Zusammenfassung
Als Volvulus wird die Verdrehung eines gastrointestinalen Abschnitts um dessen eigene mesenteriale Achse bezeichnet. Neben dem Magen können verschiedene Bereiche des Darms (Mitteldarm, Zäkum, Sigma) betroffen sein, wodurch es zu einem mechanischen Ileus und einer Abschnürung der Mesenterialgefäße mit Durchblutungsstörung des Darms kommen kann. Die typischen Symptome entsprechen denen eines Ileus (Bauchschmerzen, galliges Erbrechen, Meteorismus), in schweren Fällen denen einer Darmnekrose (Hämatochezie, Hämatemesis, Peritonismus) sowie eines Schocks (Tachykardie, Hypotonie). Diagnostischer Goldstandard ist die Magen-Darm-Passage nach oraler Kontrastmittelgabe. Therapie der Wahl ist das sog. Ladd-Verfahren, bei dem die Darmschlingen operativ entdreht und ggf. nekrotische Darmanteile reseziert werden.
Eine Malrotation ist eine Störung der Darmdrehung während der Embryonalentwicklung. Sie gehört insb. bei Neugeborenen und Säuglingen zu den häufigsten Ursachen eines Volvulus, kann aber auch asymptomatisch verlaufen oder zu intermittierenden gastrointestinalen Beschwerden führen.
Epidemiologie
- Malrotation
- Inzidenz: 1 von 500 Neugeborenen
- Geschlechterverteilung: ♂ > ♀ (2:1) [2]
- Volvulus
- Altersgipfel: Neugeborene und Säuglinge
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Risikofaktoren für einen Volvulus
- Darmbänder/Adhäsionen
- Intestinale Malrotation
- Megakolon
- Andere anatomische Veränderungen
- Assoziierte Anomalien
- Häufig
- Angeborene Zwerchfellhernie (ca. 100%)
- Angeborene Herzfehler (bis zu 90%)
- Omphalozele (bis zu 45%)
- Heterotaxiesyndrom
- Selten
- Häufig
Pathophysiologie
Malrotation
- Normale Darmdrehung in der Embryonalzeit (bis zur 12. SSW)
- Darmdrehung, -rückverlagerung und -fixierung in der Bauchhöhle (siehe auch: Mitteldarm)
- Breite mesenteriale Verankerung
- Vom Treitz-Band (Duodenum) bis zur Ileozäkalklappe (Zäkum)
- Verhindert ein Verdrehen
- Intestinale Malrotation
- Definition: Angeborene fehlerhafte Rotation des Mitteldarms um die A. mesenterica superior und mangelnde Befestigung des Mesenteriums
- Folge: Schmale mesenteriale Wurzel an der hinteren Bauchwand
- Risiko
- Volvulus
- Duodenale Obstruktion durch Ladd-Bänder
- Formen
- Non-Rotation
- Unvollständige Rotation
- Zäkum durch Ladd-Bänder im rechten oberen Quadranten oder Epigastrium fixiert
- Dünndarm liegt vor dem Dickdarm
- Ladd-Bänder
- Definition: Pathologische angeborene Adhäsionen zwischen Zäkum und rechtslateralem Retroperitoneum aus peritonealem Bindegewebe
- Auftreten: Häufig im Rahmen einer Malrotation
- Folge: Duodenalkompression möglich
Volvulus
- Definition: Verdrehung eines gastrointestinalen Abschnitts um seine eigene mesenteriale Achse
- Folgen
- Abschnürung der Mesenterialgefäße: Ischämie und Gangrän
- Mechanischer Ileus
- Formen
- Mitteldarmvolvulus
- Zäkumvolvulus
- Sigmavolvulus
- Magenvolvulus
Symptomatik
Volvulus
- Symptome eines Ileus
- Akutes Abdomen (starke Bauchschmerzen, Abwehrspannung, ausladendes Abdomen)
- Übelkeit
- Galliges Erbrechen
- Ggf. Schocksymptomatik (u.a. Hypotonie, Tachykardie)
- Ggf. Hämatochezie, Hämatemesis
Ein Volvulus führt i.d.R zu einem akuten Abdomen!
Bei jedem Neugeborenen mit galligem Erbrechen muss zügig ein Volvulus ausgeschlossen werden!
Malrotation
- Häufig asymptomatisch
- Bei akuter Obstruktion
- Starke Bauchschmerzen, ggf. Abwehrspannung
- Ausladendes Abdomen
- Übelkeit, galliges Erbrechen
- Bei intermittierender Obstruktion
- Unspezifische abdominelle Beschwerden
- Übelkeit, Erbrechen
- Ikterus
- Postprandialer Meteorismus
- Gedeihstörung
- Proteinverlust (Ödeme)
- Bakterielle Überwucherung des Dünndarms
Eine Malrotation kann lange asymptomatisch bleiben, unspezifische oder intermittierende abdominelle Beschwerden verursachen und in jedem Alter zum Volvulus führen!
Diagnostik
- Blutentnahme : Großes Blutbild, Elektrolyte, Blutgasanalyse, Lactat, Blutzucker
- Bildgebung siehe: Bildgebung bei Malrotation und/oder Volvulus
- Ggf. Laparoskopie
Bildgebung bei Malrotation und/oder Volvulus [1][3] | ||
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Verfahren | Mögliche Befunde | |
Malrotation | Volvulus | |
Sonografie des Abdomens |
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Röntgen des Abdomens |
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Magen-Darm-Passage (Goldstandard) |
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Kolonkontrasteinlauf |
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Kontrastmittel-CT |
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Differenzialdiagnosen
- Jedes Alter
- Ileus anderer Genese
- Gastroenteritis
- Appendizitis
- Neugeborene/Säuglinge
- Kleinkinder
- Ältere Kinder / Erwachsene
- GERD
- Mesenteriale Ischämie anderer Ursache
- Nahrungsmittelallergien
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Volvulus
- Allgemeine Notfallmaßnahmen
- Nahrungskarenz
- Magensonde legen
- Flüssigkeitssubstitution (i.v.)
- Ggf. Elektrolytentgleisungen korrigieren
- Ggf. Breitbandantibiotika (i.v.)
- Notfalloperation (Ladd-Verfahren)
- Zugangsweg: Offen
- Durchführung
- Volvulus entdrehen
- Ggf. Ladd-Bänder entfernen
- Ggf. gangränöse/nekrotische Darmabschnitte resezieren und Anastomose oder Stoma anlegen
- Prophylaktische Appendektomie
- Ergebnis
- Physiologische Darmpassage und -durchblutung
- Bei Malrotation weiterhin pathologische Anatomie
- Geringes Rezidivrisiko
Malrotation
- Ggf. elektive Operation
- Zugangsweg: Offen oder laparoskopisch
- Durchführung
- Entfernung der Ladd-Bänder
- I.d.R. prophylaktische Appendektomie
- Ergebnis
- Physiologische Darmpassage
- „Entspanntere“ Lage des Darms
Prognose
- Abhängig vom Ausmaß der Ischämie: Unbehandelt hohes Risiko für Darminfarkt und ggf. Kurzdarmsyndrom
Frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend für ein gutes Outcome! Die Prognose hängt von der Dauer der Mesenterialischämie ab!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- Q43.3: Angeborene Fehlbildungen, die die Darmfixation betreffen
- Rotation: unvollständig Zäkum und Kolon
- Rotation: ungenügend Zäkum und Kolon
- Rotation: ausbleibend Zäkum und Kolon
- Mesenterium ileocolicum commune
- Malrotation des Kolons
- Jackson-Membran
- Angeborene Adhäsionen [Bänder]: vom Peritoneum ausgehend
- Angeborene Adhäsionen [Bänder]: vom Netz ausgehend, anomal
- K56.2: Volvulus
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.