Zusammenfassung
Toxische Schocksyndrome sind Erkrankungen mit Fieber, Exanthem und Hypotonie bis hin zum Multiorganversagen. Das durch Staphylokokken verursachte Staphylococcal Toxic Shock Syndrome wurde zuerst beschrieben. Eine ähnliche Symptomatik kann auch durch β-hämolysierende Streptokokken ausgelöst werden (Streptococcal Toxic Shock Syndrome). Pathogenetisch kommt es zu einer Exotoxin-vermittelten Zytokinausschüttung. Ursächlich kann eine Infektion mit entsprechenden Erregern an einer beliebigen Körperstelle sein. Neben der intensivmedizinischen Betreuung steht die systemische Antibiotikatherapie im Vordergrund. Die Prognose ist abhängig vom Behandlungsbeginn; die Letalitätsrate ist insgesamt hoch.
Staphylococcal Toxic Shock Syndrome
Definition [1][2]
-
Staphylococcal Toxic Shock Syndrome = Akute systemische Erkrankung durch Exotoxine des Staph. aureus
- Synonym: Toxic Shock Syndrome (TSS)
Epidemiologie
- In jedem Alter möglich, Häufigkeitsgipfel im Erwachsenenalter
Ätiologie
- Erreger: Exotoxin-produzierende Staphylococcus-aureus-Stämme
- Exotoxin: TSS-Toxin-1 und seltener TSS-Toxin-2
- Pathophysiologie: Ausschüttung von Exotoxinen (Superantigene) → Aktivierung von T-Lymphozyten → Massive Freisetzung von Zytokinen
- Unterteilung
- Menstruell: Das Auftreten der insb. durch die Verwendung von Tampons bedingten menstruellen Form ist infolge verbesserter Tampons mittlerweile rückläufig
- Nicht-menstruell: Die nicht-menstruelle Form des TSS tritt zunehmend häufiger auf und kann sich auf dem Boden einer Kolonisierung oder Infektion nahezu jeder Körperstelle entwickeln
- Risikofaktoren
- Mechanische Verhütungsmittel
- Geburten (spontan und per sectionem)
- Atemwegs- und Weichteilinfektionen
- Operationen
- Verletzungen durch Fremdkörper
- Verbrennungen
Klinik und Diagnostik
Typisch sind eine Schocksymptomatik mit Hypotonie und Tachykardie, Fieber, ein großflächiges Exanthem, im Verlauf mit Hautabschälungen und schließlich Multiorganversagen.
- Hauptsymptome
- Organbeteiligung
- Gastrointestinaltrakt: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
- Niere: Kreatinin >177 μmol/L und/oder Harnstofferhöhung oder Pyurie ohne Anhalt für einen Harnwegsinfekt
- Leber: Serologische Erhöhung von Transaminasen, Bilirubin und AP
- ZNS: Vigilanzstörung, Desorientiertheit
- Muskulatur: Myalgie mit Erhöhung von Kreatinin oder Phosphokinase
- Schleimhaut: Hyperämie und Blutungsneigung
- Mikrobieller Nachweis von TSST-1-bildenden Staph. aureus im Abstrich
- Fehlender Nachweis von TSST-1-Antikörpern im Serum
Differenzialdiagnosen
Therapie
Allgemeine Maßnahmen
- Immer intensivmedizinische Betreuung
- Volumengabe
- Ggf. Herdsanierung
Medikamentöse Therapie des Staphylococcal Toxic Shock Syndrome
-
Flucloxacillin i.v.
- Jugendliche ≥12 Jahre und Erwachsene
- Säuglinge und Kinder ≥1 Monat bis <12 Jahre [3]
- Oder Cefazolin i.v.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Cefazolin (pädiatrisch)
- Oder Imipenem/Cilastatin i.v.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Imipenem/Cilastatin (pädiatrisch)
- Plus Clindamycin i.v.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Clindamycin (pädiatrisch)
- Bei MRSA-Nachweis
-
Vancomycin i.v.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Vancomycin (pädiatrisch)
- oder Daptomycin i.v.
-
Vancomycin i.v.
- Gabe von polyspezifischen Immunglobulinen: Als adjuvante Therapie bei schweren Verläufen indiziert.[4]
Prognose
- Abhängig vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns, Letalität bei Kindern 3–5%
Streptococcal Toxic Shock Syndrome
Definition
-
Streptococcal Toxic Shock Syndrome (STSS) = Akute systemische Erkrankung durch Exotoxine der β-hämolysierenden Streptokokken
- Synonym: Streptogenes Toxic Shock-like Syndrome (TSLS)
Epidemiologie
- In jedem Alter möglich, Häufigkeitsgipfel im Erwachsenenalter
Ätiologie
- Erreger: Streptococcus pyogenes (β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A)
- Exotoxine: Streptococcal Pyrogenic Exotoxins A und C (SPE-A und-C)
- Pathophysiologie: Ausschüttung von Exotoxinen → als Superantigene Aktivierung von T-Lymphozyten → massive Freisetzung von Zytokinen
- Auftreten: Meist im Rahmen einer klinisch manifesten invasiven Streptokokkeninfektion
Klinik und Diagnostik
Typisch sind eine Schocksymptomatik mit Hypotonie und Tachykardie, Fieber, ein morbilliformes (masernartiges) Exanthem, im Verlauf mit Hautabschälungen und schließlich Multiorganversagen.
- Hauptkriterien
- Nebenkriterien
- ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome)
- Koagulopathie mit <100.000 Thrombozyten/mm3 oder DIC
- Niereninsuffizienz mit Kreatinin >177 μmol/L
- Leberschädigung mit serologischer Erhöhung von Transaminasen und Bilirubin
- Weichteilnekrose
- Nachweis toxinbildender Erreger im Serum
Differenzialdiagnosen
Therapie
Allgemeine Maßnahmen
- Immer intensivmedizinische Betreuung
- Volumengabe
- Ggf. Herdsanierung
Medikamentöse Therapie
-
Penicillin G i.v. oder Ampicillin i.v. [5]
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Penicillin G (pädiatrisch) oder Ampicillin (pädiatrisch)
- Plus Clindamycin i.v.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Clindamycin (pädiatrisch)
- Gabe von polyspezifischen Immunglobulinen: Als adjuvante Therapie bei schweren Verläufen indiziert [4]
Prognose
- Abhängig vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns, Letalität ca. 30%
Meldepflicht
- Arztmeldepflicht
- Nach IfSGMeldeVO und ThürIfKrMVO (nur in Sachsen und Thüringen )
- Namentliche Meldepflicht bei Erkrankungs- und Todesfällen durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
- Nach IfSGMeldeVO und ThürIfKrMVO (nur in Sachsen und Thüringen )
- Labormeldepflicht
- Nach ThürIfKrMVO (nur in Thüringen )
- Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A, auch bei asymptomatischen Keimträgern
- Nach ThürIfKrMVO (nur in Thüringen )
- Meldepflicht für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 und § 34 IfSG
- Namentliche Meldepflicht von allen Infektionen, bei denen die Gefahr der Verbreitung besteht (§ 34 (6) IfSG)
- Namentliche Meldepflicht bei Auftreten von ≥2 gleichartigen, schwerwiegenden Erkrankungen, wenn als deren Ursache Krankheitserreger wahrscheinlich sind (§ 34 (6) IfSG)
- Namentliche Meldepflicht bei Verdachts- und Krankheitsfällen von sonstigen Streptococcus-pyogenes-Infektionen (§ 34 (1) IfSG)
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- A48.-: Sonstige bakterielle Krankheiten, anderenorts nicht klassifiziert
- B95.-!: Streptokokken und Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
- B95.0!: Streptokokken, Gruppe A, als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln
klassifiziert sind - B95.6!: Staphylococcus aureus als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
- B95.0!: Streptokokken, Gruppe A, als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.