Zusammenfassung
Unter dem Begriff „Weichgewebetumor“ werden mehr als 100 verschiedene, histopathologisch und molekulargenetisch differenzierbare Tumoren zusammengefasst. Ihre einzige Gemeinsamkeit besteht im Ursprung aus mesenchymalen Gewebe. Die weltweite Inzidenz maligner Weichgewebetumoren stieg in den letzten Jahren an, was u.a. durch den demografischen Wandel sowie eine verbesserte Diagnostik und Dokumentation zu erklären ist. Wegen ihrer Seltenheit werden sie oft als eine Gruppe betrachtet. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Differenzialdiagnostik, Therapie und Prognose erheblich, sodass schon beim Verdacht auf einen malignen Weichgewebetumor die Einbindung in spezialisierte Behandlungszentren empfohlen wird. Benigne Weichgewebetumoren wie bspw. Lipome können operativ ohne weitere Therapie behandelt werden. Maligne Weichgewebetumoren benötigen dagegen neben einer ausführlichen Diagnostik auch ein multimodales Therapiekonzept, meist bestehend aus einer chirurgischen Resektion sowie einer Strahlen- und ggf. Chemotherapie.
Dieses Kapitel fokussiert sich auf Weichgewebetumoren der Extremitäten. Für begleitende bzw. weiterführende Inhalte siehe auch:
Definition
- Weichgewebe
- Oberbegriff für das gesamte extraskelettale weiche Gewebe: Muskel-, Fett- und Bindegewebe (inkl. darin enthaltener Leitungsbahnen)
- Entsteht aus dem Mesenchym
- Tumor: Jede Art von lokalisierter Größenzunahme eines Gewebes oder Volumens
- Primärtumor: Gewebe, aus dem der ursprüngliche Tumor entstanden ist
- Sarkom: Heterogene Gruppe seltener maligner Tumoren ausgehend vom mesenchymalen Gewebe [3]
- Sekundäres Sarkom: Maligner (Weichgewebe‑)Tumor mit Auftreten nach einem anderen Malignom [4]
Epidemiologie
- Benigne Weichgewebetumoren: Inzidenz unklar
- Geschätzt: 300/100.000 gemeldete Personen
- Verhältnis benigne zu maligne: 100:1
- Maligne Weichgewebetumoren: Selten
- Geschätzt: 1,8–5/100.000 gemeldete Personen [3][4]
- Häufigste Lokalisation: Untere Extremität, Körperstamm, Kopf und Hals
- Kinder
- Ca. 15% aller Malignome
- Häufigste Sarkome bei Kindern: Rhabdomyosarkom und extraskelettales Ewing-Sarkom [8]
- Erwachsene
- Ca. 1% aller Malignome
- Häufigste Sarkome bei Erwachsenen: Leiomyosarkom, Liposarkom und undifferenziertes pleomorphes Sarkom [9]
Das Rhabdomyosarkom ist das häufigste Sarkom in der Kindheit! Die drei häufigsten Sarkome beim Erwachsenen sind Leiomyosarkom, Liposarkom und pleomorphes Sarkom!
Sarkome bei Kindern
Epidemiologie der Sarkome (Kinder <18 Jahre) [8] | |||||||
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Alter | Geschlechterverhältnis | ||||||
<1 Jahr | 1–4 Jahre | 5–9 Jahre | 10–14 Jahre | 15–17 Jahre | Gesamt | ||
Neuerkrankungen | 124 | 305 | 270 | 307 | 244 | 1.250 | ♂ > ♀ |
Inzidenz | 17,4 | 10,8 | 7,6 | 8,1 | 10,1 | 9,6 |
Die Inzidenz im Kindesalter ist zweigipflig verteilt, insg. sind Jungen etwas häufiger betroffen als Mädchen!
Sarkome bei Erwachsenen
Epidemiologie der Sarkome (Erwachsene) [10] | ||||||
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2017 | 2018 | Prognose für 2022 | ||||
Frauen | Männer | Frauen | Männer | Frauen | Männer | |
Neuerkrankungen | 2.090 | 2.290 | 2.160 | 2.140 | 2.400 | 2.500 |
Inzidenz | 5,0 | 5,6 | 5,1 | 5,2 | 5,6 | 6,1 |
Mittleres Erkrankungsalter | 68 | 67 | 68 | 68 | — | — |
Die Inzidenz des Sarkoms steigt mit zunehmendem Alter und ist ab dem 65. Lebensjahr bei Männern höher als bei Frauen!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie und Pathogenese
Risikofaktoren
Individuelle Faktoren
- Genetische Prädisposition [7][11]
- Einfacher genetischer Defekt: Gestörte Funktion von Genen und/oder Proteinen
- Komplexer genetischer Defekt: Störung im Zellzyklus und/oder Instabilität von Chromosomen
- 40% aller Sarkome: Spezifische Translokation oder Mutation
Auswahl genetischer Syndrome und assoziierter Sarkome [4][7] | ||
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Genetische Mutation | Assoziiertes Sarkom | Assoziierte(s) Erkrankung / Syndrom |
TP53 |
| |
RB1 | ||
NF1 | ||
APC |
| |
c-KIT , PDGFRA |
|
Bei TP53-Mutationsträger:innen sollte ein Früherkennungsprogramm mit bspw. jährlichen Ganzkörper-MRT-Untersuchungen durchgeführt werden! [12]
Personen mit Erstdiagnose eines malignen peripheren Nervenscheidentumors kann eine genetische Untersuchung auf Mutationen im NF1-Gen angeboten werden!
- Immundefekte und virale Infektion [13][14]
- Primäre Immundefekte
- Erworbene Immundefekte [15]
- Assoziierte Viren: HIV-1 und HHV-8
- Lymphödem [7][16]
- Primäres (hereditäres) Lymphödem
- Sekundäres (erworbenes) Lymphödem
- Stewart-Treves-Syndrom: (Lymph‑)Angiosarkom bei chronischem Lymphödem nach radikaler Mastektomie
- Hormone [13][14]
- Insg. nur wenige Studien, kaum Aussagekraft
- Leiomyosarkome zeigen häufig eine Östrogen-Rezeptor-Abhängigkeit
Bei Diagnose eines HHV-8-assoziierten Weichgewebetumors sollte eine potenzielle Immunschwäche abgeklärt werden! [4]
Umweltfaktoren
- Ionisierende Strahlung [7][13]
- Häufig als Folge einer Strahlentherapie
- Erhöhte Inzidenz von Weichteil- und Knochentumoren
- Latenz von >3 Jahren bis zur Tumorentstehung
- Dosisabhängiges Risiko [17][18]
- Extrem selten
- Chemikalien [13][14]
- Kontakt mit Chlorphenolen, Vinylchlorid, Phenoxyessigsäure-Herbiziden oder Dioxinen
- Chemotherapie bspw. mit Procarbazin [18]
Karzinogenese
- Komplexe Vorgänge, sehr unterschiedlich und noch z.T. unerforscht
- Genetische Alteration führt zu [19]
- Veränderten Transkriptionsfaktoren oder Tyrosinkinasen → Deregulation der Transkription verschiedener Gene und Pathways
- Inaktivierung des p53-Pathways → Kontrollverlust der DNA-Replikation, Chromosomen- und Zellteilung
- Genetische Alteration ist häufig nur für einen spezifischen Zelltyp onkogen
- Tumormikroumgebung
- Definition: Unmittelbar den Tumor umgebendes Gewebe, bestehend aus Zellen und Extrazellulärmatrix
- Bedeutung: Essenziell für Entstehung, Progression und Therapieansprechen eines Tumors [20]
- Tumorzelle: Sekretion von Zytokinen und Chemokinen
- Direkte Unterdrückung der zellulären Immunantwort [21]
- Interaktion mit mesenchymalen Zellen → Einfluss u.a. auf Angiogenese, Tumorwachstum und Metastasierung [22]
-
Mesenchymale Zellen: Bspw. krebsassoziierte Fibroblasten und tumorassoziierte Makrophagen [22]
- Beteiligt an Ausbreitung und Metastasierung des Tumors
- Beteiligt an Herstellung eines tumorprotektiven und -fördernden Milieus
- Möglichkeit für Therapieansätze über deren Biomarker
Klassifikation
Histo-immuno-morphologische Klassifizierung von Weichgewebetumoren gemäß WHO (World Health Organization) 2020 [23] | |||
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Dignität | |||
Kategorie | Benigne | Intermediär | Maligne |
Adipozytäre Tumoren |
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Fibroblastische/myofibroblastische Tumoren |
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(Sog.) Fibrohistiozytäre Tumoren |
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Vaskuläre Tumoren der Weichteile |
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Perivaskuläre Tumoren |
| — |
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Glattmuskuläre Tumoren |
| ||
Skelettmuskuläre Tumoren |
| — |
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Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) |
| — | |
Chondroossäre Tumoren | — |
| |
Nervenscheidentumoren |
| — |
|
Tumoren mit ungewisser Differenzierung |
|
|
|
Undifferenzierte/nicht-klassifizierte Tumoren (klein, rundzellig) | — | — |
Gemäß WHO-Klassifikation lassen sich >100 Subtypen diesen 12 Hauptgruppen zuordnen!
Symptomatik
- Frühe Stadien: Häufig asymptomatisch oder unspezifisch
- Ggf. lokale Symptome
- Sicht- und/oder tastbare Raumforderung
- Größenzunahme(!) der Raumforderung
- Schmerzen
- Bewegungseinschränkung
- Lymphknotenschwellung
- Kutane Veränderungen
- Symptome durch Kompression oder Verdrängung benachbarter Strukturen
- Ggf. systemische Symptome
- B-Symptomatik
- Appetitlosigkeit
- Anämie
In Bezug auf Weichgewebetumoren gibt es kein typisches Beschwerdebild!
Diagnostik
Die Diagnostik und das leitliniengerechte Vorgehen bei Weichgewebesarkomen beeinflusst erheblich die Prognose. Daher wird die frühzeitige Vorstellung in einem Sarkomzentrum empfohlen, wo im Rahmen eines interdisziplinären Tumorboards die Planung der Diagnostik und Therapie erfolgt. [4]
Anamnese [1]
- Beginn, Auslöser und Verlauf von Beschwerden
- Veränderung der Schwellung
- Vorangegangenes Trauma
- Systemische Symptome oder abnorme Laborbefunde
- Begleiterkrankungen und Vormedikation
- Sozialanamnese
Körperliche Untersuchung [1]
- Inspektion
- Palpation des Tumors
- Palpation der regionalen Lymphknoten
- Überprüfung pDMS
Labordiagnostik
- Differenzialblutbild, Gerinnungsparameter
- Entzündungsparameter: BSG und CRP
- Abhängig von der Fragestellung, bspw. bei
- Keimbahnmutation des TP53-Gens: 17-OH-Progesteron, Testosteron, DHEAS, Androstendion, LDH [4]
- Ewing-Sarkom: LDH, Ferritin [25]
Bildgebende Diagnostik [4][25]
- Standardisierte Durchführung in spezialisierten Zentren empfohlen
- Tumorspezifische Leitlinien zur Diagnosefindung und Dokumentation beachten [25][26]
Auswahl bildgebender Verfahren zur Diagnostik von Weichgewebetumoren | |||
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Verfahren | Typische Indikationen | Mögliche Befunde | Besonderheiten |
Konventionelle Röntgenaufnahme |
|
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|
(Doppler‑)Sonografie [27][28] |
|
| |
MRT mit Kontrastmittel |
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CT mit Kontrastmittel |
|
|
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PET/CT [29] |
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|
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Szintigrafie |
|
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Die Sonografie eignet sich für die primäre Bildgebung oberflächlicher Tumoren! [4]
Die MRT mit Kontrastmittel ist der Goldstandard bei V.a. maligne Weichgewebetumoren! [4][25]
Biopsie [4][25][30]
- Voraussetzung
- Durchführung in spezialisierten Zentren
- Ausreichende lokale Bildgebung vor Biopsieentnahme
- Entnahmeort
- Areal der geringsten Differenzierung ohne Nekrosen
- Komplette Mitentfernung des Biopsiekanals muss bei anschließender Resektion gewährleistet sein
- Vorgehen
- Stanzbiopsie
- Inzisionsbiopsie
- Exzisionsbiopsie
- Mögliche Befunde
- Histopathologische Subtypisierung, siehe auch: Weichgewebetumoren - Klassifikation
- Grading
- Staging
- Molekularpathologische Untersuchung
Ausreichende (lokale) Bildgebung vor Durchführung einer Biopsie ist essenziell! [25][26]
Diagnostischer Algorithmus bei Weichgewebesarkomen [31]
- Klinischer V.a. Weichgewebesarkom
- Durchführung einer Kontrastmittel-MRT (Diagnosesicherung)
- Vorstellung Sarkom-Tumorboard bzw. Referenzzentrum
- Weiterführende bildgebende Diagnostik
- Biopsie
- Staging
- Vorstellung interdisziplinäre Tumorkonferenz
Personen mit nachgewiesenem oder vermutetem Weichgewebesarkomen sollten zur individuellen Planung der weiteren Diagnostik und Therapie frühzeitig in einem Sarkom-Tumorboard bzw. Referenzzentrum vorgestellt werden!
Differenzialdiagnosen
- Prozesse mit lokaler Schwellung an den Extremitäten
- Abszess
- Aneurysma
- Hämatom
- Myositis ossificans
- Akzessorischer Muskel
- Ganglion bzw. Zyste, bspw. Baker-Zyste
- Insektenstich oder -biss
- Muskelzerrung oder Muskelfaserriss
- Benigne oder maligne Knochentumoren
- Benigne Tumoren der Haut, bspw. Atherom
- Knochen- oder Weichteiltophus bei Gicht
- Rheumaknoten bei rheumatoider Arthritis
- Prozesse mit retroperitonealer Raumforderung [3]
- Lymphom
- Metastasierter Hodentumor
- Extragonadale Keimzelltumoren
- Nierentumor
- Nebennierentumor
- Paragangliom
Die größte differenzialdiagnostische Herausforderung ist die Abgrenzung benigner von malignen Weichgewebetumoren!
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Stadien
Die Stadieneinteilung ist insb. bei den malignen Weichgewebetumoren wichtig für die Planung des multimodalen Therapiekonzeptes und hat prognostische Aussagekraft. Bei benignen Weichgewebetumoren hat die Einteilung eher akademischen Wert.
Benigne Weichgewebetumoren
Stadieneinteilung benigner Weichgewebetumoren gemäß der Musculoskeletal Tumor Society (MSTS) [34] | |
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Stadium | Merkmale |
I (inaktiv) |
|
II (aktiv) |
|
III (aggressiv) |
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Maligne Weichgewebetumoren
Grading
FNCLCC-Grading System
FNCLCC-Grading System [4][35] | |||
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Kategorie | |||
Punkte | Tumordifferenzierung | Mitoserate | Nekroseanteil |
0 Punkte | — | — |
|
1 Punkt |
|
|
|
2 Punkte |
|
|
|
3 Punkte |
|
| — |
Auswertung: Berechnung der Summe (Grading) | |||
— |
| ||
2–3 Punkte |
| ||
4–5 Punkte |
| ||
6–8 Punkte |
|
Zum Grading von Sarkomen wird häufig das FNCLCC-Grading System genutzt, es sind jedoch multiple Scores zu diesem Zweck vorhanden!
Staging
TNM-Klassifikation
TNM-Klassifikation von Weichgewebesarkomen [35] | |
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Kategorie | Kriterium |
TX | Tumor kann nicht beurteilt werden |
T0 | Kein Anhalt für Primärtumor |
T1 | Tumor ≤5 cm |
T2 | Tumor 5–10 cm |
T3 | Tumor 10–15 cm |
T4 | Tumor >15 cm |
NX | Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden |
N0 | Kein Anhalt für regionalen Lymphknotenbefall |
N1 | Regionaler Lymphknotenbefall |
MX | Fernmetastasen können nicht beurteilt werden |
M0 | Keine Fernmetastasen |
M1 | Fernmetastasen |
UICC-Klassifikation
Die Einteilung des Weichgewebesarkoms erfolgt auf Basis der TNM-Klassifikation. Therapieempfehlungen richten sich nach der aktuellen UICC/AJCC-Klassifikation, in die zusätzlich die histologische Differenzierung eingeht.
Stadieneinteilung (UICC/AJCC 2018) [4][35][36] | |||||
---|---|---|---|---|---|
Stadium | Primärer Tumor (T) | Regionale Lymphknoten (N) | Fernmetastasen (M) | Grading (G) | Zusammenfassung |
IA | T1 | N0 | M0 | G1, GX | Low-grade, <5 cm |
IB | T2, T3, T4 | Low-grade, >5 cm | |||
II | T1 | G2, G3 | High-grade, <5 cm | ||
IIIA | T2 | High-grade, 5–10 cm | |||
IIIB | T3, T4 | High-grade, >10 cm | |||
IV | Jedes T | Jedes N | M1 | Jedes G | Jeder Tumor mit Lymphknotenbefall (IVA) oder Fernmetastasen (IVB) |
Chirurgisches Staging gemäß der Musculoskeletal Tumor Society (MSTS)
Stadieneinteilung maligner Weichgewebetumoren gemäß der Musculoskeletal Tumor Society (MSTS) [34][36] | |||
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Stadium | Grading (G) | Tumorausbreitung (T) | Metastasen (M) |
IA |
|
|
|
IB |
| ||
IIA |
|
| |
IIB |
| ||
III |
|
|
|
Therapie
Benigne Weichgewebetumoren können häufig in einem ambulanten Setting ohne weitere Therapie operativ entfernt werden. Die Therapie der malignen Weichgewebetumoren erfordert dagegen ein multimodales Therapiekonzept in spezialisierten Zentren.
Benigne Weichgewebetumoren
Operative Therapie
- Indikation
- Zweifel an Benignität
- Größenzunahme oder Verdrängungssymptome (entspricht Stadium ≥II)
- Schmerzen
- Bewegungs- und/oder Funktionseinschränkung
- Patientenwunsch
- Ziel: Vollständige Resektion
- Vorgehen
- Lokale operative Resektion
- Ggf. Anwendung plastisch-rekonstruktiver Verfahren
- Histologische Untersuchung des Präparats
- Adjuvante Therapie nur in Ausnahmefällen notwendig
- Prognose: Bei vollständiger Entfernung gut (Rezidive extrem selten)
- Problematik: Abgrenzung von malignen Tumoren
Maligne Weichgewebetumoren
Lokalisierter Weichgewebetumor
Operative Therapie
- Indikation: Klinischer und/oder bildgebender Verdacht
- Ziele
- R0-Resektion, siehe auch: Tumorresektionsgrad
- En-bloc-Resektion, inkl. Biopsiezugang
- Möglichst Funktionserhalt der Extremität
- Vorgehen: Therapieplanung im interdisziplinären Tumorboard
- Größe <3 cm und oberflächliche Lage: Primäre R0-Resektion
- Extremitäten
- Primär extremitätenerhaltendes Vorgehen
- Kompartmentresektion
- Amputation ggf. bei Infiltration neurovaskulärer Strukturen oder vitaler Bedrohung
- Bei Infiltration benachbarter Strukturen : Segmentale Resektion und ggf. plastisch-rekonstruktive Verfahren
- Bei R1-Resektion: Nachresektion und ggf. nachfolgende Strahlentherapie
- Körperstamm und Thorax
- Primär multimodales Therapiekonzept
- Wenig (randomisierte) Studien zum genauen Vorgehen vorhanden
- Bei R1-Resektion: Nachresektion in spezialisierten Zentren
- Retroperitoneum und Abdomen
- Primär neoadjuvantes multimodales Therapiekonzept gemäß Entscheidung des Tumorboards
- Resektion der Neoangiogenesezone (außerhalb der Pseudokapsel des Tumors) erforderlich für R0-Resektion [3]
- Mitentfernung von Teilen der benachbarten Organe empfohlen
- Bei R1-Resektion: Keine Empfehlung zur Nachresektion
- Kopf-Hals-Bereich
- Primär „weite Resektion“ im Gesunden
- Keine generelle Empfehlung zur Neck Dissection (individuelle Indikationsstellung)
- Rekonstruktive Verfahren
- Primärer Wundverschluss: Spannungsfrei
- Ggf. temporärer Wundverschluss mit Vakuumtherapie
- Mikrovaskulärer Gewebetransfer
- Spalthaut-Transplantation: Falls keine Bestrahlung geplant ist
- Gefäß-gestielte oder freie Lappenplastik
- Knochen- oder Nerventransplantation
- Ggf. in Kombination mit (oder alternativ zu) Epithetik und Prothetik
- Prognose: Lokale Rezidive abhängig vom Resektionsstatus bzw. Tumorresektionsgrad
- Ausmaß der Resektion: Insg. 4 Möglichkeiten entsprechend der Resektionsränder nach Enneking
Resektionsränder nach Enneking [37][39] | |||
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Bezeichnung | Beschreibung | Entsprechung | Rezidivrate |
Intraläsionale Resektion | Resektionsrand liegt innerhalb des Tumors | R2-Resektion | 100% |
Marginale Resektion | Resektionsrand liegt an der Pseudokapsel des Tumors | R1-Resektion | 60–90% |
Weite Resektion | Tumor und eine umgebende Schicht gesunden Gewebes um die Pseudokapsel werden entfernt | R0-Resektion | 40% |
Kompartmentresektion | Vollständige (radikale) Resektion des Tumors und des entsprechenden Muskelkompartiments bzw. Amputation | R0-Resektion | 0–10% |
Die vollständige (radikale) Resektion des Tumors ist das wichtigste Ziel der chirurgischen Therapie bei malignen Weichgewebetumoren!
Bei Weichgewebesarkomen der Extremitäten bietet die Amputation keine höheren Überlebensraten als die extremitätenerhaltende Resektion mit adjuvanter Chemo- und Strahlentherapie! [4]
Strahlentherapie [31][40]
- Strahlenempfindlichkeit
- Ausgeprägte Unterschiede bei Subtypen
- Langsames Ansprechen
- Lokale Wachstumskontrolle mit hochdosierter Radiotherapie von >66 Gy möglich
- Strahlentherapie: Assoziiert mit Verbesserung des Gesamtüberlebens
- Präoperativ
- Senkung der Lokalrezidivrate
- Operative Therapie zwischen 3–8 Wochen nach Bestrahlung
- Intraoperativ
- Optional bei R1/R2-Resektion
- Einzeldosis von 15–20 Gy
- Postoperativ
- G1-Sarkome: Keine Indikation bei Resektion im Gesunden
- G2/G3-Sarkome: Indikation zur Bestrahlung
- Beginn 3–6 Wochen postoperativ
- Präoperativ
Chemotherapie
- Ziele
- Verkleinerung des Sarkoms
- Behandlung von Mikrometastasen
- Indikation
- Hohes Rezidivrisiko bei vorhandener Chemosensibilität
- Ggf. bei marginaler Resektion
- Durchführung: Anthracyclin-basierte Kombinationstherapie, bspw. mit Doxorubicin und Ifosfamid
Zusätzliche Therapiemodalitäten
- Regionale Tiefenhyperthermie
- Nicht-invasive lokale Erwärmung des Tumors auf 40–43 °C
- Ergänzend zu Standardtherapieverfahren möglich
- Isolierte Extremitätenperfusion
- Isolierung der Durchblutung einer Extremität über gesonderten Kreislauf
- Ziel: Tumordevitalisierung
- Indikation: Lokal weit fortgeschrittene Sarkome
- Durchführung: Applikation von bspw. rhTNFα-1a („recombinant human necrosis factor α-1a“) und Melphalan über isolierten Kreislauf
- Zielgerichtete Therapie [41][42]
- Indikation: Bspw. fortgeschrittene Weichgewebesarkome oder nicht-operable Sarkome
- Ansatzpunkte: Bspw. Angiogenese, Tumormikroumgebung, DNA-Reparaturmechanismen, mTOR-Inhibitoren
- Beispiele
- Hemmung der Angiogenese
- Tropomyosin-Rezeptor-Kinase-Hemmer
- Monoklonale Antikörper gegen PDGF-Rezeptoren
Isoliertes Lokalrezidiv [43]
- Auftreten: Häufig (17%) [44]
- Multimodales Therapiekonzept, siehe auch: Stadienadaptierte Behandlung von Weichgewebesarkomen
- Operative Therapie: Behandlung wie bei primären lokalen Tumoren
- Strahlen- und Chemotherapie: Insb. indiziert bei gering differenzierten oder großen Rezidiven
Metastasierter Weichgewebetumor [4]
- Lokalisation: Häufig Fernmetastasen (ca. 20–40%), selten Lymphknotenmetastasen (ca. 3%) [44]
- Individuelle Therapie in Abhängigkeit von
- Chemosensibilität des Sarkoms
- Ausmaß der Erkrankung
- Allgemeinzustand und Organfunktion
- Patientenwunsch
- Erstlinientherapie
- Monotherapie mit Doxorubicin
- Kombinationstherapie mit Doxorubicin und Ifosfamid
- Zweitlinientherapie
- Individuelle Entscheidung
- Therapie bspw. mit Pazopanib [45], Trabectedin [46] oder Eribulin [47]
- Operative Therapie: Einzelfallentscheidung
Stadienadaptierte Behandlung [4]
- Voraussetzung
- Behandlung in spezialisierten Zentren
- Interdisziplinäre Planung der Therapie
- Multimodales Therapiekonzept
Stadienadaptierte Behandlung von Weichgewebesarkomen (multimodales Therapiekonzept) | |||
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UICC-Stadium | Operative Behandlung | Strahlentherapie | Chemotherapie |
IA |
|
| |
IB | |||
| |||
II |
|
| |
III |
| ||
IV |
|
Komplikationen
- Allgemein: Individuell sehr unterschiedlich
- Psychische Belastung oder Erkrankung infolge der Tumorerkrankung, bspw. Depression [48]
- Komplikationen einer Strahlentherapie
- Tumorrezidiv trotz adäquater Therapie
- Häufige lokale postoperative Komplikationen [49][50]
- Wundheilungsstörung
- Infektion
- Ödem
- Serom
- Fibrosierung/Gewebeverhärtung
- Funktionseinschränkung
- Bewegungseinschränkung
- Muskuläre Schwäche
- Schmerzen
- Spätfolgen [51]
- Funktionseinschränkung [52]
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Einschränkung der Lebensqualität
- Anthracyclin-induzierte Kardiomyopathie
- Sekundäre maligne Neoplasien [53]
- Leukämie bei Therapie mit Alkylanzien
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
- Kontrollintervalle von 3 Monaten in den ersten 2 Jahren
- Meist Begrenzung des Nachsorgezeitraums auf 10 Jahre
- Anleitung zur Selbstuntersuchung der Betroffenen
- Keine allgemeingültigen Empfehlungen möglich bei großer Diversität der Tumoren
Beispielhafte Nachsorgeempfehlungen bei lokalisierten Weichgewebesarkomen der Extremitäten | ||||
---|---|---|---|---|
1.–2. Jahr | 3.–5. Jahr | Ab 6. Jahr | ||
Intervall | 3–6 Monate | 6 Monate | 12 Monate | |
Untersuchung | Körperliche Untersuchung | Körperliche Untersuchung | Körperliche Untersuchung | |
Bildgebung | Tumorregion | MRT mit Kontrastmittel | MRT mit Kontrastmittel | MRT mit Kontrastmittel |
Lunge | Low-dose CT | Low-dose CT | Low-dose CT |
Bei Weichgewebetumoren soll das Nachsorgekonzepts durch ein zertifiziertes Sarkomzentrum oder einen assoziierten Kooperationspartner festgelegt werden!
Prognose
- Rezidivrisiko abhängig von
- Resektionsstatus
- Grading
- Tumorgröße
- Lokalisation
- Histologischer Tumortyp
- Rezidivwahrscheinlichkeit: Keine allgemeingültigen Aussagen möglich, da von vielen Parametern abhängig
- Lokalisation an den Extremitäten: <15%
- Lokalisation am Körperstamm oder retroperitoneal: 90% innerhalb von 4 Jahren
5-Jahres-Überlebensrate bei Weichgewebesarkom (Erwachsene) [31] | ||
---|---|---|
Klassifikation bzw. Kriterium | Stadium bzw. Anzahl | 5-Jahres-Überlebensrate |
UICC/AJCC | I | 85–96% |
II | 72–78% | |
III | 50% | |
IV | 10% | |
FNCLCC | G1 | 80–90% |
G2 | 65–77% | |
G3 | 42–50% | |
Risikofaktoren | 1 | 94% |
2 | 79% | |
3 | 49% |
Der Resektionsstatus ist ein wichtiger Prädiktor für das Rezidivrisiko!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Bösartige Neubildungen des mesothelialen Gewebes und des Weichteilgewebes (C45-C49)
C46.-: Kaposi-Sarkom
- C46.0: Kaposi-Sarkom der Haut
- C46.1: Kaposi-Sarkom des Weichteilgewebes
- C46.2: Kaposi-Sarkom des Gaumens
- C46.3: Kaposi-Sarkom der Lymphknoten
- C46.7: Kaposi-Sarkom sonstiger Lokalisationen
- C46.8: Kaposi-Sarkom mehrerer Organe
- C46.9: Kaposi-Sarkom, nicht näher bezeichnet
C47.-: Bösartige Neubildung der peripheren Nerven und des autonomen Nervensystems
- Inklusive: Sympathische und parasympathische Nerven und Ganglien
- Exklusive: Hirnnerven (C72.2-C72.5)
- C47.0: Periphere Nerven des Kopfes, des Gesichtes und des Halses
- C47.1: Periphere Nerven der oberen Extremität, einschließlich Schulter
- C47.2: Periphere Nerven der unteren Extremität, einschließlich Hüfte
- C47.3: Periphere Nerven des Thorax
- C47.4: Periphere Nerven des Abdomens
- C47.5: Periphere Nerven des Beckens
- C47.6: Periphere Nerven des Rumpfes, nicht näher bezeichnet
- C47.8: Periphere Nerven und autonomes Nervensystem, mehrere Teilbereiche überlappend
- C47.9: Periphere Nerven und autonomes Nervensystem, nicht näher bezeichnet
C49.- Bösartige Neubildung sonstigen Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe
- Inklusive: Blutgefäß, Bursa, Faszie, Fett, Knorpel, Ligamentum (ausgenommen Bänder des Uterus), Lymphgefäß, Muskel, Sehnen (-Scheide), Synovialmembran
- Exklusive: Bindegewebe der Brustdrüse (C50.‑), Kaposi-Sarkom (C46.‑), Knorpel: Gelenk (C40-C41), Knorpel: Larynx (C32.3), Knorpel: Nase (C30.0) Mesotheliom (C45.‑), Periphere Nerven und autonomes Nervensystem (C47.‑), Peritoneum (C48.‑), Retroperitoneum (C48.0)
- C49.0: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe des Kopfes, des Gesichtes und des Halses
- Inklusive: Bindegewebe: Augenlid Bindegewebe: Ohr
- Exklusive: Bindegewebe der Orbita (C69.6)
- C49.1: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe der oberen Extremität, einschließlich Schulter
- C49.2: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe der unteren Extremität, einschließlich Hüfte
- C49.3: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe des Thorax
- Inklusive: Axilla Große Gefäße Zwerchfell
- Exklusive: Brustdrüse (C50.‑) Herz (C38.0) Mediastinum (C38.1-C38.3) Thymus (C37)
- C49.4: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe des Abdomens
- Inklusive: Bauchwand Hypochondrium
- C49.5: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe des Beckens
- Inklusive: Damm Gesäß Leistengegend
- C49.6: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe des Rumpfes, nicht näher bezeichnet
- Inklusive: Rücken o.n.A.
- C49.8: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe, mehrere Teilbereiche überlappend
- Inklusive: Bösartige Neubildung des Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe, deren Ursprungsort nicht unter den Kategorien C47-C49.6 klassifiziert werden kann
- C49.9: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.