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Zerebrale Sinus- und Venenthrombose

Letzte Aktualisierung: 1.11.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Bei zerebralen Sinus-/Venenthrombosen (auch Sinusvenenthrombosen) kommt es durch den thrombotischen Verschluss zerebraler Venen und der sie drainierenden Blutleiter (Sinus) zu venösen Abflussstörungen, die häufig zu Stauungsblutungen führen. Zu den Ursachen gehören insbesondere hormonelle Faktoren wie orale Kontrazeption und Schwangerschaft sowie Thrombophilien. Eine seltene Form stellen septische Sinusvenenthrombosen dar, bei der die Thrombose Folge entzündlicher Prozesse ist.

Klinisch äußert sich die Thrombose meist durch Kopfschmerzen, sehr häufig treten auch epileptische Anfälle, Paresen und andere neurologische Defizite auf. Die Diagnose wird über eine MRT bzw. CT mit venöser Angiografie gesichert. In der Akutphase wird eine Antikoagulation mit Heparin durchgeführt – auch beim Vorliegen einer Stauungsblutung. Mit dieser Therapie soll die weitere Ausdehnung der Thrombose und der Wiederverschluss bereits durch körpereigene Thrombolyse eröffneter Gefäßabschnitte verhindert werden. Die Antikoagulation wird im Verlauf mit oralen Antikoagulanzien für einen meist beschränkten Zeitraum fortgesetzt. Häufig haben Patienten mit Sinusvenenthrombose eine gute Prognose; daneben kommen aber auch schwere Verläufe mit hoher Letalität vor.

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Definitiontoggle arrow icon

Der Begriff „Sinusvenenthrombose“ ist weit verbreitet; gelegentlich wird auch die Bezeichnung „Sinus- und Hirnvenenthrombose“ verwendet, um sprachliche Trennung zwischen Sinus und Venen herzustellen.

Je nach Ort und Ausmaß der Thrombose werden mehrere Formen unterschieden:

  • Sinusthrombose: Isolierter Verschluss eines oder mehrerer Sinus
  • Hirnvenenthrombose: Isolierter Verschluss einer oder mehrerer Hirnvenen
    • Thrombose der oberflächlichen Hirnvenen (auch „Brückenvenenthrombose“, obwohl die Thrombose meist auch andere Gefäßabschnitte betrifft)
    • Thrombose der inneren Hirnvenen
    • Thrombose zerebellärer Venen (Rarität)
  • Sinusvenenthrombose: Kombinierte Thrombose von Venen und Sinus

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Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

Ursächliche oder begünstigende Faktoren für eine Sinusvenenthrombose können bei der Mehrzahl der Betroffenen identifiziert werden; teilweise liegen auch mehrere Faktoren vor.

Aseptische Sinusvenenthrombose (auch: blande Sinusvenenthrombose)

Septische Sinusvenenthrombose (auch: infektiöse Sinusvenenthrombose)

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Pathophysiologietoggle arrow icon

  • Hintergrund: Gestörtes Gleichgewicht prothrombotischer und thrombolytischer Vorgänge (durch Überwiegen prokoagulatorischer Faktoren)
  • Auswirkungen
    • Thromben entwickeln sich langsam in den Sinus (insb. Sinus sagittalis superior und Sinus transversi) und/oder Hirnvenen
    • Störung des Blutabflusses
    • Bei ausgedehnten Thrombosen oder schnellem Thrombuswachstum: Aufstau von Blut (Kongestion) vor thrombosiertem Gefäßabschnitt
  • Mögliche Komplikationen
    • Ischämien infolge verminderter kapillärer Perfusion
    • Entwicklung eines Hirnödems durch Austritt von Flüssigkeit
    • Stauungsblutung
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Symptomatiktoggle arrow icon

Die Diagnose Sinusvenenthrombose umfasst ein breites klinisches Spektrum, das von leichten Kopfschmerzen bis hin zu hochgradigen Paresen und schwerer Vigilanzminderung reicht!

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Diagnostiktoggle arrow icon

Bildgebung

  • Ziel: Sicherung der Verdachtsdiagnose
  • Methode der Wahl: MRT mit MR-Angiografie, alternativ CT mit CT-Angiografie
    • Kontrastmittelaussparung in Vene oder Sinus: unterbrochener Blutfluss durch Thrombus

Bei klinischem Verdacht auf eine zerebrale Sinus- oder Venenthrombose muss unverzüglich eine bildgebende Diagnostik durchgeführt werden!

MRT

  • MRT mit kontrastmittelgestützter Angiografie
    • Kontrastmittelaussparung in Vene oder Sinus: unterbrochener Blutfluss durch Thrombus
    • Thrombus: Darstellung mit Kombination aus mehreren Sequenzen und Schichtorientierungen
      • In Akutphase: T2*-Sequenz am sensitivsten (90 %), Thrombus hypointens
    • Die MRT ist der CT bei der Darstellung von Thrombosen der kortikalen Venen (Brückenvenen) überlegen
    • Ödeme, Einblutung: Darstellung in diffusionsgewichteten Sequenzen
  • MRT nativ
    • Nicht geeignet zum sicheren Ausschluss einer Sinusvenenthrombose
    • Venöse Time-of-Flight-Angiografie (TOF-MRA): Fehlendes Flusssignal in thrombosierten Gefäßen

CT

Weitere Verfahren

  • Digitale Subtraktionsangiografie (DSA)
    • Mittlerweile ohne Stellenwert für Diagnosesicherung
    • Bei Sinusvenenthrombose Füllungsdefekte, verlängerter venöser Abfluss und Umgehungskreisläufe
    • Selten zur Vorbereitung von neuroradiologischen Interventionen angewandt

Die Bildgebung kann durch Anlagevarianten der zerebralen Venen und Sinus (Hypo- bzw. Aplasie) sowie durch methodenbedingte Artefakte erschwert sein!

Labordiagnostik

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Differenzialdiagnostisch müssen andere Erkrankungen abgegrenzt werden, bei denen Kopfschmerzen und fokalneurologische Defizite auftreten können, insbesondere aufgrund der variablen Ausprägung der Kopfschmerzen bei der Sinusvenenthrombose.

Für ein Leitsymptom-orientiertes Notfallmanagement siehe: Kopfschmerzen - AMBOSS-SOP

Differenzialdiagnostisch muss auch an die septische Sinusvenenthrombose gedacht werden, die mit einer deutlich schlechteren Prognose einhergeht als die aseptische Form!

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Betroffene sollten auf einer Stroke Unit versorgt werden. Liegen Hirndruckzeichen vor, sollten sie auf einer Intensivstation in einer Klinik mit neurochirurgischer Versorgung behandelt werden.

Antikoagulation

  • Ziele und Indikation
    • Verhinderung einer Ausdehnung der Thrombose bzw. eines erneuten Verschlusses eines bereits durch körpereigene Thrombolyse wiedereröffneten Gefäßabschnittes
    • Auch bei Verläufen mit gering ausgeprägter oder fehlender Symptomatik
    • Auch bei intrazerebraler Blutung bei Sinusvenenthrombose

Akutphase: Heparin in therapeutischer Dosierung [1]

Sofern keine Kontraindikationen oder eine eventuelle kurzfristige Indikation für eine OP vorliegen, sollten in der Akutphase laut aktueller DGN-Leitlinie (2023) bevorzugt niedermolekulare Heparine eingesetzt werden. Hierfür besteht jedoch nur eine geringe Evidenz.

Nach klinischer Stabilisierung: Umstellung auf orale Antikoagulation

Die aktuelle DGN-Leitlinie (2023) empfiehlt auf Grundlage verschiedener Studien, direkte orale Antikoagulanzien den Vitamin-K-Antagonisten vorzuziehen, obwohl bisher keine Zulassung für das Krankheitsbild vorliegt. Nur beim Triple-positiven Antiphospholipidsyndrom sollte weiterhin bevorzugt mit Vitamin-K-Antagonisten behandelt werden. [1]

Weitere Therapiemaßnahmen

  • Umgang mit Risikofaktoren
    • Absetzen hormoneller Antikonzeptiva
    • Rauchen einstellen
    • Behandlung hämatologischer Grunderkrankungen
  • Hirndruck
    • Kausale Therapie durch Antikoagulation (Verbesserung des venösen Abflusses)
    • Allgemeinmaßnahmen: Oberkörperhochlagerung auf 30°, ggf. kurzzeitige Hyperventilation (Ziel-pCO230–35 mmHg), ggf. kurzzeitig i.v. Osmotherapeutikum wie Mannitol
    • Kraniektomie
      • Indikation: Große intrazerebrale Stauungsblutung und Gefahr der zentralen Herniation
      • Schnelle Durchführung (lebensrettende Maßnahme!); dabei keine Ausräumung des infarzierten Areals
      • Fortführung der Antikoagulation nach 12–24 h
    • Wiederholte Lumbalpunktion bei gesteigertem Liquordruck und Sehstörungen, ggf. ventrikuloperitonealer Shunt
  • Epileptische Anfälle
    • Anfallssuppressive Therapie
    • Bei Anfallsfreiheit Therapieende nach 3–6 Monaten
    • Keine regelhafte prophylaktische Gabe; im Einzelfall möglich
  • Schmerzen
  • Endovaskuläre Therapie

Zusätzliche Maßnahmen bei septischer Sinusvenenthrombose

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Prognosetoggle arrow icon

  • Im Vergleich zu anderen Schlaganfallsformen relativ günstige Prognose
  • (Teil‑)Rekanalisation über mehrere Wochen bis Monate beim Großteil der Patienten
  • Letalität bis 10 %
  • Residuen bei 10–15 % der Überlebenden
  • Rezidivhäufigkeit
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Präventiontoggle arrow icon

  • Antikoagulative Prophylaxe bei Patienten mit stattgehabter Sinusvenenthrombose und hohem Thromboembolierisiko vor Risikosituationen
  • Siehe: Thromboseprophylaxe
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Besondere Patientengruppentoggle arrow icon

Schwangere und Patientinnen im Wochenbett

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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