Zusammenfassung
Ikterus bezeichnet die Verfärbung von sichtbaren Geweben durch die Einlagerung von Bilirubin. Häufig kommt es hierbei zu einer gelblichen Verfärbung des Hautkolorits oder der Skleren (ab 2 mg/dL). Eine Hyperbilirubinämie kann vielfältige Ursachen haben, die sich grundsätzlich in prähepatische Ursachen (vermehrter Anfall von Bilirubin) und cholestatische Ursachen auf intra- und posthepatischer Ebene (verminderte Gallenbildung, -sekretion oder gestauter Gallenabfluss) untergliedern lassen. Klinisch zeigen sich neben der Gelbfärbung typischerweise ein starker Juckreiz sowie bei cholestatischer (stauungsbedingter) Ursache oftmals eine Entfärbung des Stuhls mit Dunkelfärbung des Urins. Die Diagnostik umfasst u.a. die Laborchemie (u.a. Cholestaseparameter, Leberwerte, Hämolysezeichen) und die Bildgebung (z.B. Sonografie der Gallenwege). Die Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung – der häufig sehr belastende Pruritus kann auch symptomatisch durch Gabe von Colestyramin, Opioidantagonisten oder Ursodesoxycholsäure gelindert werden.
Definition
- Ikterus (von altgriech. íkterus = „Gelbsucht“): Durch Bilirubinablagerung verursachte Gelbfärbung von Haut/Schleimhaut und Skleren
- Sklerenikterus: Bei Serumbilirubinwerten >2 mg/dL
- Hautikterus: Bei Serumbilirubinwerten >3 mg/dL
- Pseudoikterus: Farbstoffablagerungen, z.B. durch wiederholten, übermäßigen Karottengenuss
- Cholestase: Pathophysiologische Bezeichnung für jede Störung der Gallenbildung bzw. -sekretion (nicht-obstruktive intrahepatische Cholestase) oder für Störungen des Gallenabflusses, sowohl in der Leber (obstruktive intrahepatische Cholestase) als auch zwischen Leber und Duodenum (obstruktive extrahepatische bzw. posthepatische Cholestase)
Ätiologie
Ikterus ist ein Leitsymptom, das Ausdruck vieler verschiedener Erkrankungen sein kann, bei denen es zu einer äußerlich sichtbaren Bilirubinerhöhung im Blut kommt. Zur Einteilung der Ursachen eines Ikterus gibt es verschiedene Ansätze, wobei klassischerweise nach dem Ort der ursächlichen Störung in prä-, intra- und posthepatische Formen unterteilt wird. Bei einem prähepatischen Ikterus kommt es also zu einem Bilirubin-Anstieg, dessen Ursache „vor der Leber“ liegt (bspw. Hämolyse), wohingegen die Ursache beim intra- und posthepatischen Ikterus „in“ bzw. „hinter der Leber“ liegt – dabei handelt es sich immer um eine obstruktive oder nicht-obstruktive Cholestase.
Die ätiologische Einteilung der cholestatischen Erkrankungen kann wiederum nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen (u.a. nach Anatomie, Pathophysiologie, zeitlichem Verlauf), allerdings hat sich eine kombinierte Einteilung bewährt, wobei der Übergang zwischen den verschiedenen Cholestase-Formen mitunter fließend ist.
Die folgende Einteilung möglicher Ursachen eines Ikterus berücksichtigt sowohl den Ort der ursächlichen Störung (prä-/intra-/posthepatisch) als auch die verschiedenen Cholestaseformen, die einem intra- bzw. posthepatischen Ikterus zugrunde liegen können.
- Prähepatischer Ikterus
- Hämolyse (u.a. Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, Sphärozytose, M. haemolyticus neonatorum)
- Ineffektive Erythropoese
- Intra-/posthepatischer Ikterus
- Cholestatische Erkrankungen
- Nicht-obstruktive Cholestase (stets intrahepatisch)
- Hepatitis (z.B. viral, autoimmun, (alkohol‑)toxisch)
- Leberzirrhose
- Stauungsleber
- Primär biliäre Cholangitis
- Zystische Fibrose
- Angeborene Störungen mit Cholestase (hereditäre Cholestasen wie bspw. intrahepatische Schwangerschaftscholestase, Alagille-Syndrom, progressive familiäre intrahepatische Cholestase )
- Hyperbilirubinämie-Syndrome (z.B. M. Meulengracht)
- Als Folge einer länger anhaltenden mechanisch-obstruktiven Cholestase (→ Gallenstau in der Leber bei intra-/extrahepatischer Abflussbehinderung → Leberschädigung → Störung der intrahepatischen Gallenbildung bzw. -sekretion → Nicht-obstruktive Cholestase)
- Mechanisch-obstruktive Cholestase
- Intrahepatisch
- Lebertumoren (z.B. hepatozelluläres Karzinom, Cholangiokarzinom, Metastasen)
- Intrahepatische Gallensteine oder Cholangitis
- Primär sklerosierende Cholangitis
-
Extrahepatisch (bzw. "posthepatisch")
- Choledocholithiasis, Mirizzi-Syndrom
- Entzündliche Prozesse (primär sklerosierende Cholangitis , chronische Pankreatitis, Choledochuszysten, Abszesse)
- Fehlbildungen der Gallenwege
- Tumoren (Pankreaskarzinom, Cholangiokarzinom, Gallenblasenkarzinom)
- Gallengangsstrikturen (postoperativ, entzündlich)
- Intrahepatisch
- Nicht-obstruktive Cholestase (stets intrahepatisch)
- Cholestatische Erkrankungen
Ein Ikterus muss nicht zwangsläufig mit einer Cholestase einhergehen, sondern kann auch prähepatische Ursachen haben. Umgekehrt schließt ein fehlender Ikterus eine Cholestase nicht aus, da bspw. im Frühstadium einer Cholestase mitunter noch kein Ikterus auftritt!
Pathophysiologie
Einem Ikterus liegt ein erhöhtes Serumbilirubin zugrunde. Das Serumbilirubin spiegelt das Gleichgewicht aus Bilirubinproduktion und hepatobiliärer Ausscheidung wider. Die Ursachen können auf prähepatischer, hepatischer und posthepatischer Ebene liegen.
- Anstieg unkonjugiertes (indirektes) Bilirubin
- Überproduktion bzw. vermehrter Anfall
- Gestörte hepatische Aufnahme
- Gestörte hepatische Konjugation
- Anstieg konjugiertes (direktes) Bilirubin
- Beeinträchtigte Ausscheidung über die Gallenwege
- Rückdiffusion
Symptomatik
- Klinisch kann es bei cholestatischen Erkrankungen neben einem Ikterus je nach Genese auch zu folgenden Symptomen kommen:
- Entfärbte (acholische) Stühle
- Dunkler Urin
- Pruritus
- Ggf. Fettmalabsorption (Steatorrhö, Gewichtsverlust)
Diagnostik
- Anamnese: Medikamente, Toxine, frühere Hepatitis, Alkoholabusus
- Klinische Zeichen der Leberzirrhose
Laborchemie
- Cholestaseparameter
- Alkalische Phosphatase (AP)↑
- γ-Glutamyl-Transferase (γGT)↑
- Bilirubin↑
- Transaminasen (AST, ALT)
Quotient | <0,7 (bis 1) = „Entzündungstyp“ | ≥1 = „Nekrosetyp“ |
---|---|---|
Mögliche Ursachen |
|
|
Merkspruch: „AST > ALT bei Schwerer Leberzellschädigung (Quotient >1). ALT > AST bei Leichter Leberzellschädigung (Quotient <1)“
AST findet sich auch in der Skelett- und Herzmuskulatur, sodass differenzialdiagnostisch auch Muskelerkrankungen und insbesondere ein Myokardinfarkt bei einem Quotienten ≥1 bedacht werden müssen!
- Ggf. weitere Leberparameter, z.B. Hepatitis-Serologie, Hämolyseparameter, Autoantikörper
- Entzündungsparameter
- Erhöhte Cholesterolspiegel
Bildgebung
-
Sonografie → Hohe Spezifität und Sensitivität zur Unterscheidung der Cholestaseformen:
-
Mechanisch-obstruktive Cholestase
- Gestaute Gallenwege
- Extrahepatisch: Dilatierter DHC , ggf. Double-Duct-Sign
- Intrahepatisch: Doppelflintenphänomen
- Ggf. Stauungsursache wie Steine, Tumoren, Zysten, Cholangitis
- Gestaute Gallenwege
- Nicht-obstruktive Cholestase (Fehlen der o.g. Stauungszeichen, ggf. sonografischer Nachweis der Grunderkrankung, z.B. einer Leberzirrhose)
-
Mechanisch-obstruktive Cholestase
- Evtl. weitere Bildgebung wie ERCP, MRCP, CT nach Klinik
Differenzialdiagnostik Ikterus
Klassischerweise werden beim Ikterus gemäß seiner Ursachen prä-, intra- und posthepatische Formen unterschieden. Allerdings beinhalten die intrahepatischen Ursachen eine sehr inhomogene Gruppe an Erkrankungen, die sich in ihrem klinischen Bild stark unterscheiden. Die klassischen Befunde des intrahepatischen Ikterus beziehen sich dabei auf nicht-obstruktive cholestatische Erkrankungen. Mechanisch-obstruktive Erkrankungen auf intrahepatischer Ebene stellen eine Übergangsform dar, zeigen aber aufgrund ihrer Pathophysiologie eher die Befundkonstellation des posthepatischen Ikterus.
Genese | Stuhlfarbe | Indirektes Bilirubin im Serum | Direktes Bilirubin im Serum | Bilirubin im Urin | Urobilinogen im Urin | Weitere wegweisende Befunde | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Prähepatischer Ikterus | Prähepatische Erkrankungen (z.B. Hämolyse) | Dunkel | ↑↑ | Normal | Normal | ↑↑ (keine Dunkelfärbung des Urins , allerdings brauner Urin bei Hämoglobinurie möglich) |
|
Intrahepatischer Ikterus | Nicht-obstruktive Cholestase (z.B. Leberversagen bei Hepatitis, Schock) | Hell (selten dunkel) | ↑ | ↑
| ↑ (Urinfarbe dunkel) | Normal oder ↑ | |
Posthepatischer Ikterus | Mechanisch-obstruktive Cholestase (z.B. Choledocholithiasis) | Hell | Normal | ↑↑ | ↑↑ (Urinfarbe sehr dunkel) | Normal (bzw. sogar ↓ ) |
|
Differenzialdiagnosen
Weitere Ursachen von Pruritus (siehe dort).
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Behandlung je nach ursächlicher Erkrankung
- Siehe auch: Therapie des cholestatischen Pruritus
Komplikationen
- Komplikationen der jeweiligen Grunderkrankung
- Komplikationen der Cholestase, bspw.
- Hepatomegalie: Durch über längere Zeit bestehenden Gallenrückstau kommt es zu einer Entzündungsreaktion
- Aufsteigende Infektion der Gallenwege: In seltenen Fällen kann dies zu einer Bakteriämie oder Sepsis führen
- Bei Neugeborenen besteht die Gefahr eines Kernikterus
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Hyperbilirubinämie und Ikterus
Hyperbilirubinämie und Ikterus – Teil 1
Hyperbilirubinämie und Ikterus – Teil 2
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