
  • Begrenzung
Weichteilkanal
Bestandteile
  • Der Weichteilkanal besteht aus einem inneren und einem äußeren Anteil, die unter der Geburt stark gedehnt werden

Höhenstand nach Hodge und de Lee

Mittels Bestimmung des Höhenstandes der kindlichen Leitstelle anhand der Interspinalebene kann auf den Höhenstand des Durchtrittsplanums (größter Durchmesser des kindlichen Kopfes) im Geburtskanal geschlossen werden. Dies ist insb. für die Einschätzung des Geburtsfortschritts sowie für die Durchführung einer vaginal-operativen Entbindung von Bedeutung. Die folgenden Angaben beziehen sich auf eine Geburt aus einer Hinterhauptshaltung.

Höhenstand nach Hodge und de Lee

Beckeneinteilung

Kindliche Leitstelle

Durchtrittsplanum Beckenaustastung

Beckeneingang (Raum)

Oberhalb ISP

Oberhalb ISP-4

Symphysenhinterfläche im Gesamten tastbar, Spinae tastbar

Beckenmitte (Raum) Zwischen ISP und ISP+3

Zwischen ISP-4 und ISP-1

Symphysenhinterfläche nicht mehr komplett tastbar, Spinae noch tastbar

Beckenboden (Ebene)

ISP+4

ISP

Spinae nicht mehr tastbar

Beckenausgang (Raum)

Unterhalb ISP+4 (bzw. sichtbar)

Unterhalb ISP

Spinae nicht mehr tastbar

Das Durchtrittsplanum befindet sich bei einer Hinterhauptslage 4 cm oberhalb des Höhenstandes der kindlichen Leitstelle!

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Normaler Geburtsvorgangtoggle arrow icon

Für einen regelrechten Geburtsvorgang müssen die anatomischen und physiologischen Gegebenheiten von Mutter und Kind möglichst gut zusammenpassen. Kommt es zu einem Missverhältnis oder zu Funktionsstörungen, kann die Geburt einen regelwidrigen Verlauf nehmen und es können Geburtskomplikationen auftreten. Zu den wichtigsten Faktoren, die zusammenspielen müssen, gehören:

I.d.R. erfolgt die Geburt aus der vorderen Hinterhauptslage. Die Position des Kindes wird stets von kaudal beschrieben (wie bei einer CT), da die Geburtshelfenden die Drehungen anhand der ertasteten Pfeilnaht beurteilen. Aus Sicht der Mutter bzw. von kranial stellen sich die Drehungsbewegungen entgegengesetzt dar .

Bei dem hier beschriebenen Geburtsvorgang liegt die Mutter auf dem Rücken und das Kind in einer vorderen Hinterhauptslage.

Beckeneingangsebene

  • Hoher Querstand des Kopfes: Kopf steht quer am querovalen Durchmesser des Beckeneingangs (ein Ohr am Promontorium, das andere an der Symphyse), Pfeilnaht ist quer zu tasten

Beckenmitte

Beckenausgangsebene

  • Tiefer Geradstand des Kopfes: Kopf steht längs im längsovalen Durchmesser vor dem Beckenausgang, Pfeilnaht ist senkrecht tastbar (ein Ohr liegt links, das andere rechts von der Mutter aus betrachtet)
  • Weiterer Ablauf: Kleine Fontanelle führt → es kommt zur Deflexion des Kopfes, sodass der Kopf die Symphyse bogenförmig überwinden kann → es werden Hinterhaupt, Vorderhaupt, Stirn, Gesicht und Kinn nacheinander über den Damm geboren → Kind blickt in Richtung des Dammes der Mutter

Außerhalb des Geburtskanals

  • Äußere Drehung des Kopfes: Drehung des Kopfes um 90° zurück, sodass er wieder quer wie auf Beckeneingangsebene steht
    • Einfluss der Schultern: Die äußere Drehung des Kopfes geschieht durch die Drehung der Schultern vom Querstand (Beckeneingang und Beckenmitte) zum Geradstand (Beckenausgang)

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Anomalientoggle arrow icon

Lageanomalien [1]

Querlage

Schräglage

  • Definition: Körperhauptachse von Mutter und Kind liegen in einem Winkel von <90° zueinander
  • Vorgehen siehe: Querlage

Risikofaktoren für Lageanomalien

Einstellungsanomalien

Hintere Hinterhauptslage (hHHL; dorsoposteriore Schädellage)

  • Definition: Schädellage, bei der sich das Kind in einer dorsoposterioren Hinterhauptshaltung befindet
  • Geburtsvorgang
  • Vorgehen

Hoher Geradstand des Kopfes

  • Definition: Kopf des Kindes liegt gerade vor dem Beckeneingang, Stirn des Kindes liegt an der Symphyse und Hinterhaupt am Promontorium oder andersherum und kann dadurch die Beckeneingangsebene nicht überwinden
  • Vorgehen
    • Vierfüßlerstand, um den Eintritt ins Becken zu erleichtern
    • Wechsellagerung (alle 3–4 Wehen Wechsel zwischen linker Seite, Vierfüßlerstand und rechter Seite), ggf. unter Tokolyse
    • Bei immobilen Frauen: Seitenlagerung, um 90°-Drehung des Kopfes zu bewirken
    • Bei Geburtsstillstand (kein Geburtsfortschritt über 2–3 h)Sectio caesarea

Tiefer Querstand des Kopfes

Asynklitismus (Scheitelbeineinstellung)

Es handelt sich hierbei um eine Verkippung des Kopfes im Beckeneingang .

"Vordere Einstellung ist förderlich, hintere Einstellung ist hinderlich"

Haltungsanomalien (Deflexionshaltungen) [1]

I.d.R. ist der Kopf beim Durchtritt durch den Geburtskanal flektiert (gebeugt) und das Kinn liegt der Brust auf. In ca. 1% der Fälle kommt es durch eine fehlende Flexion zu einer Deflexion (Streckung) des Kopfes. Je nach Grad der Deflexion unterscheidet man zwischen Vorderhaupts-, Stirn- und Gesichtshaltung. Bei Deflexionshaltungen liegen die Kinder dann i.d.R. in einer dorsoposterioren Schädellage, da so eine Spontangeburt leichter möglich ist als bspw. bei einer dorsoanterioren Schädellage .

Vorderhauptshaltung

Stirnhaltung

Gesichtshaltung

Das Gesicht führt im Geburtskanal. Je nachdem ob das Kinn zur Symphyse der Mutter oder zum Os sacrum zeigt, unterscheidet man:

Querlagen, der hintere Asynklitismus und die mentoposteriore Gesichtshaltung machen eine vaginale Geburt unmöglich! Bei schwierigen Geburtsvorgängen (Lage-, Haltungsanomalien) ist eine mediolaterale Episiotomie indiziert!

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Beckenendlagetoggle arrow icon

Bis zum Entbindungstermin persistierende Beckenendlagen kommen bei 3–5% aller Geburten vor [5]. Neben Selbstwendungstechniken kann ein Versuch der äußeren Wendung in Terminnähe unternommen werden. Die Frage nach dem zu empfehlenden Geburtsmodus wird kontrovers diskutiert, da vorliegende Studien über erhebliche Mängel verfügen. Nach den Leitlinien der DGGG ist eine vaginale Geburt bei Beckenendlage möglich, jedoch nur nach Ausschluss der spezifischen Kontraindikationen. Wird eine vaginale Geburt aus Beckenendlage angestrebt, sollte diese an einem hierfür spezialisierten Krankenhaus erfolgen. Es sollte eine ausführliche und individuelle Geburtsplanung erfolgen.

Varianten

Epidemiologie [3][6]

Die Häufigkeit einer diagnostizierten BEL ist abhängig vom Gestationsalter. Mit zunehmendem Gestationsalter verringert sich die Rate an Föten in BEL durch eine spontane Wendung; ab der 37. SSW sinkt die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Wendung stark ab.

  • 19+0–22+0 SSW: Ca. 50%
  • 32+0 SSW: Ca. 10%
  • Am Termin: 3–5%

Ätiologie [6]

Wendungstechniken vor Geburt

Selbstwendungstechniken bei Lageanomalien

Bisher existieren keine evidenzbasierten Studien, die die Wirksamkeit dieser Techniken belegen.

Äußere Wendung bei Lageanomalien

Der Erfolg einer äußeren Wendung liegt bei ca. 50%. [7]

Wendungsscore zur Abschätzung des Erfolgs einer äußeren Wendung [6]
Kriterien 2 Punkte 1 Punkt 0 Punkte
Plazentalokalisation Hinterwand Vorderwand Fundus-Seitenwand
Fruchtwasserindex (AFI) ≥7 4–6 ≤3
Nabelschnurumschlingungen Keine Einfach Mehrfach
Schätzgewicht <2.800 g 2.800–3.500 g >3.500 g
Lage des Fötus I./II. Lage Dorsoanterior Dorsoposterior
Steiß im Beckeneingang Frei beweglich Abschiebbar Fixiert
Maternale Parität Multipara Zweitpara Primipara
Uterustonus Weich Unregelmäßige Wehentätigkeit Regelmäßige Wehentätigkeit/tonisiert
Auswertung
  • 16 Punkte: Hohe Erfolgsrate (und niedriges Risiko)
  • >8 Punkte: Empfehlung zur äußeren Wendung
  • 4–8 Punkte: Individuelle Abwägung
  • <4 Punkte: Niedrige Erfolgsrate (äußere Wendung nur in Ausnahmesituationen durchführen)
  • Lagerung
  • Durchführung (ultraschallgeleitet)
    • Flexion des fötalen Kopfes
    • Steiß mit wiegenden Bewegungen kranialwärts bewegen → Schräglage
    • In Schräglage Kopf nach kaudal schieben (Vorwärtsrolle)
    • Bei Nichtgelingen: 2–3× versuchen (ggf. mittels Rückwärtsrolle)
    • Bei Schmerzen / zu viel Druck nötig: Wendung abbrechen!
  • Nachkontrolle
  • Risiken

Vaginale Entbindung aus Beckenendlage

Eine vaginale Beckenendlagengeburt sollte immer an einem hierfür spezialisierten Krankenhaus erfolgen. Die zeitlichen Abläufe gleichen dabei denen einer Geburt aus Schädellage.

Risikoabschätzung (fachärztlicher Standard) [6]

Damit eine vaginale Geburt bei Beckenendlage infrage kommt, bedarf es einer strengen Überprüfung der Indikation durch fachärztliches Personal sowie einer exzellenten Erfahrung im geburtshilflichen Team. Im Rahmen einer ausführlichen und individuellen Geburtsplanung sollten der Patientin die Möglichkeiten einer vaginalen Entbindung und einer Sectio caesarea erläutert werden. [7]

Aufklärung und partizipative Entscheidungsfindung [6]

  • Beratungsgespräch
  • Dokumentation über alle(!) Gesprächsinhalte mit schriftlicher Zustimmung der Schwangeren (insb. aufgrund Forensik)

Kontraindikationen für vaginale Entbindung aus Beckenendlage

Prozedere

  • Kontinuierliche CTG-Überwachung und ggf. PDA bei Geburtsbeginn legen
  • In der Austrittsperiode
    • Vierfüßlerstand/aufrechte Haltung (natürlichste Gebärposition) [6][6][7][8]
    • Ggf. Oxytocin-Infusion
    • Nach Sichtbarwerden der kindlichen Hüfte: Steiß abbremsen, bis max. Druck aufgebaut und eine schnellstmögliche Geburt möglich ist [6]
      • In Rückenlage: Kindlichen Steiß halten und Rumpf um die Symphyse „herumführen“ (Schwerkraft wird aufgehoben)
      • Vierfüßlerstand: „Herumführen des Rumpfes“ aufgrund Schwerkraft nicht nötig → Rumpf, Arme und kindlicher Kopf entwickeln sich von allein
    • Folgen Arme und Kopf nicht automatisch → Manualhilfen anwenden [9]
      • Manualhilfe nach Bracht: Kindlichen Steiß bei Sichtbarwerden der Schulterblätter umgreifen und Kind in Richtung des Bauches der Mutter bewegen, sodass der Kopf um die Symphyse herum geboren werden kann
      • Kopflösung nach Veit-Smellie: Einen Finger in den Mund des Kindes führen, während das Kind mit dem Rumpf auf dem Unterarm der geburtshelfenden Person liegt → Unter Unterstützung durch die andere Hand am Nacken des Kindes den Kopf drehen, bis das Kind nach unten schaut → Kopf flektieren und den Rumpf nach Sichtbarwerden der Nackenhaargrenze anheben, sodass der Kopf über den Damm geboren wird
      • Frank-Nudge-Manöver (bei erschwerter Kopflösung in Vierfüßlerstand und dorsoposteriorer Lage): Beide Schultern des Kindes umfassen und Druck nach hinten/oben (Richtung maternaler Symphyse) ohne Zug nach unten ausüben → Kopf flektiert und wird geboren
    • Austritt dauert meist 3–5 min

Komplikationen und Prognose

  • Nabelschnurkompression bis zur Kopfgeburt
  • Hochschlagen der Arme
  • Sectiorate bei vaginalem Entbindungsversuch: 35%
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Schulterdystokietoggle arrow icon

Bei der Geburt der Schultern kann es zur Geburtsverzögerung kommen, wenn der Durchmesser der Schultern im 90°-Winkel zum größten Durchmesser im Beckeneingang (hoher Schultergeradstand) oder Beckenausgang (tiefer Schulterquerstand) steht. Es kommt zum Geburtsstillstand bei bereits geborenem Kopf. Ursache ist meist eine fetale Makrosomie (80-fach erhöhtes Risiko bei >4.500 g Geburtsgewicht). Eine Schulterdystokie kommt unerwartet, nicht selten bei regelrechtem Geburtsablauf und stellt einen akuten Notfall dar .

Inzidenz [10][11]

  • Mittlere Inzidenz: 0,2–3% [11]
  • Ansteigend mit zunehmendem fetalem Gewicht
    • 4.000 g: 2%
    • 4.500 g: 10%
    • 5.000 g: 40%

Ab einem Schätzgewicht von 5.000 g (ohne Diabetes) bzw. 4.500 g (mit Diabetes) soll der Schwangeren eine primäre Sectio caesarea angeboten werden! [27922;49]

Risikofaktoren für eine Schulterdystokie [10][11]

Etwa 50% der Schulterdystokien treten ohne Risikofaktoren auf.

Bei einem sonografischen fetalen Schätzgewicht >4.250 g und insb. bei Vorliegen eines Diabetes sollen Schwangere über das erhöhte Risiko einer Schulterdystokie aufgeklärt werden! [11]

Die Empfehlung zum Geburtsmodus und ggf. zur Geburtseinleitung soll unter Berücksichtigung der gesamten geburtshilflichen Situation erfolgen (individuelle Entscheidung)! [11][11]

Formen [11]

  • Hoher Schultergeradstand: Schultern stehen gerade (senkrecht) zum Beckeneingang (Schultern treten nicht in den maternalen, querovalen Beckeneingang ein)
    • Höheres Risiko für bleibende Schäden als bei tiefem Schulterquerstand (u.a. Fraktur, Plexusschäden, Schädigung peripherer Nerven)
    • Turtle Neck Sign : Der geborene Kopf zieht sich teilweise in die Vulva zurück und wirkt, als wäre er dem Damm aufgesetzt
  • Tiefer Schulterquerstand: Schultern stehen quer über dem maternalen, längsovalen Beckenausgang

Um keine Schulterdystokie zu provozieren, sollte nach dem Austritt des kindlichen Kopfes die natürliche Rotation der Schultern bis zur nächsten Wehe abgewartet werden! [11]

Maßnahmen bei Schulterdystokie [11][6][10][12]

Jede geburtshilfliche Einrichtung benötigt Algorithmen, um in einer akuten Notfallsituation strukturiertes Handeln zu ermöglichen! Aus diesem Grund sollten regelmäßige Simulationen und Trainings angeboten werden.

Allgemein

  • Diagnosestellung mit klarer Kommunikation an alle Beteiligten
  • Hilfe holen!
  • Gebärende über Situation informieren
  • Uhrzeit stoppen/ausrufen
  • Oxytocin-Zufuhr unterbrechen, falls vorhanden
  • Anleitung der Gebärenden zum ruhigen Atmen ohne zu Pressen
  • McRoberts-Manöver (modifiziert) (behebt 80% der Schulterdystokien)!
    • Der Patientin sollte kurz erklärt werden, dass jetzt ein „Gymnastik-Manöver“ folgt
    • 2 Geburtshelfende, auf der linken und rechten Seite der Frau positioniert
    • Beine der Frau werden zunächst ausgestreckt (und wenn möglich überstreckt), dann in Hüfte sowie Knie gebeugt und rasch zum Abdomen geführt
    • Noch zweimal wiederholen
    • Ggf. gleichzeitig manueller suprasymphysärer Druck bei maximaler Hüftflexion
  • Gaskin-Manöver
  • Ggf. Episiotomie oder Erweiterung der Episiotomie erwägen [11][12]
  • Niemals Druck auf den Uterusfundus ausüben („kristellern“) oder am Kopf ziehen!
  • Ggf. Harnblasenentleerung

Hoher Schultergeradstand

  • Ggf. Akuttokolyse (Nutzen nicht belegt!) [6]
  • Suprasymphysärer Druck mit einer zur Faust geballten Hand → Lösen der hinter der Symphyse verklemmten Schulter
  • Gaskin-Manöver: Umlagerung der Gebärenden in den Vierfüßlerstand [13]
  • Innere Manöver durch Eingehen mit der Hand (unter adäquater Analgesie!) [14][15]
    • Hintere Armlösung (Barnum-Handgriff): Eingehen mit der Hand in die Sakralhöhle und Entwicklung des hinteren Arms über den Bauch des Kindes [11][16]
    • Rubin-Manöver: Aufsuchen der vorderen Schulter (unter der Symphyse) entlang des kindlichen Rückens und Druck auf die dorsale Seite der vorderen (Rubin II) Schulter ausüben (auch an der hinteren Schulter durchführbar als Rubin I), ggf. in Kombination mit suprasymphysärem Druck [16]
    • Woods-Manöver: Aufsuchen der hinteren Schulter (Sakralhöhle) entlang der kindlichen Brust und Druck auf die ventrale Seite der hinteren Schulter, ggf. als Kombination mit suprasymphysärem Druck
  • Ultima Ratio bei Schulterdystokie

Tiefer Schulterquerstand

  • Manuelle äußere oder innere Drehung der Schultern
  • Vorsichtige Rückdrehung des Kopfes, was zum Teil eine Drehung der Schultern auslöst

HELPERR: H → Hilfe holen, E → Episiotomie, L → Leg (McRoberts-Manöver), P → Pressure (suprasymphysärer Druck), E → Eingehen mit den Fingern (innere Manöver), R → Remove (hintere Armlösung), R → Rollen (Vierfüßlerstand, Gaskin-Manöver)

Nicht am Kopf des Kindes ziehen oder Druck auf den Uterusfundus ausüben („kristellern“) → Gefahr einer geburtstraumatischen Lähmung des Plexus brachialis (obere Plexuslähmung)!

Interdisziplinärer Algorithmus zum Management bei Schulterdystokie

Interdisziplinärer Algorithmus zum Management bei Schulterdystokie [17]
Schritt Geburtshilfliches Management Anästhesiologisches Management
1
2
3

Alarmierung der Anästhesie: „Schulterdystokie, Vorbereitung zur Notsectio

4
Ultima Ratio: Entscheidung zur Notsectio (Zavanelli-Manöver)
5
6
Nachbereitung: Teamübergreifende Analyse

Komplikationen bei Schulterdystokie

Nachbereitung [6]

  • Nachbesprechung im Team mit allen Beteiligten
  • Gespräch mit den Eltern und ggf. beteiligten Personen (z.B. Hebammen) anbieten, inkl. psychologischer Unterstützung
  • Sachliche und empathische Besprechung und Erklärung der durchgeführten Handlungsschritte
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

O64.-: Geburtshindernis durch Lage-, Haltungs- und Einstellungsanomalien des Fetus

O65.-: Geburtshindernis durch Anomalie des mütterlichen Beckens

  • O65.0: Geburtshindernis durch Beckendeformität
  • O65.1: Geburtshindernis durch allgemein verengtes Becken
  • O65.2: Geburtshindernis durch Beckeneingangsverengung
  • O65.3: Geburtshindernis durch Beckenausgangsverengung und Verengung in Beckenmitte
  • O65.4: Geburtshindernis durch Missverhältnis zwischen Fetus und Becken, nicht näher bezeichnet
  • O65.5: Geburtshindernis durch Anomalie der mütterlichen Beckenorgane
    • Geburtshindernis durch Zustände, die unter O34.- aufgeführt sind
  • O65.8: Geburtshindernis durch sonstige Anomalien des mütterlichen Beckens
  • O65.9: Geburtshindernis durch Anomalie des mütterlichen Beckens, nicht näher bezeichnet

O66.-: Sonstiges Geburtshindernis

  • O66.0: Geburtshindernis durch Schulterdystokie
    • Eingekeilte Schultern
  • O66.1: Geburtshindernis durch verhakte Zwillinge
  • O66.2: Geburtshindernis durch ungewöhnlich großen Fetus
  • O66.3: Geburtshindernis durch sonstige Anomalien des Fetus
  • O66.4: Misslungener Versuch der Geburtsbeendigung, nicht näher bezeichnet
  • O66.5: Misslungener Versuch einer Vakuum- oder Zangenextraktion, nicht näher bezeichnet
    • Misslungene Anwendung von Vakuumextraktor oder Zange mit nachfolgender Zangen- oder Schnittentbindung
  • O66.8: Sonstiges näher bezeichnetes Geburtshindernis
  • O66.9: Geburtshindernis, nicht näher bezeichnet
    • Dystokie:
      • durch fetale Ursachen o.n.A.
      • durch mütterliche Ursachen o.n.A.
      • o.n.A.

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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