Grundlagen
Ziel der AMBOSS-SOP Anaphylaxie
- Schnellstmöglicher Beginn lebensrettender Maßnahmen (Adrenalin i.m., Expositionsstopp) bei Anaphylaxie oder anaphylaktoider Reaktion zur Vermeidung gravierender Komplikationen (z.B. Atemversagen, Schock bis hin zum Tod).
Klinische Präsentation
Diagnosekriterien der Anaphylaxie | |
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Akuter Beginn |
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Erfüllung eines der 3 Kriterien |
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- Siehe auch: Charakteristische Symptome bei Anaphylaxie
Kein Symptom ist obligat. Eine Anaphylaxie kann sich auch ohne Haut- und Schleimhautmanifestation zeigen (10% der Fälle)!
Häufigste Auslöser schwerer anaphylaktischer oder anaphylaktoider Reaktionen
- Kinder: Lebensmittelallergien , Insektengifte
- Erwachsene: Insektengifte, Medikamente
In 20% der Fälle kann kein Auslöser gefunden werden!
Akutmanagement
Sofortmaßnahmen [1]
- Allergenzufuhr stoppen bzw. Exposition gegenüber Auslöser beenden (wenn möglich)
- Adrenalin intramuskulär : Bei Beteiligung der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems
- Autoinjektor
- Körpergewicht <7,5 kg: Autoinjektor nicht zugelassen, Injektionslösung verabreichen (s.u.)
- Körpergewicht 7,5–30 kg: 150 μg
- Körpergewicht 30–60 kg: 300 μg
- Körpergewicht >60 kg: 1–2 × 300 μg oder 500 μg
- Bei fehlender Wirkung: Injektion alle 5–10 min wiederholen
- Injektionslösung: 10 μg/kgKG (bis zu 600 μg als Einzeldosis)
- Autoinjektor
- Sauerstoffgabe: Bei kardiovaskulärer oder pulmonaler Beteiligung
- Körpergewicht <7,5 kg: 2–10 L/min
- Körpergewicht ≥7,5 kg: 5–12 L/min
- Bei Sauerstofffluss >10 L/min: Verwendung einer Sauerstoffmaske mit Reservoirbeutel
- Siehe auch: Hinweise zur Sauerstoffgabe im Notfall
- Symptomorientierte Lagerung
- Präferiert: Flachlagerung und Vermeidung abrupter Lageveränderungen oder weiterer körperlicher Anstrengung
- Bei eingeschränktem Bewusstsein und intaktem Kreislauf: Stabile Seitenlage
- Bei hämodynamischer Instabilität: Schocklagerung
- Bei Atemnot: (Halb‑)Sitzende Position
- Venenzugang oder intraossärer Zugang
- Mind. ein großlumiger intravenöser Zugang zur adäquaten Volumengabe
- Wenn intravenöser Zugang kurzfristig nicht umsetzbar: Intraossären Zugang schaffen
- Volumengabe: Vollelektrolytlösung intravenös bzw. intraossär als Bolus über ca. 5 min
- Kinder ≤30 kg: 20 mL/kgKG
- Kinder und Erwachsene >30 kg: 500–1.000 mL (10–20 mL/kgKG)
- Überwachung der Vitalparameter: Mind. Blutdruck, Herzfrequenz und spO2
Bei einer akuten Anaphylaxie mit Beteiligung der Atemwege oder des Herz-Kreislauf-Systems sind die Unterbrechung der Allergenexposition und eine intramuskuläre Gabe von Adrenalin die wichtigsten Sofortmaßnahmen!
Adrenalin darf in einer Konzentration von 1:1.000 nur intramuskulär verabreicht werden! Intravenös würde eine solche Dosierung zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen!
Weiterführende symptomorientierte Therapie
Atemwegsmanagement bei Anaphylaxie [2]
Bei rapider klinischer Verschlechterung sollte frühzeitig eine erfahrene anästhesiologische oder intensivmedizinische Hilfe für ein adäquates Atemwegsmanagement (fiberoptische Intubation, Koniotomie) gerufen werden!
- Larynxödem
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Adrenalin inhalativ
- Vernebler mit fixer Dosierung 4 mg/1 mL (falls vorhanden): 7–14 Hübe
- Adrenalin 1:1.000 (1 mg/1 mL): 2 mL über Vernebler mit Atemmaske
- Ultima Ratio: Koniotomie (siehe auch: Koniotomie - AMBOSS-SOP)
-
Adrenalin inhalativ
- Bronchospasmus: β2-Sympathomimetikum über Inhalierhilfe (Spacer)
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Salbutamol Dosieraerosol
- Kinder ≤30 kgKG: 2 Hübe
- Kinder und Erwachsene >30 kgKG: 2–4 Hübe
-
Terbutalin Dosieraerosol
- Kinder (ab 5 Jahren) ≤30 kgKG: 2 Hübe
- Kinder und Erwachsene >30 kgKG: 2–4 Hübe
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Salbutamol Dosieraerosol
- Refraktärer Bronchospasmus: β2-Sympathomimetikum s.c. oder i.v.
- Terbutalin s.c.: 0,25–0,5 mg
- Reproterol i.v. als Dauerinfusion: 0,1 μg/kgKG/min
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Reproterol i.v. als Bolus
- Kinder (ab 3 Monaten): 1,2 μg/kgKG über 30–60 Sekunden
- Erwachsene: 0,09 mg über 30–60 Sekunden
- Lethargie
- Reklination des Kopfes (Head Tilt Chin Lift Maneuver ), ggf. Esmarch-Handgriff
- Maskenbeatmung, ggf. Verwendung von Wendl-Tubus oder Guedel-Tubus
- Siehe auch: Erstmaßnahmen zur Atemwegssicherung, Maskenbeatmung - AMBOSS-SOP
- Drohender Atemstillstand: Intubation (ggf. RSI), invasive Beatmung
Kreislaufmanagement (Therapie eines anaphylaktischen Schocks) [1]
- Volumengabe: Bedarfsadaptierte Infusion von Vollelektrolytlösung
- Körpergewicht <30 kg: 20 mL/kgKG
- Körpergewicht ≥30 kg: 10–20 mL/kgKG
- Drohende Dekompensation von Atmung oder Kreislauf (keine Stabilisierung nach Volumengabe und Adrenalin i.m.): Adrenalin intravenös bzw. intraossär
- Titrierende Bolusgaben (1 μg/kgKG)
- Alternativ: Kontinuierliche Gabe erwägen (0,05–1,0 μg/kgKG/min)
- Schwerer anaphylaktischer Schock (wenn keine intramuskuläre Gabe möglich): Adrenalin intravenös bzw. intraossär
- Titrierende Bolusgaben (1 μg/kgKG)
- Alternativ: Kontinuierliche Gabe erwägen (0,05–1,0 μg/kgKG/min)
- Refraktärer Schock (trotz Adrenalin- und Volumengabe)
- Kontinuierliche Gabe von Vasopressoren
- Noradrenalin: 0,02–0,15 μg/kgKG/min
- Vasopressin: 0,01–0,03 IE/min [3]
- Bei Therapie mit Betablockern und fehlendem Ansprechen auf vasoaktive Substanzen: Glucagon [4]
- Kontinuierliche Gabe von Vasopressoren
- Kreislaufstillstand: Advanced Life Support
Für eine intravenöse oder intraossäre Injektion sollte Adrenalin verdünnt werden: Adrenalin 1:1.000 (1.000 μg/mL) verdünnt mit 9 mL NaCl 0,9% (Endkonzentration: Adrenalin 1:10.000 [100 μg/mL]) oder mit 100 mL NaCl 0,9% (Endkonzentration: Adrenalin 1:100.000 [10 μg/mL])!
Antiallergische Begleittherapie der Anaphylaxie [2]
- Durchführung: Kombination von H1- und H2-Antihistaminikum sowie Steroid
- H1-Antihistaminikum: Intravenös oder oral (siehe: H1-Antihistaminika)
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Dimetinden als i.v. Bolus
- Kinder (ab 1 Jahr) <15 kg: 1 mL (1 mg/1 mL)
- Kinder 15–30 kg: 2–3 mL (1 mg/1 mL)
- Kinder und Erwachsene >30–60 kg: 4 mL (1 Ampulle)
- Kinder und Erwachsene >60 kg: 8 mL (2 Ampullen) ODER 0,1 mg/kgKG
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Clemastin als i.v. Bolus
- Kinder (ab 1 Jahr) <65 kg: 0,03 mg/kgKG (max. 2 mg = 1 Ampulle)
- Kinder und Erwachsene >65 kg: 2 mg (1 Ampulle) ODER 0,05 mg/kgKG
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Dimetinden als i.v. Bolus
- H2-Antihistaminikum: Nur in Kombination mit einem H1-Antihistaminikum bei schweren Anaphylaxien/Therapieresistenz
- Steroide
- Hochdosiertes Prednisolon als i.v. Bolus
- Kinder <15 kg: 25 mg
- Kinder 15–30 kg: 50 mg
- Kinder und Erwachsene >30–60 kg: 100 mg
- Kinder und Erwachsene >60 kg: 250–1.000 mg
- Alternativen
- Prednison rektal
- Prednisolon rektal oder oral
- Hochdosiertes Prednisolon als i.v. Bolus
Supportive Therapie
- Bauchschmerzen: Spasmolytika (Butylscopolamin )
- Übelkeit, Erbrechen: Antiemetika (Dimenhydrinat )
Überwachung
- Generell sollten Betroffene bis zur anhaltenden Remission überwacht werden
- Bei schweren Anaphylaxien (≥Grad II) sollte eine stationäre Überwachung, bei Anaphylaxien mit lebensbedrohlicher Allgemeinreaktion eine intensivmedizinische Überwachung erfolgen
- Siehe weiterführende Therapie bei Anaphylaxie für Informationen zur Überwachung bis hin zur Entlassung
- Siehe Anaphylaxie-Notfallset für Informationen zu Dosierungen der Erste-Hilfe-Ausrüstung von Betroffenen