Zusammenfassung
Die häufigste Ursache einer schlafbezogenen Atemstörung ist eine Obstruktion der oberen Atemwege durch Kollaps der Schlundmuskulatur während des Schlafes, das sogenannte Obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Die Patienten sind meist adipös und leiden unter starker Tagesmüdigkeit. Fremdanamnestisch geben die Lebenspartner Atempausen und starkes Schnarchen während des Schlafens an. Die Lebenserwartung der Patienten ist durch kardiovaskuläre Folgen einer sekundären Hypertonie eingeschränkt, kann aber durch konsequente Gewichtsreduktion und nächtliche Überdruckbehandlung (nCPAP) normalisiert werden. Der Therapieerfolg bedarf einer hohen Therapieadhärenz mit regelmäßigen Kontrollen durch Schlafuntersuchungen.
Definition
- Schlafapnoe-Syndrom: Nächtliche Atmungsstörung mit klinischer Beschwerdesymptomatik und/oder gesundheitlichen Risiken
- Apnoe: Atempausen von ≥10 Sekunden
- Hypopnoe: Reduktion des Atemflusses um ≥30% für ≥10 Sekunden kombiniert mit Sauerstoffsättigungsabfall ≥3% oder Arousal
- Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI): (Hypopnoen + Apnoen)/Stunde Schlafzeit
- Kriterien für ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)
- Respiratory Effort related Arousal (RERA): Sequenz von Atemzügen (≥ 10 Sekunden), die durch eine erhöhte Atemanstrengung zu einem Arousal führen
- Respiratory disturbance index (RDI) (Hypopnoen + Apnoen + Respiratory Effort related Arousal)/Stunde Schlafzeit
Epidemiologie
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Klassifikation des Schlafapnoe-Syndroms
- Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) : >90%
- Schlafbezogene Atemstörung mit Obstruktion der oberen Atemwege durch Kollaps der Schlundmuskulatur während des Schlafens
- Atemantrieb und damit Atembewegungen bleiben erhalten
- Risikofaktoren: Erkrankungen, die den Atemfluss der oberen Atemwege behindern (z.B. Tonsillenhyperplasie, Nasenseptumdeviation, Wassereinlagerungen in der Schlundmuskulatur bei Hyperaldosteronismus)
- Zentrales Schlafapnoe-Syndrom: <10%
- Schlafbezogene Atemstörung durch mangelnde Stimulation des zentralen Atemzentrums ohne Obstruktion der oberen Atemwege
- Durch zeitweise fehlende Innervation der Atemmuskulatur bleiben thorakale und/oder abdominelle Atembewegungen aus
- Risikofaktor: Herzinsuffizienz (Cheyne-Stokes-Atmung)
- Sonderform: Obesitas-Hypoventilationssyndrom (Pickwick-Syndrom ; Adipositas-Hypoventilationssyndrom)
- Pathologische Adipositas (BMI >30)
- Schlafapnoe
- Tageshyperkapnie, ausgeprägte Tagesmüdigkeit,
- Polyglobulie, pulmonale Hypertonie
Typische Begleiterkrankungen und begünstigende Faktoren
- Alkohol- und Tabakkonsum
- Einnahme von Sedativa, Betablockern
- Metabolisches Syndrom
Die meisten Patienten mit Schlafapnoe-Syndrom sind adipös!
Symptomatik
- Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
- Lautes und unregelmäßiges Schnarchen mit Atemaussetzern (Fremdanamnese)
- (Nächtliches) Erwachen aus dem Schlaf
- Starke Tagesschläfrigkeit mit Monotonieintoleranz (Einschlafen in monotonen Situationen, Sekundenschlaf)
- Vergesslichkeit und Konzentrationsstörung
- Verminderte Leistungsfähigkeit
- Depressivität
- Potenz-/Libidostörung
- Morgendliche Kopfschmerzen
- Zentrales Schlafapnoe-Syndrom
- Symptome der Grunderkrankung (kein Schnarchen, selten Tagesschläfrigkeit) → Herzinsuffizienz
Diagnostik
Allgemeines
- Schlafmedizinische Anamnese
- Eigenanamnese, insb. Abfragen der typischen Symptome Schnarchen, Atemaussetzer, Tagesmüdigkeit
- Familienanamnese
- Epworth Sleepiness Scale (ESS) [3]
- Fragebogen zur Beurteilung der Einschlafneigung in typischen Alltagssituationen
- Positivwert bei Erwachsenen: >10 Punkte
- Für Links zu den Fragebögen: Siehe Tipps&Links
- 24-Stunden-Blutdruck-Messung: Meist fehlender nächtlicher Blutdruckabfall (Non-Dipper)
Schlafuntersuchung
- Polygrafie
- Messen folgender Parameter während des Schlafens: Atemfluss, Atempausen, Sauerstoffsättigung im Blut, Herzfrequenz, Schnarchgeräusche und Atembewegungen von Brustkorb und Bauch
- Hieraus Bestimmung von Apnoen, Hypopnoen und Apnoe-Hypopnoe-Index möglich
- Polysomnografie
- Neben den Parametern der Polygrafie zusätzlich
- Kortikale Potenzialschwankungen mittels Elektroenzephalografie (EEG) → Ermöglicht Einteilung in Schlafphasen und Schlafstadien
- Augenbewegungen mittels Elektrookulografie (EOG) → Zur Erfassung der REM-Phasen
- Muskelaktivität mittels Elektromyografie (bspw. durch Sensoren für die Bewegungen der Beine oder am Kinn)
- Oft (aber nicht zwangsläufig): Elektrokardiografie (EKG)
- Klassische Befunde beim Schlafapnoesyndrom
- Apnoen und Hypopnoen (Apnoe-Hypopnoe-Index >15)
- Abfälle der Sauerstoffsättigung
- Weckreaktionen (Arousal)
- Fragmentierung des Schlafs mit pathologischer Abnahme der Traumschlaf- (REM-Schlaf‑) und Tiefschlafphasen
- Neben den Parametern der Polygrafie zusätzlich
Das Schlafapnoe-Syndrom ist eine sehr häufige Ursache der sekundären Hypertonie!
Während physiologischerweise Dauer und Anteil der REM-Schlafphasen im Verlauf der Nacht zunehmen, kommt es beim Schlafapnoesyndrom zu einer Abnahme der REM-Schlafphasen.
Bei Adipösen, Diabetikern, Patienten mit Vorhofflimmern und Patienten mit Hypertonie, die über Schnarchen berichten, soll die Diagnostik zum Ausschluss eines Schlafapnoesyndroms erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Pneumologie)
Therapie
Allgemein
- Behandlung der Grunderkrankung (z.B. die Herzinsuffizienz bei zentralem Schlafapnoe-Syndrom oder Operation einer Septumdeviation beim OSAS)
- Risikofaktor reduzieren: Gewichtsreduktion, eventuell mittels bariatrischer Chirurgie
- Meiden von Alkohol, Nikotin und Sedativa
- Schlafhygiene: Regelmäßiger und ausreichender Schlaf, Schlaf auf der Seite und nicht auf dem Rücken
- Einstellung des Blutdrucks
Nächtliche Beatmung
- nCPAP (Nasal continuous positive airway pressure)
- BIPAP (Biphasic positive airway pressure)
Beim symptomatischen obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom ist die Überdruckbehandlung in der Nacht mittels nCPAP-Therapie das Mittel der Wahl. Für den Therapieerfolg bedarf es einer hohen Patientencompliance mit regelmäßiger Therapieüberwachung durch Schlafuntersuchungen!
Operative Verfahren beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom
Die wesentliche Engstelle beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom liegt zwischen Zungengrund und Rachenhinterwand. Bei unzureichendem konservativem Therapieerfolg ist eine operative Erweiterung möglich.
- Operative Begradigung der Nasenscheidewand bei Septumdeviation und gestörter Nasenatmung
- Tonsillektomie/Adenotomie erwägen bei Obstruktion durch adenoide Vegetationen [4]
- Uvulopalatopharyngoplastik (UPPP): Straffung des weichen Gaumens, eine Kürzung der Uvula und Tonsillektomie. Es stellt lediglich eine therapeutische Ergänzung oder Alternative dar.
- Zungengrund(teil‑)resektion: Späte Therapieoption bei schwerem obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom. Die Operation ist sehr schmerzhaft und führt zumindest vorübergehend zur Einschränkung beim Schlucken und Sprechen.
- Maxillo-mandibuläres Advancement (Bimaxilläre Umstellungsosteotomie): Protrusion (Vorverlagerung) von Ober- und Unterkiefer um bis zu 2cm → Straffung des Weichteilgewebes von weichem Gaumen und Zungengrund = Sehr effektiv, aber aufwendig
Komplikationen
- Genereller Pathomechanismus: Hypopnoe/Apnoe → pO2↓, pCO2↑ → Obstruktives Ersticken, Atemantrieb↑ → Stresshormone↑, Arousal↑ → RR↑
- Daraus resultierende Komplikationen
- Sekundäre arterielle Hypertonie mit fehlender Nachtabsenkung
- Erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und plötzlichen Herztod
- Ischämische Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz
- Hypoxie-induzierte Herzrhythmusstörungen
- Globale respiratorische Insuffizienz
- Pulmonale Hypertonie [5]
- Unfallrisiko durch Sekundenschlaf
- Erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer vaskulären Demenz
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Bei allen schlafbezogenen Atmungsstörungen: Hypertonie und erhöhte Mortalitätsrate an kardiovaskulären Erkrankungen
- Bei obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom: Durch konsequente nCPAP-Beatmung Senkung des Mortalitätsrisikos auf das der Normalbevölkerung möglich
Studientelegramme zum Thema
- HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 295-2024-1/3: Weekend-Warrior: Protektive Effekte von Wochenendsport
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 109-2024-2/2: A weight off your shoulders: tirzepatide’s dual impact on sleep apnea and weight
- One-Minute Telegram 65-2022-1/3: 2022 U.S. Preventive Services Task Force: summary of recommendations
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Schlafapnoe
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- G47.-: Schlafstörungen
- G47.3-: Schlafapnoe
- Exklusive: Pickwick-Syndrom (E66.29) Schlafapnoe beim Neugeborenen (P28.3)
- G47.30: Zentrales Schlafapnoe-Syndrom
- G47.31: Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
- G47.32: Schlafbezogenes Hypoventilations-Syndrom
- Kongenitales zentral-alveoläres Hypoventilations-Syndrom
- Schlafbezogene idiopathische nichtobstruktive alveoläre Hypoventilation
- G47.38: Sonstige Schlafapnoe
- G47.39: Schlafapnoe, nicht näher bezeichnet
- G47.3-: Schlafapnoe
- P28.-: Sonstige Störungen der Atmung mit Ursprung in der Perinatalperiode
- P28.3: Primäre Schlafapnoe beim Neugeborenen
- Schlafapnoe beim Neugeborenen: obstruktiv, o.n.A., zentral
- P28.3: Primäre Schlafapnoe beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.