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Studien-Telegramm-Archiv 2024

Letzte Aktualisierung: 6.1.2025

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Zusammen mit der HOMe-Academy der medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes und dem Ärzte-Team des Agaplesion-Markus Krankenhauses Frankfurt bietet AMBOSS einen Newsletter zu internistischen Studien und Publikationen an. Der Newsletter richtet sich insb. an alle interessierten Kolleginnen und Kollegen aus Klinik und Praxis, die neben der alltäglichen Praxis wichtige wissenschaftliche Entwicklungen im Blick behalten möchten. Unter Tipps & Links findest du den Link zur Anmeldung.

Im Folgenden werden ab dem Beginn der Newsletter-Versendung die Inhalte aller bisherigen Ausgaben im Jahr 2024 als Archiv zur Verfügung gestellt.

Archive weiterer AMBOSS-Studien-Telegramme

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Wissenschaftliche Schirmherrschafttoggle arrow icon

Die Auswahl und Zusammenfassung der Studien und Publikationen findet in enger Zusammenarbeit mit der kardiovaskulären Studiengruppe HOMe statt.

Verantwortliche Ärztinnen und Ärzte:
Prof. Dr. med. Gunnar Heine (Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselerkrankungen und Gefäßerkrankungen, AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUS Frankfurt a.M./Universität des Saarlandes), Prof. Dr. Dr. Stephan Schirmer (Kardiologie, Universität des Saarlandes/Kardiologische Praxis Kaiserslautern), Prof. Dr. Dr. Sören Becker (Infektionserkrankungen und Tropenmedizin, Universität des Saarlandes)

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Q4 2024toggle arrow icon

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Ausgabe 300 - 14. Dezember 2024toggle arrow icon

AHA-Rückblick III: Everyone close your ears?

Studientelegramm 300-2024-1/3: Der perkutane, kathetergestützte Verschluss des linken Vorhofohrs (LAA) ist eine Option zur Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern, die aktuell i.d.R. nur bei ausgewählten Personen mit hohem Blutungsrisiko durchgeführt wird. In prospektiven Studien wurde die Methode bisher i.d.R. mit der Gabe von Vitamin-K-Antagonisten (VKA) verglichen (insb. PREVAIL [1] und PROTECT AF [2]). Auch im Vergleich zu direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) deutet sich allerdings eine ähnliche Effektivität bei geringerem Blutungsrisiko an (bspw. PRAGUE-17 [3], siehe auch: Studientelegramm 129-2020-3/3).

Auf dem Jahreskongress der American Heart Association (AHA) wurde die OPTION-Studie vorgestellt, die bisher größte prospektive Analyse zu diesem Thema. 1.600 Personen mit Vorhofflimmern erhielten im Anschluss an eine Katheterablation randomisiert entweder einen LAA-Verschluss oder eine fortgesetzte orale Antikoagulation. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt (Kompositum aus Gesamtsterblichkeit, Schlaganfall und systemischer Embolie) wurde dabei auf Nicht-Unterlegenheit, der primäre Sicherheitsendpunkt (vom LAA-Verschluss unabhängige schwere oder klinisch relevante Blutungen) auf Überlegenheit getestet. Die Teilnehmenden waren im Mittel 69,6 Jahre alt, wiesen einen CHA2DS2VASc-Score von 3,5 Punkten auf und hatten zu 60% paroxysmales Vorhofflimmern. In 41% der Fälle wurde das LAA unmittelbar nach der Katheterablation verschlossen, bei den restlichen Teilnehmenden lag die Ablation bereits 90–180 Tage zurück. Die orale Antikoagulation erfolgte in 95% der Fälle nicht mit einem VKA. Der primäre Sicherheitsendpunkt trat über 36 Monate nach LAA-Verschluss signifikant seltener auf als unter oraler Antikoagulation (HR: 0,44, 95% KI: 0,33–0,59), der primäre Wirksamkeitsendpunkt hingegen vergleichbar häufig (HR: 0,91, 95% KI: 0,59–1,39).

Somit konnte erstmals eine große, prospektive, randomisierte Studie die Nicht-Unterlegenheit eines LAA-Verschlusses gegenüber einer Antikoagulation mit DOAKs aufzeigen. Dabei ließen sich insb. Blutungsereignisse reduzieren. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt wurde allerdings überwiegend durch die erwartungsgemäß vergleichbare Gesamtsterblichkeit erreicht. Anzumerken ist zudem, dass ein gleichzeitig oder kurzfristig nach Katheterablation erfolgender LAA-Verschluss in Deutschland aktuell aufgrund fehlender Kostenerstattung im gängigen Abrechnungssystem i.d.R. nicht möglich ist.

OPTION wurde von Boston Scientific finanziert (Hersteller des LAA-Okkluders WATCHMAN FLX™).

AHA-Rückblick IV: CLEAR – keine Klarheit für Spironolacton und Colchicin

Studientelegramm 300-2024-2/3: Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten (MRA) sind seit langem etablierter Bestandteil der medikamentösen Basistherapie bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) und gelten als prognoseverbessernd. In der EPHESUS-Studie [5] konnte mit Eplerenon insb. bei Personen mit eingeschränkter Pumpfunktion nach akutem Herzinfarkt die Morbidität und Mortalität reduziert werden. Unklar ist bislang, ob der routinemäßige Einsatz von MRA nach akutem Herzinfarkt auch unabhängig von der Ejektionsfraktion vorteilhaft sein könnte.

Dies wurde nun im Rahmen der internationalen, multizentrischen und prospektiven CLEAR-Studie mittels Intention-to-Treat-Analyse für Spironolacton untersucht. 7.062 Teilnehmende (davon 95% mit STEMI) erhielten doppelblind und randomisiert entweder Spironolacton (25 mg/d) oder ein Placebo. Als primäre Endpunkte wurden 2 Komposita festgelegt: 1. Kardiovaskuläre Sterblichkeit und (neu aufgetretene oder verschlechterte) Herzinsuffizienz, 2. Kardiovaskuläre Sterblichkeit, erneuter Myokardinfarkt, Schlaganfall und (neu aufgetretene oder verschlechterte) Herzinsuffizienz. Beide Endpunkte blieben über den medianen Follow-up-Zeitraum von 3 Jahren durch die Gabe von Spironolacton unbeeinflusst. Spironolacton scheint nach einem Herzinfarkt ohne das Vorliegen einer linksventrikulären Funktionseinschränkung also eher einen neutralen Effekt zu haben.

In einer weiteren Analyse wurde der antiinflammatorische Effekt von Colchicin nach akutem Herzinfarkt mit einem Placebo verglichen. Auch hier ließ sich kein Einfluss auf den primären Endpunkt nachweisen. Wir berichteten bereits über die Ergebnisse der COLCOT-Studie, die im Gegensatz hierzu eine signifikante Risikoreduktion für kardiovaskuläre Endpunkte unter Colchicin gezeigt hatten (siehe: Studientelegramm 103-2019-1/3). Die Ursachen für diese Diskrepanz sind noch unklar und bedürfen weiterer Untersuchungen. Auch die in COLCOT vermehrt auftretenden Pneumonien unter Colchicin ließen sich in CLEAR nicht bestätigen.

Bei der Bewertung dieser Ergebnisse ist u.a. zu beachten, dass die statistische Power durch eine unerwartet niedrige kardiovaskuläre Ereignis- sowie eine hohe Abbruchrate (12,5%) reduziert wurde. Zudem wurden keine Daten zur Ejektionsfraktion erhoben.

CLEAR wurde u.a. von Boston Scientific finanziert.

  • Studie 1: Jolly et al., Routine Spironolactone in Acute Myocardial Infarction, NEJM [6]
  • Studie 2: Jolly et al., Colchicine in Acute Myocardial Infarction, NEJM [7]

Sicherheitsrisiken durch Champagnerkorken: Everyone close your eyes!

Studientelegramm 300-2024-3/3: Das Öffnen von Champagnerflaschen geht aufgrund des hohen Drucks in der Flasche (bei Zimmertemperatur etwa 7 bar [8]) mit einem relevanten, jedoch unterschätzten Sicherheitsrisiko einher: Der Lidschlussreflex ist der hohen Geschwindigkeit herausschießender Korken von bis zu 80 km/h nicht gewachsen. Mögliche Akutfolgen eines okulären Traumas durch Schaumweinkorken umfassen daher u.a. Hornhautverletzungen, intraokuläre Blutungen, Linsensubluxation, Netzhautablösung und Perforationen. Langfristige Komplikationen reichen bspw. von traumatischer Katarakt und Optikusneuropathie über das posttraumatische Glaukom bis hin zur permanenten Erblindung.

Während die genaue Inzidenz schaumweinkorkenbedingter Augenverletzungen in Deutschland nicht bekannt ist, erfasste eine monozentrische Fallserie aus Italien allein 34 Fälle über einen Beobachtungszeitraum von 8 Jahren – ein beträchtlicher Anteil von 11% aller dort stationär behandelten okulären Traumata [9].

Zur Prävention empfiehlt ein Sonderartikel des British Medical Journal ein 5-stufiges Vorgehen beim Öffnen von Champagnerflaschen, das wir unseren Leserinnen und Lesern mit Blick auf die anstehenden Festtage ans Herz legen möchten:

1. Vorbereitung: Kühlen der Flasche, Schütteln vermeiden
2. Zum Öffnen: Die Flasche von Personen weggerichtet im 45°-Winkel halten
3. Entfernung von Folienkapsel und Drahtbügel (Agraffe) über dem Korken
4. Abdecken des Flaschenkopfes mit einem Tuch
5. Entkorken: Vorsichtiges Drehen der Flasche(!) bei gleichzeitigem Druck auf den Korken.

In diesem Sinne: Celebrate with champagne – safely! Cheers!

  • Studie: Cheers not tears: champagne corks and eye injury [10]
  • Autorenschaft: Waisberg et al.
  • Journal: The BMJ
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Ausgabe 299 - 30. November 2024toggle arrow icon

AHA-Rückblick I: Tirzepatid auf dem SUMMIT?

Studientelegramm 299-2024-1/3: Wir berichteten bereits über einen möglichen kardialen Benefit des GLP1-Analogons Semaglutid bei Adipositas und Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF; siehe: Studientelegramm 268-2023-1/3). In den entsprechenden Studien wurden jedoch i.d.R. funktionelle Marker oder Surrogatparameter als primäre Endpunkte definiert und kardiovaskuläre Ereignisse bestenfalls als sekundäre Endpunkte erfasst.

Auf dem Jahreskongress der American Heart Association (AHA) in Chicago wurden nun die Ergebnisse der internationalen SUMMIT-Studie für den dualen GIP/GLP1-Rezeptor-Agonisten Tirzepatid vorgestellt. 731 Personen mit Adipositas (Body-Mass-Index ≥30) und HFpEF (LV-EF ≥50%) wurden doppelblind im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten über mind. 1 Jahr einmal wöchentlich entweder Tirzepatid (bis zu 15 mg) oder ein Placebo (jeweils subkutan appliziert). Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse der STEP-HFpEF-Studie [11] erfolgte in SUMMIT eine Anpassung der beiden primären Endpunkte im Studienverlauf, um die Auswirkungen auf kardiovaskuläre Ereignisse und den Gesundheitszustand unabhängig voneinander beurteilen zu können. Untersucht wurde ein Kompositum kardiovaskulärer Ereignisse (Tod durch kardiovaskuläre Ursache und Verschlechterung der Herzinsuffizienz) sowie die Veränderung des Clinical Summary Scores im Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ-CSS) [12].

Über den medianen Follow-up-Zeitraum von 2 Jahren traten kardiovaskuläre Ereignisse unter Tirzepatid deutlich seltener auf (36 Personen; 9,9%) als unter Placebo (56 Personen; 15,3%; HR: 0,62; 95% KI: 0,41–0,95; p = 0,026). Die Risikoreduktion war dabei durch die geringere Anzahl an Herzinsuffizienzereignissen bedingt (8,0 vs. 14,2%; HR: 0,54; 95% KI: 0,34–0,85). Zu einem Tod durch kardiovaskuläre Ursache kam es bei 8 bzw. 5 Teilnehmenden (2,2 vs. 1,4%; HR: 1,58; 95% KI: 0,52–4,83). Unter Tirzepatid ließ sich zudem ein höherer Anstieg im KCCQ-CSS verzeichnen als unter Placebo (mittlerer Unterschied: 6,9; 95% KI: 3,3–10,6; p <0,001). Erwartungsgemäß traten unter Tirzepatid häufiger (insb. gastrointestinale) Nebenwirkungen auf, die bei 23 Teilnehmenden (6,3%) zu einem Therapieabbruch führten (vs. 1,4% in der Placebogruppe).

Eine ausführliche Diskussion der Studienergebnisse ist bei MARKUS@HOMe zu finden [13].

Die SUMMIT-Studie wurde durch Eli Lilly and Company finanziert.

  • Titel der Studie: Tirzepatide for Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity [14]
  • Autorenschaft: Packer et al.
  • Journal: NEJM

AHA-Rückblick II: Is lower always better (BPROAD)?

Studientelegramm 299-2024-2/3: Die optimalen Zielblutdruckwerte bei arterieller Hypertonie sind trotz mehrerer großer Studien weiterhin umstritten: Während bspw. die SPRINT-Studie bei Personen mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko ohne Diabetes mellitus einen prognostischen Vorteil für eine intensive Blutdrucksenkung (systolischer Blutdruck <120 mmHg) gegenüber einer konventionellen (<140 mmHg) nachweisen konnte (siehe auch: Studientelegramm 172-2021-2/3), zeigte sich in der ACCORD-Studie bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 kein solcher Vorteil [15].

Daher wurde in der randomisierten, multizentrischen chinesischen Studie BPROAD bei 12.821 Teilnehmenden ≥50 Jahre mit Diabetes mellitus Typ 2 erneut eine intensive mit einer konventionellen Blutdrucksenkung verglichen. Über einen medianen Follow-up-Zeitraum von 4,2 Jahren zeigte sich unter intensiver Blutdrucksenkung ein signifikant reduziertes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (kombinierter primärer Endpunkt aus Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und kardiovaskulär bedingtem Tod) gegenüber einer konventionellen Blutdruckkontrolle (393 vs. 492 Fälle, HR: 0,79; 95% KI: 0,69–0,90; p <0,001). Entwicklung und Fortschreiten einer chronischen Nierenerkrankung (sekundäre Endpunkte) blieben dagegen unbeeinflusst. Symptomatische Hypotonien sowie Hyperkaliämien traten bei intensiver Blutdrucksenkung erwartungsgemäß häufiger auf, die Gesamtzahl unerwünschter Ereignisse fiel jedoch insg. überraschend niedrig aus (symptomatische Hypotonie: 8 Fälle vs. 1 Fall; Hyperkaliämie; 177 vs. 125 Fälle). Schwere unerwünschte Ereignisse traten dagegen in beiden Gruppen gleich häufig auf.

BPROAD stärkt somit die Evidenz für ein reduziertes kardiovaskuläres Risiko unter intensiver Blutdrucksenkung bei Diabetes mellitus Typ 2. Eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse findet sich bei MARKUS@HOMe [16].

  • Titel der Studie: Intensive Blood-Pressure Control in Patients with Type 2 Diabetes [17]
  • Autorenschaft: Bi et al.
  • Journal: NEJM

Akute Nierenschädigung unter Immuncheckpoint-Inhibitoren

Studientelegramm 299-2024-3/3: Durch die Zulassung von Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) wurden die Therapieoptionen diverser onkologischer Erkrankungen deutlich erweitert; inzwischen sind >10 Substanzen in der EU zugelassen. Der Wirkmechanismus dieser monoklonalen Antikörper beruht auf einer Blockade inhibitorischer Checkpoint-Proteine der T-Zell-Oberfläche bzw. ihrer Liganden, wodurch die Immunantwort gegen Tumorzellen aktiviert wird. Ein Nachteil dieses Therapieansatzes ist das hohe Risiko autoimmunologischer Nebenwirkungen. Diese äußern sich in 3–5% der Fälle als ICI-bedingte akute Nierenschädigung („acute kidney injury“, AKI), typischerweise in Form einer akuten interstitiellen Nephritis. Der zunehmenden Bedeutung der ICI-AKI begegnet nun ein Positionspapier der American Society of Onconephrology, das insb. das diagnostische und therapeutische Vorgehen sowie mögliche Perspektiven diskutiert.

Um der ICI-AKI nach Möglichkeit bereits präventiv entgegenzutreten, weist die Stellungnahme auf die Bedeutung von Protonenpumpenhemmern als potenziell modifizierbarer Risikofaktor hin. Bei V.a. auf ICI-AKI bleibt die Nierenbiopsie diagnostischer Goldstandard und wird insb. ab KDIGO-Stadium 2 empfohlen. Zusätzlich werden mögliche labordiagnostische Parameter (bspw. CRP, löslicher IL2-Rezeptor, retinolbindendes Protein / Kreatinin-Quotient im Urin) und die FDG-PET zur nicht-invasiven Diagnostik diskutiert, die bisher jedoch nur in kleineren Studien untersucht wurden. Die wichtigste therapeutische Säule der ICI-AKI sind – neben dem Absetzen der ICI-Therapie – weiterhin Glucocorticoide. Insb. bei Glucocorticoid-refraktären Verläufen kommt bspw. Infliximab zur immunsuppressiven Therapie in Betracht.

Zu beachten ist, dass aufgrund der noch unzureichenden Datenlage zu den diskutierten neueren Diagnostik- und Therapieoptionen größere prospektive Studien notwendig sind, um konkrete Empfehlungen ableiten zu können. Gleiches gilt für die Frage, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen eine ICI-Therapie nach abgeklungener ICI-AKI idealerweise wieder aufgenommen werden kann.

  • Titel des Meeting Reports: Diagnosis and management of immune checkpoint inhibitor-associated nephrotoxicity: a position statement from the American Society of Onco-nephrology [18]
  • Autorenschaft: Herrmann et al.
  • Journal: Kidney International
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Ausgabe 298 - 16. November 2024toggle arrow icon

SAFE-D first: Keine orale Antikoagulation bei Hämodialyse?

Studientelegramm 298-2024-1/3: Bei fortgeschrittener und insb. dialysepflichtiger chronischer Nierenerkrankung wird die Wirkstoffauswahl zur therapeutischen Antikoagulation weiterhin kontrovers diskutiert, u.a. weil bisher keine klare Evidenz zugunsten einer Substanzklasse vorliegt. Bisherige Studien zur Antikoagulation von Personen mit Dialysebehandlung und Vorhofflimmern (insb. AXADIA-AFNET 8, VALKYRIE und RENAL-AF) verglichen Vitamin-K-Antagonisten (VKA) mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) und belegten eine sichere Anwendung von DOAK (siehe auch: Studientelegramm 243-2022-3/3, Studientelegramm 111-2020-2/3 und Studientelegramm 104-2019-2/4). Die Ergebnisse von VALKYRIE deuteten zudem einen Sicherheitsvorteil von Rivaroxaban gegenüber Warfarin an, insg. ist das Blutungsrisiko aber unabhängig von der eingesetzten Substanz deutlich erhöht.

Nun wurden die finalen Ergebnisse der SAFE-D-Studie publiziert, bei der 151 Teilnehmende im Verhältnis 1:1:1 randomisiert erstmals nicht nur DOAK (Apixaban) oder VKA (Warfarin) erhielten, sondern es auch einen Studienarm ohne orale Antikoagulation gab. Es handelt sich dabei zwar primär um eine Machbarkeitsstudie, als sekundäre Endpunkte wurden jedoch u.a. Blutungsereignisse und Schlaganfälle untersucht (allerdings ohne hinreichende statistische Power). Über den Untersuchungszeitraum von 26 Wochen waren Blutungsereignisse erwartungsgemäß insb. unter VKA (n = 12) häufiger als unter Apixaban (n = 8) oder ohne orale Antikoagulation (n = 6). Ohne orale Antikoagulation zeigte sich keine prohibitiv hohe Anzahl von neurologischen ischämischen Ereignissen, allerdings traten unter allen Teilnehmenden auch nur insg. 2 solche Ereignisse auf.

Auch wenn SAFE-D – wie schon ihre erwähnten Vorgängerstudien – eine sehr kleine Studie mit zudem nur kurzem Beobachtungszeitraum ist, könnte der Verzicht auf eine orale Antikoagulation bei Dialysepflicht eine erwägenswerte Option sein. Das Studienteam plant daher bereits eine größere Interventionsstudie. Unter Erstautorenschaft von Prof. Gunnar Heine aus dem Studien-Telegramm und MARKUS@HOMe-Team wurde zudem kürzlich ein Review mit Tipps für die orale Antikoagulation von Menschen mit Dialysepflicht und Vorhofflimmern publiziert [19]. Dort wird u.a. vorgeschlagen, das individuelle Nutzen-Risiko-Verhältnis der Behandlung anhand des Dialysis Risk Scores einzuschätzen.

  • Titel der Studie: Anticoagulation for Patients with Atrial Fibrillation Receiving Dialysis: A Pilot Randomized Controlled Trial [20]
  • Autorenschaft: Harel et al.
  • Journal: Journal of the American Society of Nephrology

Tinzaparin bei fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung

Studientelegramm 298-2024-2/3: Ebenso wird kontrovers diskutiert, welches niedermolekulare Heparin bei fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung (CKD) zur Prävention bzw. Therapie thromboembolischer Ereignisse am besten geeignet ist. In Deutschland wird überwiegend Enoxaparin eingesetzt, das allerdings bei eingeschränkter Nierenfunktion akkumuliert. Demgegenüber könnte Tinzaparin eine sichere Alternative sein. Bislang fehlen hierzu jedoch klinische und pharmakologische Daten.

In einer retrospektiven, monozentrischen Beobachtungsstudie wurde nun die Sicherheit von Tinzaparin in unangepasster prophylaktischer (4.500 IE/Tag) und therapeutischer Dosierung (175 IE/kgKG/Tag) bei Personen mit fortgeschrittener CKD untersucht (ab Stadium G4; insg. 802 Behandlungszeiträume bei 623 Personen). Primärer Endpunkt war die Berechnung pharmakokinetischer Parameter anhand von Anti-Faktor-Xa-Spiegeln, sekundäre Endpunkte umfassten die Inzidenz von Blutungen und thromboembolischen Komplikationen. Die Pharmakokinetik und maximalen Plasmakonzentrationen bei Nierenschädigung waren vergleichbar mit denen von nierengesunden Personen. Schwere Blutungen traten in 2,4 bzw. 3,5% der Fälle auf (prophylaktische bzw. therapeutische Dosis), was den Häufigkeiten bei weniger fortgeschrittener CKD entspricht. Thromboembolische Komplikationen wurden nicht beobachtet.

Laut dieser Studie akkumuliert Tinzaparin bei hochgradig eingeschränkter Nierenfunktion also weder in prophylaktischer noch in therapeutischer Dosierung. Insb. die klinischen Beobachtungen müssen jedoch zunächst auch durch prospektive Daten bestätigt werden. Zudem sollte bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass nicht von allen Teilnehmenden die Anti-Faktor-Xa-Spiegel bestimmt wurden (n = 199).

  • Titel der Studie: Tinzaparin, an alternative to subcutaneous unfractionated heparin, in patients with severe and end-stage renal impairment: a retrospective observational single-center study [21]
  • Autorenschaft: Gouin-Thibault et al.
  • Journal: Journal of Thrombosis and Haemostasis

Alkoholkonsum nach der COVID-19-Pandemie

Studientelegramm 298-2024-3/3: Der Konsum von Alkohol ist mit diversen Risiken für alle Organsysteme verbunden [22] und steht weltweit in Zusammenhang mit ca. 5,3% aller Todesfälle.

Während der COVID-19-Pandemie konnte in vielen Ländern ein Anstieg des Alkoholkonsums beobachtet werden [23]. Eine US-amerikanische, bevölkerungsbasierte Kohortenstudie untersuchte nun anhand des National Health Interview Survey [24], ob diese Zunahme auch über die Pandemie hinaus fortbestand. Hierzu wurden repräsentative Umfragen zum Alkoholkonsum aus dem Zeitraum zwischen 2018 und 2022 analysiert. Primäre Endpunkte waren die Prävalenz jeglichen Alkoholkonsums und schweren Alkoholkonsums (Frauen: ≥4 alkoholische Getränke/Tag oder ≥8/Woche; Männer: ≥5/Tag bzw. ≥15/Woche). Verglichen mit 2018 zeigte sich in den Jahren 2020 und 2022 ein Anstieg der Prävalenz sowohl jeglichen Alkoholkonsums (2018: 66,3% der Befragten; 2020: 69,0%; 2022: 69,3%) als auch schweren Alkoholkonsums (2018: 5,1%; 2020: 6,1%; 2022: 6,3%). Mögliche Gründe für das Fortbestehen des erhöhten Alkoholkonsums sieht das Studienteam u.a. in einer Normalisierung und Gewöhnung.

Die Studie ist dadurch limitiert, dass ausschließlich eigenanamnestische Angaben erhoben und möglicherweise stärker gefährdete Bevölkerungsgruppen nicht eingeschlossen wurden. Dennoch weisen die Ergebnisse auf die Notwendigkeit einer verstärkten Früherkennung und gezielten Behandlung sowie ggf. Interventionen für Risikogruppen hin. Weitere Untersuchungen, insb. zur Beurteilung der längerfristigen und internationalen Entwicklungen, sind wünschenswert.

  • Titel des Letter: Trends in Alcohol Use After the COVID-19 Pandemic: A National Cross-Sectional Study [25]
  • Autorenschaft: Ayyala-Somayajula et al.
  • Journal: Annals of Internal Medicine
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Ausgabe 297 - 02. November 2024toggle arrow icon

Stante pede: Rituximab bei Podozytopathien?

Studientelegramm 297-2024-1/3: Wir berichteten bereits über die Entdeckung von Anti-Nephrin-Antikörpern und ihrer möglichen Relevanz für die Nephrologie (siehe: Studientelegramm 286-2024-2/3). Sie lassen sich insb. bei Minimal-Change Disease (MCD) und fokal-segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) nachweisen, stören die Podozytenfunktion und begünstigen ein nephrotisches Syndrom. Diese Erkenntnis ermöglicht neben neuen diagnostischen Methoden ggf. auch eine gezieltere Therapie. Während bisher i.d.R. Glucocorticoide oder andere Immunsuppressiva verabreicht werden, könnte die Gabe von Antikörpern gegen B-Zellen eine vielversprechende neue Option sein.

In einer kürzlich publizierten, retrospektiven Studie wurden 183 Erwachsene mit primären Podozytopathien (119 mit MCD, 64 mit FSGS) und schwierig zu behandelndem nephrotischen Syndrom untersucht (steroidabhängig oder -resistent, häufig rezidivierend, Behandlung mit ≥2 unterschiedlichen immunsuppressiven Therapieformen), die zur Remissionsinduktion mind. einmalig den monoklonalen Anti-CD20-Antikörper Rituximab erhalten hatten.

Bei 82% der Teilnehmenden kam es darunter zu einer vollständigen oder partiellen Remission innerhalb der ersten 6 Monate (initiales Ansprechen), 55% davon zeigten auch nach 36 Monaten eine rezidivfreie Remission (primärer Endpunkt). Die fortgesetzte Gabe von Rituximab erhöhte dosisunabhängig als einziger Faktor die Wahrscheinlichkeit einer rezidivfreien Remission. Unter einer Rituximab-Erhaltungstherapie konnten darüber hinaus mehr Teilnehmende alle begleitenden Immunsuppressiva absetzen als ohne Erhaltungstherapie (61% vs. 36%).

Die Ergebnisse dieser retrospektiven Analyse sind überaus vielversprechend. Allerdings ist Rituximab bisher nicht zur Behandlung von Podozythopathien zugelassen. Erkenntnisse aktuell laufender prospektiver Studien (RIFIREINS [26], TURING [27]) können daher mit Spannung erwartet werden.

  • Titel der Studie: Long-Term Outcomes of Rituximab-Treated Adult Patients with Podocytopathies [28]
  • Autorenschaft: Gauckler et al.
  • Journal: Journal of the American Society of Nephrology

Vitamin K2: Neue Wunderwaffe gegen nächtliche Muskelkrämpfe?

Studientelegramm 297-2024-2/3: Etwa 50–60% der Erwachsenen leiden im Laufe ihres Lebens unter nächtlichen Krämpfen der Waden- und Fußmuskulatur. Sie treten mit zunehmendem Alter gehäuft auf und können mit Schlaflosigkeit sowie erheblichem Leidensdruck einhergehen. Zur leitliniengerechten Versorgung sollte zunächst ein symptomatisches Auftreten ausgeschlossen werden (im Rahmen von Elektrolytstörungen, neurologischen oder endokrinologischen Erkrankungen; belastungs- oder alkoholinduziert) [29]. Bei idiopathischen Muskelkrämpfen bestehen aktuell nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten: Lediglich für Chinin konnte bislang eine (mäßige) Wirksamkeit nachgewiesen werden [30]. Aufgrund möglicher schwerer Nebenwirkungen (QT-Zeit-Verlängerung, thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, Seh- und Hörstörungen) wird Chinin jedoch nur bei ausgeprägten Beschwerden eingesetzt. Demgegenüber besteht für die häufig empfohlenen Dehnübungen und Magnesiumpräparate keine hinreichende Evidenz.

Da eine kleine Studie auf einen präventiven Effekt von Vitamin K2 bei dialyseassoziierten Muskelkrämpfen hindeutete [31], untersuchte das Forschungsteam nun in einer randomisiert-kontrollierten, doppelblinden Studie 199 Freiwillige ≥65 Jahre mit nächtlichen Muskelkrämpfen. Die Teilnehmenden erhielten 8 Wochen lang täglich entweder Vitamin K2 (180 μg Menachinon-7) zur Nacht oder ein Placebo. Primärer Endpunkt war die mittlere Anzahl nächtlicher Beinkrämpfe pro Woche.

Zu Studienbeginn gaben die Teilnehmenden im Mittel 2,60 (Interventionsgruppe) bzw. 2,71 Krämpfe pro Woche an (Placebogruppe). Während des Behandlungszeitraums sank die mittlere Häufigkeit in der Interventionsgruppe auf 0,96 Krämpfe, in der Placebogruppe stieg sie dagegen auf 3,63 (Differenz: -2,67; 95% KI: -2,86 bis -2,49; p <0,001). Auch die Dauer und Schwere der Krämpfe nahmen unter Vitamin K2 ab, unerwünschte Ereignisse wurden dagegen nicht beobachtet.

Insb. verglichen mit Chinin, das die Häufigkeit idiopathischer Muskelkrämpfe im Mittel um 28% und ihre Intensität um 10% reduziert, erscheint der hier beobachtete Effekt von Vitamin K2 überraschend hoch. Weitere Studien zu diesem möglichen neuen Behandlungsansatz für nächtliche Muskelkrämpfe sind daher wünschenswert.

  • Titel der Studie: Vitamin K2 in Managing Nocturnal Leg Cramps: A Randomized Clinical Trial [32]
  • Autorenschaft: Tan et al.
  • Journal: JAMA Internal Medicine

Kardiovaskuläres Risiko bei CKD: Remnants im Fokus

Studientelegramm 297-2024-3/3: Chronische Nierenerkrankungen (CKD) gehen mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko einher, u.a. aufgrund einer Hyperlipidämie. Insb. ein hoher LDL-Cholesterin-Spiegel steht in direktem Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen. Bei Menschen mit CKD ist das LDL-Cholesterin jedoch (unabhängig von einer Statintherapie) nicht immer erhöht.

In einer nun publizierten Analyse der Copenhagen General Population Study [33] zeigte sich, dass die Nierenfunktion mit unterschiedlichen Lipoproteinverteilungen assoziiert war und ein höheres Remnant-Cholesterin (Cholesteringehalt in triglyceridreichen Lipoproteinen; berechnet anhand des Lipidstatus) mit ursächlich für das hohe kardiovaskuläre Risiko bei CKD sein könnte. Während u.a. der Remnant-Cholesterin-Spiegel bei eingeschränkter Nierenfunktion erhöht war, fiel insb. der LDL-Cholesterin-Spiegel niedriger aus. Erhöhtes Remnant-Cholesterin war zudem mit einem vermehrten Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert, teilweise stärker als erhöhtes LDL-Cholesterin.

Remnant-Cholesterin könnte demnach bei eingeschränkter Nierenfunktion besser zur Einschätzung des kardiovaskulären Risikos geeignet sein als LDL-Cholesterin. Zudem könnte eine medikamentöse Senkung mit verfügbaren und neu entwickelten Lipidsenkern ggf. kardiovaskuläre Ereignisse verhindern. Dies muss jedoch zunächst in randomisiert-kontrollierten Studien nachgewiesen werden.

  • Titel der Studie: Impaired Renal Function With Higher Remnant Cholesterol Related to Risk of Atherosclerotic Cardiovascular Disease: CGPS [34]
  • Autorenschaft: Elías-López et al.
  • Journal: Arteriosclerosis, Thrombosis, and Vascular Biology
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Ausgabe 296 - 19. Oktober 2024toggle arrow icon

Salt 'n' Weather: Hyponatriämien und globale Erwärmung

Studientelegramm 296-2024-1/3: In den letzten Jahren wurden zahlreiche gesundheitliche Folgen der Erderwärmung diskutiert, bspw. eine Zunahme von Hautkrebs, (vektorübertragenen) Infektionskrankheiten, Kreislaufbeschwerden und kardiovaskulären Ereignissen (siehe auch: Planetary Health – Grundlagen).

Da mehrere Studien auch auf eine hitzebedingte Zunahme von Elektrolytstörungen hinweisen, untersuchte nun eine retrospektive Studie anhand von Registerdaten der Stockholm Sodium Cohort aus dem Zeitraum 2005–2018 die temperaturabhängige Prävalenz schwerer Hyponatriämien (Natriumspiegel <125 mmol/L). Dafür wurden insg. 51.143 Fälle von schwerer Hyponatriämie bei 21.924 Personen mit der jeweiligen lokalen Tagesmitteltemperatur in Beziehung gesetzt. Es zeigte sich ein temperaturabhängiger Anstieg schwerer Hyponatriämien, insb. bei Temperaturen ≥20 °C (mittlere Prävalenz bei -10 °C: 3,1 Fälle pro 106 Personentage; bei +26 °C: 12,9 Fälle) und >80-Jährigen (17,8 Fälle pro 106 Personentage bei -10 °C vs. 137,1 Fälle bei +25 °C).

Weitere Studien zur Verifikation der Ergebnisse und zu den pathophysiologischen Hintergründen sind notwendig, um hitzeassoziierten Hyponatriämien, insb. bei älteren Menschen, optimal vorbeugen zu können.

  • Titel der Studie: The Association of Outdoor Temperature with Severe Hyponatremia: A Study Based on the Stockholm Sodium Cohort [35]
  • Autorenschaft: Issa et al.
  • Journal: Journal of the American Society of Nephrology

Let it flow? Transfusionsindikation bei akutem Myokardinfarkt

Studientelegramm 296-2024-2/3: Obwohl eine Anämie bei akutem Myokardinfarkt mit einer schlechteren Prognose einhergeht, konnte für eine Transfusionsindikation bislang kein optimaler Hämoglobin-Schwellenwert [36] bestimmt werden.

2023 wurde mit der multizentrischen, unverblindeten MINT-Studie [37] die bisher größte randomisierte Studie zu dieser Fragestellung publiziert. Darin wurde bei 3.504 Teilnehmenden mit akutem Myokardinfarkt und Anämie (Hb <10 g/dL) eine restriktive Transfusionsstrategie (Transfusion ab Hb <7–8 g/dL) mit einer liberalen (Ziel-Hb ≥10 g/dL) verglichen. Der kombinierte primäre Endpunkt (Myokardinfarkt-Rezidiv und Mortalität innerhalb von 30 Tagen) unterschied sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen, trat jedoch numerisch häufiger bei restriktiver Transfusion auf (16,9% vs. 14,5%; relatives Risiko: 1,15; 95% KI: 0,99–1,34).

In einer Post-hoc-Analyse der MINT-Studie wurde nun die Mortalität innerhalb der ersten 6 Monate nach restriktiver vs. liberaler Transfusionsstrategie bei 3.419 Teilnehmenden untersucht. Während die Gesamtmortalität beider Gruppen vergleichbar war, zeigte sich bei restriktiver Transfusion eine erhöhte kardial bedingte Mortalität (9,0% vs. 6,1%; Hazard Ratio: 1,52; 95% KI: 1,19–1,94; p <0,001), insb. innerhalb der ersten 30 Tage. Zu beachten ist, dass für eine belastbare Beurteilung der Ergebnisse (Primär- und Post-hoc-Analyse) keine ausreichende statistische Power bestand.

  • Titel des Research Letters: Restrictive or Liberal Transfusion Strategy in Patients With Acute Myocardial Infarction and Anemia: 6-Month Mortality in the MINT Trial [38]
  • Autorenschaft: Simon et al.
  • Journal: Circulation

DOUBLE PRO-TECT: SGLT2-Inhibitoren bei Kindern und Jugendlichen

Studientelegramm 296-2024-3/3: Die nephroprotektiven Effekte von SGLT2-Inhibitoren sind für die meisten Erwachsenen mit Nierenerkrankungen gut belegt. Lediglich Nierentransplantierte und Personen mit autosomal-dominanter polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD) wurden in den großen Studien zur Nephroprotektion wie bspw. EMPA-KIDNEY [39] und DAPA-CKD [40] nicht untersucht. Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Nierenerkrankungen hingegen gibt es bisher nahezu keine Evidenz.

Ein Team um den Göttinger Nephrologen Prof. Dr. Oliver Groß hat daher nun die Studie DOUBLE PRO-TECT Alport initiiert. In der multizentrischen, randomisierten, doppelt verblindeten und placebokontrollierten Studie werden Personen im Alter von 10 bis 39 Jahren mit Alport-Syndrom untersucht, einer der häufigsten chronischen Nierenerkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Teilnehmende erhalten im Verhältnis 2:1 über 48 Wochen entweder täglich 10 mg Dapagliflozin oder ein Placebo. Neben dem Sicherheitsprofil werden dabei auch die Auswirkungen auf den Albumin-Kreatinin-Quotienten und die eGFR betrachtet.

Das Studiendesign wurde kürzlich publiziert und von Prof. Groß bei MARKUS@HOMe vorgestellt [41]. Alle Leserinnen und Leser des Studien-Telegramms sind herzlich eingeladen, die Studie aktiv zu unterstützen!

  • Titel des Studiendesigns: Protocol and rationale for a randomized controlled SGLT2 inhibitor trial in paediatric and young adult populations with chronic kidney disease: DOUBLE PRO-TECT Alport [42]
  • Autorenschaft: Gross et al.
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Ausgabe 295 - 5. Oktober 2024toggle arrow icon

Weekend-Warrior: Protektive Effekte von Wochenendsport

Studientelegramm 295-2024-1/3: Regelmäßige körperliche Aktivität (häufig als ≥150 min moderate bis intensive wöchentliche Aktivität definiert) fördert die kardiovaskuläre Gesundheit. Während in klinischen Studien die sportliche Aktivität i.d.R. über mehrere Tage verteilt wird, findet diese in der Alltagsrealität vieler Menschen jedoch eher konzentriert am Wochenende statt.

Nun wurden die Daten von 89.573 Menschen aus der UK-Biodatenbank auf den Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und den Inzidenzen von insg. 678 Erkrankungen untersucht. Hierbei wurden Personen mit weniger als 150 min wöchentlicher Aktivität („inaktiv“) von solchen unterschieden, die sich regelmäßig auch unter der Woche bzw. verstärkt am Wochenende sportlich betätigen (sog. Weekend-Warrior).

Es zeigte sich, dass sowohl Menschen, die regelmäßig an mehreren Wochentagen aktiv sind, als auch Weekend-Warrior vor mehr als 200 Erkrankungen besser geschützt sind als inaktive Personen. Hierbei gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Aktivitätsschemata. Die größten protektiven Effekte ergaben sich für die arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Adipositas und das Schlafapnoe-Syndrom.

Somit gilt offenbar: Bewegung ist gesund – egal, wie sie über die Woche verteilt wird. Also los geht’s, liebe Weekend-Warrior!

  • Titel der Studie: Associations of “Weekend Warrior” Physical Activity With Incident Disease and Cardiometabolic Health [43]
  • Autorenschaft: Kany et al.
  • Journal: Circulation

REGENCY: Durchbruch bei der Lupusnephritis mit Obinutuzumab?

Studientelegramm 295-2024-2/3: Die Lupusnephritis führt trotz hochpotenter immunsuppressiver Therapie im Langzeitverlauf in etwa 20% der Fälle zu einem Nierenversagen. Anders als bei anderen Autoimmunerkrankungen konnte hierbei für den Anti-CD20-Antikörper Rituximab bislang kein Vorteil nachgewiesen werden (siehe auch: Diskussion mit Prof. Rovin bei MARKUS@HOMe [44]). Im Gegensatz zu Typ-I-Antikörpern wie Rituximab ist die zytotoxische Wirkung von Typ-II-Antikörpern [45] wie Obinutuzumab u.a. überwiegend zellvermittelt bzw. direkt und weniger komplementabhängig. Zudem werden Typ-II-Antikörper seltener internalisiert, wodurch ihre Wirksamkeit möglicherweise erhöht ist. Daher wurde in der 2022 publizierten NOBILITY-Studie [46] der humanisierte monoklonale Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab, der bereits zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie und des follikulären Lymphoms zugelassen ist, bei proliferativer Lupusnephritis untersucht. In dieser Phase-II-Studie ließ sich ein deutlicher und signifikanter Vorteil von Obinutuzumab gegenüber alleiniger Standardtherapie (Mycophenolatmofetil + Glucocorticoide) nachweisen (komplette renale Remission nach 104 Wochen in 41% der Fälle vs. 23% in der Kontrollgruppe).

Daran angeschlossen wurde die multizentrische, randomisiert-kontrollierte und doppelt verblindete Phase-III-Studie REGENCY [47], in der 271 Teilnehmende mit proliferativer Lupusnephritis zusätzlich zur Standardtherapie zweimal jährlich intravenös Obinutuzumab oder ein Placebo erhielten. In einer Pressemitteilung teilte der Hersteller nun mit, dass der primäre Endpunkt (komplette renale Remission nach 76 Wochen) sowie zwei wichtige sekundäre Endpunkte (erfolgreiche Reduktion der Glucocorticoid-Dosis, Remission der Proteinurie) erreicht wurden.

Die Publikation und Präsentation der vollständigen Ergebnisse wird in den nächsten Monaten erwartet. Obinutuzumab könnte das Spektrum der pharmakologischen Möglichkeiten bei Lupusnephritis zukünftig deutlich erweitern.

  • Titel der Pressemitteilung: Positive phase III results for Roche’s Gazyva/Gazyvaro show superiority to standard therapy alone in people with lupus nephritis [48]

Ausblicke in der Medizin: Stressmessung mit einer zweiten Haut

Studientelegramm 295-2024-3/3: Anhaltender Stress kann sich schädlich auf die psychische und physische Gesundheit auswirken. Viele der genauen Mechanismen hinter Stressreaktionen sind jedoch noch unbekannt. Die Quantifizierung von Stress beruht zudem meist auf Auswertungen von Umfragen und Fragebögen. Zukünftig könnten physikalische und biochemische Marker für Stressreaktionen potenziell jedoch kontinuierlich über tragbare Sensoren (Wearables) erfasst werden.

Anfang des Jahres wurde eine Studie zu einer sog. elektronischen Haut publiziert, ein am Handgelenk auf der Haut getragener Sensor zur nicht-invasiven Messung von Stressreaktionen. Erfasst wurden dabei drei physikalische Parameter (Pulswellenform, elektrodermale Aktivität und Hauttemperatur) sowie sechs biochemische Marker im Schweiß (Glucose, Lactat, Harnsäure, Natrium-, Kalium- und Ammoniumionen). Die elektrodermale Aktivität und die Elektrolyte im Schweiß ermöglichen dabei Rückschlüsse auf die Sympathikusaktivität. Freigesetzte Stresshormone hemmen die Insulinproduktion und beeinflussen so u.a. die Synthese von Glucose, Lactat und Harnsäure. Die neuartigen Sensoren erlauben eine über 100 h zuverlässige Analyse der Schweiß-Biomarker und somit bspw. ein kontinuierliches Monitoring von Stressreaktionen über 24 h und während verschiedener Alltagsaktivitäten.

Unter Schirmherrschaft des Instituts für translationale Medizin an der ETH Zürich findet am 14. November 2024 das Seminar „The Next-generation Digital Biomarkers Summit“ statt [49]. Bei Interesse für dieses und weitere spannende Themen ist eine kostenfreie Teilnahme nach vorheriger Anmeldung sowohl vor Ort als auch im Livestream möglich [50].

  • Titel der Studie: A physicochemical-sensing electronic skin for stress response monitoring [51]
  • Autorenschaft: Xu et al.
  • Journal: Nature Electronics
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Q3 2024toggle arrow icon

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Ausgabe 294 - 21. September 2024toggle arrow icon

SCOFF: Nie mehr hungrig ins Herzkatheterlabor

Studientelegramm 294-2024-1/4: In Deutschland werden interventionelle kardiologische Prozeduren wie Herzkatheteruntersuchungen oder Schrittmacherimplantation zumeist nüchtern durchgeführt, d.h. ohne Mahlzeit am Tag des Eingriffs. Eine leichte Sedierung erfolgt i.d.R. nur bei Bedarf.

In der australischen SCOFF-Studie wurde bei 716 eingeschlossenen Personen untersucht, ob eine Nahrungskarenz vor kardiologischen Interventionen das Auftreten von Komplikationen beeinflusst. Die eingeschlossenen Personen wurden im Verhältnis 1:1 in zwei Gruppen randomisiert. In der Nüchterngruppe lag die letzte Nahrungsaufnahme durchschnittlich 13,2 h vor dem Eingriff. In der Nicht-Nüchterngruppe gab es keine strengen Vorgaben, weshalb die letzte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme hier durchschnittlich 3 h vor dem Eingriff stattfand. Der kombinierte primäre Endpunkt umfasste das Auftreten von Aspirationspneumonie, Hypotonie und Hyper- bzw. Hypoglykämie.

Aspirationspneumonien traten in beiden Gruppen nicht auf, Hypotonien, Hypoglykämien und Hyperglykämien zeigten sich in der Nicht-Nüchterngruppe signifikant vermindert. Die Autoren folgern, dass Eingriffe unter leichter Sedierung ohne eine verlängerte Fastenperiode sicher durchgeführt werden können.

Die Studie kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie die französische TONIC-Studie [52] – der Verzicht auf eine längere Nahrungskarenz resultiert zwar nicht in vermehrten Komplikationen, jedoch in einer höheren Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten. Beide Arbeiten unterstützen eine Veränderung der aktuell gängigen Praxis.

  • Titel der Studie: Fasting vs no fasting prior to catheterisation laboratory procedures: the SCOFF trial [53]
  • Autorenschaft: Ferreira et al.
  • Journal: European Heart Journal

Guarding against Atrial Fibrillation – gefunden aber nicht gewonnen?

Studientelegramm 294-2024-2/4: Vorhofflimmern ist weltweit die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Nach Diagnosestellung ist bei Personen mit zusätzlichen Risikofaktoren (CHA2DS2VASc-Score ≥2 Punkte) eine orale Antikoagulation indiziert. Nach der aktuellen Leitlinie sind daher regelmäßige EKGs bei Personen ≥65 Jahren zur Früherkennung und Schlaganfallprävention empfohlen. Auch im Zuge zunehmender Verwendung von Wearables, Smartwatches und Gesundheitsanwendungen stellt sich die Frage nach sowohl der Indikation als auch der Bedeutung von Befunden eines engmaschigeren Screenings. Mehrere Studien haben sich der Frage nach der Indikation des erweiterten Rhythmus-Monitorings zum Auffinden von Vorhofflimmern gewidmet, was wir bereits im Studien-Telegramm (siehe: Studientelegramm 277-2024-3/3) oder auf MARKUS@HOMe [54] diskutiert haben. Diese Screenings werden auch in der aktuellen Leitlinie [55] kritisch diskutiert; aktuell wird empfohlen, diese bei Personen ≥75 Jahren bzw. ≥65 Jahren mit zusätzlichen Risikofaktoren in Erwägung zu ziehen (IIa-Empfehlung).

In der nun bislang größten prospektiven, randomisiert-kontrollierten Studie GUARD-AF wurden 11.905 Menschen ≥70 Jahre ohne bekanntes Vorhofflimmern zur Anwendung eines 2-wöchigen EKG-Patches oder einer üblichen Versorgung randomisiert. Die Studie musste aufgrund der Corona-Pandemie vorzeitig beendet werden. Während eines medianen Follow-up von 15,3 Monaten wurde ein Vorhofflimmern bei 5% der Personen mit dem EKG-Patch bzw. 3,3% der Personen in der Kontrollgruppe diagnostiziert und eine orale Antikoagulation in 4,2% vs. 2,8% der Fälle eingeleitet. Der primäre Endpunkt – Hospitalisierungen infolge von Schlaganfall oder Blutungen – unterschied sich zwischen den Gruppen jedoch nicht.

Trotz der Studiengröße konnte ein zusätzliches Screening über einen 14-tägigen EKG-Patch Schlaganfälle oder Blutungen nicht relevant reduzieren, was möglicherweise durch die niedrigen Ereignisraten bzw. den vorzeitigen Studienabbruch begründet ist.

GUARD-AF wurde vom Hersteller des EKG-Patchs Zio, Bristol-Myers Squibb, finanziert.

  • Titel des Artikels: Effect of Screening for Undiagnosed Atrial Fibrillation on Stroke Prevention [56]
  • Autorenschaft: Lopes et al.
  • Journal: Journal of the American College of Cardiology

NOTION-3: PCI or no PCI zusätzlich zur TAVI

Studientelegramm 294-2024-3/4: In der klinischen Praxis wird im Rahmen eines perkutanen Aortenklappenersatzes (TAVI) häufig eine perkutane Koronarangiografie (PCI) durchgeführt, wofür allerdings bei Personen mit stabiler koronarer Herzerkrankung wenig Evidenz bestand.

In der NOTION-3-Studie untersuchten die dänischen Autorinnen und Autoren hierzu 455 Personen (durchschnittlich 82 Jahre alt) mit schwerer symptomatischer Aortenstenose und mind. einer Koronararterienstenose (fraktionelle Flussreserve ≤0,8 oder Stenosierung von ≥90% des Gefäßdurchmessers). Die Personen wurden 1:1 auf eine TAVI oder eine zusätzliche PCI randomisiert und der primäre Endpunkt der beiden Gruppen verglichen (schwerwiegendes kardiales Ereignis, d.h. Tod aus beliebiger Ursache, Myokardinfarkt oder dringender Revaskularisierung). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2 Jahren trat der kombinierte Endpunkt in der PCI-Gruppe bei 60 Personen (29%) und signifikant seltener auf als in der Kontrollgruppe (81 Personen, 36%; HR: 0,71; 95% KI: 0,51–0,99; p = 0,04). In der PCI-Gruppe traten in 3% der Fälle periinterventionelle Komplikationen auf, zudem konnten Blutungsereignisse häufiger beobachtet werden (28% vs. 20%).

Die Studie unterstützt das klinisch häufig durchgeführte Vorgehen einer PCI vor TAVI bei Personen mit stabiler koronarer Herzerkrankung.

  • Titel der Studie: PCI in Patients Undergoing Transcatheter Aortic-Valve Implantation [57]
  • Autorenschaft: Løngborg et al.
  • Journal: NEJM

FINEARTS: Vorteil von Finerenon bei HFpEF/HFmrEF

Studientelegramm 294-2024-4/4: Der nicht-steroidale Mineralocorticoidrezeptor-Antagonist (MRA) Finerenon zeigte in den FIDELIO-DKD- und FIGARO-DKD-Studien kardio- und nephroprotektive Effekte bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 und chronischer Nierenerkrankung [58][59]. Bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) ist eine Prognoseverbesserung durch steroidale MRA nachgewiesen, weshalb deren Gabe im NYHA-Stadium II–IV empfohlen wird. Dagegen konnte bei Herzinsuffizienz mit erhaltener (HFpEF) oder nur gering reduzierter Ejektionsfraktion (HFmrEF) bisher für keine der bei HFrEF eingesetzten Substanzgruppen (mit Ausnahme der SGLT2-Inhibitoren) ein prognostischer Vorteil belegt werden.

In der nun publizierten multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie FINEARTS-HF wurde daher die Wirkung von Finerenon (max. 20 oder 40 mg, abhängig von der GFR) zusätzlich zur Standardtherapie bei 6.001 Personen mit HFpEF oder HFmrEF über einen medianen Follow-up-Zeitraum von 32 Monaten doppelblind untersucht.

Die Finerenon-Behandlung führte zu einer signifikanten 16%igen Reduktion des kombinierten primären Endpunkts aus herzinsuffizienzbedingten Akutbehandlungen und kardiovaskulären Todesfällen (95% KI: 0,74–0,95; p = 0,007). Diese prognostische Verbesserung war insb. auf eine reduzierte Rate herzinsuffizienzbedingter Akutbehandlungen zurückzuführen, während sich die kardiovaskuläre Mortalität nicht signifikant zwischen den Gruppen unterschied (8,1% unter Finerenon vs. 8,7% unter Placebo). Eine Verbesserung der NYHA-Klasse zeigte sich für Finerenon nicht; für den Symptomscore KCCQ [60] ergab sich eine geringfügige, signifikante Verbesserung von 1,6 Punkten, deren klinische Relevanz zu hinterfragen ist.

Schwere unerwünschte Ereignisse traten in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf (38,7% vs. 40,5%), unter Finerenon kam es jedoch deutlich häufiger zu Hyperkaliämien (14,3% vs. 6,9%, mit Hospitalisierungen infolge Hyperkaliämie in 0,5% vs. 0,2% der Fälle).

Finerenon könnte damit eine neue Behandlungsoption bei HFpEF und HFmrEF zur Reduktion von Akutbehandlungen darstellen, wobei eine zwar signifikante, aber klinisch kaum relevante Verbesserung der Symptome und keine Effekte auf die Gesamtmortalität festgestellt wurden. Ob darüber hinaus der nachgewiesene prognostische Nutzen substanzspezifisch für Finerenon ist oder möglicherweise auch für den steroidalen MRA Spironolacton gilt, soll durch die aktuell laufende, vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) geförderte Studie SPIRIT-HF näher beleuchtet werden [61].

FINEARTS wurde von Bayer, dem Hersteller von Finerenon, gesponsert.

  • Titel der Studie: Finerenone in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction [62]
  • Autorenschaft: Solomon et al.
  • Journal: NEJM
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Ausgabe 293 - 07. September 2024toggle arrow icon

Faktor-XI-Inhibitoren – Ende im Gelände?

Studientelegramm 293-2024-1/3: Die Hemmung von aktiviertem Faktor XI ist mit der Hoffnung verbunden, eine Antikoagulation im Vergleich zu DOAK mit weniger Blutungsrisiko durchführen zu können. Faktor XI ist an der intraluminalen Thrombogenese („intrinsische Gerinnungskaskade“) beteiligt, hat jedoch kaum einen Effekt auf die durch Gewebefaktoren aktivierte Gerinnung („extrinsische Gerinnungskaskade“). In Phase-II-Studien konnte diese Sicherheit weitgehend bestätigt werden. Unklar blieb jedoch, wie effektiv das neue Wirkprinzip im Vergleich zu DOAK ist.

Auf dem ESC-Kongress wurde nun OCEANIC-AF präsentiert. Dabei handelt es sich um die erste Phase-III-Studie, die einen Faktor-XI-Inhibitor (Asundexian) mit dem DOAK Apixaban direkt vergleicht. 14.810 Personen mit Vorhofflimmern und Indikation zur oralen Antikoagulation wurden 1:1 randomisiert. Die Studie musste jedoch wegen des Nachweises einer klaren Unterlegenheit von Asundexian bzgl. der Thromboembolieprophylaxe vorzeitig beendet werden (siehe auch: Studientelegramm 274-2023-1/3). Bei Behandlung mit dem Faktor-XI-Inhibitor traten thromboembolische Ereignisse bei 1,3% der Personen auf, bei Behandlung mit dem DOAK hingegen bei lediglich 0,4%.

Obwohl Blutungsereignisse bei den mit Asundexian behandelten Personen weitaus seltener waren (0,2 vs. 0,7%), ist der neue Wirkstoff bei schlechterer Wirksamkeit keine Option zur Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern. Die Wirksamkeit in anderen Indikationen wird in laufenden Studien geprüft.

Die Studie wurde von Bayer finanziert.

Faktor-XI-Inhibitoren: Doch weiter, immer weiter?

Studientelegramm 293-2024-2/3: Obwohl OCEANIC-AF in der Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern die schlechtere Wirksamkeit des Faktor-XI-Inhibitors Asundexian gegenüber dem DOAK Apixaban nachweisen konnte, wurde auf dem ESC-Kongress das Studiendesign von LIBREXIA-AF publiziert. Hierbei soll ein anderer Wirkstoff aus der Gruppe der Faktor-XI-Inhibitoren (Milvexian) in derselben Indikation mit Apixaban verglichen werden.

Für den zweiten Versuch einer Phase-III-Studie spricht dabei laut den Initiatoren, dass durch eine im Vergleich zu Asundexian höhere Dosis und häufigere Einnahme von Milvexian eine stärkere Antikoagulation erreicht werden kann. Studienergebnisse werden erst in einigen Jahren vorliegen, sofern die Studie wie geplant durchgeführt wird und kein vorzeitiger Abbruch – wie bei OCEANIC-AF – erforderlich ist.

Ausführliche Insights zu den Neuigkeiten des diesjährigen ESC-Kongresses gibt es in der gestrigen Aufzeichnung, die in den unten verlinkten Beiträgen von MARKUS@HOMe [64] zu finden ist.

  • Titel des Artikels: Milvexian vs apixaban for stroke prevention in atrial fibrillation: The LIBREXIA atrial fibrillation trial rationale and design [65]
  • Autorenschaft: Jain et al.
  • Journal: American Heart Journal

HIF-Stabilisatoren auf dem Prüfstand

Studientelegramm 293-2024-3/3: Stabilisatoren des Hypoxie-induzierten Faktors (HIF-Stabilisatoren) stimulieren die endogene Bildung von Erythropoetin, indem sie den Prolylhydroxylase-vermittelten Abbau von HIF inhibieren. Sie wurden entwickelt, um die Therapiesicherheit bei renaler Anämie im Vergleich zur etablierten Behandlung mit Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESA) zu verbessern, bspw. Epoetin und Darbepoetin, da randomisiert-kontrollierte Studien (RCT) auf eine Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse unter ESA-Therapie hinweisen [66]. Allerdings wurde auch unter HIF-Stabilisatoren in mehreren RCT (u.a. PRO2TECT [67], ASCEND-ND [68], ROCKIES [69]) ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bzw. Thromboembolien beobachtet. Außerdem fielen vermehrt Malignome und Ösophagus-/Magenarrosionen auf.

Eine aktuelle Metaanalyse verglich daher die Sicherheit von HIF-Stabilisatoren mit ESA bzw. Placebo, insb. hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse. Dafür wurden die Daten von insg. 26.478 Personen (jeweils etwa zur Hälfte dialysepflichtig bzw. nicht-dialysepflichtig) mit Follow-up-Zeiträumen ≥48 Wochen ausgewertet. Die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse unterschied sich nicht zwischen HIF-Stabilisatoren und ESA. Gegenüber Placebo zeigte sich unter HIF-Stabilisatoren ein höheres Risiko für Thromboembolien, Infektionen und Hyperkaliämien.

Zu beachten ist, dass die Langzeitsicherheit der HIF-Stabilisatoren aufgrund der kurzen Beobachtungszeiträume weiterhin unklar bleibt. Dies ist insb. angesichts der wesentlichen Rolle von HIF in der Regulation des Zellmetabolismus und seiner Beteiligung an der Tumorprogression [70] relevant: Während unter HIF-Stabilisatoren das Malignomrisiko möglicherweise erhöht ist, wird im Gegenzug inzwischen ein Einsatz von HIF-Inhibitoren [71] in der Tumortherapie getestet.

  • Titel der Studie: Hypoxia-Inducible Factor Prolyl Hydroxylase Inhibitors in Kidney Disease [72]
  • Autorenschaft: Ha et al.
  • Journal: NEJM Evidence
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Ausgabe 292 - 24. August 2024toggle arrow icon

Mpox 2.0: Was ist anders an der neuen Variante?

Studientelegramm 292-2024-1/3: Aktuell werden erneut steigende Fallzahlen von Mpox beobachtet: Bislang sind in Afrika bereits mehr als 17.000 Verdachtsfälle aufgetreten (insb. in der Demokratischen Republik Kongo, DRC). Die Ausbreitungsdynamik, die veränderten Merkmale im Vergleich zum letzten Ausbruch und die Notwendigkeit von gezielten internationalen Maßnahmen veranlassten die WHO, vergangene Woche eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite („Public Health Emergency of international Concern“) auszurufen.

Der letzte Mpox-Ausbruch fand im Jahr 2022 statt. Das verantwortliche Monkeypox-Virus (MPXV) der Klade IIb wurde hierbei fast ausschließlich durch sexuelle Kontakte zwischen Männern, die Sex mit Männern haben, übertragen. Die Letalität der weltweiten Fälle lag insg. bei weniger als 1%. Fälle dieser Variante treten zwar weiterhin auf, spielen aber aktuell eine untergeordnete Rolle.

Die aktuelle Epidemie wird dagegen auf MPXV der Klade I zurückgeführt, das häufiger schwere Krankheitsverläufe verursacht und in der DRC bisher in mehr als 50% der Fälle Kinder unter 5 Jahren betraf. Erste Fälle von Klade I wurden inzwischen auch in Europa nachgewiesen.

Zur Eindämmung der Infektionen existiert ein Impfstoff, für den ein Ausbau der Produktionskapazitäten diskutiert wird. Die Sorge vor ähnlichen Auswirkungen wie bei der SARS-CoV-2-Pandemie scheint u.a. vor diesem Hintergrund und bspw. angesichts des eher an die Krankheitssymptomatik gekoppelten Beginns der Virustransmission unbegründet. Die Aufklärung und Erkennung von Mpox sowie die Unterbrechung von Infektionsketten bedarf aber erneut einer großen Aufmerksamkeit.

Das JAMA hat nun einen kurzen lesenswerten Übersichtsartikel zu Mpox zusammengestellt, den wir für einen Überblick über die aktuelle Situation empfehlen. Das Robert Koch-Institut bietet außerdem ein hilfreiches Flussschema [73] zum Umgang mit Verdachtsfällen.

  • Titel des Artikels: The Resurgence of Mpox in Africa [74]
  • Autorenschaft: Rivers et al.
  • Journal: JAMA

Reduziertes Hyperkaliämierisiko unter GLP1-Analoga?

Studientelegramm 292-2024-2/3: Neben ihren kardio- und nephroprotektiven Eigenschaften senken SGLT2-Inhibitoren das Serumkalium und somit auch das Hyperkaliämierisiko. Dies ist insb. bei einer häufig gleichzeitig indizierten Gabe von RAAS-Inhibitoren relevant, die das Serumkalium i.d.R. erhöhen und daher ggf. abgesetzt werden müssen. Eine große epidemiologische Studie in den USA zeigte kürzlich, dass auch die Gabe von GLP1-Analoga mit einem geringeren Hyperkaliämierisiko assoziiert ist [75]. Aufgrund methodischer Limitationen können diese Ergebnisse jedoch nicht detailliert analysiert und eindeutig interpretiert werden.

Nun wurde auch in Europa eine große retrospektive Kohortenstudie zu diesem Thema veröffentlicht. Basierend auf Gesundheitsdaten aus dem schwedischen SCREAM-Projekt [76] wurden 33.280 Personen mit Diabetes mellitus unter GLP1-Analoga oder DDP4-Inhibitoren hinsichtlich des Auftretens von Hyperkaliämien und der fortgesetzten Einnahme von RAAS-Inhibitoren verglichen. Die Therapie mit GLP1-Analoga war dabei vergleichsweise deutlich seltener mit dem Auftreten von (insb. moderaten bis schweren) Hyperkaliämien assoziiert (Serumkalium >5,5 mmol/L; HR: 0,52; 95% KI: 0,28–0,84). Zusätzlich ging die Gabe von GLP1-Analoga mit einer um 11% geringeren Therapieabbruchrate von RAAS-Inhibitoren einher (95% KI: 0,82–0,97).

Auch diese Ergebnisse stammen aus retrospektiven Datenerhebungen. Sekundäranalysen randomisierter Interventionsstudien zu GLP1-Analoga werden im nächsten Schritt aufzeigen müssen, ob sich diese klinisch sehr relevanten Beobachtungen bestätigen lassen.

  • Titel der Studie: GLP-1RA vs DPP-4i Use and Rates of Hyperkalemia and RAS Blockade Discontinuation in Type 2 Diabetes [77]
  • Autorenschaft: Huang et al.
  • Journal: JAMA Internal Medicine

Was machen Sachen: SGLT2-Inhibitoren

Studientelegramm 292-2024-3/3: SGLT2-Inhibitoren haben ausgeprägte kardio- und nephroprotektive Effekte. Die genauen Hintergründe sind allerdings weiterhin unklar und Gegenstand medizinischer Forschung. Als ein möglicher Mechanismus wird eine osmotisch gesteigerte Diurese durch vermehrte Natriumausscheidung und die durch die Substanzklasse induzierte Glucosurie diskutiert.

Zu dieser Hypothese wurde nun die monozentrische, randomisierte, placebokontrollierte Studie DAPA-Shuttle1 publiziert, in der die Effekte von Dapagliflozin auf die Konzentration osmotisch aktiver Substanzen im Urin (Osmolytkonzentration; primärer Endpunkt) sowie u.a. die Ausscheidung von freiem Wasser (sekundärer Endpunkt) untersucht wurden. 33 Personen mit Herzinsuffizienz und reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) im NYHA-Stadium I oder II erhielten 4 Wochen lang zusätzlich zu ihrer Dauermedikation täglich entweder 10 mg Dapagliflozin oder ein Placebo. 29 der Teilnehmenden konnten in die Analyse einbezogen werden. Erwartungsgemäß kam es unter Dapagliflozin zu einer signifikant gesteigerten und anhaltenden Glucosurie. Das Urinvolumen nahm dabei insg. allerdings nicht signifikant zu, was sich durch eine vermehrte Vasopressinfreisetzung mit konsekutiv proportionaler Verringerung der Ausscheidung von freiem Wasser erklären ließ.

Die Studie konnte also zeigen, dass physiologische Regelkreise zur adaptiven Wasserretention eine osmotisch gesteigerte Diurese durch Dapagliflozin verhindern und die Therapie das Urinvolumen nicht vergrößert. Somit müssen andere Mechanismen ursächlich für die positiven Effekte von SGLT2-Inhibitoren sein. Bei MARKUS@HOMe wurde diese Woche eine ausführliche Diskussion von DAPA-Shuttle1 [78] mit Dr. Adriana Marton und Prof. Jens Titze aus dem Studienteam veröffentlicht.

  • Titel der Studie: Water Conservation Overrides Osmotic Diuresis During SGLT2 Inhibition in Patients With Heart Failure [79]
  • Autorenschaft: Marton et al.
  • Journal: Journal of the American College of Cardiology
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Ausgabe 291 - 10. August 2024toggle arrow icon

DOAK nach Vorhofohrverschluss

Studientelegramm 291-2024-1/3: Eine optimale antithrombotische Therapie nach einem interventionellen Vorhofohrverschluss (LAA-Okklusion) bei Vorhofflimmern ist bisher aufgrund mangelnder Daten nicht etabliert.

Die europäische, multizentrische ADALA-Studie verglich daher nun in den ersten 3 Monaten nach LAA-Okklusion die Effektivität und Sicherheit einer niedrigdosierten direkten oralen Antikoagulation (DOAK) durch 2,5 mg Apixaban (2×/d) mit einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) durch 100 mg ASS und 75 mg Clopidogrel (jeweils 1×/d). Dafür wurden 90 Personen nach Implantation eines LAA-Okkluders randomisiert, wobei die geringe Teilnehmendenzahl auf eine pandemiebedingte vorzeitige Beendigung zurückzuführen ist.

Unter DOAK waren schwere Blutungen und thromboembolische Ereignisse (kombinierter primärer Endpunkt) gegenüber DAPT signifikant reduziert (4,5% vs. 21,7%; HR 0,19; 95% KI: 0,04–0,88; p = 0,02). Es zeigten sich hierbei insb. signifikant weniger Device-assoziierte Thromboembolien und numerisch seltener schwere Blutungen unter Apixaban.

ADALA deutet somit auf eine überlegene Sicherheit und Effektivität von DOAK nach LAA-Okklusion hin. Insb. angesichts der kleinen untersuchten Kohorte sind jedoch größere Studien notwendig, um die Ergebnisse zu validieren.

SGLT2-Inhibitoren: Doch keine DEFENDER?

Studientelegramm 291-2024-2/3: Die nachgewiesenen nephro- und kardioprotektiven Effekte von SGLT2-Inhibitoren (siehe auch: Studientelegramm 244-2022-2/3) veranlassten Tavares et al., die Anwendung von Dapagliflozin bei akuter Organdysfunktion zu untersuchen. In der nun veröffentlichten multizentrischen DEFENDER-Studie wurden daher 507 Personen mit Zeichen einer kardiovaskulären, renalen und/oder respiratorischen Dysfunktion nach ihrer (ungeplanten) Aufnahme auf eine Intensivstation randomisiert. Sie erhielten entweder nur die Standardtherapie oder zusätzlich 1×/d 10 mg Dapagliflozin bis zur Entlassung von der Intensivstation bzw. für max. 14 Tage.

Der kombinierte primäre Endpunkt, ein hierarchisches Kompositum aus Krankenhausletalität, Einleitung einer Nierenersatztherapie und Dauer der Intensivtherapie, unterschied sich nicht zwischen beiden Gruppen. Allenfalls die Einleitung einer Nierenersatztherapie war unter Dapagliflozin jedoch numerisch seltener notwendig. Erwähnenswert ist – trotz dieses fehlenden Benefits von Dapagliflozin – das Sicherheitsprofil des Wirkstoffs in dieser kritisch kranken Kohorte: Relevante Sicherheitsendpunkte wie Harnwegs- und Blutstrominfektionen sowie Hypoglykämien traten unter Dapagliflozin nicht häufiger auf als in der Kontrollgruppe.

  • Titel der Studie: Dapagliflozin for Critically Ill Patients With Acute Organ Dysfunction: The DEFENDER Randomized Clinical Trial [81]
  • Autorenschaft: Tavares et al.
  • Journal: JAMA

FINEARTS-HF: Finerenon bei HFpEF

Studientelegramm 291-2024-3/3: Zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) wird eine durch Studien validierte medikamentöse Vierfachtherapie empfohlen. Bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) konnte dagegen bislang nur für SGLT2-Inhibitoren ein deutlicher prognostischer Nutzen nachgewiesen werden. Weitere Medikamente der Vierfachtherapie bei HFrEF (AT1-Rezeptorblocker mit oder ohne Sacubitril, ACE-Inhibitoren und Betablocker) zeigten bisher in großen Interventionsstudien bei HFpEF keinen eindeutigen Benefit. Auch der Mineralocorticoidrezeptor-Antagonist (MRA) Spironolacton konnte in der TOPCAT-Studie die Prognose nicht signifikant verbessern. Nach Veröffentlichung wurden diese Ergebnisse allerdings methodisch angezweifelt, insb. aufgrund gravierender regionaler Unterschiede.

Nun hat Bayer als Sponsor über die Ergebnisse der Phase-III-Studie FINEARTS-HF berichtet, kurz bevor diese auf dem Kongress der European Society of Cardiology präsentiert werden sollen. FINEARTS-HF testete den nicht-steroidalen MRA Finerenon (Kerendia®) doppelblind, multizentrisch und randomisiert bei rund 6.000 Personen mit HFpEF. Laut Pressemitteilung wurde der kombinierte primäre Endpunkt (stationäre Aufnahme oder dringende medizinische Vorstellung infolge einer Herzinsuffizienz sowie kardiovaskuläre Todesfälle) erreicht. Genauere Angaben zu den Daten liegen jedoch noch nicht vor.

Sollten sich die Ergebnisse nach detaillierter Analyse der Daten bestätigen, wird FINEARTS-HF die Frage aufwerfen, ob die Ergebnisse substanzspezifisch für Finerenon sind oder sich auf andere MRA übertragen lassen.

  • Titel der Pressemitteilung: Finerenone meets primary endpoint in Phase III FINEARTS-HF cardiovascular outcomes study in patients with heart failure with mildly reduced or preserved ejection fraction [82]
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Ausgabe 290 - 27. Juli 2024toggle arrow icon

PARIS 2024 I – Plötzlicher Herztod bei jungen Athletinnen und Athleten

Studientelegramm 290-2024-1/3: Zum Start der Olympischen Sommerspiele in Paris berichten wir in dieser Ausgabe des Studien-Telegramms über einige sportmedizinisch relevante Themen. Regelmäßige körperliche Aktivität schützt insb. vor kardiovaskulären Erkrankungen und sollte daher bei fast allen Menschen zentraler Bestandteil der Primär- und Sekundärprävention sein. In seltenen Fällen kommt es jedoch bei vermeintlich gesunden Menschen während Training oder Wettkampf zu schweren kardiovaskulären Ereignissen. So kollabierte bspw. der dänische Fußballer Christian Eriksen während eines Spiels der Fußball-Europameisterschaft 2021 und musste reanimiert werden.

Zu Beginn des Olympiajahres wurde ein sehr lesenswertes Review zum plötzlichen Herztod bei jungen Athletinnen und Athleten veröffentlicht, das folgende Kernpunkte enthält:

1.) Angeborene Herzerkrankungen sind die häufigste Ursache des plötzlichen Herztodes bei jungen Athletinnen und Athleten.

2.) Ein plötzlicher Herztod kann durch ein kardiologisches Screening vor der Teilnahme an Wettkämpfen verhindert werden.

3.) Es sollten wirksame Maßnahmen im öffentlichen Raum unternommen werden, um die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Reanimation zu erhöhen.

4.) Bei Diagnose einer Herzerkrankung sollten junge Athletinnen und Athleten nicht pauschal vom Wettbewerb ausgeschlossen, sondern unter ärztlicher Beratung partizipativ über die Teilnahme entschieden werden.

  • Titel des Reviews: Sudden Cardiac Death in Young Athletes: JACC State-of-the-Art Review
  • Autorenschaft: Finocchiaro et al.
  • Journal: Journal of the American College of Cardiology [83]

PARIS 2024 II – EKG-Veränderungen bei Athletinnen und Athleten

Studientelegramm 290-2024-2/3: Das 12-Kanal-EKG ist ein wichtiger Bestandteil kardiologischer Untersuchungen und kann bei der Diagnose bisher unerkannter Herzerkrankungen helfen. Bei der Interpretation der Befunde von Athletinnen und Athleten muss allerdings berücksichtigt werden, dass bei ihnen aufgrund kardialer Anpassungsvorgänge durch den intensiven Sport EKG-Veränderungen vorliegen können, die bei anderen Menschen als pathologisch gelten. Dazu zählen bspw. Sinusbradykardien oder geringgradige AV-Blockierungen, erhöhte QRS-Amplituden, frühe Repolarisation oder unter bestimmten Umständen sogar Erregungsrückbildungsstörungen in definierten Ableitungen.

Um diesen besonderen Anforderungen gerecht werden zu können, wurden vor einigen Jahren internationale Empfehlungen zur EKG-Interpretation veröffentlicht, die auch heute noch eine gute Hilfestellung bieten. Als abklärungsbedürftig gelten demnach bei Athletinnen und Athleten u.a. ST-Senkungen ≥0,5 mm oder T-Negativierungen ≥1 mm in mind. zwei zusammengehörigen Ableitungen, pathologische Q-Wellen, ein kompletter Linksschenkelblock, QT-Zeit-Verlängerungen, Sinusbradykardien <30/min, höhergradige AV-Blockierungen, Vorhofflimmern und ventrikuläre Tachykardien.

  • Titel des Artikels: International recommendations for electrocardiographic interpretation in athletes
  • Autorenschaft: Sharma et al.
  • Journal: European Heart Journal [84]

PARIS 2024 III – Doping mit Kohlenstoffmonoxid?

Studientelegramm 290-2024-3/3: Im internationalen Leistungssport ist auch das Doping mittels leistungssteigernder Substanzen ein viel diskutiertes Thema. Nachdem in den letzten Jahrzehnten u.a. Erythropoetin und andere Agenzien zur Stimulation der Erythropoese eingesetzt wurden, erregte insb. während der letzten Tour de France der leistungssteigernde Einsatz von Kohlenstoffmonoxid (CO) mediales Interesse.

Bereits 2020 wurde eine kleine Studie zu diesem Thema veröffentlicht, ohne dass die Methode bisher größere Aufmerksamkeit erhielt. Die Ergebnisse zeigten, dass sich durch regelmäßige CO-Inhalationen die Erythropoese steigern und die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) erhöhen lässt. Die Publikation enthält u.a. detaillierte Informationen zur Pathophysiologie der potenziellen Dopingmethode.

  • Titel der Studie: Chronic Exposure to Low-Dose Carbon Monoxide Alters Hemoglobin Mass and VO2max
  • Autorenschaft: Schmidt et al.
  • Journal: Medicine & Science in Sports & Exercise [85]
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Ausgabe 289 - 13. Juli 2024toggle arrow icon

Die süße Lösung: SGLT2-Inhibitoren bei älteren Menschen

Studientelegramm 289-2024-1/3: Auch wenn SGLT2-Inhibitoren bei Diabetes mellitus, chronischer Nierenerkrankung und chronischer Herzinsuffizienz zur Standardtherapie gehören, besteht weiterhin die Frage, ob auch Personen mit Multimorbidität oder Gebrechlichkeit von diesen Präparaten profitieren. Unklar ist hierbei, ob der protektive Effekt der SGLT2-Inhibitoren durch möglicherweise vermehrte oder schwerwiegendere Nebenwirkungen aufgehoben wird. Die Datenlage ist diesbezüglich schwierig zu beurteilen, da betroffene Personen i.d.R. nicht ausreichend in klinischen Studien repräsentiert sind und zudem die Definition von Gebrechlichkeit („Frailty“) nicht einheitlich ist.

Eine Post-hoc-Analyse der doppelblinden, placebokontrollierten EMPA-KIDNEY-Studie (siehe auch: Studientelegramm 243-2022-2/3) fokussierte nun den Einfluss von Gebrechlichkeit und Multimorbidität auf die Studienergebnisse: Auch bei gebrechlichen Personen schritt die chronische Nierenerkrankung unter Empagliflozin langsamer voran; zudem wurden Todesfälle kardiovaskulärer Ursache und Hospitalisierungen deutlich reduziert. Sicherheitsbedenken traten dagegen nicht auf.

Da bei gebrechlichen Personen das Risiko für renale Ereignisse, Hospitalisierung und Tod steigt, scheint der absolute Benefit der SGLT2-Therapie in dieser Hochrisikogruppe sogar größer zu sein als bei weniger/nicht gebrechlichen Personen.

  • Titel der Studie: Frailty, multimorbidity and polypharmacy: exploratory analyses of the effects of empagliflozin from the EMPA-KIDNEY trial [86]
  • Autorenschaft: Mayne et al.
  • Journal: Clinical Journal of the American Society of Nephrology

ESC-Ausblick I – FINEARTS und Guidelines

Studientelegramm 289-2024-2/3: Der Kongress der European Society of Cardiology (ESC) findet dieses Jahr vom 30. August bis zum 2. September in London statt. Mit besonderem Interesse werden erneut insb. das wissenschaftliche Kongressprogramm sowie die Vorstellung neuer Leitlinien erwartet. [87]

Als eines der Highlights für Zielgruppen auch außerhalb der Kardiologie gilt dabei die Präsentation der FINEARTS-HF-Studie [88] zur Gabe des nicht-steroidalen Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten (MRA) Finerenon (Kerendia®) bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF). Bei diabetischer Nephropathie mit Albuminurie wurden für Finerenon bereits nephro- und kardioprotektive Effekte nachgewiesen (FIDELIO-DKD – siehe auch: Studientelegramm 145-2020-1/3; FIGARO-DKD – siehe auch: Studientelegramm 186-2021-1/3; FIDELITY – siehe auch: Studientelegramm 198-2021-2/3). Der klassische MRA Spironolacton zeigte jedoch in der TOPCAT-Studie [89] bei HFpEF keinen signifikanten Benefit. Nach Veröffentlichung wurden diese Ergebnisse allerdings methodisch angezweifelt [90], insb. aufgrund gravierender regionaler Unterschiede. FINEARTS-HF soll nun entweder die fehlende Wirksamkeit von MRA bei HFpEF bestätigen oder das schmale Spektrum medikamentöser Therapieoptionen erweitern.

Zudem werden vier neue ESC-Leitlinien [91] veröffentlicht: zur Behandlung von erhöhtem Blutdruck und Hypertonie, chronischen Koronarsyndromen, Vorhofflimmern sowie Erkrankungen der peripheren Arterien und der Aorta.

ESC-Ausblick II – BedMed/BedMed-Frail

Studientelegramm 289-2024-3/3: Ein hypertensiologischer Höhepunkt des ESC-Kongresses soll die Präsentation der BedMed- [92] und BedMed-Frail-Studien [93] werden, in denen die wichtige Frage untersucht wurde, ob sich der Einnahmezeitpunkt von Antihypertensiva prognostisch auswirkt.

Bekanntermaßen wirkt sich eine nächtliche Hypertonie bzw. eine unzureichende Nachtabsenkung des Blutdrucks stärker auf das kardiovaskuläre Risiko aus als erhöhte Blutdruckwerte imTagesverlauf. Die Ergebnisse der 2010 publizierten MAPEC-Studie [94] hatten einen erheblichen Vorteil einer abendlichen Antihypertensiva-Einnahme suggeriert (61% reduziertes relatives Risiko schwerer kardiovaskulärer Ereignisse). Aufgrund methodischer und statistischer Unklarheiten (insb. bzgl. der Randomisierung und des großen Ausmaßes des ermittelten Effekts, der den bisher nachgewiesenen absoluten Vorteil von Antihypertensiva gegenüber Placebo überstieg) wurden diese Ergebnisse jedoch angezweifelt [95]. Die 2022 veröffentlichte TIME-Studie konnte dagegen keinen Vorteil einer abendlichen Antihypertensiva-Einnahme hinsichtlich kardiovaskulär bedingter Todesfälle und Hospitalisierungen nachweisen [96]. Da sich allerdings keine Sicherheitsbedenken hinsichtlich der abendlichen Einnahme ergaben, empfahlen die Autorinnen und Autoren eine individuelle Entscheidung über Einnahmezeitpunkte.

Ebenso wie in TIME nahmen auch die Teilnehmenden von BedMed und BedMed-Frail alle 1× täglich verordneten Antihypertensiva randomisiert entweder am Morgen oder vor dem Zubettgehen ein. Während BedMed ambulant behandelte Personen mit arterieller Hypertonie untersuchte, wurden für BedMed-Frail gezielt in Pflegeheimen lebende Personen rekrutiert. Neben dem fraglichen Vorteil einer abendlichen Einnahme von Antihypertensiva können so auch ggf. vermehrte Nebenwirkungen bei Gebrechlichkeit beurteilt werden (bspw. erhöhtes Ischämie- oder Sturzrisiko).

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Q2 2024toggle arrow icon

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Ausgabe 288 - 29. Juni 2024toggle arrow icon

Vitamin D: Frischer Wind in alten Segeln?

Studientelegramm 288-2024-1/3: Der Einfluss des Vitamin-D-Spiegels auf akute und chronische Erkrankungen ist noch immer umstritten: Während Beobachtungsstudien zeigten, dass erniedrigte Vitamin-D-Spiegel mit einer Vielzahl von Erkrankungen (u.a. kardiovaskuläre und onkologische Erkrankungen sowie Infektionskrankheiten) assoziiert sind, konnte in randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) kein Vorteil einer prophylaktischen Vitamin-D-Gabe nachgewiesen werden. Überwiegend wurden in diesen Studien jedoch Personen mit normwertigen Vitamin-D-Spiegeln untersucht, weshalb Subpopulationen mit niedrigen Spiegeln nicht mit ausreichender statistischer Power beurteilt werden konnten. Die internationale Endocrine Society wertete diese unübersichtliche Studienlage nun aus und veröffentlichte eine Praxisleitlinie zur primärpräventiven Vitamin-D-Substitution, deren Inhalte in einer Übersicht [97] prägnant zusammengefasst sind.

Eine solche Vitamin-D-Substitution wird ausschließlich Kindern und Jugendlichen <18 Jahren, älteren Menschen ≥75 Jahren, Schwangeren und Personen mit Prädiabetes empfohlen. Die Therapie soll einer Rachitis vorbeugen sowie ggf. das Risiko für Atemwegsinfekte, Mortalität, prä- oder postnatale Komplikationen und die Progression eines Prädiabetes reduzieren. Die Substitution erfordert keine vorherige Spiegelkontrolle und kann durch angereicherte Nahrungsmittel und/oder Vitamin-D-Präparate erfolgen. Bei gesunden Erwachsenen <75 Jahren sollte dagegen weder der Vitamin-D-Spiegel bestimmt noch Vitamin D supplementiert werden, aber dennoch auf eine ausreichende Vitamin-D-Tageszufuhr geachtet werden (≤70 Jahre: 600 IE/d, >70 Jahre: 800 IE/d).

  • Titel der Leitlinie: Vitamin D for the Prevention of Disease: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline [98]
  • Autorenschaft: Demay et al.
  • Journal: Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism

Vitamin D: Alter Wein in neuen Schläuchen?

Studientelegramm 288-2024-2/3: Wenige Monate vor Erscheinen der Leitlinie der Endocrine Society wurden die bislang unklaren Auswirkungen eines niedrigen Vitamin-D-Spiegels in einer Metaanalyse untersucht. Dabei wurden 33 Beobachtungsstudien einbezogen und zudem die Datensätze von 4 großen bevölkerungsbezogenen Kohortenstudien mittels Mendelscher Randomisierung ausgewertet. Um den Einfluss potenzieller Störgrößen zu minimieren, werden bei dieser Methode in der Bevölkerung zufällig verteilte genetische Varianten verglichen, die einen untersuchten (Risiko‑)Parameter direkt beeinflussen.

In diesem Fall wurden Varianten von vier Genen in die Analyse einbezogen, die nachweislich in den Transport, den Stoffwechsel und die Synthese von Vitamin D involviert sind. So ließen sich bis zu 5,8% Varianz des Vitamin-D-Spiegels in den untersuchten Populationen erklären. Während ein niedriger Vitamin-D-Spiegel zwar gemäß der Beobachtungsstudien (erneut) mit einem erhöhten Gesamtmortalitäts- und kardiovaskulären Risiko assoziiert war, ließ sich unter Berücksichtigung der Mendelschen Randomisierung kein derartiger Einfluss mehr nachweisen. Die Autorinnen und Autoren gehen daher nicht von einem prognostischen Vorteil einer Vitamin-D-Gabe aus. Zukünftige weitere Diskussionen um Vitamin D sind somit anzunehmen.

  • Titel der Studie: Estimating dose-response relationships for vitamin D with coronary heart disease, stroke, and all-cause mortality: observational and Mendelian randomisation analyses [99]
  • Autorenschaft: Emerging Risk Factors Collaboration / EPIC-CVD / Vitamin D Studies Collaboration
  • Journal: The Lancet – Diabetes & Endocrinology

Den Blutdruck im Griff: Zilebesiran-Antagonisierung mit reverser siRNA

Studientelegramm 288-2024-3/3: Kürzlich berichteten wir über Zilebesiran, eine small interfering RNA (siRNA), die nach einmaliger subkutaner Injektion für bis zu 6 Monate die hepatische Bildung von Angiotensinogen hemmt und so den Blutdruck senkt (siehe: Studientelegramm 285-2024-2/3). Auch wenn die subkutane Gabe die Therapieadhärenz und damit die effektive Blutdrucksenkung möglicherweise verbessert, besteht im Falle akuter Hypotonien (bspw. durch Flüssigkeitsverlust) die Gefahr einer verminderten physiologischen Gegenregulation.

Nun wurde eine tierexperimentelle Studie veröffentlicht, welche die Sicherheit von Zilebesiran deutlich erhöhen könnte: Mit der reversen siRNA REVERSIR konnte bei hypertensiven Ratten die Wirkung der siRNA antagonisiert werden. REVERSIR besteht aus Oligonukleotideinzelsträngen, die komplementär zur eingesetzten siRNA sind und diese somit blockieren. Durch eine dosisabhängige Wiederherstellung der Angiotensinogenbildung normalisierte sich der Blutdruck innerhalb von 5–7 Tagen auf den Ausgangswert.

Der Weg von Zilebesiran in die klinische Anwendung ist noch weit, könnte nun aber sicherer werden, wenn bis dahin ein Antagonist verfügbar ist.

  • Titel der Studie: Counteracting Angiotensinogen Small-Interfering RNA-Mediated Antihypertensive Effects With REVERSIR [100]
  • Autorenschaft: Ye et al.
  • Journal: Hypertension
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Ausgabe 287 - 15. Juni 2024toggle arrow icon

Lowering Lipids: Neue Therapieansätze mit RNA-Interferenz

Studientelegramm 287-2024-1/3: Hyperlipidämien sind einer der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung der Atherosklerose und somit auch der Pathogenese kardiovaskulärer Erkrankungen. Neben einer Lebensstiländerung kann eine medikamentöse Therapie erfolgen, insb. mit Statinen, Ezetimib, Bempedoinsäure und PCSK9-Inhibitoren. In Genom-Sequenzierungen ließen sich neben PCSK9 mit ApoC3 und ANGPTL3 weitere Gene identifizieren, die eine wichtige Rolle im Lipidstoffwechsel spielen.

Gleichzeitig wurden nun zwei doppelblinde, placebokontrollierte Phase-II-Studien zu den Wirkstoffen Zodasiran (ARCHES-2-Studie) und Plozasiran (MUIR-Studie) veröffentlicht. Dabei handelt es sich um „small interfering RNAs“ (siRNAs), die in Hepatozyten die Zielgene adressieren. In diesen Studien erhielten 353 bzw. 204 Personen mit gemischter Hyperlipidämie im Abstand von überwiegend 12 Wochen entweder zweimal den jeweiligen Wirkstoff (Plozasiran oder Zodasiran in einer von drei verschiedenen Dosierungen) oder ein Placebo subkutan. Dosisabhängig ließen sich mit beiden Substanzen die Triglycerid-Serumspiegel nach 24 Wochen (primärer Endpunkt) signifikant deutlich stärker senken als mit Placebo. Zudem wurden auch die Serumspiegel nachweislich atherogener Lipoproteine deutlich gesenkt (insb. Non-HDL-Cholesterin und ApoB, sekundäre Endpunkte), was auf einen positiven Einfluss bei kardiovaskulären Endpunkten in zukünftigen Studien hoffen lässt. Schwere unerwünschte Wirkungen traten nicht auf, in Subgruppen ließ sich jedoch eine verschlechterte Blutzuckereinstellung beobachten.

Eine große Studie zur Untersuchung dieser Effekte auf kardiovaskuläre Endpunkte ist bereits geplant und kann mit Spannung erwartet werden. Wie Cholesterin auch ohne medikamentöse Therapie gesenkt werden kann, wurde kürzlich bei MARKUS@HOMe diskutiert [101].

Die beiden Studien wurden von Arrowhead Pharmaceuticals finanziert, dem Hersteller der siRNAs.

  • Titel der Studien
    • ARCHES-2-Studie: Zodasiran, an RNAi Therapeutic Targeting ANGPTL3, for Mixed Hyperlipidemia [102]
    • MUIR-Studie: Plozasiran, an RNA Interference Agent Targeting APOC3, for Mixed Hyperlipidemia [103]
  • Autorenschaft
    • ARCHES-2-Studie: Rosenson et al.
    • MUIR-Studie: Ballantyne et al.
  • Journal: NEJM

ARNI and the Brain: Friends or Foes?

Studientelegramm 287-2024-2/3: Der Angiotensin-Rezeptor-/Neprilysin-Inhibitor (ARNI) Entresto® ist ein Kombinationspräparat aus dem AT1-Rezeptor-Blocker Valsartan und dem Neprilysin-Inhibitor Sacubitril. Bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) kann es anstelle eines ACE-Hemmers oder AT1-Rezeptor-Blockers eingesetzt werden. Aufgrund pathophysiologischer Erwägungen wurde jedoch befürchtet, dass eine längerfristige Einnahme von Sacubitril zu kognitiven Beeinträchtigungen führen könnte: Neprilysin ist am Abbau von β-Amyloid-Peptiden beteiligt, die z.T. neurotoxisch und mit der Entstehung einer Alzheimer-Demenz assoziiert sind. In bisherigen Studien ergab sich allerdings kein Hinweis auf nachteilige kognitive Auswirkungen unter ARNI.

Nun wurden dazu auch Ergebnisse einer vorab definierten Teilstudie der Phase-III-Studie PARAGON-HF (siehe auch: Studientelegramm 141-2020-2/3), die Sacubitril/Valsartan bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) untersuchte, veröffentlicht. Von den 2.895 Teilnehmenden (60% der PARAGON-HF-Kohorte) erhielten 1.453 Sacubitril/Valsartan und 1.442 Valsartan. Um die kognitive Funktion zu überprüfen, erfolgte wiederholt ein Mini-Mental-Status-Test (MMST), bei dem niedrigere Werte (<27) für eine kognitive Einschränkung sprechen (Maximalpunktzahl: 30). Die Veränderung des MMST-Scores vom Ausgangswert nach 96 Wochen unterschied sich zwischen den Gruppen nicht signifikant (mittlerer Unterschied: -0,01; 95% KI: -0,20–0,19; p = 0,95). Auch weitere Post-hoc-Analysen zur kognitiven Funktion (bspw. MMST-Abnahme auf <24 Punkte oder Auftreten demenzbedingter unerwünschter Ereignisse) zeigten nach einem medianen Follow-up-Zeitraum von 32 Monaten keine signifikanten Unterschiede.

Somit ergeben sich aktuell weiterhin keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen unter Sacubitril. Berücksichtigt werden sollten allerdings neben allgemeinen Limitationen des MMST (insb. eingeschränkte Sensitivität für milde kognitive Einschränkungen) die insg. geringere Morbidität der untersuchten Subkohorte im Vergleich zur PARAGON-HF-Studienpopulation und die relativ kurze Nachbeobachtungszeit dieser Studie.

PARAGON-HF wurde von Novartis finanziert.

  • Titel der Studie: Effect of Sacubitril/Valsartan on Cognitive Function in Patients With Heart Failure With Preserved Ejection Fraction: A Prespecified Analysis of PARAGON-HF [104]
  • Autorenschaft: Dewan et al.
  • Journal: Circulation

Unterrepräsentierte Komorbiditäten: Kardiologische Studien im Real-World-Test

Studientelegramm 287-2024-3/3: Bei einer Herzinsuffizienz mit gering reduzierter oder erhaltener Ejektionsfraktion (HFmrEF bzw. HFpEF) bestehen häufig Komorbiditäten, die in besonderem Maße die Prognose beeinflussen. Von den Studien, die zur Zulassung und Empfehlung medikamentöser Therapien führen, sind Personen mit schwerwiegenden Komorbiditäten und einer dadurch (mit‑)bedingten schlechteren Prognose jedoch häufig ausgeschlossen.

Eine monozentrische Studie übertrug daher die Ein- und Ausschlusskriterien 6 wegweisender kardiologischer Studien auf 407 Personen, die innerhalb eines Jahres wegen einer HFpEF oder HFmrEF in der Notaufnahme behandelt wurden. In die Analyse einbezogen wurden die Studien CHARM-Preserved (Candesartan) [105], I-PRESERVE (Irbesartan) [106], TOPCAT (Spironolacton) [89], PARAGON-HF (Sacubitril/Valsartan) [107], EMPEROR-Preserved (Empagliflozin) [108] und DELIVER (Dapagliflozin) [109].

Aufgrund der Ausschlusskriterien wären zwischen 28% (PARAGON-HF) und 88% (CHARM-Preserved) der untersuchten Real-World-Kohorte nicht in diese Studien aufgenommen worden. Zu den häufigsten Ausschlusskriterien bei diesen Personen gehörten eine fortgeschrittene chronische Nierenerkrankung, schwere Herzklappenerkrankung oder COPD mit Langzeitsauerstofftherapie. Personen der Real-World-Kohorte, die aus den Studien ausgeschlossen worden wären, wiesen gegenüber potenziell geeigneten Personen der Kohorte eine signifikant geringere 2-Jahres-Überlebensrate auf.

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse sollten die retrospektive, monozentrische Datenerhebung und die Fokussierung auf Personen mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz beachtet werden. Dennoch verdeutlicht die Untersuchung, dass Studienergebnisse wegen der zugrunde liegenden (hoch‑)selektierten Studienpopulationen nur mit Vorsicht auf die klinische Versorgung aller Personengruppen übertragen werden können.

  • Titel der Studie: Non-eligibility for pivotal HFpEF/HFmrEF outcome trials and mortality in a contemporary heart failure cohort [110]
  • Autorenschaft: Santner et al.
  • Journal: European Journal of Internal Medicine
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Ausgabe 286 - 01. Juni 2024toggle arrow icon

ERA-Rückblick I: Panta rhei

Studientelegramm 286-2024-1/3: Das GLP1-Analogon Semaglutid (Ozempic® und Wegovy®) stand zuletzt insb. aufgrund der Gewichtsreduktion bei Adipositas und möglicher kardioprotektiver Effekte im Rampenlicht (siehe: Studientelegramm 283-2024-2/3). Die Phase-III-Studie FLOW zu potenziell auch nephroprotektiven Effekten des Wirkstoffs wurde letztes Jahr vorzeitig beendet, nachdem sich bereits in Interimsanalysen ein signifikanter Benefit gezeigt hatte (siehe auch: Studientelegramm 272-2023-3/3). Die Studienergebnisse wurden nun auf dem Jahreskongress der European Renal Association (ERA) in Stockholm präsentiert und parallel im NEJM publiziert.

Untersucht wurden 3.533 Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 und chronischer Nierenerkrankung (CKD) mit hohem Progressionsrisiko (definiert anhand der eGFR und des Albumin-Kreatinin-Quotienten). Sie erhielten 1:1-randomisiert wöchentlich entweder Semaglutid (Zieldosis: 1 mg) oder ein Placebo subkutan. Primärer Endpunkt war eine Kombination aus CKD-Progression (Dialysebeginn oder Nierentransplantation, eGFR dauerhaft <15 mL/min/1,73 m2 oder Reduktion um 50%) und Tod aus renaler oder kardiovaskulärer Ursache.

Der eindrückliche Einfluss auf den primären Endpunkt wurde bereits im März in einer Pressemitteilung [111] kommuniziert: Unter Semaglutid ließ sich während des medianen Follow-up-Zeitraums von 3,4 Jahren eine relative Risikoreduktion um 24% (95% KI: 0,66–0,88; p = 0,0003) beobachten. In der detaillierten Analyse der Studiendaten beeindruckt zudem insb. eine deutliche Reduktion sowohl der kardiovaskulären (HR: 0,71; 95% KI: 0,56–0,89) als auch der Gesamtmortalität (sekundärer Endpunkt; HR: 0,80; 95% KI: 0,67–0,95; p = 0,01). Erwartungsgemäß traten unter Semaglutid häufiger gastrointestinale Nebenwirkungen auf.

FLOW könnte als eine der Studien mit den beeindruckendsten Ergebnissen in die Geschichte der Nephrologie eingehen und Semaglutid neben SGLT2-Inhibitoren und Finerenon als dritten essenziellen Bestandteil der medikamentösen Nephroprotektion bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 etablieren. Auf MARKUS@HOMe findet sich eine ausführliche Diskussion der Studie mit Prof. Johannes Mann, einem der Autoren [112].

FLOW wurde von Novo Nordisk finanziert.

  • Titel der Studie: Effects of Semaglutide on Chronic Kidney Disease in Patients with Type 2 Diabetes [113]
  • Autorenschaft: Perkovic et al.
  • Journal: NEJM

ERA-Rückblick II: Anti-Nephrin-Antikörper bei glomerulären Erkrankungen

Studientelegramm 286-2024-2/3: Über viele Jahrzehnte war die Genese der Minimal-Change-Glomerulopathie (Minimal Change Disease, MCD), einer der häufigsten Ursachen eines nephrotischen Syndroms, völlig unklar. Vor zwei Jahren wurden erstmals Anti-Nephrin-Antikörper als mögliche Auslöser beschrieben (siehe: Studientelegramm 217-2022-1/3), was begründete Hoffnungen auf neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten schürte.

Nun wurde auf dem Jahreskongress der ERA eine multizentrische Studie präsentiert, in der 182 Kinder und Jugendliche sowie 357 Erwachsene mit glomerulären Erkrankungen und 117 Kontrollpersonen serologisch auf Anti-Nephrin-Antikörper untersucht wurden. Die Antikörper konnten bei 46 von 105 Erwachsenen (44%) mit MCD und 7 von 74 Erwachsenen (9%) mit fokal-segmentaler Glomerulosklerose nachgewiesen werden, bei anderen Erkrankungen hingegen nur sehr selten oder gar nicht. Von den 182 Kindern und Jugendlichen mit idiopathischem nephrotischen Syndrom (INS) wiesen 94 (52%) Anti-Nephrin-Antikörper auf. Die Nachweisrate lag gemäß Subgruppenanalysen bei aktiver MCD oder aktivem INS (jeweils definiert durch eine bestehende nephrotische Proteinurie) ohne immunsuppressive Behandlung zum Zeitpunkt der Probenentnahme noch deutlich höher (69% und 90%). Darüber hinaus korrelierte der Antikörpertiter mit der Krankheitsaktivität.

Zudem konnte in einem Mausmodell gezeigt werden, dass eine Immunisierung mit rekombinantem Nephrin ein nephrotisches Syndrom induziert, was die pathophysiologische Bedeutung der Antikörper untermauert.

Wenn ein Test zum Nachweis der Antikörper verfügbar ist, könnte sich somit die Diagnostik der MCD substanziell ändern. Eine ausführliche Diskussion der Studie und ihrer Ergebnisse mit einem der Autoren, Prof. Tobias Huber, findet sich auf MARKUS@HOMe [114].

  • Titel der Studie: Autoantibodies Targeting Nephrin in Podocytopathies [115]
  • Autorenschaft: Hengel et al.
  • Journal: NEJM

It's (still) complicated – Antagonisierung direkter Faktor-Xa-Inhibitoren

Studientelegramm 286-2024-3/3: Seit Einführung der direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) gelten diese zwar gegenüber Vitamin-K-Antagonisten bei vielen Indikationen als insg. sicherer, bei schweren Blutungen war jedoch zunächst keine spezifische Antagonisierung der Wirkstoffe möglich. Inzwischen sind mit Idarucizumab (für Dabigatran) und Andexanet alfa (für Rivaroxaban und Apixaban) Antidote verfügbar. Das inaktive Faktor-Xa-Analogon Andexanet alfa verursacht allerdings hohe Kosten und wurde zudem bislang nicht mit der bisherigen Standardtherapie verglichen. Diese Lücke soll die nun publizierte randomisierte Phase-IV-Studie ANNEXA-I schließen, in der 530 Personen mit intrazerebraler Blutung unter einer Faktor-Xa-Inhibitor-Therapie (überwiegend Apixaban) untersucht wurden. Primärer Endpunkt war die hämostatische Wirksamkeit, definiert als max. 35%ige Hämatomexpansion, <7 Punkte verschlechterter NIH Stroke Scale Score (NIHSS [116]) und fehlende Notwendigkeit einer Notfalltherapie 3–12 h nach Randomisierung.

Im Vergleich zur Standardtherapie (überwiegend Prothrombinkomplexkonzentrat, PPSB) zeigte Andexanet alfa eine überlegene hämostatische Wirksamkeit (67,0% vs. 53,1% der Fälle; adjustierte Differenz: 13,4%; 95% KI: 4,6–22,2; p = 0,003), die v.a. auf eine signifikant reduzierte Hämatomexpansion zurückzuführen war. Allerdings traten unter Andexanet alfa vermehrt thrombotische Ereignisse auf (10,3% vs. 5,6%; Differenz: 4,6%; 95% KI: 0,1–9,2; p = 0,048), insb. ischämische Schlaganfälle (6,5% vs. 1,5%). Die 30-Tage-Mortalität beider Behandlungsgruppen war vergleichbar, für eine belastbare Beurteilung dieses Endpunktes bestand allerdings keine ausreichende statistische Power.

Andexanet alfa ist zusammenfassend also hämostatisch wirksamer als ein (unspezifischer) Gerinnungsausgleich mit PPSB, hat aber auch häufiger prothrombotische Nebenwirkungen. Die Antagonisierung von Rivaroxaban und Apixaban sollte daher nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Analyse individuell abgewogen werden.

ANNEXA-I wurde u.a. von Alexion, dem Hersteller von Andexanet alfa, finanziert.

  • Titel der Studie: Andexanet for Factor Xa Inhibitor–Associated Acute Intracerebral Hemorrhage [117]
  • Autorenschaft: Connolly et al.
  • Journal: NEJM
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Ausgabe 285 - 18. Mai 2024toggle arrow icon

Wer ist eigentlich axSpA?

Studientelegramm 285-2024-1/3: Jahrzehntelang wurden die Begriffe „Morbus Bechterew“ und „ankylosierende Spondylitis“ für die chronisch-entzündliche Erkrankung des Achsenskeletts verwendet. Doch schon seit Jahren ist klar, dass nicht immer eine Ankylose auftritt und auch Frühformen der Erkrankung existieren. Daher ist es an der Zeit, den geeigneteren Terminus „axiale Spondylarthritis“ (axSpA) flächendeckend für das gesamte Spektrum der Erkrankung zu übernehmen.

Typische Symptome der axSpA sind insb. Morgensteifigkeit und dumpfe, nächtliche Rückenschmerzen sowie Schmerzen im Bereich der Iliosakralgelenke. Im Verlauf kann außerdem die Wirbelsäule zunehmend versteifen. Neben Enthesiopathien treten weitere extraartikuläre Manifestationen auf (bspw. Uveitis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen).

Die Klassifikationskriterien basierten lange auf einer im klassischen Röntgen sichtbaren Sakroiliitis. Doch die Erkrankung beginnt bereits, bevor sich radiografische Veränderungen zeigen – und mittels MRT können Entzündungsherde auch in diesen früheren Stadien nachgewiesen werden. Eine Metaanalyse zeigte zudem, dass auch bei Personen ohne röntgenologisch nachweisbare Sakroiliitis eine ähnliche Krankheitslast vorliegt und vergleichbare Therapieeffekte erzielt werden.

Daher einigte sich die internationale Gesellschaft Assessment of SpondyloArthritis international Society (ASAS) schon 2009 auf eine neue Nomenklatur: Je nachdem, ob strukturelle Veränderungen röntgenologisch sichtbar sind oder nicht, wird zwischen einer radiografischen (r-axSpA; Syn.: Morbus Bechterew, ankylosierende Spondylitis) und einer nicht-radiografischen axialen Spondylarthritis (nr-axSpA) unterschieden. Seit Einführung der neuen Terminologie ist insb. auch die Forschung an der Gruppe der nr-axSpA vorangetrieben worden und hat zu Zulassungen vieler Medikamente geführt, die bislang auf die r-axSpA beschränkt waren.

Neben einer konsequenten Physiotherapie und NSAR können für alle Formen der axSpA auch Biologika (bDMARD und tsDMARD) eingesetzt werden.

  • Titel des Artikels: Goodbye to the term ‘ankylosing spondylitis’, hello ‘axial spondyloarthritis’: time to embrace the ASAS-defined nomenclature [118]
  • Autorenschaft: van der Heijde et al.
  • Journal: BMJ Journals: Annals of the Rheumatic Diseases

Zilebesiran reloaded: KARDIA-2

Studientelegramm 285-2024-2/3: Wir berichteten bereits über die potenzielle Behandlung der arteriellen Hypertonie mittels RNA-Interferenz sowie die Ergebnisse der Phase-II-Studie KARDIA-1 zur Anwendung der siRNA Zilebesiran bei leichter bis mäßiger arterieller Hypertonie (siehe: Studientelegramm 265-2023-1/3 und Studientelegramm 279-2024-2/3). Im Rahmen der Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) wurden nun auch die Ergebnisse der noch unpublizierten Phase-II-Studie KARDIA-2 [119] präsentiert.

Dabei erhielten 667 Personen ≤75 Jahre mit unbehandelter oder unzureichend kontrollierter arterieller Hypertonie verschiedene Antihypertensiva (5 mg Amlodipin, 2,5 mg Indapamid oder 40 mg Olmesartan täglich), die randomisiert entweder mit Zilebesiran (einmalig 600 mg subkutan) oder einem Placebo kombiniert wurden, um die zusätzlichen Effekte der Substanz zu untersuchen. Der mittlere systolische Blutdruck nach 3 Monaten war in einer 24-h-Blutdruckmessung (primärer Endpunkt) sowie in Praxisblutdruckmessungen (sekundärer Endpunkt) in allen Kombinationen mit Zilebesiran signifikant niedriger als mit Placebo (zusätzliche Blutdruckreduktion um 4,0–12,1 sowie 7,0–18,5 mmHg). Diese positiven Auswirkungen waren insb. bei den Kombinationen mit Indapamid oder Amlodipin auch nach 6 Monaten noch nachweisbar (sekundäre Endpunkte). Unter Zilebesiran kam es insg. häufiger zu unerwünschten Wirkungen (insb. Hypotonie, Hyperkaliämie und GFR-Abfall), schwere unerwünschte Ereignisse traten jedoch nur selten auf.

Somit wurden erneut vielversprechende Daten zu Zilebesiran bei arterieller Hypertonie vorgestellt. Da seine Wirkung allerdings auch bei Hypotonie oder bspw. im Schock aktuell noch nicht rasch und vollständig antagonisierbar ist, müssen weitere und größere Studien die Sicherheit der Substanz bestätigen. In KARDIA-3 [120] wird Zilebesiran bei Personen mit unzureichend kontrollierter arterieller Hypertonie und hohem kardiovaskulären Risiko oder fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung untersucht.

  • Titel der News Story: KARDIA-2: Novel BP-Lowering Drug Reduces SBP With Just One Injection [121]
  • Autorenschaft: American College of Cardiology (ACC)

DEA-HF: Diuretika bei chronischer Herzinsuffizienz

Studientelegramm 285-2024-3/3: Diuretika bilden zwar das Zentrum der (symptomatischen) Therapie einer Flüssigkeitsretention bei Herzinsuffizienz (HI), insb. für eine Kombinationstherapie mehrerer Wirkstoffe beschränkt sich die Datenlage jedoch noch überwiegend auf die akute HI (siehe auch: Studientelegramm 241-2022-2/3).

In der monozentrischen Cross-over-Studie DEA-HF erhielten nun 42 ambulant behandelte Personen mit chronischer HI (NYHA-Stadien II–IV) und therapierefraktärer Hypervolämie 3 verschiedene Diuretika-Regime in randomisierter Reihenfolge: Hochdosiertes Furosemid (250 mg i.v.) als Monotherapie bzw. in Kombination mit dem thiazidähnlichen Diuretikum Metolazon (5 mg p.o., in Deutschland nicht erhältlich) oder in Kombination mit Acetazolamid (500 mg i.v.). Primärer Endpunkt war die Natriumausscheidung im Urin innerhalb von 6 Stunden nach Therapiebeginn, sekundärer Endpunkt das Gesamtvolumen des ausgeschiedenen Urins im selben Zeitraum.

Hinsichtlich des primären Endpunkts ergab sich ein signifikanter Vorteil der Kombination von Furosemid mit Metolazon (Natriumausscheidung 4.691 mg) gegenüber der Monotherapie (3.835 mg; p = 0,015) bzw. der Kombination mit Acetazolamid (3.584 mg; p = 0,001). Die Urinausscheidung war dabei ebenfalls höher (1,84 L) als bei den anderen Therapieregimen, jedoch nur im Vergleich zur Kombination mit Acetazolamid (1,58 L; p = 0,039) signifikant. Allerdings verschlechterte sich unter der Kombination mit Metolazon auch deutlich häufiger die Nierenfunktion (39% der Fälle gegenüber 16% unter Monotherapie bzw. 2,6% unter Kombination mit Acetazolamid).

Aus diesen Ergebnissen lassen sich aufgrund der kleinen Studienpopulation und der ausgewählten Medikation keine direkten Therapieimplikationen ableiten. Sie zeigen jedoch einmal mehr die Komplexität der Diuretikatherapie bei chronischer Herzinsuffizienz auf, die eine sorgfältige individuelle Anpassung erfordert – insb. bei therapierefraktärem Verlauf.

  • Titel der Studie: Diuresis Efficacy in Ambulatory Congested Heart Failure Patients: Intra-patient Comparison of Three Diuretic Regimens (DEA-HF) [122]
  • Autorenschaft: Abbo et al.
  • Journal: JACC: Heart Failure
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Ausgabe 284 - 04. Mai 2024toggle arrow icon

Pump up the [jam]blood …

Studientelegramm 284-2024-1/3: Als schwere Komplikation eines ST-Hebungs-Myokardinfarkts (STEMI) tritt bei 8–10% der Betroffenen ein kardiogener Schock auf, bei dem das Herzzeitvolumen nicht ausreicht, um den Sauerstoffbedarf des Körpers aufrechtzuerhalten. Mechanische Kreislaufunterstützungssysteme können helfen, ein adäquates Herzzeitvolumen zu gewährleisten. Allerdings zeigte bspw. ECLS-SHOCK für die Verwendung extrakorporaler Life-Support-Systeme (ECLS) keine positiven Auswirkungen auf die Gesamtmortalität (siehe auch: Studientelegramm 268-2023-2/3). ECLS waren zudem mit einer erhöhten Komplikationsrate assoziiert.

In der kürzlich publizierten DanGer-Shock-Studie erhielten 179 Personen mit kardiogenem Schock infolge eines STEMI zusätzlich zur Standardtherapie randomisiert und unverblindet eine mechanische Kreislaufunterstützung durch eine Mikroaxialpumpe (Impella CP®). Diese wird i.d.R. interventionell angelegt und pumpt Blut aus dem linken Ventrikel in den Aortenbogen, um den linken Ventrikel zu entlasten. Die Kontrollgruppe bestand aus 176 Personen unter Standardtherapie. In 85% der Fälle wurde die Pumpe vor der primären Koronarintervention (PCI) eingesetzt.

Die Gesamtsterblichkeit nach 180 Tagen (primärer Endpunkt) konnte mit der Impella® im Vergleich zur alleinigen Standardtherapie um 26% gesenkt werden (95% KI: 0,55–0,99; p = 0,04). Erwartungsgemäß traten dabei jedoch auch häufiger unerwünschte Ereignisse auf, bspw. Extremitätenischämien (relatives Risiko [RR]: 5,15), Blutungskomplikationen (RR: 2,06) und notwendige Nierenersatztherapie (RR: 1,98). Personen aus der Interventionsgruppe wurden im Median länger auf der Intensivstation behandelt als Personen aus der Kontrollgruppe (6 vs. 3 Tage).

Für Personen mit kardiogenem Schock infolge eines STEMI ist die Mikroaxialpumpe somit eine aktuell vielversprechende Form der mechanischen Kreislaufunterstützung.

Die Studie wurde von der Danish Heart Foundation und Abiomed, dem Hersteller der Impella®, finanziert.

  • Titel der Studie: Microaxial Flow Pump or Standard Care in Infarct-Related Cardiogenic Shock [123]
  • Autorenschaft: Møller et al.
  • Journal: NEJM

Erodierende Evidenz für Betablocker nach Myokardinfarkt bei erhaltener Ejektionsfraktion?

Studientelegramm 284-2024-2/3: In der medikamentösen Langzeittherapie nach einem akuten Myokardinfarkt werden bislang standardmäßig Betablocker empfohlen, um Arrhythmien vorzubeugen und die Herzarbeit zu senken. Die Evidenz hierzu basiert jedoch überwiegend auf Kohorten mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) vor der Etablierung moderner diagnostischer und therapeutischer Standards (bspw. biomarkerbasierte Diagnostik, perkutane Koronarintervention).

In der nun veröffentlichten Studie REDUCE-AMI wurden 5.020 Personen nach Myokardinfarkt (35,2% STEMI) und Koronarangiografie mit einer LVEF ≥50% randomisiert: Die Teilnehmenden erhielten unverblindet entweder eine Langzeittherapie mit einem Betablocker (Metoprolol oder Bisoprolol) oder keinen Betablocker zusätzlich zu einer evidenzbasierten Standardtherapie. Nach dem medianen Follow-up von 3,5 Jahren zeigte sich kein signifikanter Effekt der Therapie auf den primären kombinierten Endpunkt aus Gesamtsterblichkeit und erneutem Myokardinfarkt (Hazard Ratio 0,96). Auch sekundäre Endpunkte (Gesamtsterblichkeit, kardiovaskuläre Sterblichkeit, Myokardinfarkt, Hospitalisierung aufgrund eines Vorhofflimmerns oder einer Herzinsuffizienz) sowie sämtliche Sicherheitsendpunkte blieben unbeeinflusst.

Somit scheint eine Betablockertherapie nach Myokardinfarkt bei erhaltener LVEF in einer relativ gesunden Kohorte (medianes Alter: 65 Jahre, 14,0% mit Diabetes mellitus Typ 2, 55,4% mit koronarer Eingefäßerkrankung) kardiovaskuläre Ereignisse nicht zu reduzieren.

REDUCE-AMI wurde u.a. vom Swedish Research Council finanziert.

  • Titel der Studie: Beta-Blockers after Myocardial Infarction and Preserved Ejection Fraction [124]
  • Autorenschaft: Yndigegn et al.
  • Journal: NEJM

Expandierende Evidenz für TAVI bei Aortenklappenstenose

Studientelegramm 284-2024-3/3: Die Aortenklappenstenose gehört zu den häufigsten Herzklappenerkrankungen. Insb. bei hochgradiger Stenose mit auftretenden Symptomen oder einer reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤50% wird sie ursächlich behandelt. Bislang wurde dabei gemäß der Leitlinie der European Society of Cardiology für Personen <75 Jahre mit niedrigem operativem Risiko ein chirurgischer Klappenersatz (Surgical aortic Valve Replacement, SAVR) empfohlen, für Personen ab 75 Jahre mit höherem operativem Risiko dagegen ein interventioneller Aortenklappenersatz (Transcatheter aortic Valve Implantation, TAVI) [125]. Ob auch jüngere Personen bzw. solche mit niedrigerem operativem Risiko von einer TAVI profitieren, ist bislang nicht hinreichend untersucht.

In der multizentrischen DEDICATE-DZHK6-Studie wurden nun 1.414 Personen im Alter von durchschnittlich 74 Jahren mit hochgradiger symptomatischer Aortenklappenstenose und niedrigem bzw. mittlerem operativem Risiko 1:1 randomisiert, entweder einen SAVR oder eine TAVI zu erhalten. Die Klappenprothesen wurden dabei individuell durch das jeweilige Zentrum ausgewählt.

Der kombinierte primäre Endpunkt aus Gesamtsterblichkeit und Schlaganfall nach einem Jahr trat bei 5,4% der Personen nach TAVI bzw. 10,0% der Personen nach SAVR auf (Hazard Ratio 0,53; 95% KI: 0,35–0,79; p <0,001). Während des Eingriffs traten bei 1,5% bzw. 1,0% der Behandelten in der TAVI- bzw. SAVR-Gruppe Komplikationen auf.

Die Studie unterstreicht erstmals unabhängig von einem Hersteller die Nicht-Unterlegenheit der TAVI gegenüber einem chirurgischen Aortenklappenersatz bei Personen mit niedrigem bzw. mittlerem operativem Risiko.

DEDICATE-DZHK6 wurde vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung und der Deutschen Herzstiftung mitfinanziert.

  • Titel der Studie: Transcatheter or Surgical Treatment of Aortic-Valve Stenosis [126]
  • Autorenschaft: Blankenberg et al.
  • Journal: NEJM
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Ausgabe 283 - 20. April 2024toggle arrow icon

Harte Nuss: Therapie bei Nahrungsmittelallergien

Studientelegramm 283-2024-1/3: Nahrungsmittelallergien betreffen in Deutschland bis zu 4% der Gesamtbevölkerung und bis zu 10% der Kinder. Im Mittelpunkt der Behandlung steht die Allergenkarenz sowie ggf. eine Notfalltherapie nach Exposition. Lediglich für die Erdnussallergie gibt es mit der oralen Immuntherapie (Palforzia®) einen kausalen Therapieansatz, dem der G-BA jedoch keinen Zusatznutzen bescheinigt (u.a. aufgrund häufiger allergischer Reaktionen) [127]. In der US-amerikanischen Phase-III-Studie OUtMATCH wird daher derzeit die Anwendung des monoklonalen Anti-IgE-Antikörpers Omalizumab bei multiplen Nahrungsmittelallergien untersucht. In Deutschland ist Omalizumab bisher zugelassen als Zusatztherapie bei schwerem allergischen Asthma bronchiale, chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen und chronischer spontaner Urtikaria.

Als 1. Stufe von OUtMATCH wurden nun die Daten von 177 Kindern und Jugendlichen im Alter von 1–17 Jahren mit Nahrungsmittelallergien gegen Erdnuss (allergische Reaktion bei ≤100 mg Erdnussprotein) und mind. 2 von 6 weiteren eingeschlossenen Nahrungsmitteln (Cashew, Haselnuss, Walnuss, Kuhmilch, Hühnerei, Weizenmehl) ausgewertet. Unter fortgeführter Allergenkarenz erhielten die Teilnehmenden 2:1-randomisiert über insg. 16–20 Wochen alle 2–4 Wochen entweder Omalizumab oder ein Placebo subkutan. Den primären Endpunkt (Toleranz gegenüber mind. 600 mg Erdnussprotein) erreichten 79 Personen (67%) in der Omalizumab-Gruppe und nur 4 Personen (7%) in der Placebogruppe (Differenz: 60%; 95% KI: 47–70%; p <0,001). Die Verträglichkeit einzelner weiterer oder kombinierter Nahrungsmittel (sekundäre Endpunkte) zeigten vergleichbare Verbesserungen. 14% der Teilnehmenden vertrugen Erdnüsse unter Omalizumab jedoch nicht besser. Eine (unverblindete) Fortsetzung der Omalizumab-Therapie über 24 Wochen bei 60 Teilnehmenden veränderte die Ergebnisse insg. nur unwesentlich. Im begleitenden Editorial hervorgehoben wird jedoch die Toleranzabnahme bei 21% der Teilnehmenden am Ende des Verlängerungszeitraums, was Fragen nach der Langlebigkeit der Effekte aufwirft.

Omalizumab könnte sich als therapeutische Option zur Unterstützung der oralen Immuntherapie und zur Erhöhung der Allergentoleranz bei multiplen Nahrungsmittelallergien erweisen, insb. nach stattgehabten schweren allergischen Reaktionen. In der 2. Stufe der Studie wird Omalizumab mit einer oralen Immuntherapie verglichen.

OUtMATCH wird u.a. von Novartis und Genentech (Roche-Gruppe) finanziert.

  • Titel der Studie: Omalizumab for the Treatment of Multiple Food Allergies [128]
  • Autorenschaft: Wood et al.
  • Journal: NEJM

ACC-Rückblick I: Semaglutid on the rise

Studientelegramm 283-2024-2/3: GLP1-Analoga ermöglichen eine effektive Senkung des HbA1c bei Diabetes mellitus (DM) sowie eine DM-unabhängige, ausgeprägte Reduktion des Körpergewichts. Darüber hinaus gibt es Daten zur Nephro- und Kardioprotektion: Die noch nicht publizierte Phase-III-Studie FLOW zu Semaglutid bei diabetischer Nephropathie wurde aufgrund eines signifikanten nephroprotektiven Effekts vorzeitig beendet (siehe: Studientelegramm 278-2024-2/4) und soll beim Jahreskongress der European Renal Association im Mai präsentiert werden. Die bereits im August letzten Jahres erschienene STEP-HFpEF-Studie (siehe: Studientelegramm 268-2023-1/3) suggerierte einen DM-unabhängigen, kardioprotektiven Effekt bei Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF). Auf dem diesjährigen Kongress des American College of Cardiology (ACC) wurde nun die ähnlich konzipierte Studie STEP-HFpEF DM vorgestellt, bei der – im Unterschied zu STEP-HFpEF – ein vorliegender DM nicht Aus-, sondern Einschlusskriterium war.

Insg. 616 Teilnehmende wurden randomisiert. Primäre Endpunkte waren Veränderungen des Körpergewichts sowie des Clinical Summary Score im Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ-CSS). Beide Endpunkte wurden unter Semaglutid signifikant verbessert. Auch für einige sekundäre Endpunkte (u.a. 6-Minuten-Gehstrecke und CRP-Serumspiegel) ließ sich ein positiver Einfluss feststellen.

Die Studie wurde von Novo Nordisk finanziert.

  • Titel der Studie: Semaglutide in Patients with Obesity-Related Heart Failure and Type 2 Diabetes [129]
  • Autorenschaft: Kosiborod et al.
  • Journal: NEJM

ACC-Rückblick II: Herzinsuffizienz nach Myokardinfarkt

Studientelegramm 283-2024-3/3: SGLT2-Inhibitoren gehören aufgrund ihrer kardio- und nephroprotektiven Eigenschaften mittlerweile zur Standardtherapie der Herzinsuffizienz (HF) und chronischen Nierenerkrankung. Für die Gabe von Dapagliflozin nach einem akuten Myokardinfarkt ließ sich in der Phase-III-Studie DAPA-MI im Vorjahr allerdings kein überzeugender prognostischer Benefit nachweisen [130].

Auf dem Jahreskongress des ACC wurde nun auch die EMPACT-MI-Studie zu Empagliflozin in ähnlicher Indikation vorgestellt: 6.522 Personen nach akutem Myokardinfarkt und mit erhöhtem Risiko für eine HF erhielten zusätzlich zur Standardtherapie randomisiert täglich entweder 10 mg Empagliflozin oder ein Placebo. Während des medianen Follow-up-Zeitraums von 17,9 Monaten konnte der kombinierte primäre Endpunkt (Krankenhausaufnahme aufgrund von HF oder Tod) nicht signifikant reduziert werden (HR 0,9; 95% KI: 0,76–1,06; p = 0,21). Bei Betrachtung der einzelnen Komponenten des primären Endpunkts kam es unter Empagliflozin zwar zu weniger Krankenhausaufnahmen aufgrund von HF, Todesfälle ließen sich jedoch nur geringfügig reduzieren.

SGLT2-Inhibitoren sind zwar wichtige kardioprotektive Substanzen, beeinflussen (zumindest bei relativ kurzem Follow-up) jedoch offenbar nicht jeden kardiovaskulären Endpunkt günstig.

Die Studie wurde von Boehringer Ingelheim und Eli Lilly finanziert.

  • Titel der Studie: Empagliflozin after Acute Myocardial Infarction [131]
  • Autorenschaft: Butler et al.
  • Journal: NEJM
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Ausgabe 282 - 06. April 2024toggle arrow icon

Non fumar!? Mögliche Gesundheitsfolgen von Cannabis-Legalisierung

Studientelegramm 282-2024-1/3: Seit dem 1. April dieses Jahres ist Cannabis in Deutschland (teil‑)legalisiert. In der Debatte um die Legalisierung wurde eine höhere Sicherheit der verfügbaren Cannabis-Produkte (bspw. durch weniger Verunreinigungen) und eine Eindämmung des illegalen Marktes als Chance angeführt. Dagegen wiesen medizinische Fachgesellschaften insb. auf die Gefahr eines erleichterten Zugangs Minderjähriger sowie die negativen gesundheitlichen Folgen des Cannabis-Konsums im jungen Erwachsenenalter hin [132].

Die Folgen einer Cannabis-Legalisierung wertete 2023 ein umfangreiches Review anhand von Daten aus Kanada, den USA und Uruguay aus. Dabei ergaben sich bei Jugendlichen keine eindeutigen Hinweise auf einen Anstieg des Cannabis-Konsums nach einer Legalisierung. Insb. bei jungen Erwachsenen wurde dagegen eher eine Zunahme des Konsums verzeichnet. Demgegenüber zeigte sich sowohl für Jugendliche als auch junge Erwachsene ein Anstieg akutmedizinischer Vorstellungen im Zusammenhang mit Cannabis-Konsum. Einzelne Studien deuten darüber hinaus auf einen erhöhten Cannabis-Konsum Schwangerer und eine Zunahme akzidenteller Cannabis-Ingestionen im Kindes- und Jugendalter nach einer Legalisierung hin.

Das Review zeigt auf, wie heterogen die Studienlage und wie komplex die Beurteilung der medizinischen Auswirkungen einer Cannabis-Legalisierung sind. Unklar ist darüber hinaus, inwiefern diese Ergebnisse auf die nun umgesetzte (Teil‑)Legalisierung von Cannabis für Erwachsene in Deutschland übertragbar sind.

  • Titel der Übersichtsarbeit: The Impact of Recreational Cannabis Legalization on Cannabis Use and Associated Outcomes: A Systematic Review [133]
  • Autorenschaft: Farrelly et al.
  • Journal: Substance Use: Research and Treatment

NO more: Kontrastmittelassoziierte Nephropathie

Studientelegramm 282-2024-2/3: Nach Verabreichung iodhaltigen Kontrastmittels (KM) kann eine akute Nierenschädigung (Acute Kidney Injury, AKI) auftreten, die als kontrastmittelassoziierte Nephropathie bezeichnet wird (Contrast-induced Nephropathy, CIN). Das Risiko hierfür steigt u.a. bei arterieller Gabe und Multimorbidität, weshalb es insb. nach Koronarangiografie erhöht ist. Der kausale Zusammenhang zwischen KM und AKI ist aktuell jedoch sehr umstritten. Ein besseres Verständnis für die Pathophysiologie ist hingegen klinisch sehr bedeutend, da die Mortalität bei AKI steigt und die Datenlage für Substanzen zur periprozeduralen Nephroprotektion unzureichend bzw. widersprüchlich ist.

Pathophysiologisch wird vermutet, dass oxidativer Stress die Ausschüttung von Stickstoffmonoxid (NO) vermindert. Durch die konsekutive renale Vasokonstriktion wird die Nierenperfusion beeinträchtigt.

In der nun veröffentlichten NITRATE-CIN-Studie wurde in einer doppelblinden, randomisiert-kontrollierten Studie getestet, ob NO einen präventiven Effekt auf das Auftreten von CIN haben könnte. Hierzu wurden 640 Personen mit akutem Koronarsyndrom 1:1 randomisiert und erhielten über einen Zeitraum von 5 Tagen einmal täglich oral entweder Kaliumnitrat (12 mmol) oder Placebo (Kaliumchlorid). Primärer Endpunkt war das Auftreten einer AKI innerhalb einer Woche, was sich unter Kaliumnitrat signifikant seltener beobachten ließ (9,1% vs. 30,5%; p <0,001). Auch einige sekundäre Endpunkte traten signifikant seltener auf, u.a. periprozedurale Myokardinfarkte sowie eine Reduktion der glomerulären Filtrationsrate nach 3 Monaten.

Auch wenn die Ergebnisse dieser monozentrischen Studie eindrücklich sind, bleibt abzuwarten, ob auch weitere Studien diesen präventiven Effekt von NO nahelegen können. Bis dahin sollte Personen mit chronischer Nierenkrankheit trotz des erhöhten Risikos einer AKI bei eindeutiger Indikation zur KM-Gabe keine Bildgebung vorenthalten werden.

  • Titel der Studie: Inorganic nitrate benefits contrast-induced nephropathy after coronary angiography for acute coronary syndromes: the NITRATE-CIN trial [134]
  • Autorenschaft: Jones et al.
  • Journal: European Heart Journal

Time to RE-THINC

Studientelegramm 282-2024-3/3: Als eine der Spitzendisziplinen der Antikoagulation könnte die Anwendung bei (dialysepflichtiger) Nierenerkrankung betrachtet werden, da hierbei das Blutungs- und Thromboembolierisiko gleichzeitig erhöht sind. Um den nötigen Spagat zwischen einer effektiven Antikoagulation und einem stabilen Blutungsrisiko zu meistern, wird derzeit die Gruppe der Faktor-XI-Inhibitoren intensiv untersucht. Osocimab – ein monoklonaler Antikörper gegen aktivierten Faktor XI – konnte sich bereits in einem Vorrundenmatch (der Phase-IIb-Studie CONVERT) gegen ein Placebo durchsetzen (siehe auch: Studientelegramm 280-2024-2/3).

In einer weiteren Vorrundenpartie (der Phase-IIb-Studie RE-THINC) trat das Antisense-Oligonukleotid Fesomersen an, das die Expression von Faktor XI in den Hepatozyten inhibiert. Hierbei erhielten 307 dialysepflichtige Personen nach einer 1:1:1:1-Randomisierung entweder Fesomersen (40, 80 oder 120 mg) oder ein Placebo einmal monatlich subkutan über 6–12 Monate. Fesomersen erzielte eine effektive dosisabhängige Reduktion des Faktor-XI-Spiegels um 53,6–86,0%. Der kombinierte primäre Sicherheitsendpunkt aus schweren Blutungen und klinisch relevanten nicht-schweren Blutungen trat unter Fesomersen (gepoolt über alle Dosierungen) nicht signifikant häufiger auf als unter Placebo (Blutungsraten 3,9–6,5% in den Fesomersen-Gruppen, ohne Dosisabhängigkeit; vs. 4,0% in der Placebogruppe). Thromboembolien des Dialysezugangs und -kreislaufs waren dagegen unter Fesomersen signifikant reduziert – allerdings sind die insg. geringen Ereignisraten der Studie zu beachten (4 schwere Blutungen ausschließlich unter Fesomersen; je eine schwere Thromboembolie in jeder der 4 Gruppen).

Das Match bleibt spannend, da die entscheidende Runde noch aussteht: Größere Phase-III-Studien zur Beurteilung der Effektivität des Wirkstoffs, die kürzlich ein (Teil‑)Aus für den Faktor-XI-Inhibitor Asundexian bedeuteten (siehe: Studientelegramm 274-2023-1/3).

RE-THINC wurde von Bayer finanziert.

  • Titel der Studie: A Phase II randomized controlled trial evaluated antithrombotic treatment with fesomersen in patients with kidney failure on hemodialysis. [135]
  • Autorenschaft: Winkelmayer et al.
  • Journal: Kidney International
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Q1 2024toggle arrow icon

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Ausgabe 281 - 23. März 2024toggle arrow icon

Hit hard and (very) early!? Abatacept zur Prävention der rheumatoiden Arthritis

Studientelegramm 281-2024-1/3: Die rheumatoide Arthritis (rA) ist die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung. Sie tritt i.d.R. zwischen 30 und 60 Jahren auf und geht mit typischerweise schubweisen und langsam progredienten symmetrischen Gelenkschwellungen einher, insb. der Fingergrund- und -mittelgelenke. Neben erhöhten Entzündungsparametern (CRP, BSG), die mit der Krankheitsaktivität korrelieren, lassen sich bei der häufigeren seropositiven rA auch Rheumafaktoren (RF) und Anti-CCP-Antikörper (ACPA) nachweisen. Therapeutisch wird möglichst früh mit csDMARDs behandelt („conventional synthetic disease modifying anti-rheumatic drugs“), z.B. Methotrexat. Diese prognoseverbessernden Substanzen wirken erst nach einigen Wochen bis Monaten, sodass initial Glucocorticoide eingesetzt werden. Bei wiederholt erfolgloser Therapie mit csDMARDs oder ungünstigen Prognosefaktoren können auch „targeted synthetic DMARDs“ (tsDMARD) oder „biological DMARDs“ (bDMARD) verabreicht werden. Prognosebestimmend bei allen medikamentösen Therapien ist ein möglichst früher Behandlungsbeginn (“Hit hard and early!”).

Unklar ist, ob auch Personen von einer Therapie profitieren, die ein hohes Risiko haben, zeitnah an einer rA zu erkranken. Hierzu wurde kürzlich die randomisiert-kontrollierte, doppelblinde Multicenter-Studie ARIAA veröffentlicht: Es wurden 100 Personen mit Arthralgien (aber ohne Gelenkschwellung), Nachweis von ACPA sowie im MRT sichtbaren inflammatorischen Veränderungen der Gelenke im Verhältnis 1:1 randomisiert. Sie erhielten 6 Monate lang entweder einmal wöchentlich 125 mg Abatacept oder ein Placebo subkutan und wurden anschließend für weitere 12 Monate beobachtet.

Nach 6 Monaten zeigten 28 Personen (57%) in der Abatacept-Gruppe und 15 Personen (31%) in der Placebogruppe eine verringerte Entzündungsaktivität im MRT (primärer Endpunkt; p = 0,014) sowie weniger Symptome. Unter Abatacept entwickelten deutlich weniger Personen eine rA (8% vs. 35%; HR: 0,14; 95% KI: 0,04–0,47; p = 0,0016). Die Effekte ließen sich auch ein Jahr nach Medikamentengabe noch nachweisen. Schwere Nebenwirkungen traten unter Abatacept nicht gehäuft auf.

Ob diese Therapie langfristig die Prognose verbessert bzw. auch in Studien mit klinischen primären Endpunkten einen Benefit zeigt, ist noch offen.

Neue KDIGO-Leitlinie zur CKD

Studientelegramm 281-2024-2/3: Nach über einem Jahrzehnt hat die KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) kürzlich ihre Leitlinie zur chronischen Nierenerkrankung (CKD) aktualisiert. Wir möchten insb. auf zwei wichtige Aspekte aus dem sehr umfangreichen Dokument eingehen:

  • Keine substanziellen Änderungen der CKD-Definition: Sie umfasst strukturelle oder funktionelle Anomalien der Nieren für mind. 3 Monate mit Auswirkungen auf die Gesundheit. Dabei werden unterschiedliche Marker einer Nierenschädigung berücksichtigt, u.a. eine verminderte eGFR, eine Albuminurie und auffällige bildgebende Befunde. Aus Sorge vor Überdiagnostik und -therapie wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert, ob eine eGFR von 45–59 mL/min/1,73 m2 ohne Albuminurie oder andere Hinweise auf eine Nierenschädigung bei älteren Menschen eher als physiologische Alterserscheinung zu werten sei. Auch wenn sich bei vielen dieser Betroffenen keine direkten therapeutischen Konsequenzen ergeben (wie die Einleitung einer Nierenersatztherapie), zeigen epidemiologische Daten bei einer eGFR <60 mL/min/1,73 m2 auch ohne relevante Albuminurie ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Die Definition der CKD bleibt daher zwar unverändert, die eGFR sollte insb. im Zweifelsfall jedoch nicht nur kreatininbasiert, sondern anhand einer Kombination aus Kreatinin und Cystatin C bestimmt werden.
  • Angepasste Empfehlungen zur Bicarbonatgabe: Bei der Therapie der renalen Azidose konnte kein prognostischer Vorteil einer Korrektur des Bicarbonatspiegels in den Normalbereich nachgewiesen werden. Daher wird in der aktualisierten Leitlinie erst bei einem Bicarbonatspiegel <18 mmol/L empfohlen, pharmakologische sowie ggf. diätetische Maßnahmen (insb. pflanzenbasierte Kost) zu erwägen, um eine metabolische Azidose zu vermeiden. Die Anzahl einzunehmender Tabletten reduziert sich für einige Betroffene dadurch deutlich.

Die 10 jeweils wichtigsten nephrologischen Erkenntnisse zur Diagnostik [137] und Therapie [138] der CKD hat die KDIGO zudem als sehenswerte Übersichten veröffentlicht.

XARENO: (Sekundärer End‑)Punktsieg für DOAK?

Studientelegramm 281-2024-3/3: Bei Vorhofflimmern empfiehlt die europäische Leitlinie [140] inzwischen i.d.R. direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) als Standardsubstanzen zur Thromboembolieprophylaxe. Eine besondere Herausforderung stellt jedoch eine chronische Nierenerkrankung (CKD) dar, da hierbei sowohl das Thromboembolie- als auch das Blutungsrisiko erhöht sind. Während für Vitamin-K-Antagonisten (VKA) mögliche nachteilige Effekte auf die Nierenfunktion nachgewiesen sind, ist die Datenlage zu renalen Endpunkten unter einer DOAK-Therapie – insb. bei fortgeschrittener CKD – noch begrenzt.

Die prospektive multizentrische Beobachtungsstudie XARENO untersuchte nun 1.455 Personen mit fortgeschrittener CKD (eGFR 15–49 mL/min/1,73 m2) und einem Vorhofflimmern unter bereits bestehender Antikoagulation, die entweder mit dem DOAK Rivaroxaban oder einem VKA erfolgte. Hinsichtlich des primären Endpunkts (eGFR-Veränderung nach 12 Monaten) ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Für einige sekundäre renale Endpunkte (u.a. Dialysepflichtigkeit und eGFR-Reduktion auf <15 mL/min/1,73 m2) und die Gesamtmortalität zeigte sich dagegen ein Vorteil von Rivaroxaban gegenüber einer VKA-Therapie – bei vergleichbaren Thromboembolie- und Blutungsraten beider Gruppen.

Auch wenn der primäre Endpunkt sich zwischen den Gruppen nicht signifikant unterscheidet, so decken sich zumindest die positiven sekundären renalen Endpunkte mit bisherigen Daten [141], die auf Vorteile von DOAK gegenüber VKA hinsichtlich der renalen Funktion bei CKD hinweisen.

XARENO wurde von Bayer finanziert.

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Ausgabe 280 - 09. März 2024toggle arrow icon

L-Thyroxin bei Hypothyreose: A new low?

Studientelegramm 280-2024-1/3: Bei der Hypothyreose handelt es sich um eine Unterversorgung mit den Schilddrüsenhormonen T3 und T4. Die Symptomatik umfasst u.a. Antriebslosigkeit, Gewichtszunahme und Kälteintoleranz. Diagnostisch steht die Bestimmung von TSH und fT4 im Vordergrund, auch zur Differenzierung zwischen latenter und manifester Hypothyreose. Therapeutisch wird L-Thyroxin (LT4) unter regelmäßigen Verlaufskontrollen substituiert.

Aus einer großen populationsbasierten Kohortenstudie wurden Daten von insg. 2.938 Personen untersucht, bei denen u.a. der TSH-Wert bestimmt und eine ausführliche Medikamentenanamnese erhoben wurde. Eine Therapie galt bei einem TSH-Wert im Bereich 0,56–4,27 mU/L als adäquat. Die Analyse ergab, dass insg. 22,5% der Teilnehmenden regelmäßig LT4 einnahmen ( > ; 33,3% vs. 8,6%). Von diesen wurden bezogen auf den gemessenen TSH-Wert insg. 21,8% inadäquat therapiert: 17,7% über- und 4,1% unterbehandelt. Insb. ältere Personen (≥70 Jahre) wurden viermal häufiger übertherapiert (OR 4,05). Limitierend bei der Analyse war u.a., dass durch die einmalige TSH-Messung etwaige Schwankungen oder TSH-Verläufe (bspw. bei Therapieanpassung) nicht erfasst wurden.

Die Tatsache, dass knapp ein Viertel der Befragten LT4 einnahmen, könnte auch mit der weltweit steigenden Behandlung latenter Hypothyreosen zusammenhängen. Dabei wird dieses Vorgehen in aktuellen Leitlinien bei nur leicht erhöhtem TSH (≤10 mU/L) oder hohem Lebensalter mit TSH <20 mU/L eher nicht empfohlen. Andere Gründe könnten TSH-Bestimmungen oder Schilddrüsensonografien ohne entsprechende Indikation sein, die zu einem vorschnellen Therapiebeginn verleiten. Da sich eine Übertherapie insb. bei älteren Personen gesundheitlich negativ auswirken kann, sollten Indikationen zur Therapieeinleitung bzw. -deintensivierung geprüft sowie altersspezifische Referenzbereiche beachtet werden!

Antikoagulation bei Dialysepflicht: A new hope?

Studientelegramm 280-2024-2/3: Faktor-XI-Inhibitoren gelten als hoffnungsvolle Substanzklasse zur Antikoagulation (siehe: Studientelegramm 226-2022-2/3), da sie durch ihre selektive Wirkung im intrinsischen Weg der Gerinnung eine effektive Blutverdünnung bei relativ geringem Blutungsrisiko ermöglichen sollen. Zwar wurde die Phase-III-Studie OCEANIC-AF für den direkten oralen Faktor-XIa-Inhibitor Asundexian aufgrund unterlegener Wirksamkeit zur Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern vorzeitig abgebrochen (siehe: Studientelegramm 274-2023-1/3), weitere Studienergebnisse zu anderen Wirkstoffen und Indikationen werden jedoch mit Spannung erwartet. Insb. bei dialysepflichtiger chronischer Nierenerkrankung (CKD) besteht sowohl ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien als auch für Blutungsereignisse.

Kürzlich wurde die Phase-IIb-Studie CONVERT zur Antikoagulation bei dialysepflichtiger CKD mit Osocimab publiziert – einem monoklonalen Antikörper gegen aktivierten Faktor XI. Insg. 686 Personen mit dialysepflichtiger CKD wurde für bis zu 18 Monate monatlich entweder Osocimab (in niedriger oder hoher Dosis) oder ein Placebo subkutan verabreicht. Als antithrombotische Begleitmedikation war niedrig dosiertes ASS (≤150 mg/d) erlaubt. Die primären Co-Endpunkte waren klinisch relevante Blutungen sowie die Inzidenz von mäßigen bis schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen. Klinisch relevante Blutungen traten durch die Behandlung nicht häufiger auf: Unter niedrig dosiertem Osocimab bei 16 von 232 (6,9%), unter hoch dosiertem Osocimab bei 11 von 224 (4,9%) und unter Placebo bei 18 von 230 Teilnehmenden (7,8%). Unerwünschte Ereignisse hingegen wurden häufiger unter Osocimab beobachtet (51% vs. 47% vs. 43%), insb. lokale Reaktionen an der Injektionsstelle. Extrakorporale Verschlüsse im Dialysesystem und thrombotische Verschlüsse des Dialysezugangs traten unter Osocimab in beiden Dosierungen seltener auf.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Antikoagulation mit Osocimab mit keinem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht und bei dialysepflichtiger CKD gut vertragen wird. Vor einem potenziellen Einsatz in der Praxis sind aber noch ausreichend große Phase-III-Studien erforderlich. Auch Untersuchungen bei zusätzlich bestehendem Vorhofflimmern zur Prävention ischämischer Schlaganfälle stehen noch aus.

Hämorrhagische Schlaganfälle unter Statintherapie: A new risk?

Studientelegramm 280-2024-3/3: Statine sind bei der Behandlung einer Hypercholesterinämie essenzieller Bestandteil der Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Das Sicherheitsprofil der Wirkstoffklasse ist insg. gut: Statininduzierte Muskelbeschwerden treten zwar bei bis zu ca. 10% aller Behandelten auf, sind i.d.R. aber reversibel. Es kann zudem zu einem leichten Blutzuckeranstieg kommen, der prognostisch aber weniger relevant ist als die Senkung des LDL-Cholesterins.

Es häufen sich jedoch auch Hinweise, dass die Gabe von Statinen mit einer erhöhten Anzahl von hämorrhagischen Schlaganfällen assoziiert sein könnte, insb. bei Personen mit stattgehabtem Schlaganfall oder einer vorausgegangenen TIA. In einer neuen Metaanalyse bestätigte sich nun ein diskreter Anstieg von hämorrhagischen Schlaganfällen unter Statintherapie. Der pathophysiologische Hintergrund bleibt allerdings unklar. Der Benefit einer Statintherapie hinsichtlich der Reduktion von ischämischen Schlaganfällen und Myokardinfarkten scheint jedoch weiterhin zu überwiegen.

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Ausgabe 279 - 24. Februar 2024toggle arrow icon

Denke an Dengue: Was zu beachten ist

Studientelegramm 279-2024-1/3: Denguefieber ist eine bislang insb. in den (Sub‑)Tropen verbreitete virale Infektionskrankheit, die durch Stechmücken übertragen wird. In Europa ist diese Differenzialdiagnose v.a. bei Fieber nach Reiserückkehr relevant, bspw. aus Asien (am häufigsten Thailand), Mittel- oder Südamerika. Eine aktuelle Übersichtsarbeit in The Lancet weist jedoch auf die global deutlich zunehmenden Erkrankungen hin, die u.a. auch durch eine Ausbreitung der Stechmücken im Rahmen des Klimawandels bedingt sind. Dies führt zu einer Ausdehnung der Verbreitungsgebiete auf die südlichen USA und Südeuropa (u.a. Frankreich, Italien).

In bis zu 80% der Fälle verläuft eine Denguevirus-Infektion subklinisch. Insb. bei erneuter Infektion besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Hintergrund ist vermutlich ein sog. Antibody-dependent Enhancement, bei dem nicht-neutralisierende Antikörper, die durch einen vorherigen Denguevirus-Antigenkontakt induziert wurden, die Virusreplikation in Immunzellen verstärken. Neben Infektionen und einem Nestschutz kann das Phänomen auch durch Impfungen ausgelöst werden.

Aufgrund dieser Schwierigkeiten für die Impfstoffentwicklung stand bis zum vorigen Jahr lediglich ein Vektorimpfstoff für Personen in Endemiegebieten nach stattgehabter Denguevirus-Infektion zur Verfügung (Dengvaxia®). Seit der Markteinführung von Qdenga® im letzten Jahr gibt es nun einen Impfstoff auch für Reiseimpfungen, der ab 4 Jahren unabhängig von einer vorausgegangenen Denguevirus-Infektion zugelassen ist. Die inzwischen vorliegende STIKO-Stellungnahme empfiehlt die Anwendung dennoch zunächst nur bei Personen mit stattgehabter Denguevirus-Infektion und (reise- oder berufsbedingt) erhöhtem Expositionsrisiko. Eine Impfung denguenaiver Personen kann dagegen nach Einzelfallentscheidung erfolgen – ein mögliches erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe ist jedoch noch nicht ausgeschlossen.

Auf Hochdruck: Killt RNA den stillen Mörder?

Studientelegramm 279-2024-2/3: Zu den Medikamenten der ersten Wahl bei arterieller Hypertonie zählen ACE-Hemmer/Sartane, Calciumantagonisten und Thiazide, die i.d.R. (mehrmals) täglich eingenommen werden müssen. Jedoch weniger als die Hälfte aller Betroffenen nimmt nach 12 Monaten adhärent diese Medikation ein. Neue Substanzen mit erleichterten Einnahmeempfehlungen könnten die Krankheitslast möglicherweise deutlich reduzieren.

Derzeit werden u.a. Inhibitoren der hepatischen Angiotensinogensynthese, bspw. kleine interferierende RNA (siRNA), in klinischen Studien getestet. Im JAMA wurde nun die Phase-2-Studie KARDIA-1 zur siRNA Zilebesiran bei einem systolischen Blutdruck von 135–160 mmHg publiziert: Hier reduzierte die subkutane Gabe von Zilebesiran (150 mg, 300 mg oder 600 mg alle 6 Monate bzw. 300 mg alle 3 Monate) den systolischen Blutdruck nach 3 und 6 Monaten signifikant gegenüber Placebo. Die Tatsache, dass diese Substanz nur alle 3–6 Monate appliziert werden muss, könnte die Therapieadhärenz verbessern. Andererseits stellt diese langfristige Angiotensinogeninhibition auch ein Risiko dar, bspw. in Notfällen, die mit einer Hypotonie einhergehen, da anders als bei oraler Therapie ein kurzfristiges Pausieren nicht möglich ist.

In unserem neuen Podcast zur arteriellen Hypertonie besprechen wir die aktuellen Therapiestandards, geben hilfreiche Alltagstipps zur Verwendung der Leitsubstanzen bei jungen sowie älteren Personen und erklären, welchen Einfluss eine Reduktion des Salzkonsums oder regelmäßiger Sport auf die Medikation hat.

  • Titel der Studie: RNA Interference With Zilebesiran for Mild to Moderate Hypertension – The KARDIA-1 Randomized Clinical Trial [147]
  • Autorenschaft: Bakris et al.
  • Journal: JAMA

ACC-Kongress: Early announcement of late breakers

Studientelegramm 279-2024-3/3: Das kardiologische Jahr startet im Studien-Telegramm traditionell mit dem Kongress des American College of Cardiology (ACC), aus dessen Programm wir zwei wichtige Studien vorankündigen:

EMPACT-MI: SGLT2-Inhibitoren nach einem Myokardinfarkt?

Nach einem akuten Myokardinfarkt (MI) besteht das Risiko einer Herzinsuffizienz, was eine erhöhte Mortalität mit sich bringt. Aufgrund des nachgewiesenen prognostischen Vorteils von SGLT2-Inhibitoren bei Herzinsuffizienz wird inzwischen auch deren Anwendung nach einem MI geprüft.

Noch ist die Datenlage hierzu jedoch begrenzt: Während DAPA-MI [130] keinen Effekt von Dapagliflozin auf die kardiovaskuläre Mortalität und herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen nachweisen konnte, zeigten sich in der kleineren EMMY-Studie unter Empagliflozin positive Auswirkungen auf NT-proBNP und Parameter der transthorakalen Echokardiografie. Daher werden nun die Ergebnisse der doppelblinden, randomisiert-kontrollierten Multicenterstudie EMPACT-MI [148], in der 5.000 Personen mit MI auf klinische Endpunkte untersucht werden, mit Spannung erwartet.

STEP-HFpEF-DM: Semaglutid bei HFpEF und Diabetes mellitus Typ 2?

Für Personen mit Adipositas und einer Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF) ergab die STEP-HFpEF-Studie bereits signifikante Vorteile des GLP1-Analogons Semaglutid (u.a. Gewichtsabnahme und Steigerung im 6-Minuten-Gehtest). Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 waren jedoch von der Studie ausgeschlossen. Ein ergänzender Teil des STEP-HFpEF-Studienprogramms, die doppelblinde, randomisiert-kontrollierte STEP-HFpEF-DM-Studie [149] mit 617 Teilnehmenden, soll nun Aufschluss darüber geben, ob Semaglutid zukünftig auch für Personen mit Adipositas, Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus Typ 2 empfohlen werden kann.

Die Ergebnisse beider Studien werden im Rahmen der Late Breakers auf dem ACC-Kongress vorgestellt.

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Ausgabe 278 - 10. Februar 2024toggle arrow icon

Knotenrose zum Valentinstag?

Studientelegramm 278-2024-1/4: Das Erythema nodosum (EN), ugs. auch Knotenrose genannt, ist eine Blickdiagnose. In einem Großteil der Fälle weist es auf eine Grunderkrankung hin, weshalb die Suche nach bzw. der Ausschluss einer zugrunde liegenden Erkrankung entscheidend ist. Das EN tritt insb. im jüngeren bis mittleren Erwachsenenalter auf, wobei Frauen deutlich häufiger betroffen sind, und präsentiert sich typischerweise in Form druckdolenter, rot-violetter Knoten im Bereich der Unterschenkelstreckseiten. Eine Biopsie ist nur bei atypischen klinischen Befunden notwendig. Neben der Therapie der Grunderkrankung ist i.d.R. ein symptomatisches Vorgehen indiziert (z.B. Bettruhe, Kompressionstherapie, Beine hochlagern). Bei refraktärem, chronisch-rezidivierendem oder schwerem Verlauf können auch orale Glucocorticoide eingesetzt werden.

In einem kürzlich in JAMA Dermatology veröffentlichten Research Letter wurde nun die bislang größte retrospektive Kohortenstudie (n = 340) zu Personen mit EN vorgestellt, mit interessanten Ergebnissen:

Erweiterte SELECTion: Schutz für Herz UND Nieren?

Studientelegramm 278-2024-2/4: GLP1-Agonisten sind bereits seit einigen Jahren in der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. Aufgrund ihrer stark gewichtsreduzierenden Wirkung revolutionieren sie zudem seit einiger Zeit die Adipositastherapie und sorgen leider auch für Schlagzeilen als sog. „Abnehmspritzen”. Das mittlerweile auch in Tablettenform verfügbare Semaglutid wird derzeit in Studien auf mögliche weitere positive Eigenschaften hin untersucht:

Nachdem zunächst die FLOW-Studie zu Semaglutid bei diabetesbedingter chronischer Nierenerkrankung (CKD) aufgrund eines signifikanten nephroprotektiven Effekts sogar vorzeitig beendet wurde (siehe auch: Studientelegramm 272-2023-3/3), möchten wir nun auch die SELECT-Studie erneut beleuchten (siehe auch: Studientelegramm 273-2023-2/3).

Neben kardioprotektiven Eigenschaften bei Adipositas bzw. Übergewicht untersuchte die Studie sekundär auch renale Endpunkte bei nicht-vorbestehendem Diabetes mellitus Typ 2. Auch diese ließen sich unter Semaglutid reduzieren, um ca. 20%. Da es sich dabei jedoch nur um explorative Daten handelt, sind weitere Ergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien mit primären Endpunkten notwendig, bevor ein breiter Einsatz von GLP1-Agonisten zur Nephroprotektion erwogen werden sollte.

Ein Interview mit dem Erstautor von SELECT zum Thema fand letzte Woche bei MARKUS@HOMe statt.

Semaglutid: Sicherheitsbedenken auf dem Prüfstand

Studientelegramm 278-2024-3/4: Seit Juli letzten Jahres unterzieht die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die GLP1-Analoga Semaglutid und Liraglutid einer Sicherheitsüberprüfung [152], nachdem in Zusammenhang mit deren Einnahme Suizidgedanken und selbstverletzendes Verhalten beobachtet worden waren.

In einer retrospektiven Beobachtungsstudie wurde nun das Auftreten von Suizidgedanken unter Semaglutid mit Substanzen verglichen, die einem anderen Wirkmechanismus unterliegen. Die Grundlage bildeten Datensätze von insg. rund 1,8 Mio. Personen aus einer großen US-amerikanischen Gesundheitsdatenbank: Bei 240.618 Menschen erfolgte eine Pharmakotherapie aufgrund von Übergewicht oder Adipositas (in 28,6% der Fälle mit Semaglutid), bei 1.589.855 Menschen aufgrund eines Diabetes mellitus Typ 2 (davon 1,7% mit Semaglutid). Um die systematischen Unterschiede der Therapiegruppen auszugleichen, erfolgte ein Propensity Score Matching [153]. Im 6-monatigen Follow-up-Zeitraum war eine Semaglutid-Therapie mit einem deutlich geringeren Risiko sowohl für erstmalige als auch rezidivierende Suizidgedanken (inkl. Suizidversuche) assoziiert als eine Therapie mit Nicht-GLP1-Analoga (Hazard Ratios in den Subgruppen zwischen 0,27 und 0,51). In der Studiengruppe mit Diabetes mellitus wurde zudem ein verlängerter Follow-up-Zeitraum von bis zu 3 Jahren untersucht, für den sich diese Ergebnisse reproduzieren ließen.

Interessanterweise ergaben Tiermodelle und Beobachtungsstudien darüber hinaus Hinweise auf einen reduzierten Suchtmittelkonsum unter GLP1-Analoga, insb. für Semaglutid. Da bisher jedoch keine Ergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien vorliegen, warnen Leggio et al. in einem Kommentar [154] in Nature Medicine ausdrücklich vor einem (verfrühten) Off-Label Use dieser Wirkstoffe bei Suchterkrankungen.

  • AMBOSS-Inhalte: Suizidalität | AMBOSS Podcast Alkoholkonsum: Hinschauen, ansprechen, handeln | Alkohol (Intoxikation und Abhängigkeit)
  • Titel der Studie: Association of semaglutide with risk of suicidal ideation in a real-world cohort [155]
  • Autorenschaft: Wang et al.
  • Journal: Nature Medicine

Hält Tirzepatid die Niere fit?

Studientelegramm 278-2024-4/4: Tirzepatid ist als kombinierter GLP1-/GIP-Rezeptor-Agonist ein noch potenterer Körpergewichtssenker als Semaglutid. In der Phase-II-Studie SURPASS-4, die Tirzepatid bei Personen mit unzureichend eingestelltem Diabetes mellitus und hohem kardiovaskulären Risiko im Vergleich zu Insulin glargin untersuchte, wurden post-hoc außerdem potenzielle nephroprotektive Effekte beschrieben [156]. Zur Beurteilung der Nierenfunktion diente allerdings eine kreatininbasierte Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR). Eine vermeintliche „Verbesserung“ der eGFR könnte hierbei durch eine verminderte Kreatininbildung vorgetäuscht werden, wenn im Zuge der erheblichen Gewichtsreduktion unter Tirzepatid auch ein Rückgang der Muskelmasse auftritt. Daher wurde nun in einer weiteren Post-hoc-Analyse die eGFR anhand des – von der Muskelmasse unabhängigen – Cystatin-C bestimmt. Die Ergebnisse konnten bestätigt werden: Im Vergleich zu Insulin glargin verlangsamte Tirzepatid den eGFR-Abfall (Differenz 1,4; 95% KI: 0,3–2,4). Ein Zusammenhang zwischen eGFR- und Gewichtsveränderungen zeigte sich interessanterweise nicht.

Umso mehr steigt daher die Spannung auf die Ergebnisse aktuell laufender Phase-III-Studien zu den kardiovaskulären Effekten von Tirzepatid bei Diabetes mellitus Typ 2 bzw. Adipositas (SURPASS-CVOT [157] und SURMOUNT-MMO [158]), da in diesen auch nephrologische Endpunkte untersucht werden.

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Ausgabe 277 - 27. Januar 2024toggle arrow icon

Unter Hochdruck: Entwicklung neuer Antihypertensiva

Studientelegramm 277-2024-1/3: Seit Einführung der AT1-Rezeptor-Blocker (Sartane) vor etwa 30 Jahren wurde keine nachhaltig relevante Substanzklasse zur Behandlung der arteriellen Hypertonie mehr zugelassen. Aktuell werden allerdings unterschiedliche neue Therapieansätze untersucht, die die Therapie der arteriellen Hypertonie in den nächsten Jahren revolutionieren könnten:

Der in Deutschland bereits zugelassene nsMRA Finerenon (Kerendia®) verfügt über keine ausgeprägte antihypertensive Wirkung und wird insb. zur Nephroprotektion bei chronischer Nierenkrankheit eingesetzt (siehe auch: Studientelegramm 211-2022-1/3). Deutlich stärker blutdrucksenkend könnte dagegen der nsMRA Ocedurenon wirken. Nachdem 2021 die Phase-II-Studie BLOCK-CKD [161] publiziert wurde (siehe auch: MARKUS@HOMe), wird in den nächsten Monaten mit der Veröffentlichung der Phase-III-Studie CLARION-CKD gerechnet.

„Lift me up“: AHA-Empfehlungen zum Krafttraining

Studientelegramm-277-2024-2/3: Europäische Leitlinien [162] empfehlen allen gesunden Menschen pro Woche mind. 150 Minuten moderate körperliche Aktivität, mind. 75 Minuten intensive Aktivität oder eine gleichwertige Alternative. Die Empfehlungen für gesunde ältere Personen und Menschen mit kardiovaskulären Risikofaktoren sind bis auf wenige Ausnahmen (für Hochrisikogruppen) identisch, umfassen jedoch zusätzlich konkrete Angaben zu regelmäßigem Krafttraining. Aufgrund der vielfältigen positiven Effekte körperlicher Aktivität auf die Gesundheit sind die entsprechende Anamnese, Beratung und Motivation wichtige Bestandteile der ärztlichen Tätigkeit. Zwar werden in der ärztlichen Praxis Empfehlungen zum Ausdauertraining meist berücksichtigt, Vorteile eines zusätzlichen Krafttrainings dagegen erfahrungsgemäß häufiger vernachlässigt.

Die AHA hat nun handlungsorientierte Empfehlungen zum Krafttraining publiziert, die mit anschaulichen Übersichten der wesentlichen Empfehlungen sowie Übungen zum Training der größten Muskelgruppen für die klinische Praxis illustriert wurden. Die Evidenz zu Vorteilen eines regelmäßigen Krafttrainings, ergänzend zu Ausdauersport mit moderater und hoher Intensität, wie u.a. einer reduzierten Gesamtmortalität, stammt u.a. aus einer großen prospektiven Kohortenanalyse [163] aus dem Vorjahr. Eine ausführliche Diskussion mit zwei beteiligten Autoren dieser Arbeit findet sich auf MARKUS@HOMe.

  • AMBOSS-Inhalte: Scores zur kardiovaskulären Risikoabschätzung
  • Titel des wissenschaftlichen Statements: Resistance Exercise Training in Individuals With and Without Cardiovascular Disease: 2023 Update: A Scientific Statement From the American Heart Association [164]
  • Autorenschaft: Paluch et al.
  • Journal: Circulation

Device-detektiertes Vorhofflimmern: NOAH-AFNET 6 und ARTESIA

Studientelegramm 277-2024-3/3: Device-detektiertes Vorhofflimmern (VHF), d.h. durch implantierte kardiale Devices (wie bspw. Herzschrittmacher) aufgezeichnete kurze, asymptomatische VHF-Episoden, geht mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einher. Im Vergleich zu konventionell mittels EKG diagnostiziertem VHF ist dieses Risiko jedoch deutlich geringer. Ob eine Antikoagulation auch bei Device-detektiertem VHF vorteilhaft ist, war bisher unklar.

Inzwischen wurden zwei große randomisierte Studien zu dieser Frage publiziert: NOAH-AFNET 6 (siehe auch: Studientelegramm 269-2023-1/3) und ARTESIA. Diese verglichen bei 2.536 bzw. 4.012 Personen mit Device-detektiertem VHF und zusätzlichen Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse die Wirkung und Sicherheit einer oralen Antikoagulation gegenüber einer Kontrollgruppe. In NOAH-AFNET 6 wurde Edoxaban verwendet, in ARTESIA Apixaban. In den Kontrollgruppen erhielten entweder alle Personen ASS (ARTESIA) oder nur solche mit entsprechender Indikation (NOAH-AFNET 6). Die Ergebnisse beider Studien sind diskrepant: ARTESIA wies eine signifikante Reduktion von Schlaganfällen und systemischen Thromboembolien unter Apixaban nach (Hazard Ratio 0,63; 95% KI: 0,45–0,88; p = 0,007). Gleichzeitig traten schwere Blutungen signifikant häufiger auf (Hazard Ratio 1,80; 95% KI: 1,26–2,57; p = 0,001), nicht jedoch letale oder intrakranielle Blutungen. NOAH-AFNET 6 wurde dagegen vorzeitig abgebrochen, da sich in Zwischenanalysen trotz erhöhter Blutungsgefahr unter Edoxaban kein klinischer Benefit ergab.

Bei Device-detektiertem Vorhofflimmern muss also weiterhin individuell entschieden werden, ob eine Antikoagulation sinnvoll ist. Für MARKUS@HOMe haben wir das Design und die klinischen Implikationen von NOAH-AFNET 6 und ARTESIA mit den beiden Erstautoren diskutiert [165].

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Ausgabe 276 - 13. Januar 2024toggle arrow icon

Bei Bahnausfall: Nicht auf Wanzenstraßen ausweichen!

Studientelegramm 276-2024-1/3 - In Ritzen sie sitzen, um nachts aus ihren Verstecken zu flitzen!

Der Befall mit Bettwanzen (sog. Cimikose) hat im letzten Jahr nicht nur lyrische Leckerbissen hervorgebracht, sondern auch Besucherinnen und Besucher der französischen Hauptstadt Paris verschreckt. Der Befall mit den apfelkerngroßen Ektoparasiten tritt dabei insb. nach Aufenthalt in hochfrequentierten Orten wie Betten, Kinos oder TGV-Zügen auf. Tagsüber verstecken sich die Wanzen in Ritzen u.a. von Matratzen oder Sitzgelegenheiten und beißen die darauf liegenden oder sitzenden Menschen in der Nacht. Bei Verdacht muss man auf Spurensuche gehen: Die Wanzen selbst oder ihre Spuren (Kot, Häutungsreste, Blutflecken) bestätigen den Befall.

Die Bisse ähneln Mücken- oder Flohstichen und treten vereinzelt oder in sog. Wanzenstraßen auf. An den betroffenen Stellen kommt es zu teilweise juckenden, erythematösen Papeln. Die Therapie des Ekzems ist rein symptomatisch. Kommt es zu einem Befall der eigenen Wohnräume, ist die Sanierung i.d.R. langwierig und sollte mithilfe einer professionellen Schädlingsbekämpfung erfolgen.

In unserem neuen Kapitel Bettwanzenbefall (Cimikose)“ sind alle wichtigen Informationen zusammengefasst.

AMBOSS-Inhalte: Symptome und typische Stiche des Bettwanzenbefalls | Bettwanzenbefall erkennen | Vorgehen nach Kontakt mit Bettwanzen in fremden Zimmern

Neue KDIGO-Leitlinie zur Lupusnephritis

Studientelegramm 276-2024-2/3 - Bei Personen mit systemischem Lupus erythematodes ist eine Lupusnephritis eine häufig auftretende und prognosebestimmende Komplikation. Verursacht wird sie durch Immunkomplexablagerungen, die zu einer Glomerulonephritis führen.

Nach der Publikation der Leitlinien zur Glomerulonephritis durch die KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) in 2021 wurde nun auch für die Lupusnephritis eine aktualisierte Leitlinie veröffentlicht. Anlass waren insb. die Marktzulassungen bzw. Zulassungserweiterungen des Calcineurininhibitors Voclosporin und des monoklonalen Antikörpers Belimumab. Als immunsuppressive Basistherapie sind bei aktiver Lupusnephritis der Klasse III und IV Glucocorticoide kombiniert mit Mycophenolatmofetil oder Cyclophosphamid empfohlen. Als optionale Kombinationspartner sind zudem (neben den bekannten Calcineurininhibitoren Tacrolimus und Ciclosporin A) die Substanzen Belimumab und Voclosporin hinzugekommen, wobei letzteres nur gemeinsam mit Mycophenolatmofetil verabreicht werden soll. Weiterhin beschreibt die Leitlinie, welches der beiden Medikamente bei verschiedenen klinischen Aspekten bevorzugt zu verwenden ist.

Wem die gesamte Leitlinie zu lang ist: Eine nur vierseitige Zusammenfassung [168] wurde parallel in Kidney International publiziert.

„Wake me up before you go-go”: SURMOUNT-4

Studientelegramm 276-2024-3/3 - Tirzepatid, ein kombinierter GLP1-/GIP-Rezeptor-Agonist, wurde 2022 zur Behandlung des unzureichend eingestellten Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen (siehe auch: Studientelegramm 206-2022-3/3). Ende letzten Jahres wurde die Zulassung um die Therapie der Adipositas und des Übergewichts ≥27 kg/m2 mit adipositasassoziierten Begleiterkrankungen erweitert. Während der gewichtsreduzierende Effekt des Inkretin-Mimetikums gut belegt ist (siehe auch: Studientelegramm 222-2022-2/3), untersuchte die Studie SURMOUNT-4 nun, ob dieser auch nach dem Absetzen von Tirzepatid anhält.

Hierfür wurden 670 Erwachsene mit Adipositas oder Übergewicht entsprechend der o.g. Kriterien, jedoch ohne Diabetes mellitus, nach einer 36-wöchigen Lead-in-Phase (einschleichende Tirzepatid-Gabe bis max. 10 oder 15 mg je nach Toleranz) randomisiert, diese Therapie entweder für weitere 52 Wochen fortzusetzen oder ein Placebo einzunehmen. In der Lead-in-Phase wurde eine (erwartbare) Gewichtsreduktion von 20,9% beobachtet. Nach der anschließenden Randomisierung verloren Personen unter Tirzepatid weitere 5,5% Körpergewicht, unter Placebo stieg das Gewicht dagegen um 14,0% an (Differenz -19,4%; 95% KI: -21,2 bis -17,7%; p <0,001). Tirzepatid hatte verglichen mit Placebo zudem einen positiven Einfluss auf verschiedene kardiometabolische Parameter (u.a. Taillenumfang, HbA1c, Nüchternblutzucker und Blutdruck), ging allerdings wie erwartet auch häufiger mit gastrointestinalen Nebenwirkungen einher.

„Don't leave me hanging on like a yo-yo”: SURMOUNT-4 bestätigt somit die Effektivität von Tirzepatid bei dauerhafter Einnahme. Durch eine Beendigung der Therapie hingegen wurden insb. die kardiometabolischen Benefits aufgehoben und eine signifikant geringere anhaltende Gewichtsreduktion erzielt.

Die Studie wurde von Eli Lilly finanziert.

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