Zusammenfassung
Die Otitis externa ist eine Entzündung des äußeren Gehörgangs, die bakteriell, durch Pilze oder allergisch bedingt sein kann. Man unterscheidet die Otitis externa diffusa (= Entzündung von Kutis und Subkutis des Gehörgangs) und die Otitis externa circumscripta (= Gehörgangsfurunkel bzw. Staphylokokkeninfektion der Haarbälge). Ein Übergang der Entzündung auf das Trommelfell (Myringitis) und/oder das äußere Ohr ist möglich. Eine gefürchtete Verlaufsform ist die Otitis externa maligna, die meist durch Pseudomonas aeruginosa ausgelöst wird und hauptsächlich schlecht eingestellte Diabetiker oder Immunsupprimierte betrifft. Sie kann früh zum Ausfall von Hirnnerven führen (oft Nervus facialis), auf den Knochen übergreifen und tödlich verlaufen. Eine umgehende klinische Einweisung und antibiotische Therapie mit pseudomonaswirksamen Antibiotika (z.B. Ciprofloxacin in hoher Dosierung) ist indiziert.
Ätiologie
Erreger
- Bakterien
- Pseudomonas aeruginosa, auch Schwimmbad-Otitis genannt (ca. 60%)
- Staphylococcus aureus (20%), Proteus mirabilis, Escherichia coli, Streptococcus species
- Pilze
- Candida albicans
- Aspergillus niger
- Allergene
- Seifen/Haarwaschmittel
- Haarspray
- Ohrpassstücke von Hörgeräten
- Chloramphenicol- oder Neomycin-haltige Ohrentropfen
Prädisposition
- Verletzungen, Mikrotraumen (z.B. Wattestäbchen)
- Gehörgangsexostosen
- Gehörgangsekzem
- Chronische Otitis media
- Malignom
- Cerumen obturans
- Warmes, feuchtes Klima (Schwimmbad)
- Speziell für die Otitis externa maligna: schlecht eingestellte Diabetiker und Immunsupprimierte
Symptomatik
- Beginn meist mit Juckreiz
-
Starke Ohrenschmerzen
- Tragusdruckschmerz, Schmerzen beim Kauen oder bei Zug an der Ohrmuschel
- Unterschiedliche Verlaufsformen
- Otitis externa diffusa (= Entzündung von Kutis und Subkutis des Gehörgangs)
- Schwellung und Rötung des äußeren Gehörgangs, gelegentlich auch präaurikulär oder im Bereich der äußeren Ohrmuschel
- Fötides Sekret im Gehörgang
- Schwerhörigkeit
- Schwellung und Rötung des äußeren Gehörgangs, gelegentlich auch präaurikulär oder im Bereich der äußeren Ohrmuschel
- Otitis externa circumscripta (= Gehörgangsfurunkel bzw. Staphylokokkeninfektion der Haarbälge)
- Rötliche Erhebung im Eingangsbereich des Gehörgangs, oft mit eitriger Einschmelzung
- Sieht einem Pickel ähnlich
- Rötliche Erhebung im Eingangsbereich des Gehörgangs, oft mit eitriger Einschmelzung
- Otitis externa diffusa (= Entzündung von Kutis und Subkutis des Gehörgangs)
- Bei einer Infektion durch Pilze sieht man oft die weißen (Candida) oder schwarzen (Aspergillus) Pilzmyzelien im Gehörgang
- Bei einer allergischen Reaktion oder im Rahmen einer Neurodermitis zeigt sich eine trockene und schuppige Gehörgangshaut
Verlaufs- und Sonderformen
Otitis externa maligna (Otitis externa necroticans)
- Definition: Nekrotisierende Entzündung des äußeren Gehörgangs
- Ätiologie
- Erreger: Meist Pseudomonas aeruginosa
- Risikofaktoren
- Ältere Diabetiker (meist mit schlechter Blutzuckereinstellung)
- Immunsuppression
- Klinik
- Beginn wie Otitis externa, meist mit sehr starken Ohrenschmerzen, heilt trotz lokaler Therapie über Wochen nicht aus
- Otorrhö
- Schallleitungsschwerhörigkeit
- Frühzeitiger Ausfall von Hirnnerven, hauptsächlich Fazialislähmung
- Übergreifen auf den Knochen möglich (Osteomyelitis)
- HNO-Diagnostik
- Otoskopie: Nach Reinigung des Gehörgangs findet man typischerweise Granulationen der Gehörgangshaut am Übergang vom knorpeligen zum knöchernen Anteil; gelegentlich liegt im hinteren Gehörgangsanteil der Knochen frei
- Audiogramm: Schallleitungsschwerhörigkeit auf der betroffenen Seite
- Ggf. Bildgebung
- Therapie
- Lokale Therapie: Wie jede Otitis externa (siehe: Therapie der Otitis externa)
- Zusätzlich: Sofortige pseudomonaswirksame i.v. antibiotische Therapie für mind. 6 Wochen [1]
- 1. Wahl
- Leichter Verlauf
- Schwerer Verlauf (mit Ausfall von Hirnnerven): Ceftazidim + Ciprofloxacin
- Bei Allergie gegen β-Lactame: Fluorchinolone wie bspw. Ciprofloxacin
- Kinder Geburt–12 J.
- Jugendliche und Erwachsene
- Bei multiresistenten Keimen und Allergie gegen β-Lactame: Colistin
- Kinder 1–12 Monate
- Kinder 1–6 Jahre
- Kinder 7–12 Jahre
- Jugendliche und Erwachsene
- 1. Wahl
- Evtl. operative Sanierung
- Therapie des oft zugrunde liegenden Diabetes mellitus
- Komplikationen
- Ausdehnung in Parotis, Foramen stylomastoideum und/oder Foramen jugulare sowie Schädelbasis möglich
- Sinus-sigmoideus-/cavernosus-Thrombose
- Sepsis, Meningitis, Epiduralabszess
- Prognose: Ist der N. facialis betroffen, liegt die Letalität bei ca. 10%
Die Otitis externa maligna ist kein Malignom!
Diagnostik
- Klinische Untersuchung
- Tragusdruckschmerz
- Schmerz bei Zug an der Ohrmuschel nach hinten oben
- Otoskopie: Geschwollener und geröteter Gehörgang
- Audiogramm: Schallleitungsschwerhörigkeit auf dem betroffenen Ohr
- Abstrich zur Erregerbestimmung
Differenzialdiagnosen
- Verletzung der Gehörgangshaut, Fremdkörper im Gehörgang
- Gehörgangspolyp
- Zoster oticus
- Gehörgangscholesteatom
- Gehörgangskarzinom
- Chronisch sezernierende Otitis media mesotympanalis mit Superinfektion der Gehörgangshaut
- Kiefergelenksentzündung oder Überbelastung (z.B. durch nächtliches Zähneknirschen): Kein pathologischer Ohrbefund
- Glossopharyngeusneuralgie: Kein pathologischer Ohrbefund
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Otitis externa diffusa
- Sorgfältige Säuberung des Gehörgangs mittels Absaugen (keine Ohrspülung!), ggf. tägliche Säuberung des Gehörgangs
-
Kurative Maßnahmen in Abhängigkeit von Klinik und Risikoprofil
- Bei leichten Infektionen: Antibiotikahaltige Ohrentropfen
- Bei schweren Infektionen und starker Schwellung: Einlage eines mit antibiotischen Tropfen, bspw. Ciprofloxacin, getränkten Gazestreifens in den Gehörgang, dieser kann bei intaktem Trommelfell zusätzlich mit Alkohol, Glucocorticoiden und einem Lokalanästhetikum benetzt werden
- Bei drohender Ausbreitung auf die Umgebung : Systemische Antibiotikagabe [2]
- Bei Immunsuppression und Diabetikern: Frühe systemische Antibiotikagabe erwägen
- Siehe auch: Otitis externa maligna
- Bei Pilzinfektionen lokale Applikation eines Antimykotikums, z.B. Clotrimazol-Creme
- Bei allergischer Ursache oder Gehörgangsekzem
- Lokal Glucocorticoide
- Oder ein Antihistaminikum
- Allergenkarenz, bspw. bei einer Allergie gegen das Material von Ohrpassstücken
- Desinfektion von Ohrpassstücken (Hörgeräte und Kopfhörer)
Otitis externa circumscripta
- Lokal antibiotikahaltige Salbe
- Ggf. Stichinzision des Furunkels, wenn bei Abszedierung keine spontane Entleerung stattfindet
- Ggf. systemische Antibiotikagabe
Prävention
- Keine Manipulation mit Wattestäbchen oder ähnlichem im Gehörgang
- Nach dem Baden/Duschen: Ohren gut abtrocknen und ggf. föhnen.
- Bei erhöhter Zerumenproduktion, z.B. bei Hörgeräteträgern: Regelmäßige Reinigung durch HNO-Arzt
- Für Taucher: Ohren nach jedem Tauchgang mit Trinkwasser ausspülen und gut abtrocknen, ggf. antiseptische Ohrentropfen
Meditricks
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Otitis externa
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- H60.-: Otitis externa
- H60.0: Abszess des äußeren Ohres
- H60.1: Phlegmone des äußeren Ohres
- H60.2: Otitis externa maligna
- H60.3: Sonstige infektiöse Otitis externa
- Badeotitis
- Otitis externa:
- diffusa
- haemorrhagica
- H60.4: Cholesteatom im äußeren Ohr
- Keratitis obturans des äußeren Ohres (Gehörgang)
- H60.5: Akute Otitis externa, nichtinfektiös
- Akute Otitis externa:
- durch chemische Substanzen
- durch Strahlung
- ekzematös
- reaktiv
- o.n.A.
- Kontaktotitis
- Akute Otitis externa:
- H60.8: Sonstige Otitis externa
- Chronische Otitis externa o.n.A.
- H60.9: Otitis externa, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.